SDV. Sprache und Datenverarbeitung

E-Books – Fakten, Perspektiven und Szenarien ... Wissenschaftliche Textproduktion digital. ... der Belletristik (zum Beispiel via Amazon im Kindle-Shop). .... Online-Zugänge, Wikipedia-artige Konzepte oder Ähnliches entstehen werden.
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SDV

SDV (Sprache und Datenverarbeitung) ISSN 0343-5202 ISBN 978-3-942158-85-5

International Journal for Language Data Processing

Sprache und Datenverarbeitung

Universitätsverlag Rhein-Ruhr

SDV (Sprache und Datenverarbeitung) 36.2/2012

9 783942 158855

E-Books – Fakten, Perspektiven und Szenarien Herausgeber: Hermann Cölfen

SDV Vol. 36.2/2012

Sprache und Datenverarbeitung International Journal for Language Data Processing 36. Jahrgang 2012

Heft 2 (2012) Begründet durch Winfried Lenders und Harald Zimmermann Herausgegeben durch den Universitätsverlag Rhein-Ruhr Redaktion Paschacker 77 47228 Duisburg von: Hermann Cölfen, Essen Ulrich Schmitz, Essen Bernhard Schröder, Essen

Schriftleitung: Ulrich Schmitz Universität Duisburg-Essen Fakultät für Geisteswissenschaften Universitätsstraße 12 45117 Essen E-Mail: [email protected] Layout: UVRR, Duisburg Titelillustration: Michael Hüter, Bochum

Sprache und Datenverarbeitung im Internet: http://www.linse.uni-due.de/sdv.html

Mitteilung der Herausgeber Manuskripte sind an die Schriftleitung zu richten. Für die Einreichung von Manuskripten ist unbedingt das Merkblatt zu beachten, das bei der Schriftleitung angefordert werden kann und im Web als PDF-Datei zur Verfügung steht. Die Zeitschrift zahlt kein Honorar. Die Autoren erhalten ein Heft kostenlos, davon ausgenommen sind Rezensionen und Kurzberichte. Für die hier veröffentlichten Beiträge hat § 4 des UrhRg Gültigkeit. Unver­langt eingereichte Beiträge

werden nur nach Aufforderung (unter Beifügung von Rückporto) zurückgesandt. Rezensionsexemplare werden an die Adresse der Schriftleitung erbeten. Nach Erscheinen der Rezension erhält der betreffende Verlag einen Beleg von der Schriftleitung. Die Zeitschrift erscheint jährlich in zwei Heften. Ab 1.1.2002 gültiger Preis (jeweils zzgl. Porto) für ein Jahresabonnement (2 Hefte): 43,50 Euro

Bestellungen sind zu richten an das: AZN – Auslieferungszentrum Niederrhein der Butzon & Bercker GmbH Hoogeweg 100, 47623 Kevelaer E-Mail: [email protected] Anzeigen: Gültig ist Anzeigenpreisliste 8.

© Die Herausgeber Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany.

ISSN 0343-5202 ISBN 978-3-942158-85-5 (Print) ISBN 978-3-942158-86-2 (E-Book)

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.ddb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Inhalt Hermann Cölfen E-Books – Fakten, Perspektiven und Szenarien ......................................... 5-15 Henning Lobin Wissenschaftliche Textproduktion digital. Perspektiven für E-Books ....... 17-27 Victor Wang Der EPUB-Standard – Stand und Perspektive ........................................... 29-42 Thomas Ernst E-Books, Netzliteratur und das Urheberrecht ............................................ 43-52 Dorothee Graf E-Book und Bibliothek ............................................................................... 53-69 Volkmar Engerer Informationswissenschaft und Linguistik. Kurze Geschichte eines fruchtbaren interdisziplinären Verhältnisses in drei Akten ......................... 71-91 Armin Hoenen Measuring Repetitiveness in Texts, a Preliminary Investigation ............... 93-104

Adressen ..................................................................................................................... 105

