schwerpunkt mittelständische wirtschaft - Innovationsindikator

Deutschlands Innovationsfähigkeit im internationalen Vergleich und über ...... Personal in Forschungs und Entwicklungsabtei lungen von ...... SeitenPlan GmbH.
3MB Größe 2 Downloads 65 Ansichten
SCHWERPUNKT MITTELSTÄNDISCHE WIRTSCHAFT

Auf der Website zum Innovationsindikator finden Sie einen ausführlichen Methodenbericht sowie weiteres Hintergrundmaterial. Außerdem können Sie dort mit „Mein Indikator“ individuell Volkswirtschaften vergleichen. Die Website ist auf allen Endgeräten vom Desktop-PC bis zum Smartphone nutzbar. www.innovationsindikator.de

Scannen Sie den QR-Code ein und gelangen Sie direkt zur Website.

Inhalt 4 Vorwort 6 Zentrale Ergebnisse 8 Handlungsempfehlungen Wie Deutschland besser wird

12 Über den Innovationsindikator

Ergebnisse 16

Deutschland hat noch Luft nach oben 35 Länder im Innovationsvergleich

22

Ein komplexes Zusammenspiel

Die Subindikatoren für Innovationsleistung

Fokus 32

Fokus KMU: Große Vielfalt bei den Kleinen Die Rolle von kleinen und mittelständischen Unternehmen im Innovationssystem

Anhang

60

Innovation messbar machen So funktioniert der Innovationsindikator

3

62

Projektpartner

63

Impressum

Vorwort Seit der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Deutsche Tele­ kom Stiftung vor zehn Jahren den ersten Innovationsindikator veröffentlich­ ten, informiert er Politik und Gesellschaft kontinuierlich und prägnant über Deutschlands Innovationsfähigkeit im internationalen Vergleich und über Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Innovationssystem. Der Innova­ tionsindikator stellt Deutschlands Innovationsfähigkeit im Vergleich zu seinen Hauptwettbewerbern in einem Ranking anhand transparenter, aktuell erho­ bener Einflussgrößen dar. Zwar hat eine solche Weltrangliste innovativer Volkswirtschaften ihre me­ thodischen Grenzen: In diesem Jahr geht es beispielsweise im Verfolgerfeld teilweise sehr eng zu – so eng, dass einzelne Rangplatzunterschiede schwer zu interpretieren sind. Auch bildet ein solches Indikatorensystem nicht alle komplexen Wirkungszusammenhänge des internationalen Innovationswett­ bewerbs ab. Doch gibt uns die Methodik, die wir zusammen mit dem Fraun­ hofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kontinuierlich weiterentwickeln, einen wichtigen Überblick über das internationale Innovationsgeschehen, über Erfolgsfaktoren und über bremsende Einflussgrößen. In jedem Fall stehen die Ergebnisse der Indikatorenanalyse nie für sich alleine: Sie müssen immer vor den konkreten Erfahrungshintergründen in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bewertet und um aktuelle Informationen und Experteneinschätzungen angereichert werden. Dazu wird auch unsere neue Partnerschaft beitragen: Im Jubiläumsjahr geben erstmals acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der BDI gemeinsam den Innovationsindikator heraus. Gleichzeitig erweitern wir das Angebot unserer Print- und Onlineformate um eine englische Ausgabe, denn der Innovationsindikator stößt längst auch international auf großes Interesse. Wir möchten mit Ihnen anhand des Innovationsindikators in einen Dialog über die Zukunftsfähigkeit unseres Wirtschafts- und Wissenschaftsstand­ ortes treten. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

4

Henning Kagermann

Ulrich Grillo

Präsident

Präsident

acatech – Deutsche Akademie der

Bundesverband der Deutschen Industrie

Technikwissenschaften

5

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Zentrale Ergebnisse Blick auf die Volkswirtschaften Deutschland behauptet sich im internationalen

Herausforderung für das Innovationssystem

Innovationswettbewerb in einem schwierigen

dar. Neue Technologien und aktuelle politische

weltwirtschaftlichen Umfeld und kann seine

Ziele wie die Digitale Agenda, Industrie 4.0 oder

Position im Innovationsindikator in der direkten

die Energiewende sind sowohl auf Expertinnen

Verfolgergruppe festigen. Andere Euro-Länder

und Experten aus dem akademischen Bereich

wie etwa Frankreich haben deutlich größere

als auch hoch qualifizierte Facharbeiterinnen

Probleme, den Anschluss an die ­Weltspitze

und Facharbeiter angewiesen. Deutschlands

zu halten. Zu den Stärken Deutschlands

Zukunftsanspruch muss der Aufstieg auf einen

­gehören Hightech-Exporte, technologiebasierte

absoluten Spitzenplatz im Innovationswettbe­

Neuerun­gen sowie die enge Zusammenarbeit

werb sein. Einen Stillstand in den Bemühungen

zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zudem

zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für

gibt es hierzulande eine hohe Innovationsnach­

Innovation darf sich die Bundesrepublik nicht

frage und ein breites Angebot an qualitativ

leisten.

hochwertigen Produkten. Die Leistungsfähig­

Die Schweiz bleibt weiterhin Spitzenreiter im

keit des deutschen Bildungssystems hat sich

Innovationsindikator, hat jedoch Punkte ein­

weiter verbessert, bleibt aber noch immer

gebüßt, weil die Ausgaben für Forschung und Entwicklung gesunken sind.

Das Bundeshaus in Bern:

hinter derjenigen der Spitzengruppe zurück. Mit

Die Schweiz ist nach den

Blick auf die demografische Entwicklung stellt

Belgien hat sich in der Spitzengruppe festge­

Ergebnissen des Innova­

der Bedarf an hoch qualifiziertem Nachwuchs

setzt. Das Land zeichnet sich durch ein gut

tionsindikators weiterhin

insbesondere im MINT-Bereich eine große

funktionierendes, ausbalanciertes Innovations­

das weltweit innovativste Land.

system aus. Die Wirtschaft in den USA hat ihre Innovations­ fähigkeit weiter verbessert. Bei Wissenschaft und Bildung verlieren die USA hingegen wei­ terhin Boden. Schweden fällt in diesem Jahr aufgrund zu ge­ ringer Investitionen in Bildung und Forschung zurück. Es gehört nun zur großen Gruppe im Mittelfeld. Südkorea kann hingegen seinen Aufwärts­ trend weiter fortsetzen. Das Land punktet mit innovationsstarken Unternehmen und einem leistungsfähigeren Wissenschaftssystem. China kann sich nicht verbessern und bleibt weiterhin hinter dem Mittelfeld zurück. Der Grund: Die Exporte der Volksrepublik stocken, die Konjunktur kühlt sich ab. Die langfristigen Folgen sind noch nicht absehbar. Reformen im Wissenschaftssystem und in der Wirtschaft bleiben entweder weiter aus oder greifen nicht. Durch die große Bedeutung Chinas als Markt sowie seiner weltweiten Verflechtungen wird eine wenig dynamische Entwicklung im Reich der Mitte weiterhin auch auf Deutschlands innovative Wirtschaft durchschlagen.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

6

Zur Bedeutung kleiner und mittelständischer Unternehmen Die Gruppe der kleinen und mittleren Unterneh­ men (KMU) ist sehr heterogen. Sie reicht von so­ genannten Hidden Champions, mittelständischen Weltmarktführern mit einer oft beeindruckenden Innovationsleistung, bis zu vielen kleinen Unter­ nehmen, die nur sporadisch oder mit geringem technologischem Anspruch Innovationen hervor­ bringen. Obwohl Deutschland über viele KMU verfügt, die technologisch an der Spitze stehen, sind deutsche KMU im Durchschnitt nicht innova­ tiver als KMU in anderen Ländern. So machen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) der KMU in Deutschland 0,31 Prozent des BIP aus – die Schweiz, Österreich, Dänemark, Finn­ land oder Südkorea erreichen fast das Dreifache dieses Werts. Auf den ersten Blick spielen KMU für das deut­ sche Innovationssystem – an den reinen Zahlen gemessen – lediglich eine nachrangige Rolle. Der Beitrag von KMU zu den FuE-Ausgaben der deutschen Wirtschaft lag zuletzt bei lediglich rund 16 Prozent. In den USA liegt der KMU-Anteil bei den FuE-Ausgaben bei 19 Prozent, in Schweden, Südkorea und Taiwan bei rund 27 Prozent. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Erstens verfügt Deutsch­ land über viele vergleichsweise große und sehr

Keine andere Volks­

innovative Großunternehmen. Dadurch fällt der

wirtschaft weist so

Anteil der KMU an den gesamten FuE-Ausgaben

Hidden Champions vereinen dabei drei Merkmale:

viele mittelständische

der Wirtschaft schon rein rechnerisch schnell

eine hohe Exportbereitschaft des Topmanage­

kleiner aus als in Ländern mit wenigen Großunter­

ments, eine starke Ausrichtung auf Kundenan­

nehmen. Zweitens geben deutsche KMU, die FuE

forderungen und die Fokussierung auf Nischen­

spiel: die Herrenknecht

betreiben, im Mittel weniger für FuE aus als KMU

märkte. Dass gerade Deutschland so viele Hidden

AG aus Schwanau. Ihre

in anderen Ländern.

Champions hat, liegt auch an der geringen Größe

Tunnelbohrmaschinen

Weltmarktführer auf wie Deutschland. Ein Bei­

des Heimatmarkts für viele Nischenanwendun­

sind rund um den

Bei den Hidden Champions nimmt Deutschland

gen: Um effiziente Produk­tionsmengen zu errei­

Globus im Einsatz.

jedoch eine ausgeprägte Sonderstellung ein: Kein

chen, muss der globale Markt bedient werden.

anderes Land weist so viele mittelständische Welt­

Diese nischenorientierte Strategie führt gleich­

marktführer auf wie Deutschland. Fast die Hälf­

zeitig dazu, dass nur wenige Hidden Champions

te aller Hidden Champions weltweit kommt aus

den Sprung zum Weltkonzern schaffen. Weil das

Deutschland. Branchen wie der Maschinenbau,

globale Marktvolumen begrenzt ist, sind auch die

die Elektroindustrie und die Metallverarbeitung

Wachstumsmöglichkeiten begrenzt.

bringen besonders viele solche Unternehmen hervor. In einer Welt sich stetig ausdifferenzieren­ der Wertschöpfungsketten ist eine hohe Export­ orientierung ein Erfolgsfaktor.

7

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Handlungsempfehlungen Wie Deutschland besser wird

8

Bedingungen für innovatives Unternehmenshandeln verbessern Die Bundesregierung verfolgt mit ihrer neuen

sondern muss auch dem Umstand Rechnung

Hightech-Strategie Beständigkeit in der Inno­

tragen, dass etwa die Arbeitsmarkt-, Steuer- und

vationspolitik, setzt gleichzeitig aber auch neue

Energiepolitik die nationale Innovationsfähigkeit

Akzente: Internationalisierung, Partizipation und

maßgeblich beeinflussen.

Transparenz, die Validierung von Ergebnissen der öffentlichen Forschung und Digitalisierung.

Die europäische Forschungsförderung kann

Der ressortübergreifende Ansatz der Hightech-

zu einem wichtigen Motor der Entwicklung

Strategie ist positiv zu bewerten, während sich

der ­deutschen Wissenschafts- und Innova­

die Wirkung der neuen, gut begründeten Ansät­

tionslandschaft werden. So steht für das neue

ze und ihrer programmatischen und operativen

Forschungsrahmenprogramm der EU – Hori­

Umsetzung noch zeigen muss.

zon 2020 – ein großes Budget zur Verfügung; zugleich gibt es ein deutlicheres Bekenntnis zu

Um eine hohe Effektivität und Effizienz der

Exzellenz und zu einer kompetenz- statt proporz­

Forschungsförderung zu sichern, sollten dabei

basierten Förderung.

regelmäßig Wirkungsanalysen nach einheitli­ chen Evaluationskriterien durchgeführt werden.

Europäisch geförderte Projekte sind wegen ihrer

Außerdem sollte transparent gemacht werden,

internationalen Dimension besonders vorteilhaft

nach welchen Kriterien die Fördermittel auf die

für Deutschland. Die starke Exportorientierung

einzelnen Felder der Hightech-Strategie verteilt

der Wirtschaft und die hohe internationale Ver­

werden.

netzung und Leistungsfähigkeit der Forschung erleichtern den Zugang für deutsche Unterneh­

Für die ambitionierten Ziele rund um die digitale

men und Wissenschaftseinrichtungen erheblich.

Agenda sind vor allem größere Investitionen in

Die Innovationspolitik von Bund und Ländern

Daten- und Transportinfrastrukturen nötig. Dabei

sollte mit ihren Programmen auf Synergien mit

kommt es zuallererst auf die Geschwindigkeit bei

der europäischen Förderung setzen.

der Umsetzung an, denn der internationale Wett­ bewerb rund um die digitale Transformation setzt gerade den Innovationsstandort Deutschland unter erheblichen Druck. Umso wichtiger ist es für die beteiligten Akteure, jetzt schnell gemeinsam in den Umsetzungsmo­ dus zu kommen. Insbesondere dürfen die Un­ ternehmen mit ihren Innovationsanstrengungen nicht warten, bis von der Politik entsprechende Fördertöpfe bereitgestellt werden. Die Politik muss ihrerseits die Rahmenbedingun­ gen für innovatives unternehmerisches Handeln verbessern. Dazu gehört nicht zuletzt die Re­ alisierung des digitalen europäischen Binnen­ markts. Ein zu kleiner Heimatmarkt aufgrund einer mangelnden Integration europäischer Märkte könnte sich sonst als Innovationshemm­ nis erweisen. Innovationspolitik darf sich außer­ dem nicht auf den engen Bereich von Bildung, Forschung und Wissenstransfer beschränken,

9

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Bildung und Wissenschaft deutlicher stärken Bildung und Wissenschaft bilden eine entschei­

Umsetzung eines vollwertigen Tenure-Track-Sys-

dende Grundlage des Erfolgs eines Innovations­

tems, das heißt eines Karrieresystems, in dem

systems. Kenntnisse in Naturwissenschaft,

junge Wissenschaftler nach wissenschaftlicher

Technik und Wirtschaft sind die Basis für die

Bewährung in dauerhafte Beschäftigungsverhält­

Fähigkeit, sich im Lebensverlauf an immer neue

nisse übernommen werden können. Dies würde

Herausforderungen anzupassen. Doch ­gerade

nicht nur stabilere Karrierewege schaffen, son­

im Bereich der MINT-Fächer (Mathematik,

dern auch die Eigenständigkeit des wissenschaft­

Informatik, Naturwissenschaften und Technik)

lichen Nachwuchses stärken. Ferner sollte die

besteht im Bildungssystem nach wie vor Hand­

Umstellung der kleinteiligen Lehrstuhlstrukturen

lungsbedarf: Das Interesse der Schülerinnen und

auf eine Departmentorganisation der Fakultäten

Schüler an MINT-Themen nimmt weiter ab, der

erwogen werden. Hierdurch könnten bestehende

Lehrermangel in MINT-Fächern wird zu einem

Kooperationspotenziale innerhalb der Fakultäten

immer größeren Problem und die Abbruchquoten

besser ausgeschöpft werden. Außerdem würde

in einigen MINT-Studienfächern sind weiterhin

so die Strategiefähigkeit der Fakultäten erhöht,

überdurchschnittlich hoch.1

was Profilbildungsprozesse der Hochschulen unterstützen kann.

Im Bereich der Hochschulen müssen sich Bund und Länder stärker koordinieren. Dabei darf es

Bei der Förderung der Zusammenarbeit zwi­

auf keinen Fall nur zu einer Umverteilung der be­

schen Wissenschaft und Wirtschaft besteht

stehenden Finanzierung oder gar einer Senkung

ebenfalls Handlungsbedarf. Dies betrifft insbe­

der Mittel kommen. Im Gegenteil, Ziel muss ein

sondere KMU. Zwar existieren hier durchaus er­

Mittelaufwuchs sein. Die Fortführung der Pakte

folgreiche Förderprogramme. Allerdings sind die

und die damit einhergehende Planungssicherheit

Antragsprozesse häufig anspruchsvoll, sodass

sind wichtige bundespolitische Akzente – die

KMU abgeschreckt werden. Die bürokratischen

Länder müssen sie nun konstruktiv aufnehmen

Hürden müssen hier abgebaut werden. Die Inno­

und tatsächlich zur Stärkung der Hochschulen

vationspolitik sollte außerdem gerade auch die

einsetzen.

Phase des Übergangs von öffentlich geförderter Forschung zur kommerziellen Verwertung von

Auf organisatorischer Ebene müssen Anreize und

Forschungsergebnissen mit geeigneten Rahmen­

Rahmenbedingungen für exzellente Forschung

bedingungen beispielsweise für Start-ups und

und Lehre gestärkt werden. Hierzu sollte die leis­

zur Mobilisierung privaten Kapitals fördern.

tungsorientierte Mittelvergabe sowohl auf der ins­ titutionellen als auch auf der individuellen Ebene intensiviert werden. Dabei sollte der Exzellenzge­ danke in der Grundlagenforschung zentral sein. Gerade „Leuchttürme“ in diesem Bereich sind eine wichtige Quelle für Inventionen. Sie sichern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stand­ orts Deutschland für zukünftige bahnbrechende Innovationen. Die Leistungsfähigkeit darf nicht zugunsten einer zu starken Anwendung in der Forschungsförderung vernachlässigt werden. Ferner müssen dem wissenschaftlichen Nach­ wuchs verbesserte Möglichkeiten zur Entwick­ lung eigener Forschungsprofile gegeben werden. Hierzu zählt insbesondere die flächendeckende

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

10

Prinzip des Easy Access für KMU realisieren KMU in der hier verwendeten europäischen

Bei der Ausgestaltung einer steuerlichen FuE-För­

Definition und der industrielle Mittelstand ­stehen

derung müssen die Anreizeffekte dieses Instru­

bei der Umsetzung von Innovationsideen vor

ments im Vordergrund stehen. Darüber hinaus

größeren Schwierigkeiten als Großunternehmen.

sollte bei allen Maßnahmen der FuE- und Inno­

FuE-Projekte stellen gemessen am Umsatz eine

vationsförderung das Prinzip des easy access zur

hohe Kostenbelastung dar, deren Finanzierung

Anwendung kommen: Antragsverfahren und die

aus eigenen Mitteln rasch an Grenzen stößt. Eine

Administration von geförderten Projekten müs­

externe Finanzierung ist oft schwierig, da externe

sen so einfach und unbürokratisch wie möglich

Kapitalgeber nur schwer die Leistungsfähigkeit von

gestaltet sein.