Hermann Cölfen

E-Books – Fakten, Perspektiven und Szenarien Vorbemerkung Die Frage, welchen Stellen- und Gebrauchswert E-Books künftig einnehmen werden, ist bis heute nicht befriedigend beantwortet. Das liegt zum einen daran, dass man nicht einfach von ‚den‘ E-Books sprechen kann, sondern dass man sie, analog zu Print-Books, weiter differenzieren muss (Belletristik, Sachbücher, Zeitungen und Zeitschriften, wissenschaftliche Monographien, wissenschaftliche Aufsätze etc.). Die Akzeptanz des Mediums E-Book hängt unmittelbar mit den Inhalten zusammen: So setzen sich E-Books im Bereich der Belletristik gegenwärtig deutlich besser durch als im Bereich wissenschaftlicher Publikationen (vgl. Lippmann et al. (2013): 50). Zum anderen spielen Fragen der technischen Handhabbarkeit, der Verfügbarkeit und der Haltbarkeit der Formate eine große Rolle – Letzteres vor allem im Bereich der Wissenschaft. Schließlich ändern sich auch die Publikationsgewohnheiten und -möglichkeiten, etwa durch Open-Source-Publikationen in der Wissenschaft oder verlagsunabhängige, von den AutorInnen produzierte E-Books in der Belletristik (zum Beispiel via Amazon im Kindle-Shop). Tages- und Wochenzeitungen haben durch ihre seit Jahren im Web kostenlos zur Verfügung gestellten Beiträge vor allem in der Generation der 20- bis 40-Jährigen die Erwartung erweckt, dass Erzeugnisse journalistischer Arbeit in der Regel kostenlos verfügbar sind. Es geht also bei der Einschätzung der Rolle von E-Books in den nächsten Jahren nicht nur um Praktikabilität, Modalität und Haltbarkeit, sondern auch um ökonomische Aspekte, ohne deren Berücksichtigung jede ohnehin nicht leicht zu erstellende Prognose und Erwartung noch spekulativer wäre. Anders gesagt: Die zunehmende Erwartungshaltung, dass digitale Publikationen für Rezipienten kostenfrei bleiben oder werden müssen, steht im Gegensatz zu den Erwartungen von Autoren und traditionellen Verwertern von Urheberrechten (Verlage). Dabei dürfte die materielle Dimension von Publikationen eine große Rolle spielen: Für ein gedrucktes Buch zahlt man eher, weil hier – stofflich fassbar – die Leistung des Verwerters offensichtlich ist. Beim E-Book hingegen ist der Produktionsaufwand weitaus weniger augenscheinlich, obwohl der gleiche oder gar ein höherer Aufwand1 für die Produktion betrieben worden ist als beim gedruckten Buch.

1 Die Umwandlung einzelner Publikationen in die unterschiedlichen Formate (PDF, EPub, Mobipocket, iBook etc.) der zahlreichen E-Book-Anbieter und deren zum Teil gravierend hohe Vermarktungsgebühren müssen ebenso erwirtschaftet werden wie die zurzeit noch höhere Umsatzsteuersatz (19 % gegenüber 7 % beim gedruckten Buch). Sprache und Datenverarbeitung 2 (2012): S. 5-15

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Studien zur Entwicklung des Buchmarkts und von E-Books Die Studie der Sinus Sociovision Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat im Jahre 2008 eine Studie bei der Sinus Sociovision GmbH in Heidelberg in Auftrag gegeben, die den Titel trägt: „Buchmarkt 2020: Szenarien für die Zukunft“2. Hier hatte man sich zum Ziel gesetzt, aus soziologischer Perspektive mögliche Szenarien für die Entwicklung des gesamten (deutschsprachigen) Buchmarktes bis Ende 2020 zu skizzieren. Dabei gehen die AutorInnen der Studie davon aus, dass „die Branche ihre Zukunft nicht frei gestalten kann, sondern äußeren Kräften unterworfen ist, die von ihr nicht gesteuert werden können“ (S. 7). Darüber hinaus „wird in diesem Projekt zunächst untersucht, welche Entwicklungen aufgrund der gegenwärtigen gesellschaftlichen Dynamik in Zukunft vorstellbar sind – und erst an zweiter Stelle wird die Frage gestellt, welche Entwicklungen für die Branche vorteilhaft oder wünschenswert wären“ (ebd.). Prognosen wollte man aber nicht erstellen, sondern Szenarien entwerfen: „Ein Szenario ist eine plausible Geschichte über eine mögliche Zukunft. Es beschreibt, wie, warum, und wann etwas passiert, wer die wichtigsten Akteure sind, und was die zentralen Treiber des Geschehens sind. Aber Szenarien sind keine Prognosen!“ (S. 11). Im Verlauf der Studie werden drei Szenarien entworfen: (1) „Free is Fair“, (2) „Shared Destiny“ und (3) „Metamorphosis“. Wie die Bezeichnungen es bereits andeuten, könnte eine sich künftig entwickelnde gesellschaftliche Nähe zum Wohlfahrtstaat („Shared Destiny“) auf der einen Seite des Spektrums oder eher sozialdarwinistischen bzw. neoliberalen nahestehenden Ideologien („Free is Fair“) auf der anderen Seite eine entscheidende Rolle spielen. In der dritten Variante („Metamorphosis“) wird ein so genannter Paradigmenwechsel imaginiert: „Die herkömmlichen Diskussionen und Konfliktlinien der Gegenwart sind unwichtig geworden; die Bürger nehmen ihre Probleme selbst in die Hand und nutzen alle Möglichkeiten, die eine global vernetzte Welt ihnen bietet. Sie verbinden Eigenverantwortung mit Gemeinschaftssinn, integrieren technischen Fortschritt mit Nachhaltigkeit, und organisieren sich und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen selbst.“ (S. 20)