KMU einschätzen können. Scheitert ein Projekt, kann das leicht die Existenz des gesamten Unter­

Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt ist die Fach­

nehmens gefährden. Der Ressourcenschwäche

kräftesituation. Beim Zugang zu Hochqualifi­

von KMU steht gleichzeitig eine Umsetzungsstärke

zierten sind KMU strukturell benachteiligt. Die

gegenüber: Sie sind meist besser als Großunter­

demografische Entwicklung verschärft die Fach­

nehmen in der Lage, Innovationen schnell in den

kräfteknappheit zusätzlich. Fachkräfte, die aus

Markt zu bringen. Eine öffentliche Unterstützung

dem Ausland zuwandern, könnten diese Situation

von Innovationsaktivitäten in KMU ist volkswirt­

verbessern. KMU haben bei der Einstellung von

schaftlich sehr sinnvoll. Erstens mobilisiert sie zu­

hoch qualifizierten Zuwanderern jedoch Hürden

sätzliche Innovationspotenziale. Zweitens führt sie

zu überwinden. Helfen würden einfachere büro­

rascher zu Innovationserfolgen. Und drittens kann

kratische Abläufe sowie eine Unterstützung bei

sie wesentlich zu einer Erhöhung der technologi­

den anfallenden administrativen Vorgängen. Eine

schen Leistungskraft der Wirtschaft beitragen, vor

generelle Absenkung der Schwellenwerte beim

allem wenn innovative KMU mit der Wissenschaft

Bruttojahresgehalt im Rahmen der Regelung zur

zusammengebracht werden.

„Blue Card EU“ könnte den strukturellen Nachteil für KMU ausgleichen.

Ein wesentlicher Ansatzpunkt für die Stärkung von KMU ist die Finanzierung. Derzeit geben KMU

Allerdings ist keineswegs sichergestellt, dass KMU

hierzulande im Durchschnitt weniger für Forschung

in Zukunft in gleichem Maße wie bisher dazu bei­

und Innovation aus als vergleichbare Unternehmen

tragen werden, Deutschlands Spitzenposition im

in den meisten anderen europäischen Ländern.

Innovationswettbewerb zu sichern. Gerade in den

Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten müssen

bislang erfolgreichen Branchen weist Deutschland

deutsche KMU häufig ihre gesamten Ausgaben

nur eine geringe Zahl an Start-ups auf, die mit

für Forschung und Innovation aus eigenen Mitteln

Innovationen Märkte grundlegend verändern und

finanzieren, da die öffentlichen Förderprogram­

so den strukturellen Wandel der Wirtschaft – zum

me nur einen Teil der KMU erreichen. Das betrifft

Beispiel im Kontext der digitalen Transformation –

vor allem KMU, die keine formale FuE betreiben.

voranbringen. Die innovationspolitischen Förder­

Sie stellen die Mehrheit der innovativen KMU in

strategien müssen gerade diese wichtigen Akteure

Deutschland und verfolgen durchaus aussichts­

des Innovationssystems stärker im Blick haben. So

reiche Innovationsstrategien.

bieten offene digitale Plattformen neue Chancen für KMU und Start-ups, ihre Innovationskraft in

Die meisten anderen Länder im Innovationsindika­

den neu entstehenden digitalen Ökosystemen zur

tor bieten dagegen eine indirekte, meist steuerliche

Geltung zu bringen und sich mit anderen Akteuren

Förderung an. Ein solches breitenwirksames Ins­

zu vernetzen.2

trument fehlt in der Bundesrepublik. Viele Innova­ tionsprojekte in KMU sind deshalb finanziell nicht ausreichend ausgestattet oder erreichen nur einen geringen Innovationsgrad.

11

1 Siehe beispielsweise MINT-Nachwuchsbarometer 2014 und 2015 (Hrsg.: acatech/Körber Stiftung) 2 Siehe auch den Bericht zu Smart Service Welt (www.acatech.de/smart-service-welt)

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Über den Innovationsindikator Neue Produkte, Prozesse und Dienstleistungen, die

System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsru­

sich auf Märkten durchsetzen, oder auch die qua­

he in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Euro­

litative Verbesserung bestehender Produkte und

päische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim

Prozesse werden in volkswirtschaftlicher Hinsicht

erstellt. Er vergleicht die Innovationsleistung von

als Innovationen bezeichnet. Innovationen sind

35 Ländern anhand von 38 Einzelindikatoren.

für die meisten Unternehmen und ganze Bran­ chen der Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und

Grundprinzipien des Innova­tionsindikators sind:

Wachstum. Deutschland ist auf besondere Weise

1. Modellgestützter Ansatz bei der Indikatoren­

auf Innovationen angewiesen, um im Angesicht

auswahl: Jeder einzelne der 38 Indikatoren

des demografischen Wandels das Wachstum von

wurde auf Basis seines statistisch überprüften

Wirtschaft und Wohlstand sowie die Handlungs­

Erklärungswerts für die nationalen Innovations­

fähigkeit der öffentlichen Hand zu sichern.

leistungen ausgewählt. Auf diese Weise wird sowohl eine Übersichtlichkeit als auch die Rele­

Aus ökonomischer Perspektive gibt es eine Vielzahl

vanz der Ergebnisse sichergestellt.

von Faktoren und Einflüssen, die die private Inno­

2. Unterteilung der Indikatoren nach Input/Output

vationstätigkeit fördern oder gar erst ermöglichen.

und Subsystemen (Wirtschaft, Bildung, Wis­

Die sogenannten user-led innovations werden zum

senschaft, Staat, Gesellschaft): Dies ermöglicht

Beispiel von zahlreichen Akteuren vorangetrieben

detaillierte Analysen der Stärken und Schwä­

– etwa den Unternehmen, den Forschungseinrich­

chen einzelner Länder und somit zielgerichtete

tungen, den Forschungsförderern, den Bildungs­ institutionen, aber auch den Innovationsfinanzie­

Handlungsempfehlungen. 3. Einbeziehung harter und weicher Indikato­

rern sowie den Abnehmern und Nutzern von Inno­

ren: Innovationstätigkeiten hängen sowohl von

vationen, die Dienstleistungen und Produkte häufig

direkt messbaren Faktoren wie zum Beispiel

selbst verbessern und anpassen. Das Zusammen­

den zur Verfügung stehenden finanziellen und

spiel dieser Faktoren, Einflüsse und Akteure bildet

personellen Ressourcen ab als auch von eher

das nationale Innovationssystem.

weichen, nicht unmittelbar messbaren Faktoren wie etwa gesellschaftlichen Einstellungen. Der

Ein gut funktionierendes Innovationssystem

Innovationsindikator sammelt auch relevante

ermöglicht, dass Unternehmen innovativ sein kön­

Daten dieser weichen Faktoren, um Innovati­

nen, und sichert so Arbeitsplätze und Wohlstand.

onssysteme in ihrer Gesamtheit abzubilden. Das

Allerdings befinden sich die Unternehmen als

unterscheidet ihn von vielen ähnlich gelagerten

Anbieter von innovativen Gütern und Dienstleis­

Indikatorensystemen.

tungen im Wettbewerb – und das gilt im weiteren

4. Hohe Aktualität der Ergebnisse durch Verwen­

Sinn somit auch für die Innovationssysteme. Da­

dung von Prognose und Hochrechnungsver­

bei ist es wichtig, dass Unternehmen und Verbän­

fahren (Nowcasting) für die Einzelindikatoren:

de ebenso wie die Politik oder öffentliche Organi­

Alle Indikatoren beziehen sich auf 2014.

sationen die Position Deutschlands im weltweiten Innovationswettbewerb einschätzen und verorten können. Nur so können sie Maßnahmen ergreifen,

Herausforderungen der Messung

die die Situation sichern oder verbessern. Dazu sind eine differenzierte Analyse und ein internatio­

Der Innovationsindikator ist ein sogenannter

naler Vergleich unumgänglich.

Kompositindikator, bei dem einzelne, für das Innovationssystem relevante Teilindikatoren durch

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Der Innovationsindikator hat genau das zum Ziel.

Gewichtung zu einer zusammenfassenden Maß­

Im Auftrag von acatech – Deutsche Akademie

zahl verdichtet werden. Der Innovationsindikator

der Technikwissenschaften und des Bundes­

verwendet dabei eine Gleichgewichtung, um die

verbands der Deutschen Industrie (BDI) werden

Berechnung transparent und nachvollziehbar zu

35 Volkswirtschaften daraufhin untersucht, wie

halten. Dennoch wären auch andere Gewich­

innovationsorientiert und -fähig sie sind. Der Inno­

tungsverfahren denkbar und sind in vergleichba­

vationsindikator wird vom Fraunhofer-Institut für

ren Analysen zum Einsatz gekommen. Um die

12

Robustheit der Ergebnisse gegenüber abweichen­

explizit sowohl den aktuellen Politikkontext als

den Gewichtungen zu analysieren, bedienen sich

auch mögliche zukünftige Entwicklungen zu be­

die Autoren der Studie moderner statistischer

rücksichtigen suchen.

Simulationsmethoden. Dabei zeigen sich die Er­ gebnisse als äußerst robust und die Einordnungen der Analyse somit als verlässlich.

Hauptelemente des Innovationsindikator-Modells

Struktur der Studie

INPUT

GESELLSCHAFT

vationspolitik bzw. das Innovationssystem hin. Das

Gewichtung deutlich erkennbare Zuordnungen zu

erste Hauptkapitel stellt die Indikatorergebnisse der 35 Länder in der Gesamtperspektive vor und

Es lässt sich also mit großer Sicherheit sagen,

diskutiert dabei die Positionen ausgewählter Län­

dass ein Land zum Beispiel zu der Verfolger- oder

der – darunter natürlich insbesondere Deutsch­

der Spitzengruppe zählt. Dementsprechend wird

lands. Danach folgen Ergebnisse für die einzelnen

sich die Interpretation der Rangplätze im Wesent­

Teilbereiche des Innovationssystems: Wirtschaft,

lichen auf diese Gruppenzugehörigkeit und stabile

Wissenschaft, Bildung, Staat und Gesellschaft.

langfristige Entwicklungstrends konzentrieren.

INPUT

INPUT

INPUT

WISSENSCHAFT



OUTPUT

WIRTSCHAFT OUTPUT



BILDUNG OUTPUT

 

gewissen Gruppen an Volkswirtschaften heraus.



zentrale Zukunftsherausforderungen für die Inno­

sich weitgehend unabhängig von der jeweiligen



Ergebnisse zusammen und weisen auf einige

kreten Abschneiden der Länder. Allerdings bilden

 

fahren zu geringfügigen Unterschieden im kon­

OUTPUT

 

Die folgenden Kapitel fassen die wichtigsten

 

So führen zwar unterschiedliche Gewichtungsver­

INPUT

STAAT OUTPUT

Kleinere Veränderungen zu den Vorjahren sowie

Das Fokusthema des diesjährigen Innovationsindi­

geringe Abstände zwischen einzelnen Ländern

kators beschäftigt sich mit kleinen und mittelstän­

sollten dabei nicht überinterpretiert werden.

dischen Unternehmen (KMU) im Innovationspro­

Quelle: eigene Darstellung

zess und ihren besonderen Eigenschaften und Be­

Dynamisches Umfeld

dürfnissen. Das Thema wird aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. So gibt es einerseits eine Diskussion über forschungsintensive KMU und ihre

Innovationssysteme sind hochgradig dynamisch:

Innovationsmuster und andererseits eine Erörte­

Sie verändern sich unablässig und häufig in

rung der Besonderheiten von Unternehmen ohne

schwer vorhersehbarer Weise. Diese Veränderun­

oder mit nur wenig eigener formaler Forschung

gen können einen gravierenden Einfluss auf die

und Entwicklung, die aber dennoch innovativ tätig

Funktionsweise des Innovationssystems ausüben.

sind. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf mittelstän­

Dies stellt wiederum Messmodelle wie den Inno­

dischen Hidden Champions. Dies sind Unterneh­

vationsindikator vor große Herausforderungen, da

men mit hoher Exportorientierung, einer starken

dieser die volkswirtschaftlichen Innovationsfähig­

weltweiten Marktposition und einer dynamischen

keiten auf Basis eines vorneweg definierten Indika­

Entwicklung, die einer breiten Öffentlichkeit im

torensets erfasst. Unerwartete Entwicklungen so­

Allgemeinen wenig bekannt sind. Ergänzend gibt es

wie strukturelle Veränderungen, wie sie beispiels­

einen Vergleich der Leistungsfähigkeit von KMU in

weise im Zuge der digitalen Transforma­tion der

Deutschland und Japan sowie eine Erörterung der

Wirtschaft zu erwarten sind, erfordern zum einen

stärkeren internationalen Position deutscher KMU.

eine ständige kritische Auseinandersetzung mit der Angemessenheit der verwendeten Indikatoren.

Website mit mehr Informationen

Zum anderen muss der rein quantitative Indikato­ renansatz immer durch qualitative Einschätzun­

Der Bericht fasst die Haupt­ergebnisse der auf

gen ergänzt werden, die darauf abzielen, Entwick­

Daten für 2014 beruhenden Analysen zusammen.

lungen zu antizipieren, die sich möglicherweise

Profile für einzelne Länder oder Vergleiche zwi­

erst in Jahren in Zahlen messbar niederschlagen.

schen ver­schiedenen Volkswirtschaften können auf

Aus diesen Gründen folgt der Innovationsindikator

www.innovationsindikator.de erstellt werden. Dort

dem Ansatz, die quantitativen Ergebnisse gezielt

findet sich auch eine ausführliche Dokumentation

um qualitative Einschätzungen zu ergänzen, die

der Methoden und verwendeten Indikatoren.

13

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Deutschland hat noch Luft nach oben 35 Länder im Innovationsvergleich

16

Der Innovationswettbewerb wird intensiver. Die Spitzenreiter büßen ihren Vorsprung gegenüber der Verfolgergruppe langsam ein. Die besonders innovativen Länder rücken enger zusammen. Die Schweiz bleibt an der Spitze.

Der Innovationsindikator nutzt eine Vielzahl von

im Portfolio haben, bei denen ihre Leistungsfähig­

Kenngrößen, die die unterschiedlichen Dimen­

keit weniger deutlich ausgeprägt ist oder bei denen

sionen von Innovation zu einer einzelnen Maß­

Innovation eine geringe Rolle spielt. Die Indexwerte

zahl verdichten. Die Ergebnisse zeigen, dass sich

des Innovationsindikators spiegeln die vielfältigen

Gruppen von ähnlich leistungsstarken Ländern

und komplexen Dimensionen von Innovation wider.

herausgebildet haben. Die Gruppenzugehörigkeit ist über die Zeit recht stabil, während innerhalb der Gruppen durchaus Verschiebungen stattfinden, die durch kurzfristige konjunkturelle Schwankungen sowie durch kleinere Änderungen in der Leistungs­ fähigkeit der Subsysteme erklärt werden können. Wenn es knapp zugeht, können kleine Änderungen größere Wirkung auf die Rangplätze haben. Deutschland gehört den Ergebnissen zufolge zwar nicht zur absoluten Spitze im internationalen Innovationswettbewerb, wie es eigentlich sein An­ spruch sein sollte, ist aber Teil der direkten Verfol­ gergruppe. Bemerkenswert ist, dass Deutschland beim Innovationsindikator im Vergleich der großen Volkswirtschaften am besten abschneidet, wenn­ gleich Länder wie die USA oder Großbritannien nur knapp hinter Deutschland ebenfalls in der Verfol­ gergruppe zu finden sind. Der Innovationsindikator nutzt durchgehend relative Kenngrößen, um die Innovationsfähigkeit möglichst unabhängig von der Größe eines Landes zu bewerten. Die Zielgrößen Wohlstand oder Bruttoinlandsprodukt werden da­ her beispielsweise in Relation zur Bevölkerungs­ zahl gemessen. Damit bildet der Innovationsindi­ kator ab, dass es für eine Volkswirtschaft aus der Perspektive der Sicherung von Wohlstand und Wachstum durch Innovationen vorrangig darum gehen muss, pro Kopf ein möglichst gutes Ergeb­ nis zu erzielen. Für große Volkswirtschaften ergibt sich daraus eine umso größere Herausforderung, da sie flächen­ deckend eine hohe Leistungsfähigkeit erreichen müssen. Kleinere Länder können hier leichter Spezialisierungsvorteile erreichen. Naturgemäß sind die thematischen und sektoralen Profile von

Gesamtergebnis des Innovationsindikators Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Indexwert Schweiz Singapur Finnland Belgien Deutschland Irland Niederlande USA Österreich Schweden Dänemark Großbritannien Südkorea Norwegen Australien Israel Kanada Frankreich Taiwan Japan Tschechien Portugal Spanien Ungarn Italien China Polen 12 Russland 11 Griechenland 8 Türkei 5 Südafrika 5 Indonesien 2 Mexiko 0 Indien 0 Brasilien 0 0

10

75 64 57 56 56 53 52 51 51 51 51 50 50 49 47 47 46 45 45 43 29 25 24 22 20 19

20

30

40

50

60

70

80

90

100

größeren Ländern breiter, sodass sie auch Themen

17

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

len weltweiten Klima im Wesentlichen seinen Kurs. Die Weltwirtschaft wuchs 2014 nur gering, vor allem China entwickelte sich weniger dynamisch als erwartet. Da die Volksrepublik weltweit zuneh­ mend wichtig für innovative Produkte ist, blieb dies nicht ohne Konsequenzen: Die wirtschaftlichen Verschränkungen in Branchen wie der Automobilin­ dus­trie, der Elektrotechnik und der Konsumelek­tronik haben längst dazu geführt, dass auch Europa spürt, wenn sich die Konjunktur in China abkühlt. Die amerikanische Wirtschaft wiederum war noch nicht dermaßen erholt, dass sie einen Ausgleich zur chinesischen Marktentwicklung ermöglicht hätte. Dieses Szenario – mit umgekehrten Vorzeichen – hatte es in der Erholungsphase nach dem starken Einbruch der Wirtschaftsleistung 2009 gegeben. Das Wachstum in China hatte das Schwächeln der USA deutlich abmildern können. So war es Deutschlands Volkswirtschaft möglich gewesen, die schwierigen Zeiten gut zu überstehen. Jetzt hat die Konjunkturabkühlung aber auch die chinesi­ sche Wirtschaft erreicht und negative Auswirkun­ gen auf Deutschland scheinen schwer vermeidbar. Auch im laufenden Jahr 2015 sind die Prognosen

Industrie 4.0 war eines der

für China als Markt alles andere als rosig. ­Daneben

Top-Themen der diesjähri­

bleiben die Schwierigkeiten vor Ort in Europa

gen CeBIT. Partnerland war unter anderem China, das nach den USA den größten IT-Markt der Welt hat.

weiterhin bestehen. Der europäische Binnenmarkt Die Studie schafft einen einheitlichen Maßstab für

als wichtigster Markt für deutsche Produkte und

die Innovationsleistung und -fähigkeit von 35 Volks­

insbesondere für die innovativen Hochtechnologie­

wirtschaften. Erneut – wie seit Beginn des Unter­

güter zeigt eine verhaltene Dynamik.

suchungszeitraums im Jahr 1990 – weisen die Er­ gebnisse die Schweiz als das weltweit innova­tivste Land aus. Es bildet gemeinsam mit Singapur die

Bald Innovations­weltmeister?

Spitzengruppe. Wie die Sensitivitätsanalyse belegt, liegen beide Länder, egal wie man die einzelnen

Ob Deutschland in den kommenden Jahren in die

Indikatoren auch gewichtet, stets an der Spitze.

Spitzengruppe aufrücken und seinem Anspruch, eine führende Innovationsnation zu sein, gerecht

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

In einer längeren Perspektive zeigt sich allerdings,

werden kann, hängt einerseits davon ab, ob das

dass die Schweiz lediglich bis Anfang der 2000er-

Thema Innovation kontinuierlich ganz oben auf

Jahre ihren Vorsprung ausbauen konnte. Seither

der Agenda relevanter Akteure in Wissenschaft,

wird der Abstand zu den anderen Ländern geringer,

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft steht. Insbe­

die nachfolgenden Länder holen also auf. Die Un­

sondere dürfen sich diese Überlegungen nicht auf

terschiede in der Leistungsfähigkeit verringern sich

den engen Bereich von Bildung, Forschung und

nicht nur im Mittelfeld, sondern gerade auch an

Wissens­transfer beschränken. Vielmehr wird die

der Spitze. Zur Verfolgergruppe hinter der Schweiz

Innovationsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft

und Singapur gehört auch Deutschland, das in

durch die Entscheidungen in anderen Politik­

diesem Jahr insgesamt den fünften Platz einnimmt.

bereichen, etwa der Arbeitsmarkt-, Steuer- und

Deutschland hält damit in wirtschaftlich schwieri­

Energiepolitik, in erheblichem Maße beeinflusst.

gen Zeiten und einem für Innovationen nicht idea­

Somit muss die Frage beantwortet werden, wie

18

innovative Aktivität bei sämtlichen wirtschafts-

wichtigen Bereichen des Innovationssystems.

und gesellschaftspolitischen Weichenstellungen

Denn bei Bildung und Wissenschaft befinden sich

mehr in den Mittelpunkt der Bemühungen gerückt

die USA – im Vergleich zu den meisten anderen

werden kann.

Ländern – weiterhin auf einem leicht absteigen­ den Ast. Österreich kann zum vorderen Mittelfeld

Themen wie Digitalisierung, moderne Arbeitswelt

aufschließen. Die Alpenrepublik verbessert sich

oder Nachhaltigkeit der Energieversorgung stehen

in Bildung und Wissenschaft und profitiert davon,

weiterhin weit oben auf der politischen Agenda.

dass einige Länder Punkte verloren haben.

Teilweise ist die konkrete Umsetzung von Projek­ ten bereits angelaufen. Diese Aktivitäten reichen über die Digitale Agenda und die damit eng

Schweden fällt zurück

verbundene Industrie 4.0 hinaus, Themen wie die Erneuerung der Energieversorgung, Mobilität und

Schweden ist nunmehr im vorderen Mittelfeld

Umweltschutz sind davon ebenfalls beeinflusst.

angekommen. Zum Ende der 1990er-Jahre und

In jedem Fall erfordern diese Herausforderun­

über das gesamte erste Jahrzehnt des neuen

gen gemeinsame Anstrengungen, bestmögliche

Jahrtausends hinweg gehörte Schweden zur

Rahmenbedingungen für Innovationen in diesen

Spitzengruppe. Seit 2001 ist aber eine negative

Bereichen zu schaffen. Der Staat ist besonders

Entwicklung festzustellen. Im Wesentlichen liegen

gefragt, wenn es um die kontinuierliche Verbes­

die Ursachen bei den Subindikatoren Bildung,

serung der Infrastrukturen für Bildung, Forschung

Staat und Wirtschaft. Das schwedische Bildungs­

und Wissenstransfer sowie die Förderung des

system verliert deutlich an Qualität, sichtbar auch

Wettbewerbs als vorrangigem Vehikel des Ent­

an den PISA-Ergebnissen. Daneben sind seit

deckungsprozesses für neue Lösungen geht.

Mitte der 2000er-Jahre die Budgets für staatliche Leistungen in Bereichen wie Bildung und Ver­

Die Verfolgergruppe hinter der Spitzengruppe im

waltung nicht maßgeblich gestiegen, weshalb die

Innovationswettbewerb führen Finnland, Belgien

Leistungsfähigkeit insgesamt gesunken ist.

und Deutschland an. Belgien, das seit rund fünf Jahren kontinuierlich seine Innovationsfähigkeit

Schwedens Platzierung, dies zeigen die Sensi­

ausbauen konnte und dieses Niveau in den ver­

tivitätsanalysen, beruht auf einer für das Land

gangenen Jahren gehalten hat, hat sich damit als

ungünstigen Konstellation der Indikatoren. Diese

ein besonders innovatives Land etabliert. Hinter

Analysen belegen damit eine auf wenigen Einzelin­

Deutschland beginnt das vordere Mittelfeld, be­

dikatoren beruhende Schieflage und deuten keinen

stehend aus Irland, den Niederlanden, den USA,

generellen Verlust der Leistungsfähigkeit im gesam­

Österreich und Schweden, und erstreckt sich bis

ten Innovationssystem an – jedenfalls bisher nicht.

hin zu Dänemark, Großbritannien, Südkorea und

Seit Kurzem verfolgt das Land eine neue Strategie,

Norwegen.

die unter anderem die deutsche Hightech-Strategie

Deutschland muss den Anspruch haben, die führende Innovationsnation der Welt zu werden.

zum Vorbild hat. Für die Zukunft ist von Schweden In dieser Gruppe hat sich Irland nach seinen Kri­

daher sicherlich mehr zu erwarten als der diesjähri­

senjahren stabilisiert. Etwas anders stellt sich das

ge Platz am Ende des Verfolgerfeldes. Die Platzie­

Bild für die USA dar. Zwar ist die Wirtschaftskrise

rung Südkoreas verbessert sich in diesem Jahr.

größtenteils überwunden. Für die Innovations­

Das Land präsentiert sich als starke, aufstrebende

leistung der US-Wirtschaft bedeutet das positive

Volkswirtschaft, das jedoch seine Stärken bislang

Impulse, insbesondere für die Internetwirtschaft.

nur in wenigen Bereichen wie Informations- und

In diesem Bereich haben die USA sicher ein enor­

Kommunikationstechnologien ausspielen konnte.

mes Potenzial – nicht zuletzt aufgrund der Größe

Das Land arbeitet daran, die eigene technologische

des nationalen Marktes –, beispielsweise vor dem

Basis zu verbreitern, beispielsweise im Bereich der

Hintergrund des digitalen Wandels die Entwick­

Material- und Biotechnologie, und stellt damit seine

lung von neuen Geschäftsmodellen maßgeblich

Rolle als innovationsorientierte und entwickelte

voranzutreiben. Was die USA dabei allerdings

Volkswirtschaft unter Beweis. Südkoreas leicht

bremsen könnte, ist der relative Stillstand in zwei

verbesserter Indexwert resultiert insbesondere

19

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

China verfehlt den Anschluss ans Mittelfeld.

aus dem verbesserten Ergebnis beim Subindikator

men seines Innovationssystems in den vergange­

Wissenschaft. Mit Ausnahme der internationalen

nen Jahren vorzeigen kann. Zwar gab es Ansätze

Kopublikationen verbesserte sich Südkorea in allen

zur Dezentralisierung auch der Innovationspolitik

anderen Teilbereichen des Subindikators Wissen­

bzw. der innovationspolitischen Instrumente sowie

schaft. Besonders gute Werte erreicht Südkorea

einen Versuch zur Stärkung gerade von kleinen

bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung

und mittelständischen Unternehmen (KMU),

in öffentlichen Forschungseinrichtungen sowie

beispielsweise durch eine steuerliche Förderung

bei den Patentanmeldungen aus der öffentlichen

der Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

Forschung.

Auch in der öffentlichen Forschung wollte man mit der Auflösung der Grands Programmes und der

Das hintere Mittelfeld beginnt mit Australien, Is­rael

Gründung der Agence Nationale de la Recherche

und Kanada. Auch Frankreich gehört zu dieser

(ANR) eine stärkere Anwendungsorientierung

Gruppe, da es noch keine messbaren Verbesse­

erreichen. Insgesamt ist es aber nicht gelungen,

rungen durch seine – meist halbherzigen – Refor­

die eingefahrenen Strukturen in Wissenschaft und Wirtschaft aufzubrechen. Frankreich kommt damit nicht von der Stelle und fällt im internationalen Vergleich in längerer Perspektive zurück.

Gesamtranking der Länder 2000–2014 Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

2000 Schweiz Schweden USA Finnland Belgien Singapur Israel Kanada Frankreich Deutschland Niederlande Dänemark Großbritannien Norwegen Japan Australien Österreich Irland Südkorea Taiwan Tschechien Russland Ungarn Spanien Indien Italien Polen Indonesien China Griechenland Portugal Brasilien Mexiko Türkei Südafrika

2005 Schweiz Schweden USA Finnland Singapur Niederlande Kanada Dänemark Belgien Deutschland Norwegen Großbritannien Österreich Israel Frankreich Australien Irland Japan Südkorea Taiwan Tschechien Spanien Ungarn Indien Italien China Russland Polen Portugal Griechenland Südafrika Indonesien Brasilien Mexiko Türkei

2010 Schweiz Singapur Schweden Deutschland Finnland Niederlande Norwegen Österreich USA Belgien Kanada Taiwan Dänemark Frankreich Großbritannien Australien Irland Südkorea Israel Japan Tschechien Ungarn Spanien Portugal China Italien Indien Russland Polen Griechenland Indonesien Südafrika Brasilien Mexiko Türkei

2013 Schweiz Singapur Finnland Belgien Schweden Deutschland Norwegen Niederlande Irland Großbritannien Taiwan Dänemark USA Österreich Kanada Australien Frankreich Südkorea Israel Japan Tschechien Spanien Portugal China Ungarn Italien Russland Griechenland Polen Südafrika Indonesien Türkei Indien Brasilien Mexiko

Taiwan ist in diesem Jahr deutlich zurückgefallen. 2014 Schweiz Singapur Finnland Belgien Deutschland Irland Niederlande USA Österreich Schweden Dänemark Großbritannien Südkorea Norwegen Australien Israel Kanada Frankreich Taiwan Japan Tschechien Portugal Spanien Ungarn Italien China Polen Russland Griechenland Türkei Südafrika Indonesien Brasilien Indien Mexiko

Der Verlust hängt mit der direkten Abhängigkeit vom kriselnden China und zunehmenden Schwä­ chen in den Bereichen Bildung und Staat zusam­ men. Ebenfalls am unteren Endes des hinteren Mittelfelds liegt Japan. Diese Platzierung mag dem gängigen Bild einer besonders innovations­ orientierten Nation widersprechen. Die Ursachen sind – wie schon in den Vorjahren – sehr niedrige Werte in den Bereichen Gesellschaft und Wissen­ schaft, in denen sich die geringe internationale Vernetzung des Landes widerspiegelt.

China verfehlt Anschluss Das deutlich abgeschlagene Feld der Nachzügler besteht aus süd- und osteuropäischen Ländern: Tschechien, Portugal, Spanien, Ungarn und Italien. China verfehlt weiterhin den Anschluss ans Mittel­ feld. Immerhin weisen dort die Outputindikatoren leicht nach oben. Das Verhältnis zwischen Input und Output in der dortigen Wirtschaft ist allerdings noch nicht vollständig ausgeglichen. Insgesamt befindet sich die Produktivität im Land weiterhin auf niedrigerem Niveau. Die vergangenen Unter­ suchungen im Innovationsindikator hatten China bereits einen weiten Weg bis zum Anschluss an das Mittelfeld prognostiziert. Die aktuellen Ergeb­ nisse bestätigen diese Erwartung: China braucht weiterhin Anstrengungen und strukturelle Anpas­ sungen im Forschungs- und Wissenschaftssys­

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

20

tem. Polen und Russland eröffnen mit deutlichem

und erreichen einen Indexwert von 0. Das bedeu­

Abstand zu China eine Gruppe von Ländern, der

tet, dass sie im Durchschnitt der 38 Einzelindika­

bisher nur eine geringe Innovationsleistung attes­

toren nicht das Niveau des schlechtesten Landes

tiert werden kann. Auch Griechenland gehört hier

aus der Referenzgruppe (USA, Japan, Deutsch­

dazu. Dahinter reihen sich die Türkei, Südafrika

land, Großbritannien, Frankreich, Italien, Schweiz)

und Indone­sien ein. Schlusslichter sind Mexiko,

erreichen.

Indien und Brasilien. Diese drei Länder fallen im interna­tionalen Vergleich sogar noch weiter zurück

Exkurs

Sensitivitätsanalyse Die Ergebnisse und Rankings von Komposit­ indikatoren hängen stark von den gewählten ­A ggregationsgewichten ab. Daher ist es von großer Bedeutung, die Robustheit der erzielten Ergebnisse bei einer Veränderung der zugrunde gelegten Gewichte zu untersuchen. Hierfür werden Sensitivitätsanalysen durchge­ führt, bei denen anstelle einer Gleichgewichtung Zufallsgeneratoren die Gewichtung bestimmen. Es ergeben sich zufällige Gewichtskonstellationen mit der Bedingung, dass die eingesetzten Gewich­ te allesamt Werte größer null annehmen, die zu einem jeweils spezifischen Ranking der Länder führen. Dieses Ranking, das sich bei der zufälligen Ge­ wichtung ergibt, wird aufgezeichnet und der Vor­ gang viele Male wiederholt. Am Ende erhält man auf diese Weise simulierte Schwankungsinter­valle für die Rankings der einzelnen Länder, die es er­ möglichen, die Robustheit der Ergebnisse zu un­ tersuchen. Es bilden sich weitgehend unabhängig von der jeweiligen Gewichtung deutlich erkennba­ re Zuordnungen zu gewissen Gruppen an Volks­ wirtschaften heraus. Es lässt sich also mit großer Sicherheit sagen, dass ein Land zum Beispiel zu der Verfolger oder der Spitzengruppe zählt.

Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen zur Gewichtung der Einzelindikatoren des Innovationsindikators Land Schweiz Singapur Finnland Belgien Deutschland Irland Niederlande USA Österreich Schweden Dänemark Großbritannien Südkorea Norwegen Australien Israel Kanada Frankreich Taiwan Japan Tschechien Portugal Spanien Ungarn Italien China Polen Russland Griechenland Türkei Südafrika Indonesien Brasilien Indien Mexiko Rang

21

1

3

5

7

9

11

13

15

17

19

21

23

25

27

29

31

33

35

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Ein komplexes Zusammenspiel Die Subindikatoren für Innovationsleistung

22

Kluge Wissenschaftler, eine umtriebige Wirtschaft und eine Gesellschaft, die neuen technischen Entwicklungen und Innovationen gegenüber aufge­schlossen ist: Es gibt zahlreiche Einflussfaktoren der Innovationsfähigkeit eines Landes. Fünf Subsysteme im Innovationsindikator spiegeln diese Vielschichtig­keit wider und ermöglichen einen differenzierteren Vergleich zwischen ver­schiedenen Ländern.

Wirtschaft

Die Stärken der deutschen Wirtschaft wie die Ex­ porte und technologiebasierte Neuerungen spie­

Die Wirtschaft ist der Dreh- und Angelpunkt des

geln sich in den guten Ergebnissen verschiedener

Innovationssystems. Für diesen Bereich führt

Einzelindikatoren wie den Patentanmeldungen

der Innovationsindikator entsprechend auch die

oder der Wertschöpfung je Arbeitsstunde wider.

meisten Einzelindikatoren zusammen. Hier liegt die Schweiz ganz deutlich vorne. Das Land konnte in dieser Kategorie gegenüber dem Vorjahr weiter zulegen – entgegen dem schweizerischen Ge­ samttrend über alle Indikatoren hinweg. Die Wirt­ schaft der Schweiz stützt den Spitzenplatz in der

Ergebnis des Subindikators Wirtschaft

Gesamtwertung weiterhin als wesentliche Säule.

Rang

Allerdings zeigen auch die anderen Teilbereiche, dass die Schweiz in jeder Hinsicht ein Innova­ tionssystem auf hohem Niveau besitzt. Es beginnt mit Südkorea ein sehr breites Mittel­ feld. Auch in der Gesamtwertung zieht die starke Wirtschaft Südkorea deutlich nach oben. Anders als die Schweiz hat Südkorea allerdings ein weni­ ger herausragendes Profil in anderen Bereichen des Innovationssystems, sodass es im Gesamtver­ gleich nur für das obere Mittelfeld reicht. Im vorderen Bereich und ebenfalls mit einer inno­ vationsstarken Wirtschaft finden sich die USA. Die hohe Punktzahl in diesem Subindikator passt zwar in das Bild, das häufig von den USA gezeichnet wird. Das Potenzial der US-amerikanischen Wirt­ schaft zur Entwicklung und Umsetzung von neuen Geschäftsmodellen ist sicherlich enorm. Allerdings repräsentiert die Wirtschaft alleine nicht die Inno­ vationsfähigkeit eines Landes. Für mittel- bis lang­ fristige Erfolge bei Innovationen sind auch andere Teilbereiche von Bedeutung. In den vergangenen Jahren haben die USA bei einigen Subindikatoren im Vergleich zu anderen Ländern an Boden verlo­ ren, insbesondere in der Wissenschaft. Auch für Deutschland sind die hier vorliegenden Ergebnisse ein Beleg für eine ausgeprägte Inno­ vationsorientierung der Wirtschaft und eine hohe

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Indexwert Schweiz Südkorea USA Taiwan Israel Deutschland Belgien Norwegen Irland Japan Singapur Schweden Finnland Österreich Niederlande Dänemark Frankreich Großbritannien Australien Kanada Ungarn Tschechien Spanien Portugal Russland China Südafrika Italien Türkei Indonesien Griechenland Indien Polen Brasilien Mexiko

70 58 58 57 57 56 56 55 55 53 53 52 51 50 50 47 46 44 37 37 31 30 27 21 20 20 16 15 15 11 8 6 6 6 1 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Leistungsfähigkeit im internationalen Vergleich.