Schließlich stellen die AutorInnen der Studie für die Szenarien drei Koordinatensysteme vor, in denen auf der Abszissenachse die Einheiten „Traditionelle Werte“, „Modernisierung“ und „Neuorientierung“ und auf der Ordinatenachse die Bevölkerung in drei Schichten abgebildet sind: „Untere Mittelschicht/Unterschicht“, „Mittlere Mittelschicht“ und „Oberschicht/Obere Mittelschicht“ (Aufzählungen jeweils am Ursprung des Koordinatensystems beginnend). Innerhalb dieses Koordinatensystems werden die folgenden, in der Studie so genannten „Milieus“ unterschieden: Konservative, Etablierte, Post2 Sinus Sociovision GmbH (2008): Börsenverein des Deutschen Buchhandels –Buchmarkt 2020: Szenarien für die Zukunft. Bericht. Heidelberg.

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materielle, Moderne Performer, Experimentalisten, Hedonisten, Konsum-Materialisten,  Bürgerliche Mitte, DDR-Nostalgische und Traditionsverwurzelte. Ohne weiter auf die Methode und die Kategorien dieser Studie einzugehen, darf man   davon  ausgehen, dass Studien wie diese Einfluss auf strategische Entscheidungen haben, was man in diesem Falle beim Auftraggeber der Studie, dem Börsenverein des Deutschen  Buchhandels, an den Themenschwerpunkten der Folgejahre 2009 bis 2013 auf den Buchmessen und im Börsenblatt (größtes, wöchentlich erscheinendes Fachmagazin für die  Buchbranche) ablesen kann. Die – angesichts des betriebenen Aufwands – überraschende Vagheit der ‚Ergebnisse‘ dieser Studie zeigt sich in den Handlungsempfehlungen für (a) die Verleger und Buchhändler und (b) den Börsenverein: 

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Abb. 1: (a) Empfehlungen der Studie für Verleger/Buchhändler (S. 45) Bemerkenswerterweise geht man in der Studie auf die technische Entwicklung und den möglichweise wachsenden Marktanteil der E-Books nur an zwei Stellen ein: ganz allgemein in der Skizze möglicher Szenarien für das Jahr 2020 (S. 32) und in der Auswertung einer Online-Umfrage im Rahmen der Frankfurter Buchmesse (ohne Angabe des Jahres der Umfrage!), in der knapp die Hälfte der Befragten bei E-Books erhebliches Wachstum erwarteten.

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Abb. 2: (b) Empfehlungen der Studie für den Börsenverein (S. 51)  In der Zusammenfassung der Studie präsentieren die AutorInnen ihr Untersuchungsergebnis als eine Sowohl-als-auch-Melange, die im Ergebnis lediglich Bestehendes  fortschreibt (wie etwa das Selbstverständnis des Börsenvereins) und Erwartbares aus dem Jargon der Wachstumsoptimierer pragmatisch reformuliert:  

„Der Börsenverein und mit ihm die „Welt der Bücher“ vertritt und befürwortet Werte, die am ehesten dem „Shared-Destiny“-Szenario entsprechen: Eine Welt, in der Gemeinschaftssinn, Persönlichkeitsentfaltung, gesellschaftliche Harmonie und Solidarität wichtiger sind als Wettbewerb und kommerzieller Erfolg „um jeden Preis“. Bildung, Erziehung, Wissen und kulturelles Erbe sind Werte, für die die Branche – im eigenen sowie im Interesse der ganzen Gesellschaft – einsteht. Daraus folgt, dass die Arbeit des Börsenvereins in ihren verschiedenen Facetten (Lobbying gegenüber der Politik, Dienstleistungen für die eigenen Mitglieder, Initiativen für Innovation, PR und Öffentlichkeitsarbeit etc.) immer auf diese Werte bezogen sein wird – und sein muss. Gleichzeitig jedoch gehört zu dieser Arbeit, dass auch die Förderung von wirtschaftlicher Effizienz, technologischer Innovation und professionellem Marketing, die eher der Logik des Szenarios „Free is Fair“ entsprechen – als Mittel zum Zweck – in die Arbeit des Börsenvereins integriert sein müssen.“ (S. 65)

Die E-Book-Studien des Börsenvereins (2012 und 2013) Sowohl in Verlagen als auch in Zeitschriften-Redaktionen denkt man seit einigen Jahren über das Für und Wider von E-Books nach, wobei es bis heute schwer einzuschätzen ist, wie hoch die Akzeptanz auf Seiten der LeserInnen wäre, wenn man nicht – wie bis-