23

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

0

Die japanische Wirtschaft gerät unter Druck.

Belgien, Norwegen und Irland liegen auf einem

Spanien auf Platz 23 hält den Anschluss an diese

ähnlichen Niveau wie Deutschland oder die USA.

Gruppe und setzt sich mit deutlichem Abstand von

Die Abstände zwischen den direkt hinter der

Portugal, Russland und China ab, die allesamt ein

Schweiz liegenden Ländern sind sehr gering: Irland

ähnliches Niveau erreichen. China kann die Inno­

auf Platz 9 und Südkorea auf Rang 2 trennen

vationsfähigkeit seiner Wirtschaft nicht ­deutlich

lediglich drei Punkte. Bereits etwas abgesetzt

und nachhaltig verbessern. Das wirkt sich negativ

von den unmittelbaren Verfolgern findet sich eine

auf die Gesamtentwicklung Chinas aus. Auch der

Gruppe bestehend aus Japan, Singapur, Schweden

angestrebte Umbau der Wirtschaft hin zu einer

sowie Finnland, Österreich und den Niederlanden.

innovationsorientierten Volkswirtschaft dürfte sich

Diese Länder zeichnen sich durch eine hohe Stabi­

unter diesen Voraussetzungen schwierig gestalten.

lität in ihren Kennzahlen aus. Einzige Ausnahme ist

Auf China folgen Südafrika, Italien und die Türkei

Japan, das in der Wirtschaft zurückfällt. Sie ist dort

auf einem ähnlichen Niveau. Die Länder ­haben

2014 deutlich geschrumpft, verschiedene Einzelin­

einigen Abstand zu Indonesien und einen deut­

dikatoren ebenfalls.

lichen Abstand zu den letztplatzierten Ländern ­Griechenland, Indien, Polen, Brasilien und ­Mexiko.

Das Ende des Mittelfelds bilden Dänemark, Frank­ reich und Großbritannien. Erst mit einem Abstand von sieben Punkten folgen dann Australien und

Wissenschaft

Kanada – die wiederum deutlich vor Ungarn und Tschechien liegen. Beide Länder behalten zwar

Das Wissenschaftssystem ist ebenfalls eine

ihre jeweilige Position, doch die Wirtschaft hat

tragende Säule jedes Innovationssystems: Das

dort merklich an Innovationsstärke eingebüßt.

grundlegende Wissen, aus dem Unternehmen

Die schweizerische Wirtschaft bleibt das Nonplusultra im Innovationsindi­ kator. Hier eine Szene aus dem Labor des Technolo­ gieunternehmens Sias, das auf Entwicklung, Enginee­ ring und Produktion von automatisierten Pipettierrobotern spezialisiert ist.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

24

Innovationen entwickeln können, stammt häufig aus der Wissenschaft. Zwischen Wirtschaft und Wissenschaft finden essentielle Wissens- und Technologietransfers statt. Außerdem ist die Wissenschaft ein Faktor für die Ausbildung von Personal in Forschungs- und Entwicklungsabtei­ lungen von Unternehmen. Im Vergleich der Wissenschaftssysteme stehen Dänemark und Singapur an der Spitze. Dahin­ ter folgt die Schweiz, die lange auf dem ersten Platz stand, nun aber ihre Führung eingebüßt hat, nachdem in den vergangenen Jahren be­ reits einige Länder deutlich aufgeholt hatten. Das hohe Niveau bei der Anzahl der Forschenden, den Ausgaben für die öffentliche Forschung und bei der Bewertung durch Experten hat das Land nicht gehalten. Spitzenreiter Dänemark hingegen legt bei Einzelindikatoren wie den Patenten aus öffentlicher Forschung zu und rückt damit im Subindikator Wissenschaft an die Spitze. Alle drei Länder liegen zwar beieinander und deutlich vor der Verfolgergruppe bestehend aus Schweden, Finnland, den Niederlanden und Belgien. Zwi­ schen Belgien und dem dahinterliegenden Öster­ reich auf Platz 8 liegt schon ein gewisser Abstand. Mit einem Indexwert von insgesamt 63 Punkten erreicht die Alpenrepublik den gleichen Wert wie Deutschland. Deutschland hält das dritte Jahr in Folge sein Niveau in der Wissenschaft, aber ohne weiteren

Ergebnis des Subindikators Wissenschaft Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Indexwert Dänemark Singapur Schweiz Schweden Finnland Niederlande Belgien Österreich Deutschland Norwegen Australien Frankreich Irland Großbritannien Südkorea Kanada USA Israel Portugal Tschechien Taiwan Japan Spanien Ungarn Italien Griechenland Südafrika Indonesien China Türkei Russland Polen Mexiko Indien Brasilien

Aufwärtstrend. Ein Schritt in die richtige Richtung

92 92 88 71 71 70 68 63 63 62 60 56 55 54 52 52 49 45 40 35 34 32 28 24 19 16 8 6 0 0 0 0 0 0 0 0

ist die Verlängerung der Pakte, für deren Beurtei­

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

lung es derzeit allerdings noch zu früh ist, sowie die Einigung zwischen Bund und Ländern in Finanzierungsfragen. Die Voraussetzungen für eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit von Bund

weitere Herausforderungen, die eine zusätzliche

und Ländern bietet die Grundgesetzänderung3 des

Niveauerhöhung erschweren. Die Fokussierung

Art. 91 b Anfang 2015. Das modifizierte Gesetz

auf Exzellenz begleitet von einer leistungsori­

ermöglicht nun eine langfristige Förderung von

entierten Mittelvergabe hat in den vergangenen

Hochschulen nicht nur durch die Länder, sondern

Jahren zwar zugenommen. Dennoch besteht hier

auch durch den Bund.

auch im internationalen Vergleich noch Luft nach oben. Leistungsanreize sollten auf allen Ebenen

Wichtig ist, dass Deutschland bei seinen Anstren­

konsequent gestärkt werden. Hinzu kommt die

gungen im Bereich Wissenschaft, Forschung

Herausforderung, den zahlreichen jungen Wissen­

und Entwicklung auf keinen Fall nachlässt,

schaftlern mehr Eigenständigkeit bei der Entwick­

sonst wäre schnell ein Abstieg im internationa­

lung eigener Forschungsprofile zu bieten. Hierzu

len Vergleich der Innovationssysteme zu erwar­

könnten insbesondere vollwertige Tenure-Track-

ten. Neben der Finanzierung gibt es heute aber

Systeme beitragen.

25

3 www.bmbf.de/de/17975.php

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Hinter Deutschland im unteren Mittelfeld finden

und bekannter Forschungsuniversitäten sehr viel

sich Norwegen und Australien sowie mit etwas Ab­

Mittelmaß. Ankündigungen der Obama-Regierung

stand auch Frankreich, das gemeinsam mit Irland,

zu innovationspolitischen Zielen wie der Nutzung

Großbritannien, Südkorea und Kanada zu einer

neuer Produktionstechnologien (National Strategic

Gruppe von Ländern mit ähnlicher Leistungsfähig­

Plan for Advanced Manufacturing) könnten jedoch

keit der Wissenschaftssysteme zusammengefasst

Verbesserungen für das Wissenschaftssystem

werden kann. In den USA setzt sich der langfristige

bedeuten. Die Indexwerte nehmen bei den nach­

Abwärtstrend des Wissenschaftssystems – nach

folgenden Ländern rapide ab. Israel steht mit 45

zuletzt stabilen Ergebnissen in diesem Subindi­

Punkten auf dem 18. Rang hinter den USA, jedoch

kator – weiter fort. Hauptgrund für das insgesamt

klar vor Portugal. Portugal wiederum hat einen

schlechte Abschneiden ist die schwache Leistung

deutlichen Vorsprung auf die Länder Tschechien,

großer Teile der Hochschulen. In den USA folgt

Taiwan und Japan. Dahinter folgen Spanien, Un­

auf eine kleine Gruppe international führender

garn, Italien und Griechenland sowie mit weiterem Abstand Südafrika und Indonesien.

Bildung

Ergebnis des Subindikators Bildung Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Das Bildungssystem schafft die Basis für Wirt­

Indexwert Schweiz Singapur Finnland Irland Südkorea Kanada Deutschland Belgien Taiwan Großbritannien Österreich Australien Japan Polen Niederlande USA Dänemark Frankreich China Tschechien Schweden Norwegen Portugal Israel Italien Ungarn Russland Spanien Südafrika Türkei Mexiko Indien Indonesien Griechenland Brasilien

schaft und Wissenschaft, indem es grundlegen­

72 69

des Wissen vermittelt und die berufliche Ausbil­ dung organisiert. Die Schweiz und Singapur liegen

61 57

in diesem Subindikator an der Spitze und haben

54 51 50 50 48 48 48 46

einen deutlichen Abstand zu Finnland, Irland und Korea. Dahinter folgt eine Gruppe an Ländern, zu denen auch Deutschland gehört. Diese sind: Ka­ nada, Belgien, Taiwan, Großbritannien, Österreich und schließlich Australien, deren Bildungssysteme in Summe eine ähnliche Leistungsfähigkeit errei­ chen und ähnliche Beiträge zur Innovationsfähig­

42 39 39

keit leisten.

36 35 34 33 33 31 30

Nachdem das Bildungssystem über viele Jahre die vergleichsweise größte Schwachstelle im Inno­ vationssystem der Bundesrepublik war, zeigten sich zuletzt positive Entwicklungen. Offensichtlich haben Neuerungen wie die Reformen der Lehrplä­ ne und die Erweiterung des Betreuungsangebots,

21 20 18 16 13

auch im Bereich Ganztagsschule, bereits Früchte getragen. Der Indikator zur Expertenbewertung des deutschen Bildungssystems hat sich ebenso wie die PISA-Ergebnisse verbessert. Bewährte Stärken

9 0 0 0 0 0 0 0 0

in Deutschland sind unter anderem die duale Be­ rufsausbildung sowie die Anzahl der Promotionen in den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern geblieben. Allerdings ist das Demografie-Problem gerade bei den Hochqualifizierten weiterhin akut. 10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0

10

20

30

40

50

Zudem gibt es in Deutschland deutlich weniger

Beschäftigte mit einem Hochschulabschluss als in

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

26

60

Auszubildende bei Rolls Royce in Deutschland: Eine der Stärken des deutschen Bildungssys­ tems ist nach wie vor die duale Berufsausbildung.

anderen Ländern. Dies wird zwar zum Teil durch

Dänemark, Frankreich, China und Tschechien.

die hoch qualifizierten beruflichen Abschlüsse

Norwegen und Schweden schließen das Mittel­

aufgewogen. Mit Blick auf die neuen Themen

feld. Die Platzierung Schwedens hat ihre Ursache

und Technologien wie Digitalisierung, Industrie

in zu geringen Investitionen in das Bildungssys­

4.0 oder auch neue Materialien, gepaart mit der

tem. In der dortigen aktuellen öffentlichen Debat­

demografischen Entwicklung, könnten fehlende

te ist von einem Qualitätsverfall die Rede. Eine

Hochqualifizierte – also Hochschulabsolventen

Gruppe von Nachzüglern in Sachen Bildungssys­

und auch Meister und Techniker – ein Hemm­

tem wird von Portugal, Israel und Italien gebildet.

schuh sein. Auch wenn die längerfristigen Ent­

Es folgen Ungarn, Russland und Spanien. Die

wicklungen insgesamt erfreulich sind: Ein Index­

Bildungssysteme der übrigen Volkswirtschaften

wert von 50 Punkten und ein deutlicher Abstand

lassen sich anhand der hier verwendeten Indikato­

zu den führenden Ländern sind für den Innova­

ren nicht vergleichend bewerten.

In Schweden ist von einem Qualitätsverfall im Bildungssystem die Rede.

tionsstandort Deutschland kein befriedigendes Niveau. Wirtschaft und öffentliche Forschung sind auf gut qualifiziertes Personal angewiesen, denn

Staat

nur so können sie ihre internationale Wettbe­ werbsfähigkeit aufrechterhalten.

Der Staat schafft wesentliche Rahmenbedingun­ gen für Innovationen auf verschiedenen Wegen:

Hinter Australien folgt das untere Mittelfeld ange­ führt von Japan, knapp vor Polen und den Nieder­ landen. Bereits etwas abgesetzt findet sich eine sehr heterogene Gruppe bestehend aus den USA,

27

durch direkte und indirekte Forschungsförde­ rung in Wissenschaft und Wirtschaft, staatliche Nachfrage nach neuen Technologien und innovativen Produkten,

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Regulierung und Steuerung sowie

land an. In Deutschland haben Bund wie Länder

Bereitstellung von Infrastrukturen.

die Rahmenbedingungen für Innovationen durch wirksame Maßnahmen verbessert. Sie haben sich

Nach den Ergebnissen des diesjährigen Innova­

vornehmlich auf die öffentliche Forschungsförde­

tionsindikators hat Singapur – mit klarem Vor­

rung konzentriert. Bessere Bedingungen gerade

sprung vor Finnland – die günstigsten Vorausset­

für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen,

zungen für Innovationen. Besonders förderlich

bleibt aber weiterhin eine wichtige Aufgabe. Das

sind die hohen Investitionen in Wissenschaft und

diesjährige Fokusthema dieser Studie zu kleinen

Bildung sowie ein insgesamt sehr leistungsstarkes

und mittleren Unternehmen analysiert die Situation

Bildungssystem. Dahinter schließt sich mit deut­

in Deutschland genauer und liefert auch konkrete

lichem Abstand eine Gruppe bestehend aus den

Ansatzpunkte für politisches Handeln.

Niederlanden, der Schweiz, Kanada und Deutsch­ Hinter Deutschland reihen sich Frankreich, Bel­ gien und Norwegen ein, gefolgt von Österreich und den USA. Letztere liegen knapp vor Japan, Südkorea und Dänemark. China befindet sich auf dem 20. Platz. Zwar weist das Land eine ausge­

Ergebnis des Subindikators Staat Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

prägte staatliche Nachfrage nach Hochtechnolo­ gien auf, doch die FuE-Investitionen in der

Indexwert Singapur Finnland Niederlande Schweiz Kanada Deutschland Frankreich Belgien Norwegen Österreich USA Japan Südkorea Dänemark Taiwan Irland Schweden Australien Großbritannien China Tschechien Polen Spanien Portugal Israel Russland Ungarn Türkei Italien Indien Indonesien Südafrika Mexiko Griechenland Brasilien

öffent­lichen Forschung sind zu gering. Selbst die

84

steuerliche Forschungsförderung erzielt keine hin­

73

reichenden Effekte mehr. Es folgen ­Tschechien,

62 61 60 59 56 55 55

Polen, Spanien, Portugal und Israel. Russland, Ungarn, die Türkei, Italien, Indien und Indone­ sien liegen deutlich hinter den anderen Ländern zurück. Südafrika, Mexiko, Griechenland und Brasilien sind die Schlusslichter.

51 51 50 48 47

Gesellschaft

43 40 38 37 37 36 33

In ihrer neuen Hightech-Strategie betont die Bun­ desregierung stärker als bisher die Bedeutung von Transparenz und Partizipation für ein erfolgreiches Innovationssystem. Auch der Innovationsindikator bezieht gesellschaftliche Faktoren in die Bewer­ tung mit ein. Der Grund: Offenheit gegenüber

29 26 25 23 22

neuen Technologien und ein öffentliches Interesse an Innovationen sind nicht nur für die Akzeptanz und die Verbreitung von innovativen Produkten und Dienstleistungen relevant. Bereits für die

18

Phase der Ideen- und Wissensgewinnung ist eine

15 15 15

gesellschaftliche Aufgeschlossenheit gegenüber Technik und Innova­tionen erforderlich.

9 0 0 0 0 0

Eine direkte Messung der Affinität oder beispiels­ weise der Risikobereitschaft von Gesellschaften wäre wünschenswert. Leider lassen sich diese Di­ 10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0

10

20

30

40

50

mensionen international vergleichend nur schwer messen. Als Anzeichen für den Beitrag und die

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

28

60

Bedeutung von gesellschaftlichen Faktoren für Innovation können stattdessen die folgenden vier Einzelindikatoren dienen: Der Anteil der Postmaterialisten gibt an, wie weit die Präferenzen von Konsumenten in Richtung Qualität und Produktdifferenzierung gehen – beides wichtige nachfrageseitige Faktoren. Die Frauenerwerbsbeteiligung ist relevant, da sie über die Nutzung des vorhandenen kreati­ ven und innovativen Potenzials in der Bevölke­ rung Auskunft gibt. Die Pressemeldungen zu Wissenschaft und Technik zeigen, welche Bedeutung diese The­ men in der breiten Öffentlichkeit haben. Die Lebenserwartung hat an zwei Stellen Rückwirkungen auf die Innovationsfähigkeit und -orientierung. Zum einen ist sie ein Indi­ kator für die Produktivität und Erfahrung der Menschen, die beide wichtig für erfolgreiche Innovationen sind. Zum anderen trägt eine hohe durchschnittliche Lebenserwartung zu einer höheren Wertschätzung von Qualitätsund langfristigen Investitionsaspekten anstelle von kurzfristigen Konsum­aspekten bei. Gesellschaftliche Veränderungen treten nur sehr langsam ein. Entsprechend sind die Platzierun­ gen im Subindikator Gesellschaft zumindest im vorderen Bereich recht stabil. Großbritannien liegt mit der Schweiz und Australien an der Spit­ ze. Im Verfolgerfeld finden sich Kanada, Finnland sowie Schweden. Das vordere Mittelfeld beginnt mit Belgien und auch Frankreich, Israel, die USA und Norwegen können dazugerechnet werden.

Ergebnis des Subindikators Gesellschaft Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Indexwert Großbritannien Schweiz Australien Kanada Finnland Schweden Belgien Frankreich Israel USA Norwegen Deutschland Dänemark Irland Österreich Italien Niederlande Spanien Portugal Singapur Japan Griechenland Südkorea Tschechien China Russland Südafrika Taiwan Türkei Polen Mexiko Indien Indonesien Ungarn Brasilien

76 74 73 68 66 63 58 55 53 51 51 49 48 47 47 46 45 44 32 29 29 23 18 7 2 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Deutschland ist im anschließenden breiten Mittelfeld zu finden, das heißt, es bestehen hier noch deutliche Verbesserungspotenziale, was die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für

Großbritannien, Finnland, Italien und Belgien,

Innovationen angeht. Ebenfalls im Mittelfeld

während insbesondere die asiatischen Länder hier

liegen Dänemark, Irland, Österreich, Italien,

niedrigere Werte aufweisen. Demgegenüber weist

die Niederlande und schließlich auch Spanien.

Japan die höchste Lebenserwartung auf, gefolgt

Nachzügler sind Portugal, Singapur, Japan, Grie­

von Spanien und der Schweiz. Bei der Frauen­

chenland und Südkorea. Deutlich zurück liegen

erwerbstätigkeit sind es die skandinavischen

­Tschechien, China und Russland.

Länder, die besonders hervorstechen, aber auch China und Singapur liegen weit vorne.

Am Teilbereich Gesellschaft fällt auf, dass die angelsächsischen Länder die vorderen Plätzen erreichen, während die asiatischen hinten landen. Hohe Werte bei den Postmaterialisten erzielen

29

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Fokus KMU: Große Vielfalt bei den Kleinen Die Rolle von kleinen und mittelständischen Unternehmen im Innovationssystem

32

Kleine und mittlere Unternehmen gelten als Rückgrat der Wirtschaft. Zwar ist fast jeder zweite Hidden Champion in Deutschland angesiedelt. Doch insgesamt spielen KMU hierzulande eine nachgeordnete Rolle im Innovationssystem.

Unternehmen bestimmen das Innovationsgesche­

Kleine Weltmarktführer

hen in einem Land ganz wesentlich. Sie erkennen den Bedarf für Neuerungen in anderen Unterneh­

Der dritte Teil befasst sich mit einer Gruppe von

men und bei Konsumenten, sie entwerfen inno­

mittelständischen Unternehmen, die sich durch

vative Lösungen und entwickeln neue Produkte,

besonders viel Erfolg auf internationalen Märkten

Prozesse und Geschäftsmodelle. Die wichtigste

auszeichnen. Sie behaupten auf ihrem Gebiet die

Ressource dafür sind kreative und kompeten­

Technologieführerschaft und können sich welt­

te Mitarbeiter – die im Zusammenspiel mit der

weit als bedeutende Anbieter durchsetzen. Diese

Wissenschaft und Geschäftspartnern Innovatio­

kleinen Weltmarktführer werden auch Hidden

nen entwickeln. Die Fähigkeit der Unternehmen,

Champions genannt, da sie der breiten Öffent­

solche Prozesse effektiv und effizient zu gestalten,

lichkeit meist wenig bekannt sind. Teil vier stellt

ist häufig ein entscheidender Faktor für den Erfolg

die Lage in Deutschland der in Japan gegenüber.

von Innovationen.

Japan weist eine ähnliche Wirtschaftsstruktur

4

und Exportorientierung wie Deutschland auf Zur Innovationsleistung der Wirtschaft tragen

und ist daher ein prädestiniertes Vergleichsland.

sehr viele Unternehmen bei – von großen global

Beim Beitrag der KMU zum internationalen Er­

orientierten Konzernen bis zu kleinen Familien­

folg unterscheiden sich die beiden Länder aber

unternehmen und Start-ups. In der öffentlichen

­deutlich: E ­ iner großen Zahl exportstarker KMU

Wahrnehmung stehen meist die ganz großen

aus Deutschland stehen nur sehr wenige japa­

Unternehmen mit weltweit bekannten Produkten

nische KMU mit Auslandsaktivitäten gegenüber.

im Mittelpunkt. Doch viele Innovationen stammen

Der Abschnitt erläutert, warum dies so ist.

Viele Innovationen stammen aus kleinen und wenig bekannten Unternehmen.

aus kleinen und wenig bekannten Unternehmen. Das diesjährige Fokusthema des Innovations­

KMU sind außerdem für die Entwicklung und Ver­

indikators untersucht die Rolle mittelständischer

breitung neuer Technologien von Bedeutung. Ihre

Unternehmen für die Innovationsleistung Deutsch­

Rolle im Innovationssystem ist dabei weniger in

lands.

der Hervorbringung grundsätzlich neuer Techno­ logien zu sehen, sondern in der Anwendung neuer

Der erste Teil beschäftigt sich damit, welchen An­

Technologien für spezialisierte Einsatzbereiche.

teil kleine und mittlere Unternehmen (Erläuterung

Marktchancen bieten sich für sie besonders dann,

siehe Folgeseite) an Forschung und Innovation

wenn neue Einsatzgebiete für Technologien zu­

haben. Danach geht es um kleine und mittlere

nächst nur einen begrenzten Umsatz versprechen

Unternehmen, die ohne interne FuE-Aktivitäten

und diese Märkte daher für große Unternehmen

innovativ sind. Ein großer Teil der deutschen

wenig attraktiv sind.

Mittelständler erzielt Innovationserfolge auch ohne formale Forschung und Entwicklung (FuE). Allerdings handelt es sich dabei keineswegs um eine homogene Gruppe mit identischen Erfolgsre­ zepten. Gerade diese Unterschiede bieten Ansatz­ punkte für eine zielgerichtete Innovations- und Förderpolitik.

33

4 Der Begriff „Hidden Champions“ wurde von Hermann Simon im Jahr 1990 geprägt (H. Simon, Hidden Champions: Speerspitze der deutschen Wirtschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft Nr. 60, Heft 9, S. 875-890).

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

wirtschaftlichen FuE-Intensität leistet. In diesen

Teil 1

Ländern sind KMU somit eine wesentliche Säule

Innovationsleistung von KMU im internationalen Vergleich

USA und Japan ist die Lage anders, die FuE-Aus­

des Innovationssystems. In Deutschland, den gaben der KMU sind wesentlich geringer: in den USA nur 0,37 Prozent des BIP, in Deutschland 0,31 Prozent und in Japan 0,24 Prozent. In diesen Volkswirtschaften scheint die Dominanz

Ein Indikator für die relative Bedeutung, die KMU

der Großunternehmen auf die FuE-Aktivitäten der

im Innovationssystem haben, ist ihr Anteil an den

KMU zurückzuwirken. Denn große Unternehmen

FuE-Ausgaben in der Wirtschaft. Hier zeigen vor

verfügen am Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte

Kleine und mittlere Unternehmen wurden von

allem jene Länder hohe Werte, deren Wirtschafts­

über die bessere Ausgangsposition. Dank ihres

der EU definiert als Unternehmen mit weniger als

struktur stark kleinbetrieblich geprägt ist und die

höheren Bekanntheitsgrads (employer branding),

250 Beschäftigten und weniger als 50 Millionen

nicht über global tätige, innovationsstarke Kon­

ihrer attraktiveren Aufstiegschancen und umfang­

Euro Jahresumsatz, die nicht zu 25 Prozent oder

zerne verfügen. Anders sieht es bei den USA, in

reicheren Sozialleistungen haben sie im Wettbe­

mehr im Besitz von Großunternehmen sind.

Japan, Deutschland, Schweden und Südkorea aus:

werb um die talentiertesten Mitarbeiter gegenüber

In Deutschland wird häufig eine abweichende

Sie sind Heimat einer Vielzahl sehr großer, innova­

KMU klare Vorteile.

Was sind KMU?

Definition angewendet, die Unternehmen bis zu

tiver Unternehmen, wodurch der Anteil der KMU

500 oder gar bis zu 1.000 Beschäftigten ein­

an den FuE-Ausgaben rechnerisch gering ausfällt.

schließt. Schließlich gibt es in Deutschland noch

Patentanmeldungen zeigen Innovationsoutput an

den Begriff der mittelständischen Wirtschaft, der

In Deutschland gaben Unternehmen mit weniger

auch größere Unternehmen einschließt, wenn sie

als 500 Beschäftigten im Jahr 2011 rund 8,3 Mil­

typische Organisationsmerkmale von kleineren

liarden Euro für interne FuE aus. Das sind 16 Pro­

Die Bedeutung von KMU für die Ergebnisse, die

Unternehmen aufweisen, wie zum Beispiel dass

zent der gesamten internen FuE-Ausgaben in der

aus FuE entstehen, zeigt sich unter anderem an

die Unternehmensleitung in den Händen einer

deutschen Wirtschaft. KMU mit weniger als 250

ihrem Beitrag zu den Patentanmeldungen eines

Familie liegt. In diesem Berichtsteil werden KMU

Beschäftigten haben sogar lediglich einen Anteil

Landes. Ein Blick auf die Anmeldungen an trans­

in der Regel der EU-Definition folgend abge­

von 11 Prozent an diesen Gesamtausgaben. Eine

nationalen Patentämtern (EPO und PCT-Verfahren

grenzt. Da manche Statistiken diese Definition

niedrigere Quote weist nur Japan mit einem Anteil

an der World Intellectual Property Organization)

von 9 Prozent für Unternehmen mit weniger als

zeigt für die meisten Länder etwas höhere An­

abweichende Abgrenzungen

500 Beschäftigten auf. In den USA tragen Unter­

teilswerte von KMU im Vergleich zum KMU-Anteil

verwendet werden.

nehmen mit unter 500 Beschäftigten 19 Prozent

an den FuE-Ausgaben. Dies ist in erster Linie auf

der FuE-Ausgaben, in Schweden, Südkorea und

die unterschiedlichen Abgrenzungen von KMU

Taiwan liegt der Anteil bei rund 27 Prozent.

zurückzuführen: In der FuE-Statistik sind die

nicht anwenden, müssen teilweise davon

Ausgaben von KMU, die Teil eines Konzerns sind,

Beitrag von KMU zur FuE-Intensität

diesem Konzern zugeordnet. In der Patentstatistik wird dagegen auf die Größe des jeweils anmelden­ den Unternehmens abgestellt.

Der Beitrag von KMU zur FuE-Intensität einer

5 Südkorea ist ein Sonderfall, da der größte Teil der FuE-Aktivitäten in südkoreanischen KMU an Großunternehmen angebunden ist, sei es über Konzernverflechtungen, sei es über Zulieferfunktionen. So ist auch die Patentleistung der südkoreanischen KMU eher gering und nur wenige haben es zu einer starken internationalen Präsenz gebracht.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Volkswirtschaft ist das Verhältnis zwischen FuE-

Der höhere KMU-Anteil bei den Patentanmeldun­

Ausgaben und Bruttoinlandsprodukt (BIP) und

gen zeigt aber auch, dass KMU mehr Patente je

zeigt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der

Euro an FuE-Ausgaben erzielen. Diese höhere

FuE-Tätigkeit von KMU an. Hier erreichen Öster­

„FuE-Produktivität“ spiegelt zum einen die größere

reich, die Schweiz, Dänemark, Finnland, Singapur

Umsetzungseffizienz in KMU wider. Flexibilität,

und Südkorea5 besonders hohe Werte. Die FuE-

kurze Entscheidungswege und der Fokus auf we­

Ausgaben der KMU machen in diesen Ländern

nige Vorhaben tragen dazu wesentlich bei. Aber

zwischen 0,75 und 0,88 Prozent des BIP aus.

auch der Umstand, dass FuE-Projekte in KMU häufig kurzfristiger orientiert und technologisch

Der Anteil ist in einigen Ländern – Südkorea,

weniger anspruchsvoll sind, spielt eine Rolle.

Österreich, Schweiz und Singapur – fast so hoch wie der Beitrag, den die Wissenschaft zur gesamt­

34

In Deutschland wurden in den Jahren 2010 bis

KMU-Anteil an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft

Verteilung der FuE-Ausgaben der Wirtschaft nach Unternehmensgröße (2012)

lag bei 16 Prozent. Im internationalen Vergleich

Land

2012 rund 24 Prozent der transnationalen Pa­ tente6 von KMU angemeldet. Zum Vergleich: Der

ist der Beitrag von KMU zum Patentgeschehen gering: Nur Japan weist einen niedrigeren Anteils­ wert auf (9 Prozent). Südkorea und Frankreich kommen auf ähnliche KMU-Anteile. In den USA hingegen betrug der Anteil der KMU an allen transnationalen Patentanmeldungen des Landes 31 Prozent. Zu den Ländern, in denen KMU einen hohen Anteil Patente anmelden, zählen Norwe­ gen, Australien, Indonesien, Israel und Portugal. Der Wert liegt dort deutlich über 50 Prozent.

Schwellenländer legen stark zu In der Mehrzahl der Länder nahmen die transna­ tionalen Patentanmeldungen der KMU im ver­ gangenen Jahrzehnt überproportional stark zu. Am höchsten war das Wachstum in China und der Türkei. Allerdings ist die Qualität der Patente aus diesen Ländern oft nicht sehr hoch. Auch in anderen Schwellenländern wie Brasilien, ­Indien,

Anteil in Prozent

Griechenland* 35 28 21 16 Niederlande* 41 21 25 13 Norwegen* 41 21 30 8 Spanien 32 23 24 11 11 Singapur 30 9 36 11 14 Tschechien 31 13 30 13 13 Portugal 33 16 23 16 12 Ungarn 37 24 20 4 15 Polen 37 12 23 13 15 Australien 46 22 14 10 8 Kanada 46 21 17 9 8 Belgien 43 11 23 12 11 Österreich 43 12 20 13 12 Schweiz* 61 12 16 11 Dänemark 54 15 12 11 8 Großbritannien* 6 62 21 11 Italien 53 9 14 12 13 Finnland* 68 12 10 10 Frankreich* 68 11 13 8 Taiwan 61 4 13 11 11 Südkorea 69 11 11 5 4 Schweden 65 6 12 9 8 USA 77 7 8 5 3 Deutschland 78 4 7 5 6 Japan 85 1 4 4 6

Indonesien und Mexiko erhöhten KMU ihre in­

0

ternational orientierten Patentaktivitäten kräftig.

Anzahl der Beschäftigten

Zuvor lag der Anteil dort auf einem sehr niedrigen Niveau. Ost- und südeuropäische Länder weisen

0–49

10

20

50–249

30

250–499

40

500–999

50

60

70

80

90

100

>1.000

ebenfalls hohe Wachstumsraten auf. Dies zeigt, dass sich dort in den vergangenen Jahren ein in­ novativer Sektor von KMU herausgebildet hat, der

* FIN, FRA, GBR, GRE, NED, NOR, SUI: Keine getrennten Angaben für 500–999 Beschäftigte und 1000+ Beschäftigte verfügbar.

zur Modernisierung der Länder und zur Stärkung

AUS, AUT, BEL, DEN, GER, GRE, NED, SGP, SWE, USA: 2011; JPN, KOR, TWN: 2013.

ihrer Innovationsfähigkeit beiträgt.

Quelle: OECD: Research and Development Statistics. – Berechnungen des ZEW.

Eine unterdurchschnittliche Patentdynamik zeigen dagegen die KMU in den meisten asiatischen Ländern, darunter Japan, Singapur, Südkorea,

Die geringe Patentdynamik der KMU in den hoch

Indien und Taiwan. Ähnlich ist die Lage in den

entwickelten Industrieländern ist vor dem Hin­

USA, Kanada sowie einigen besonders innovati­

tergrund eines bereits sehr hohen Niveaus an

onsintensiven europäischen Ländern wie Schwe­

Patentaktivitäten zu sehen. Die Patentintensität

den und Dänemark. In Deutschland stiegen die

von KMU – also das Verhältnis zwischen der

Patentanmeldezahlen von KMU um 1,7 Prozent

Anzahl transnationaler Patentanmeldungen durch

pro Jahr – sie lagen damit über dem durchschnitt­

KMU und der Einwohnerzahl eines Landes – ist in

lichen Wachstum von 1,3 Prozent und über dem

der Schweiz mit 20 Patenten je 100.000 Einwoh­

Wachstum der Patentanmeldungen von Groß­

nern am höchsten. Dahinter folgen Israel mit 15,

unternehmen.

Schweden mit 14 und Finnland mit 13 Patent­ anmeldungen je 100.000 Einwohner. Die KMU in Deutschland liegen mit einer Patentintensität von

35

6 Transnationale Patente bezeichnen Patente, die am Europäischen Patentamt oder bei der World Intellectual Property Organization in Genf angemeldet sind.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

KMU erzielen höhere Erträge je eingesetztem Euro

Anzahl transnationaler Patentanmeldungen von KMU je 100.000 Einwohner (Durchschnitt 2010–2012)

Ein weiterer Aspekt der Innovationsleistung von KMU ist ihr Beitrag zu Produktinnovationen. Der

Land Schweiz Israel Schweden Finnland Dänemark Norwegen Österreich Deutschland Niederlande Belgien Südkorea USA Großbritannien Australien Kanada Frankreich Irland Italien Singapur Japan Spanien 2,1 Taiwan 2,0 Tschechien 1,3 Ungarn 1,1 Portugal 0,9 Polen 0,6 Griechenland 0,5 Türkei 0,4 China 0,4 Russland 0,3 Südafrika 0,3 Brasilien 0,1 Indien 0,1 Mexiko 0,1 Indonesien 0,0 0

2

Umsatz, den Unternehmen mit neuen Produkten

19,6

erzielen, ist ein wesentlicher, direkter Outputin­

14,8

dikator der Innovationsaktivitäten von Unterneh­

13,7 13,2 12,3

men. Der Anteil von Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten am gesamten Neuproduktum­

10,6 10,4

satz der deutschen Wirtschaft lag im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2012 bei 18 Prozent. Dieser

8,7 8,2

Anteil ist höher als der KMU-Anteil an den FuE-

7,5

Ausgaben, der bei 11 Prozent lag. Dieser höhere

6,7

Anteil korrespondiert mit dem höheren Anteil, den

5,4 5,0 4,9 4,7 4,5 4,5 4,4 4,2

KMU an den Patentanmeldungen haben. Die beiden unterschiedlichen Werte unterstrei­ chen, dass KMU je aufgewendetem Euro für FuE tendenziell höhere Erträge erzielen als Großun­ ternehmen. In Bezug auf den Umsatz mit Pro­

3,5

duktinnovationen liegt dies daran, dass viele KMU weniger stark auf grundlegende Neuerungen setzen. Innovationen stellen häufig schrittweise Verbesserungen und Anpassungen an spezifische Kundenwünsche dar. Dementsprechend ist der Anteil der KMU am gesamten Umsatz mit Nach­ ahmerinnovationen in Deutschland mit 19 Prozent höher als am gesamten Umsatz mit Marktneuhei­ ten (16 Prozent). Dieses Ergebnis zeigt sich nicht nur für Deutschland, sondern für die meisten europäischen Länder.7 In Deutschland ist der KMU-Anteil am gesamten 4

6

8

10

12

14

16

18

20

0

2

4

6

8

10

Neuproduktumsatz der Wirtschaft im internatio­

nalen Vergleich eher niedrig. Hohe KMU-Anteile Transnationale Patentanmeldungen: Anmeldungen am EPO und über das PCT-Verfahren. Quelle: EPA: Patstat. – Berechnungen des Fraunhofer-ISI.

zeigen Großbritannien, die Türkei und Italien sowie einige kleinere, innovationsstarke Länder. In den meisten süd- und osteuropäischen Ländern tragen KMU im Vergleich zu ihren recht hohen Anteilen an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft nur unterdurchschnittlich zum Neuproduktumsatz bei. Dies lässt darauf schließen, dass sie Schwierigkei­

8,7 an achter Stelle des Rankings. Damit befinden

ten bei der Vermarktung ihrer Innovationen haben.

sie sich hinter den KMU aus Dänemark, Norwe­

7 Daten zum Umsatz mit neuen Produkten sind aus den Community Innovation Surveys entnommen. Vergleichbare Zahlen für nicht europäische Länder liegen nicht vor.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

gen und Österreich. Damit bestätigt sich das Bild,

Ein weiteres Outputmaß für die Innovationskraft

das sich bereits für die FuE-Intensität gezeigt hat:

kleiner und mittlerer Unternehmen ist der Anteil,

Die KMU aus Deutschland stehen international

den Produktinnovationen am gesamten Umsatz

keineswegs an der Spitze, sondern liegen eher im

von KMU ausmachen. Dieser Anteilswert betrug

Mittelfeld.

für KMU in Deutschland im Zeitraum 2008 bis

36

12

2012 knapp 10 Prozent. Im europäischen Ver­ gleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Den

Weltmarktneuheiten: Deutschland weit vorne

höchsten Wert, nämlich 17 Prozent, erzielten KMU aus der Türkei. Dahinter folgen Großbritan­

Betrachtet man nur den Umsatzanteil mit Welt­

nien und Italien. Die niedrigsten Werte weisen

marktneuheiten, so ergibt sich gleich ein ganz

Polen, Griechenland, Norwegen und Ungarn mit

anderes Bild: Hier liegen die deutschen KMU an

Werten zwischen 5 und 7 Prozent auf. Auffällig für

der Spitze. Im Jahr 2012 hatten 5,9 Prozent aller

Deutschland ist, dass der Umsatzanteil, der auf

KMU in Deutschland eine Weltmarktneuheit in ih­

Marktneuheiten zurückgeht, mit 2 Prozent beson­

rem Produktangebot. Nur KMU aus Norwegen und

ders niedrig ist. Allerdings ist der niedrige Wert

den Niederlanden erreichen höhere Werte. In der

nicht zwangsläufig eine Schwachstelle der deut­

Türkei, die beim Umsatzanteil mit Marktneuheiten

schen KMU. Vielmehr deutet er auf ihre stärkere

vorne liegt, führten nur 0,5  Prozent der KMU eine

Weltmarktorientierung hin. Denn in Deutschland

Weltmarktneuheit ein. Während in Deutschland

sind Marktneuheiten von KMU oft Neuheiten für

fast jedes zweite KMU mit Marktneuheiten zumin­

den Weltmarkt. In vielen anderen Ländern stel­

dest eine Weltmarktneuheit eingeführt hat, liegt

len sie lediglich eine Neuheit für den regionalen

dieser Anteil in den meisten anderen Ländern zwi­

oder nationalen Markt dar. Und am Weltmarkt

schen 20 und 35 Prozent. Ungarn, Griechenland,

hohe Umsatzanteile mit Neuheiten zu erzielen, ist

die Türkei und Polen weisen bei dieser Quote sogar

weitaus schwieriger als in einem regional einge­

nur wenige Prozent auf. Allerdings liegen zu diesem

grenzten Markt.

Indikator für einige Länder, darunter Finnland,

Viele KMU aus Deutschland haben Weltmarktneuheiten eingeführt.

Großbritannien, Schweden und die Schweiz, keine Angaben vor.

Ein automatisches Füt­ terungssystem von Lely versorgt Kühe im Stall. Kleine und mittelständi­ sche Unternehmen aus den Niederlanden liegen bei Weltmarktneuheiten mit an der Spitze. Viele entstehen im Agrar­ bereich.

37

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Fazit: Gruppe der KMU ist heterogen

Der Anteil der innovativen KMU ohne eigene FuE blieb in den vergangenen rund zehn Jahren weitgehend stabil. Er variiert allerdings merklich

Zusammenfassend erweist sich die Innovations­

nach Branchen und Größenklassen. Sehr hoch ist

leistung von KMU in Deutschland keinesfalls als

er in Branchen, in denen generell wenig für FuE

herausragend: Sowohl bei FuE-Ausgaben wie bei

ausgegeben wird. Doch selbst in den forschungs­

Patenten und Neuproduktumsätzen liegen sie im

intensiven Industriebranchen weist rund ein Viertel

Vergleich mit anderen Ländern im Mittelfeld. Zwar

der Innovatoren keine eigenen FuE-Aktivitäten auf.

sind auch in Deutschland KMU umsetzungsstärker

In den wissensintensiven Dienstleistungen inno­

als Großunternehmen. Doch die höhere Effizienz ist

vierte etwa jedes zweite KMU, ohne selbst FuE zu

kein Alleinstellungsmerkmal deutscher KMU, an­

betreiben. In den nicht wissensintensiven Dienst­

dere Länder sind hier oft deutlich besser. Ande­

leistungen führt nur jeder fünfte Innovator Neue­

rerseits verfügt Deutschland über eine Gruppe

rungen auf Basis eigener FuE ein. Der Anteil der

international besonders erfolgreicher innovativer

Unternehmen, die ohne eigene FuE Innovationen

KMU. Denn beim Umsatzanteil mit Weltmarktneu­

einführen, nimmt zu, je kleiner das Unternehmen

heiten liegen deutsche KMU vorn. Insofern sollte

ist: In der Gruppe der Unternehmen mit fünf bis

nicht von „den KMU“ gesprochen werden. Ihre

neun Beschäftigten liegt er bei 65 Prozent; bei

Gruppe ist heterogen: Neben sehr leistungsfähigen

Großunternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäf­

Unternehmen gibt es viele, die im internationalen

tigten bei etwas mehr als 20 Prozent.

Vergleich eher mittelmäßig abschneiden. Innerhalb der Industrie ist der Anteil der Innovato­ ren ohne eigene FuE in der Chemie- und Pharmain­ dustrie am niedrigsten. Er liegt bei rund 10 Prozent. In anderen forschungsintensiven Branchen liegt er

Teil 2 Innovative KMU ohne eigene FuE

bei rund 20 Prozent, beispielsweise in Bereichen wie Elektronikindustrie sowie Bahn-, Schiff- und Flugzeugbau. Im Automobilbau innoviert sogar ein Drittel der Unternehmen ohne eigene FuE. In vielen nicht-forschungsintensiven Branchen haben über 60 Prozent der Innovatoren ihre Innovationen ohne eigene FuE eingeführt. Vertreter dieser Bran­

Rund die Hälfte der deutschen KMU sind innovativ ohne eigene FuE-Aktivitäten.

Wer von innovativen KMU spricht, hat meist das

chen sind die Nahrungsmittel-, Holz-, Leder- und

Bild eines kleinen Unternehmens vor sich, das mit

Druckindustrien. Nicht forschungsintensive kleine

hoher FuE-Intensität kontinuierlich an der Lösung

und mittlere Unternehmen finden sich somit zu re­

technologischer Probleme forscht, neue Technolo­

levanten Teilen in allen Branchen des verarbeiten­

gien entwickelt und diese verwendet, um innovati­

den Gewerbes und entwickeln erfolgreich Produkt-

ve Produkte auf den Markt zu bringen. Zweifelsfrei

und Prozessinnovationen.

gibt es viele KMU, die auf diesem Weg innovativ sind. Doch sie stellen nicht die Mehrheit. Etwa 55 Prozent aller KMU in Deutschland mit

Innovationskraft beruht auf unterschiedlichen Strategien

Produkt- oder Prozessinnovationen weisen näm­ lich gar keine unternehmensinternen FuE-Aktivitä­

Die empirischen Befunde sprechen somit gegen

ten auf. Diese KMU innovieren somit ohne eigene

ein einheitliches Innovationsverhalten von KMU –

FuE. Dieser Teil des Fokusthemas widmet sich der

genauso wie die Erkenntnisse der betrieblichen

Frage, wie diese KMU, ohne selbst in FuE-Aktivi­

Innovationsforschung. Die gängige Lehrmeinung

täten zu investieren, dennoch erfolgreich Innova­

erklärt Unterschiede in der Wettbewerbs- und

tionen hervorbringen können.

Innovationsfähigkeit heute vorrangig aus einer ressourcenorientierten Sichtweise. Demzufol­ ge besteht der nachhaltige Wettbewerbsvorteil

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

38

eines Unternehmens im Bündeln von strategisch

auch Hightech-Komponenten wie mikroelektro­

relevanten Ressourcen. Dazu zählen materielle

nische Bauteile oder neue Materialien ent­

Ressourcen wie Technologien und immaterielle

halten. Entsprechend der hohen Komplexität

Ressourcen wie Wissen und Kompetenzen. Auch

dieser Produkte erhalten Kunden umfassende,

Routinen, über die das Unternehmen verfügt,

produktbegleitende Serviceleistungen. Die

zählen dazu. Durch die strategische Kombina­

hohe Wissensintensität spiegelt sich in einem

tion dieser Ressourcen und Handlungsroutinen

hohen Anteil an Arbeitskräften mit Hochschul­

entsteht ein Wettbewerbsvorteil. Die Komplexität

abschluss, in einer hohen Bedeutung interner

und organisatorische Verankerung im Unterneh­

und externer Wissens- und Impulsquellen für

men machen es für Wettbewerber schwer, diesen

Innovationen sowie in häufigen Innovations­

Vorteil zu kopieren.

kooperationen mit Hochschulen und anderen Unternehmen wider. Das innovationsrelevante

Die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten dieser

Wissen ist dementsprechend eher formalisiert

unterschiedlichen materiellen und ­immateriellen

und von wissenschaftlichem Charakter. Diese

Ressourcen – im Sinne einer „Unternehmens-

KMU erzielen hohe Umsatzanteile mit Pro­

DNA“ – führen im Idealfall zu einzigartigen Inno­

duktinnovationen, darunter auch häufig mit

vationsstrategien. Strukturelle Regelmäßigkeiten

Neuheiten, die sie als erster Anbieter im Markt

innerhalb dieser Innovationsstrategien lassen sich

einführen. KMU, die diesem Typ angehören,

zu „Innovationsmustern“ verdichten. Merkmale,

sind häufig Systemzulieferer in den Bereichen

die solche Innovationsmuster prägen, umfassen

Maschinenbau, Optik sowie Mess-, Steuer- und

die Außenorientierung eines Unternehmens, die Relevanz unterschiedlicher Arten von Innovations­

Regelungstechnik. (2) Kundengetriebener, technischer Prozess­

wissen, unterschiedliche Kundenanforderungen,

spezialist: Dieses Innovationsmuster von KMU

die Bedeutung moderner Technologien in Pro­

zeichnet sich durch einen überdurchschnitt­

duktentwicklung und Produktion sowie die Art und

lich starken Einsatz moderner Produktions­

Weise der Produktions- und Arbeitsorganisation.

technologien aus, beispielsweise Hochleis­

Innovationsmuster von KMU unterscheiden sich folglich durch die technischen und nicht techni­ schen Innovationskompetenzen der Unternehmen, den Einsatz moderner Fertigungs- und Produk­ tionstechnologien, das Angebot produktbegleiten­ der Dienstleistungen, die Einbindung in Netzwerke

Anteil von Innovatoren ohne eigene FuE in Deutschland (Mittelwert der Jahre 2011–2013)

und Partnerschaften oder die Form der flexiblen und effizienten Gestaltung interner Prozesse.

Fünf Typen von innovativen KMU ohne eigene FuE Basierend auf repräsentativen Betriebsdaten von etwa 1.500 KMU aus dem verarbeitenden Ge­ werbe in Deutschland lassen sich anhand der unterschiedlichen Innovationsressourcen und -kompetenzen fünf Innovationsmuster von nicht forschungsaktiven KMU identifizieren: (1) Wissensintensiver Produktinnovator: Das Innovationsverhalten in dieser Gruppe ist trotz fehlender FuE durch ein hohes Maß an Wis­

Anteil in Prozent insgesamt forschungsintensive Industrie sonstige Industrie wissensintensive Dienstleistungen sonstige Dienstleistungen 5–9 Beschäftigte 10–19 Beschäftigte 20–49 Beschäftigte 50–99 Beschäftigte 100–249 Beschäftigte 250–499 Beschäftigte 500–999 Beschäftigte 1000+ Beschäftigte

55

45

24

76 55 49

45 51 79

21

65

35

56 51 48

44 49 52

36 34 29

64 66 71

22 0

10

78 20

Innovatoren ohne FuE

30

40

50

60

70

80

90

100

Innovatoren mit FuE

sensintensität gekennzeichnet. Der Fokus liegt auf der Entwicklung neuer Produkte, die häufig

39

Quelle: Mannheimer Innovationspanel, ZEW

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

tungswerkzeugmaschinen, Industrieroboter

Materialien. Produktbegleitende Dienstleis­

oder Automatisierungsanlagen. Für die meist

tungen im Bereich der technischen Doku­

großen OEM-Kunden entwickeln und realisie­

mentation und Projektierung runden die

ren sie komplexe und hoch anspruchsvolle

Leistungspalette ab. Die kleinen und mittleren

Herstellungsprozesse, die in hohem Maße an

Unternehmen dieses Typs erreichen eine hohe

Spezifikationen und Wünsche der Kunden

Termintreue und eine hohe Qualitätsperfor­

angepasst sind. Innovationstreiber sind somit

mance. In der Wertschöpfungskette sind diese

überwiegend Kunden. Eigene Innovations­

nicht forschungsaktiven KMU häufig Teile-

ideen gibt es zwar in vielen Fällen, diese

und Komponentenzulieferer. Sie finden sich

lassen sich aufgrund der hohen Kundenab­

bevorzugt in der Automobilindustrie sowie der

hängigkeit jedoch meist nicht selbst vorantrei­ ben. Ein wesentlicher interner Erfolgsfaktor

Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren. (3) Konsumgüterhersteller mit (gelegentlicher)

für diese Art der Innovation ist das unterneh­

Produktentwicklung: Die nicht forschungs­

mensinterne Prozess- und Erfahrungswissen

aktiven KMU in dieser Gruppe betreiben eine

der Beschäftigten in Konstruktion, Werk­

gelegentliche Produktentwicklung. Deren

zeugbau oder -produktion, auch bei An- und

Produktkomplexität ist hinsichtlich der Anzahl

Ungelernten. Bei Bedarf ergänzen gezielte

an „Bauteilen“ eher gering. Jedoch basie­

Kooperationen mit externen Partnern in For­

ren viele Produkte auf durchaus komplexen

Seilproduktion bei Liros:

schung und Entwicklung externes Wissen.

Rezepturen und vielfältigen Ausgangsmate­

Das mittelständische

Dazu zählen beispielsweise Kooperationen im

rialien, beispielsweise in der Nahrungs- und

Unternehmen aus Ober-

Bereich neuer Produktionsverfahren oder

Getränkeindustrie. Im Vordergrund stehen

franken verkauft seine Produkte in ganz Europa.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

40

schrittweise Verbesserungsinnovationen.

die sich besonders in einem hervorragenden

Dementsprechend spielen produktbegleitende

Preis-Leistungs-Verhältnis sowie einer gro­

Dienstleistungen meist keine Rolle. Auch die

ßen Volumenflexibilität am Markt äußert. Um

kundenspezifische Anpassung der Produkte ist

diese Ziele zu erreichen, setzt dieser KMU-Typ

eher die Ausnahme. Meist wird ein standardi­

überdurchschnittlich häufig innovative Orga­

siertes Grundprogramm gefertigt, aus dem der

nisationskonzepte und Managementmethoden

Kunde dann unterschiedliche Varianten wählen

ein. Die Entwicklung eigener, neuer Produkte

kann. Erfolgsfaktoren für Innovationen sind das

findet hingegen selten statt; vorhandene Pro­

Know-how der eigenen Beschäftigten sowie

dukte weisen eher eine mittlere Komplexität auf.

der Fokus auf nicht technische Innovationsfel­

Dem Angebot an produktbegleitenden Dienst­

der wie Produktdesign und Marketing. Durch

leistungen, beispielsweise bei Verpackung, Lo­

den oft hohen Automatisierungsgrad bzw. die

gistik oder Vertrieb, kommt hingegen eine hohe

Prozessgüterfertigung bieten sich nur wenige

Bedeutung zu. Es handelt sich häufig um Teile-

Einsatzmöglichkeiten für innovative organisato­

und Komponentenzulieferer, die gleichermaßen

rische Konzepte. Jedoch erreicht dieser KMU-

in forschungsintensiven wie nicht forschungs­

Typ kurze Fertigungsdurchlaufzeiten sowie

intensiven Industriebranchen zu finden sind.

eine hohe Gesamtfaktorproduktivität. Dieses Innovationsmuster findet sich häufig in der Nahrungs-, Getränke- und Bekleidungsindus­

Unterschiedliche Wege zum Erfolg

trie, der Möbelbranche sowie bei Herstellern von Sportgeräten und Musik­instrumenten. (4) Schwach-innovative, arbeitsintensive (Lohn-)

Wichtig zu betonen ist an dieser Stelle, dass alle geschilderten Innovationsmuster trotz – oder

Fertiger: Dieser Typ nicht forschungsaktiver

gerade wegen – ihrer unterschiedlichen Ressour­

KMU entwickelt überwiegend keine eigenen

cenkombinationen ökonomisch erfolgreich sein

Produkte und Dienstleistungen, sondern dient

können. Zu jedem KMU-Typ lassen sich Unter­

seinen Kunden als „verlängerte Werkbank“ für

nehmen finden, die ein hohes Umsatzwachstum

arbeitsintensive oder aufwendige Fertigungs­

und eine positive Beschäftigungsentwicklung auf­

schritte wie das Galvanisieren oder Schweißen.

weisen. In allen fünf Typen sind exportaktive KMU

Der Personalanteil in Fertigung und Montage

zu finden, die durchschnittliche Exportquote liegt

ist besonders hoch. Entsprechend der Markt­

je nach Typ zwischen 16 und 28 Prozent.

Zu jedem KMU-Typ lassen sich Unternehmen finden, die ein hohes Umsatzwachstum aufweisen.

positionierung spielt eine kundenindividuelle Fertigung, oft „nach Zeichnung“, häufig eine

Die beispielhafte Darstellung dieser unterschiedli­

wichtige Rolle. Die Innovationsleistung dieser

chen Innovationsmuster von nicht forschungsak­

KMU besteht vor allem in der kundenspezifi­

tiven KMU im verarbeitenden Gewerbe Deutsch­

schen Anpassung von Produkten. Die Pro­

lands macht deutlich, dass die häufig verwendete

duktion der eher wenig komplexen Bauteile

statistische Abgrenzung von KMU allein anhand

erfolgt meist auf standardisierten Maschinen

der Größe nicht in der Lage ist, die Vielfalt unter­

und Anlagen. Nur selten kommen avancierte

schiedlicher Strategien und Verhaltensweisen von

Produktionstechnologien oder neue Formen

KMU wiederzugeben. Einerseits sind die unter­

der Arbeits- und Produktionsorganisation zum

schiedlichen Innovationsmuster von KMU trotz der

Einsatz. Solche Unternehmen sind häufig

fehlenden eigenen FuE-Aktivitäten durchaus inno­

Lohnfertiger in Branchen wie der Metaller­

vativ und wettbewerbsfähig. Der Verzicht auf FuE

zeugung und -bearbeitung aber auch in der

stellt somit eine ökonomisch rationale Strategie für

Automobilindustrie.

diese Unternehmen dar. Sie vermeidet die hohen

(5) Volumenflexible, spezialisierte Zulieferer:

Kosten und das hohe Risiko von FuE. Technolo­

Sowohl der Anteil von Mitarbeitern in Fertigung

gische Exzellenz wird durch eine effiziente und

und Montage als auch der Anteil gering qua­

flexible interne Organisation, ein hohes Prozess-

lifizierter und ungelernter Beschäftigter sind

Know-how, das Übertragen bestehender techno­

in dieser Gruppe bei Weitem am höchsten.

logischer Lösungen auf neue Anwendungsfelder

Es herrscht eine hohe Kundenorientierung,

oder eine starke Kundenorientierung ersetzt.

41

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Förderung an Entwicklungswegen ausrichten

Unternehmen Anstöße für eigene Innovationen geben und in der Rolle als Anwender entschei­ dend zur Verbreitung neuer Technologien beitra­

Andererseits verdeutlichen die dargestellten

gen. Eine auf KMU ohne eigene FuE ausgerichtete

Innovationsmuster die Stärken und Schwächen

Innovationsförderung sollte vor allem folgende

der jeweiligen KMU, die sich in unterschiedlichen

Schwerpunkte setzen:

möglichen Entwicklungspfaden niederschlagen.

den spezifischen Bedarf dieser KMU eingeht

spielsweise zwei Entwicklungspfade an: Der erste,

(hohes Prozesswissen, Fähigkeit zur Integra­

technologisch orientierte Pfad würde bedeuten,

tion unterschiedlicher Technologien, Kombina­

dass diese Unternehmen vor allem in den Aufbau

tion von technischem und betriebswirtschaft­

von Kompetenzen und Prozess-Know-how für den

lichem Wissen). So könnten die Ausbildungs­

Einsatz moderner Produktionsanlagen investieren.

gänge in typischen Berufsfeldern sowie die

Daraus ergäbe sich eine immer stärkere Ausrich­

Curricula an Fachhochschulen entsprechend

tung hin zum technischen Prozessspezialisten. Der zweite, nicht technische Pfad, könnte hinge­

Viele Unternehmen verfügen nicht über die notwendigen Prozesse, um von Kooperationen mit wissenschaftlichen Partnern zu profitieren.

Sicherung eines Fachkräfteangebots, das auf

Für den Typ „(Lohn-)Fertiger“ bieten sich bei­

weiterentwickelt werden. Unterstützungsangebote für die Entwicklung

gen den Schwerpunkt auf die Flexibilisierung und

und Implementierung von Prozessinnovationen,

Rationalisierung der Arbeits- und Produktionsor­

die keine eigene FuE-Tätigkeit des KMU vor­

ganisation und -abläufe legen. Daraus ergäbe sich

aussetzen. Im Hinblick auf deren Finanzierung

eine Entwicklung in Richtung eines spezialisierten

könnten hierfür in Zusammenarbeit mit dem

Zulieferers.

privaten und genossenschaftlichen Bankensek­ tor staatliche Kofinanzierungsmodelle ähnlich

Diese Entwicklungspfade haben auch Konsequen­

dem ERP-Innovationsprogramm erarbeitet

zen für eine KMU-orientierte Innovationspolitik. So

werden. Für eine erleichterte Erprobung und

würde eine direkte Förderung von FuE-Koopera­

erfolgreiche Umsetzung könnten diskriminie­

tionen mit wissenschaftlichen Partnern dem

rungsfreie Zugänge zu technischen Pilotan­

Typus (Lohn-)Fertiger nicht gerecht. Einerseits

lagen, Prototypen und Demonstratoren dazu

bestünde kaum Passfähigkeit mit der von ihm

beitragen, dass diese KMU Anwendungsfelder

verfolgten Innovationsstrategie, da er meist keine

neuer Technologien sowie die Machbarkeit

eigene Produktentwicklung betreibt. Andererseits

neuer Prozesse erproben können, ohne die da­

träfe die Förderung nicht die im Unternehmen

für notwendigen, oft hohen Investitionskosten

bestehenden Kompetenzen und Fähigkeiten. So verfügen viele dieser Unternehmen gar nicht

im ersten Schritt tragen zu müssen. Stärkung der Verwertungskompetenzen zum

über die notwendigen Prozesse, Schnittstellen

Beispiel durch Unterstützungsangebote für

und personellen Ressourcen, um von Kooperatio­

den Aufbau neuer Geschäftsmodelle und zur

nen mit wissenschaftlichen Partnern profitieren

Erschließung neuer Märkte und Kundengrup­

zu können. Anderen KMU-Typen, beispielsweise

pen. So können Wachstumspotenziale – etwa

Produktinnovatoren und technischen Prozess­

im Rahmen von Industrie 4.0 – erschlossen

spezialisten, könnte dagegen eine Kooperations­

und die Abhängigkeit von einzelnen Kunden

förderung tatsächlich nützen.

reduziert werden. Verwertungsaspekte die­ ser Art könnten beispielsweise im Rahmen

Eine zukunftsorientierte und erfolgreiche Innova­

technologischer Förderprogramme stärker als

tions- und Technologiepolitik für KMU sollte daher

bisher integriert werden.

die unterschiedlichen Innovationsmuster in den Blick nehmen und Unterstützungsangebote für KMU ohne eigene FuE entwickeln. Denn auch diese KMU tragen ein Innovationsrisiko und sehen sich verschiedenen Innovationsbarrieren gegen­ über. Und auch für ihre Innovationsmuster gilt, dass sie den Wissensbestand erweitern, anderen

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

42

produkte und Technologien für andere Unter­

Teil 3 Hidden Champions: mittelständische Weltmarktführer aus Deutschland

nehmen herstellen, die starke Innovationsorientierung und hohe Innovationsintensität der Unternehmen, eine Heimatmarktnachfrage, die hohe Ansprü­ che an Qualität, Technologie und Kosteneffi­ zienz stellt, ein Binnenmarkt, der zwar groß genug ist, um ausreichend Nachfrage für Innovationen zu

Eine Spezialität der deutschen Wirtschaft ist, dass

schaffen, jedoch zu klein, um rein binnenmarkt­

sie relativ viele innovative mittelständische Unter­

orientierte Großunternehmen heranzuziehen.

nehmen hervorgebracht hat, die besonders stark

Was zeichnet Hidden Champions ­aus?

auf den Weltmarkt ausgerichtet sind und eine Spit­

Unter diesen Bedingungen können sich mittelstän­

zenposition auf globalen Märkten erlangt haben.

dische Unternehmen auf industrielle Nischenmärk­

Hermann Simon8 hat dieses Phänomen bereits

te konzentrieren, in denen eine genaue Kenntnis

Als mittelständische Weltmarktführer

1990 unter dem Namen „Hidden Champions“

der Kundenwünsche gefordert ist und in denen

gelten Unternehmen mit weltweit weniger als

beschrieben: Mittelständische Unternehmen mit

Kunden gleichzeitig hohe Innovationsansprüche

10.000 Beschäftigten, die primär auf internatio­

hohen Weltmarktanteilen, die zu den Technologie-

stellen. Die begrenzte Marktgröße Deutschlands im

nalen Märkten tätig sind. Zudem müssen sie in

und Innovationsführern in ihrem Bereich zählen

Vergleich zu den USA, Japan oder China bedeutet,

ihrem Hauptabsatzmarkt einen hohen Marktanteil

und die Entwicklung in ihrem Markt wesentlich

dass sie sich schon frühzeitig in Richtung Export

mitbestimmen. Weil diese traditionellen mittelstän­

orientieren. Sie erobern nicht erst dann die Aus­

­kleinen Marktvolumen – unter 200 Millionen

dischen Unternehmen auf Nischenmärkten oder

landsmärkte, wenn sie zuvor im Heimatmarkt zu

Euro pro Jahr – bei zumindest 10 Prozent liegen,

als Zulieferer tätig sind und es sich bei ihnen oft

Großunternehmen gewachsen sind.

um familiengeführte, nicht börsennotierte Unter­

haben. Der Anteil muss in Märkten mit einem

in Märkten mit 200 bis 500 Millionen Euro bei zumindest 7. In Märkten mit 0,5 bis

nehmen handelt, führen sie quasi ein verstecktes

Um die Besonderheiten der kleinen Weltmarktfüh­

1 Milliarde Euro muss der Marktanteil zumindest

Dasein abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit.

rer herauszuarbeiten und mit anderen Unterneh­

3 Prozent und in großvolumigen Märkten von

men zu vergleichen, müssen diese Unternehmen

mehr als 1 Milliarde Euro zumindest 1 Prozent

Eine aktuelle Zusammenstellung von Hermann

anhand bestimmter Merkmale identifiziert werden.

erreichen. Außerdem müssen die Unternehmen

Simon zeigt, dass fast die Hälfte der weltweit mehr

Die Datengrundlage bildet die Deutsche Inno­

in den vergangenen fünf Jahren überdurch-

als 2.700 Hidden Champions aus Deutschland

vationserhebung, das sogenannte Mannheimer

schnittlich stark gewachsen sein. Als Vergleichs­

kommt. Die USA erreichen gerade etwas mehr als

Innovationspanel des Zentrums für Europäische

wert gilt dafür das durchschnittliche

ein Viertel des deutschen Werts, Japan kommt

Wirtschaftsforschung. Die Definition der Hidden

Wachstum der Unternehmen ihrer

gar nur auf ein Sechstel. Eine größere Zahl von

Champions orientiert sich an der von Simon, geht

Branche in Deutschland.

Hidden Champions ist dagegen in Österreich und

an einer Stelle allerdings darüber hinaus. Denn ein

der Schweiz zu finden. Deutschland, die Schweiz

Kriterium, das bei der üblichen Diskussion zu kurz

und Österreich sind auch die drei Länder, in denen

kommt, ist das Unternehmenswachstum. Neben

diese Unternehmen in Relation zur Bevölkerung

Größe, Export- und Marktanteil ist ein überdurch­

deutlich am häufigsten anzutreffen sind. Hohe

schnittliches Wachstum daher ein weiteres Krite­

Dichten an Hidden Champions gibt es auch in den

rium, um von einem Champion zu sprechen. Auf

skandinavischen Ländern.

Basis der Hochrechnung der Innovationserhebung gibt es in Deutschland rund 1.600 Unternehmen,

Gute Voraussetzungen in Deutschland

die diese Kriterien erfüllen. Die hier identifizierten Unternehmen sind relativ klein. 21 Prozent haben zwischen 100 und 250

Die große Anzahl kleiner Weltmarktführer in

Beschäftigte, bei 20 Prozent liegt die Beschäftig­

Deutschland ergibt sich aus der Kombination meh­

tenzahl zwischen 50 und 100. Nur rund ein Viertel

rerer Besonderheiten der deutschen Wirtschaft:

weist mehr als 250 Mitarbeiter auf. Die Unterneh­

die hohe Exportorientierung,

men beschäftigen im Durchschnitt 285 Mitarbeiter

die große Bedeutung von Industrien, die Vor­

und erzielen einen Jahresumsatz von im Mittel

43

8 H. Simon (1990), Hidden Champions: Speerspitze der deutschen Wirtschaft, Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Nr. 60, H. 9, S. 875–890; H. Simon (1997), Die heimlichen Gewinner: Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt; H. Simon (2012), Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia, Frankfurt.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

knapp 90 Millionen Euro. Damit sind sie merklich

Hidden Champions: Anzahl und relative Bedeutung Land

kleiner als die Hidden Champions in der Zusam­ menstellung von Simon. Dies liegt zum einen da­

Anzahl (2014)

Deutschland USA Japan Österreich Schweiz Italien Frankreich China Großbritannien Schweden Niederlande Polen Südkorea Dänemark Belgien Kanada Russland Finnland Norwegen Spanien Brasilien Australien Andere Länder

ran, dass sich die Auswertung die Beschäftigten1.307

und Umsatzzahlen nur auf den Standort Deutsch­

366

land beziehen und Tochterunternehmen von

220

Konzernen als eigenständige Unternehmen zählen.

116 110 76 75 68 67 49 29 27 23 19 19 16 14 14 13 11 11 10 74 0

Zum anderen sind dynamische, also überdurch­ schnittlich stark wachsende Unternehmen, häufig kleiner als bereits seit Langem etablierte und kaum noch wachsende Weltmarktführer. Deshalb werden sie im Folgenden mit dem Begriff mittelständische Weltmarktführer bezeichnet. Die relativ geringe Größe der Unternehmen bei hohem Weltmarktanteil bedeutet, dass die meis­ ten mittelständischen Weltmarktführer in Märkten mit einem eher geringen Nachfragevolumen tätig sind. So liegt bei rund drei Vierteln der mittelstän­ dischen Weltmarktführer der jährliche Gesamtum­ satz in ihren Märkten unter 200 Millionen Euro. Bei weiteren 14 Prozent beträgt das Marktvolu­ 200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

men zwischen 200 Millionen und 1 Milliarde Euro. Diese Märkte sind für große Konzerne meist wenig interessant, da sie geringe Möglichkeiten zur

Land

­Standardisierung von Produkten und zur Nutzung

Anzahl je 1 Mio. Einwohner

Deutschland Schweiz Österreich Schweden Dänemark Norwegen Finnland Niederlande Japan Belgien Italien USA Frankreich Großbritannien Polen Südkorea Kanada Australien Spanien Russland Brasilien China

16,0 13,8 13,7

Die mittelständischen Weltmarktführer beschäf­ tigten 2012 zusammen rund 460.000 Personen

5,1

0

3,4

200

400

und erzielten einen Jahresumsatz von insgesamt

2,6 2,6

etwa 145 Milliarden Euro. Mehr als 85 Prozent sind in der Industrie tätig. Rund ein Viertel kommt aus

1,7 1,7 1,7 1,2 1,2 1,1 1,1 0,7 0,5 0,5 0,4 0,2 0,1 0,1 0,1 0

von Größenvorteilen in der Produktion bieten.

dem Maschinenbau. Gut 12 Prozent stammen aus der Metallindustrie, insbesondere der Herstellung spezialisierter Metallteile als Zulieferkomponenten. Weitere 11 Prozent sind in der Elektrotechnik tätig. Jeweils 5 bis 6 Prozent kommen aus der Medizin­ technik, der Chemieindustrie und dem Fahrzeug­ bau. Damit gehören insgesamt 62 Prozent der mit­ telständischen Weltmarktführer der hochwertigen Technologie an, also jenen Branchen, auf die die deutsche Wirtschaft traditionell spezialisiert ist.

2

4

Quelle: Hermann Simon

6

8

10

12

14

16

In einigen Branchen wenig vertreten Aus dem Bereich der Spitzentechnologie kom­ men nur knapp 6 Prozent der mittelständischen Weltmarktführer. Davon sind knapp 5 Prozent im

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

44

60

Ein Beispiel für einen Hidden Champion aus großen Bereich Elektronik und Messtechnik tätig,

Die Bedeutung, die mittelständischen Weltmarkt­

Deutschland ist Qiagen

zu dem unter anderem Mikroelektronik, Compu­

führern in den einzelnen Branchen zukommt, vari­

aus Hilden bei Düssel­

terbau, Nachrichtentechnik, Unterhaltungselek­

iert sehr stark. Der höchste Anteil ist in den Bran­

dorf. Das Unternehmen

tronik, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik,

chen Forschung und Entwicklung zu finden: Hier

profitiert vom boomen­

Optik und elektromedizinische Geräte zählen.

zählen fast 6 Prozent aller Unternehmen (ohne

den Biotech-Markt und

Gut 1 Prozent kommt aus der Pharmaindustrie.

Kleinstunternehmen mit weniger als fünf Beschäf­

verkauft Tests und neue

Allerdings gibt es auch eine größere Gruppe, etwa

tigten) zu den mittelständischen Weltmarktführern.

Geräte, mit denen sich

6 Prozent, von Weltmarktführern in der Branche

In der Elektrotechnik, der Pharmaindustrie und der

Krankheiten nachweisen

Forschung und Entwicklung. Dabei handelt es

Chemieindustrie sind es jeweils rund 5 Prozent.

lassen.

sich um Unternehmen, die sich primär auf die

Hohe Anteile von mittelständischen Weltmarktfüh­

Entwicklung neuer Technologien und Produkte

rern gibt es außerdem im Maschinenbau mit 4 Pro­

konzentrieren und noch nicht in die Vermark­

zent und im Fahrzeugbau mit 3 Prozent. In der

tungsphase eingetreten sind. Der größere Teil

wichtigsten Spitzentechnologiebranche, der Elek­

dieser Unternehmen ist in der Spitzentechnologie

tronik und Messtechnik, sind dagegen nur knapp

tätig, beispielsweise in Biotechnologie, Nanotech­

2 Prozent der Unternehmen Weltmarktführer.

nologie, Optik oder neuen IT-Anwendungen. Innerhalb der Dienstleistungssektoren finden sich

Starke Marktstellung

mittelständische Weltmarktführer praktisch nur in zwei Branchen: in der Software- und Internetbran­

Der Beitrag von mittelständischen Weltmarktfüh­

che mit 5 Prozent und bei den Ingenieurbüros, wo

rern zum deutschen Innovationssystem ist trotz

gut 1 Prozent tätig ist. In vielen Dienstleistungs­

der geringen absoluten Zahl der Unternehmen

branchen ist es für kleine Unternehmen auch

nicht zu unterschätzen. Sie repräsentieren zwar

rechtlich nur sehr schwer möglich, weltweit aktiv

nur 0,6 Prozent aller Unternehmen (ohne Kleinst­

zu sein und auf globalen Dienstleistungsmärkten

unternehmen und ohne konsumorientierte Dienst­

einen signifikanten Marktanteil zu erreichen.

leistungen). Ihr Anteil an der Beschäftigung und am Umsatz ist mit jeweils etwa 3 Prozent bereits

45

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Exkurs

Typologie der Hidden Champions

1.

Champions in klassischen

Unternehmen sind kontinuierliche Prozessverbes­

Nischen

serungen der entscheidende Vorteil, eingebettet in

Viele Hidden Champions sind

die Erfahrungen von Ingenieuren und Facharbei­

in einer kleinen Produktnische

tern. Wenn der Markt zu einer kleinen Nische wird,

innerhalb einer recht großen Pro­

braucht es oft gar keinen technischen Vorteil mehr.

duktgruppe tätig und können dort mittels Speziali­

Dann können allein langjährige Kundenloyalität,

sierung zum Marktführer werden. Solche Spezial­

Ersatzteilverfügbarkeit oder der weltweite Vertrieb

anwendungen sind oft nicht ökonomisch attraktiv

die Marktstellung sichern.

für Großunternehmen, da sie dort ihre Größen­ vorteile in Forschung und Entwicklung (FuE) oder

3.

Vertrieb nicht ausspielen können. Gleichzeitig sind die nationalen Märkte für diese Anwendungen so klein, dass quasi kein Unternehmen wirtschaftlich und auf höchstem technischem Niveau arbeiten kann, ohne am Weltmarkt vertreten zu sein. So

Champions in dynamischen Märkten Neue Hidden Champions sind vor allem auf schnell wachsenden Märkten zu Hause. Sie sind aber

eher eine kurzfristige Erscheinung. Denn entweder

stellt die Firma ProMinent Dosiertechnik in Heidel­

Auf Nischen spezialisiert ist zum Beispiel die

wachsen sie schnell mit dem Markt zu einem Groß­

berg Dosierpumpen her, die hochpräzise kleinste

Andritz AG aus Österreich. Ihre Untergesellschaf­

unternehmen, ein anderes Großunternehmen über­

Flüssigkeitsmengen in ein System einleiten. Mit

ten sind vielfach Weltmarktführer, beispielsweise

nimmt sie und erkauft sich dadurch Wachstum,

2.300 Beschäftigten ist die Firma mit über 50 Aus­

im Großanlagenbau.

oder sie scheitern. Diese Unternehmen stehen vor

landsvertretungen auf dem Weltmarkt präsent. Für

allem in den USA bei Unternehmensfinanzierung,

einige Produkte und Dienstleistungen ist selbst der

Politik und in der Öffentlichkeit in hohem Ansehen,

Weltmarkt klein. Bei gleichzeitig hohen technischen Anforderungen können nur sehr wenige Unter­ nehmen oder sogar nur ein einziges in solchen engen Märkten profitabel aktiv sein. Diese Produk­ te können Unternehmen nur anbieten, wenn der Weltmarkt konsolidiert ist. Die Käuferseite ist häufig

da Unternehmenswachstum als Leistungskriterium

2.

Champions in schrumpfenden

und Zeichen für erfolgreiches Hightech-Unterneh­

Märkten

mertum gelten. Schnell wachsende Hochtech­

Eine andere Gruppe von Hidden

nologieunternehmen sind häufig auch ohne den

Champions operiert in einem

Aufbau von ausländischen Tochterfirmen schnell

schrumpfenden Markt. Diese

auf dem Weltmarkt vertreten. Sie nutzen innova­

durch aktive weltweite Suche nach Zulieferern der

Märkte waren in der Vergangenheit relativ groß

tive Vertriebswege wie das Internet und auslän­

treibende Faktor der Internationalisierung. Beispiele

und boten einer Vielzahl von Unternehmen auf

dische Partnerunternehmen. Eine besondere Art

für solche engen Weltmärkte sind das Engineering

nationalen Märkten Platz. Sie schrumpfen vor

der schnell wachsenden Unternehmen heißt auch

von Seilbahnen, in dem das österreichische Unter­

allem durch den technischen Fortschritt, durch

„Born global“-Unternehmen. Sie sind schon von

nehmen Doppelmayr tätig ist, oder Druckmaschi­

den bestimmte Materialien und technische Pro­

Anfang an auf dem Weltmarkt präsent und müssen

nen für Banknoten, die das deutsche Unterneh­

zesse ersetzt und auf wenige Restanwendungen

nicht den mühsamen Weg des Aufbaus von inter­

men Giesecke & Devrient anbietet.

begrenzt sind. Champions in diesen Märkten sind

nationalen Vertriebsgesellschaften gehen.

Meister des Überlebens. Richtige Weltmarktführer Einige Unternehmensgruppen haben sich gera­

sind zunächst selten, bilden sich aber über die

Viele dieser Firmen entstehen in den USA. Die

dezu auf das weltweite Management von Markt­

Zeit dadurch heraus, dass Konkurrenten das Ge­

aggressive Wachstumsorientierung dieser Unter­

nischen spezialisiert. Die Heitkamp & Thumann

schäftsfeld verlassen und der Markt sich weltweit

nehmen und die Rolle von Venture Capital lassen

Gruppe in Düsseldorf beispielsweise übernimmt

konsolidiert. Unter den verbleibenden Unterneh­

die Bezeichnung Hidden Champions jedoch als

seit 1978 kleine Nischenanbieter in der Metall­

men können diejenigen, die aktiv in den Weltmarkt

wenig passend erscheinen. Denn sie erfreuen

umformung und fasst sie zu größeren Unter­

investieren, eine technische Vorrangstellung in eine

sich häufig großer Aufmerksamkeit am Kapital­

nehmenseinheiten zusammen. Trotz weltweiter

führende Weltmarktstellung ummünzen.

markt und arbeiten keineswegs im Verborgenen.

Produktions- und Vertriebsgesellschaften ist die

Es gibt zwar auch deutsche Beispiele wie Jamba

Gruppe mit rund 2.000 Beschäftigten insgesamt

Diese Unternehmen sind meist sehr alte, tradi­

oder Omikron. Unter den Hidden Champions

aber noch ein mittelständisches Unternehmen. Ein

tionelle Firmen. Die Produkte sind über die Jahre

in Deutschland sind junge, schnell wachsende

ähnlicher Fall ist die österreichische Andritz AG mit

immer weiter perfektionierte technische Meister­

Unternehmen aber eher die Ausnahme. Ein

24.000 Beschäftigten, deren Untergesellschaften

werke. Beispiele sind Hersteller von Musikinstru­

Grund dafür ist auch die dynamische Situation

vielfach Weltmarktführer auf ihrem Gebiet sind,

menten wie Kirchenorgeln, spezielle Glas- oder

in schnell wachsenden Märkten. Im Gegensatz

beispielsweise im Großanlagenbau. Ein Vorteil von

Lederhersteller. Der Vorteil basiert in einigen Unter­

zu den USA ist in Deutschland der Begriff des

Unternehmensgruppen ist, dass sich einige Res­

nehmen auf traditioneller Handwerkskunst, die in

Champion eher von unternehmerischer Stabilität,

sourcen für die Auslandsaktivitäten jedes Nischen­

keiner Schule mehr zu finden ist außer in der Lehr­

langfristigem und gemäßigtem Wachstum und

produktes innerhalb der Gruppe teilen lassen.

werkstatt der Unternehmen selbst. Bei anderen

evolutionärer Internationalisierung geprägt.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

46

beträchtlich größer. Ihr Beitrag zu den Exporten

Beim Anteil der Unternehmen mit Prozessinnova­

der deutschen Wirtschaft ist mit 6,3 Prozent be­

tionen erreichen mittelständische Weltmarktführer

deutend und spiegelt die hohe durchschnittliche

einen doppelt so hohen Wert.

Exportquote von deutlich über 60 Prozent wider. Um die Frage nach den Erfolgsfaktoren zu beant­ Gemessen an der Innovationsleistung der deut­

worten, hilft ein Vergleich zwischen mittelständi­

schen Wirtschaft ist die Bedeutung der mittel­

schen Weltmarktführern und anderen Unterneh­

ständischen Weltmarktführer noch höher. Sie

men, die ähnlich groß, in denselben Branchen

stemmen 7 Prozent der gesamten FuE-Ausgaben

aktiv und im selben Ausmaß innovativ tätig sind.9

der deutschen Wirtschaft. Zudem sind sie für

Die Unternehmen der Vergleichsgruppe unter­

knapp 6 Prozent der gesamten Innovationsaus­

scheiden sich somit nur durch eine geringe Welt­

gaben verantwortlich. Ihr Beitrag zum Umsatz

marktorientierung, einen niedrigeren (Welt-)Markt­

mit Produktinnovationen liegt bei gut 5 Prozent

anteil und ein im Mittel geringeres Wachstum. Auf

und ist damit fast doppelt so hoch wie ihr Anteil

Basis dieser vergleichenden Analyse ergeben sich

am gesamten Umsatz. Dementsprechend über­

folgende Erfolgsfaktoren:

trifft auch der Umsatzanteil, der auf Produktin­

(1) Globales Wachstum als strategisches Unternehmensziel

novationen zurückgeht, mit gut 23 Prozent den Durchschnittswert von knapp 13 Prozent in der

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die starke Innovationsorientierung.



Das überdurchschnittliche Wachstum der

deutschen Wirtschaft um fast das Doppelte. Zum

mittelständischen Weltmarktführer liegt darin

Umsatz der deutschen Wirtschaft mit originär

begründet, dass Wachstum ein zentrales stra­

neuen Innovationen, sogenannten Marktneu­

tegisches Ziel ist, und sie dabei global denken.

heiten, tragen mittelständische Weltmarktführer

Ziele wie eine Verbesserung der Gewinnmarge,

6,6 Prozent bei. Betrachtet man nur den Umsatz

Umsatzerhöhung und Kostensenkung sind für

jener Marktneuheiten, die für den Weltmarkt eine

alle mittelständischen Unternehmen von hoher

Neuheit darstellen, so liegt ihr Anteil sogar bei

Bedeutung, doch für Hidden Champions hat

knapp 12 Prozent. Im Mittel machen Weltmarkt­

die Erhöhung des Marktanteils einen beson­

neuheiten 5 Prozent des Umsatzes eines mittel­

ders hohen Stellenwert. Die Erschließung neuer

ständischen Weltmarktführers aus.

Märkte in Übersee ist dabei eine wichtige Maß­ nahme zur Erreichung der Unternehmensziele. Dazu gründen Hidden Champions häufiger

Die Erfolgsfaktoren der Champions

Tochterunternehmen außerhalb Europas. (2) Innovativ und forschungsaktiv

Was steckt hinter dem internationalen Erfolg der



Über 80 Prozent der mittelständischen Welt­

mittelständischen Weltmarktführer? Ein wesent­

marktführer haben in den zurückliegenden drei

licher Erfolgsfaktor ist ganz offensichtlich ihre

Jahren Produkt- oder Prozessinnovationen ein­

starke Innovationsorientierung. In der Gesamtheit

geführt – das sind zehn Prozentpunkte mehr als

der deutschen Unternehmen, Kleinstunterneh­

in der Vergleichsgruppe. Ihr Innovationsprozess

men und konsumorientierte Dienstleistungen

ist gleichzeitig effizienter gestaltet. Bei ähnlich

ausgenommen, ist jedes zweite Unternehmen

hohen Ausgaben für Forschung und Entwick­

innovationsaktiv, das heißt, es unternimmt An­

lung sowie Produkteinführung erzielen die Hid­

strengungen zur Entwicklung und Einführung

den Champions höhere Umsatzerträge durch

von neuen Produkten oder Prozessen. Bei den

Innovationen, die sie als Erste auf den Markt

mittelständischen Weltmarktführern sind da­

bringen. Unter diese Innovationen fallen Markt­

gegen 90 Prozent innovationsaktiv. 55 Prozent

neuheiten und radikale Innovationen. Der Anteil

befassen sich kontinuierlich mit Forschung und

der Marktneuheiten ist unter mittelständischen

Entwicklung, im Vergleich zu nur 11 Prozent in

Weltmarktführern mit fast 53 Prozent signifikant

der deutschen Wirtschaft insgesamt. Vier von fünf

höher als in der Vergleichsgruppe. Dieser Wert

mittelständischen Weltmarktführern haben neue

geht einher mit einer stärkeren Fokussierung

Produkte jüngst eingeführt. Bei allen Unterneh­

auf kontinuierliche eigene Forschungsanstren­

men liegt dieser Anteil bei unter einem Drittel.

gungen. Drei Viertel der Unternehmen betrei­

47

9 C. Rammer, A. Spielkamp (2015), Hidden Champions – Driven by Innovation. Empirische Befunde auf Basis des Mannheimer Innovationspanels, ZEWDokumentation 15-03, Mannheim.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

ben kontinuierlich Forschung und Entwicklung,

(6) Know-how-Schutz durch Schnelligkeit

zudem vergeben sie häufig Aufträge in diesem



Bereich an Dritte.

Durch einen zeitlichen Vorsprung versprechen sich mittelständische Weltmarktführer hohe

(3) Exzellentes Prozessmanagement

Effektivität zur Sicherung des Know-hows und



Mittelständische Weltmarktführer transfor­

dadurch begründete Wettbewerbsvorteile.

mieren Ideen und Wissen in marktfähige

Durch die schwer zu imitierende Gestaltung

Leistungen. 60 Prozent der Unternehmen

von Produkten und Dienstleistungen sowie

haben dazu Marketing- und Organisations­

durch Geheimhaltung bauen sie weitere Markt­

innovationen entwickelt: Sie setzen auf die

zutrittsbarrieren für Konkurrenten auf. Von den

Neuen Medien, neues Design der Produkte

rechtlichen Schutzmaßnahmen nutzen sie vor

oder Onlinevertriebskanäle. Sie suchen intern

allem Patente und den Markenschutz.

Die hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung zahlen sich für die Weltmarktführer aus.

kontinuierlich nach Verbesserungen, spüren neue Kundenbedürfnisse auf, binden nahezu

Zusammenfassend ist – neben den Führungs­

alle Mitarbeiter in den Innovationsprozess ein

qualitäten und den strategischen Maßnahmen –

und besitzen die Kompetenz, neue technische

die Innovationstätigkeit eine wesentliche Basis

Lösungen schnell nach Kundenbedürfnissen

für die starke Marktposition der mittelständischen

umzusetzen. Dabei kommen Qualitätsmanage­

Weltmarktführer. Ein Innovationsmanagement,

ment-Tools, Wissensmanagement und Formen

das Kundenanforderungen und technologische

der Arbeitsorganisation wie Jobrotation und

Möglichkeiten vereint, ist ein Geheimnis ihres

Teamwork verstärkt zum Einsatz.

Erfolgs – ein weiteres ist die Vernetzung des ei­

(4) Systematisches Wissensmanagement

genen technischen Know-hows mit ergänzendem



Zum professionellen Prozessmanagement

Wissen von Kunden und Wissenschaft. Diese

gehört die systematische interne wie exter­

Kernkompetenzen lassen sich von Wettbewer­

ne Suche nach Wissen. Basis für intra- wie

bern nur schwer nachahmen. Das Ergebnis ist,

interorganisationalen Wissens- und Techno­

dass mittelständische Weltmarktführer wirtschaft­

logietransfer ist das technikorientierte Wissen

lich deutlich erfolgreicher sind als andere mittel­

im Unternehmen. Innovationsimpulse sollten

ständische Unternehmen in ihren Branchen: Ihre

daher zuvorderst aus allen Teilen des eige­

Umsatzrendite ist um rund einen Prozentpunkt

nen Hauses kommen. An zweiter Stelle als

höher. Die hohen Investitionen in FuE- und Inno­

Impulsgeber für Innovationen stehen Kunden

vationsprojekte zahlen sich für die Weltmarktfüh­

aus der Privatwirtschaft, die frühzeitig in den

rer somit aus.

Entwicklungszyklus von Produkten eingebun­ den sind. Universitäten und Fachhochschulen

Der Grund dafür, dass es so viele und erfolgreiche

als Impulsgeber kommen danach und haben

mittelständische Weltmarktführer in Deutschland

einen vergleichbaren Stellenwert wie Messen,

gibt, liegt nicht nur in den Managementfähigkei­

Konferenzen oder Ausstellungen.

ten der Unternehmen, sondern vor allem in den

(5) Wissenschaftskooperationen

Wirtschaftsstrukturen. Deshalb ist die Sicherung



60 Prozent der mittelständischen Weltmarkt­

einer starken industriellen Basis in den derzeitigen

führer führen Kooperationen bei Projekten

Spezialisierungsfeldern der deutschen Wirtschaft

in Forschung und Entwicklung und für Inno­

Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektrotechnik,

vationen durch. Von Bedeutung sind dabei

Chemie, Medizintechnik, Messtechnik/Optik, Me­

universitäre und außeruniversitäre Forschungs­

tallbearbeitung so wichtig. Dafür sind die Unter­

einrichtungen. Nationale Partner haben bei

stützung der Innovationsanstrengungen der KMU,

Kooperationen in Forschung und Entwicklung

ein ausreichendes Fachkräfteangebot – sowohl

zwar einen hohen Stellenwert, allerdings spielt

was die akademische als auch was die berufliche

die regionale Nähe nur eine untergeordnete

Bildung betrifft – sowie ein funktionierender Wis­

Rolle. Häufiger als es bei Unternehmen der

sens- und Technologietransfer zwischen Wissen­

Vergleichsgruppe zu beobachten ist, kooperie­

schaft und Wirtschaft entscheidend.

ren Hidden Champions in der Forschung und bei Innovationen mit Partnern aus Europa.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

48

Exkurs

Kooperationen zwischen KMU und Wissenschaft Kooperationen im Rahmen von FuE- und Inno­­va­

zentrale Vorhaben. Werden Innovationsideen

wirtschaft kooperieren, mit 34 Prozent vergleichs­

tionsprojekten sind für KMU aus mehreren Grün­

frühzeitig bekannt und von anderen Unternehmen

weise niedrig.

den von besonderer Bedeutung:

übernommen, kann das nicht nur das konkrete In­

Erstens verfügen KMU oft nur über begrenz­

novationsprojekt obsolet machen, sondern

Die starke Orientierung auf die Wissenschaft als

te interne Wissensressourcen. Aufgrund der

die künftige Wettbewerbsfähigkeit eines KMU

Kooperationspartner hängt unter anderem mit der

geringen Mitarbeiterzahl können KMU nicht

insgesamt gefährden. Von daher spielen das

öffentlichen Förderung solcher Kooperationen im

in allen für sie relevanten technischen Fel­

­Management von geistigem Eigentum und ge­

Rahmen verschiedener Programme der Länder,

dern Kompetenzen entwickeln und vorhalten.

eignete Schutzmaßnahmen eine entscheidende

des Bundes und der EU zusammen. Viele Förder­

Kooperationen erschließen komplementäre

Rolle. Im internationalen Vergleich10 zeigen KMU

programme machen eine Wissenschaftskoopera­

Wissensquellen und erweitern damit die

aus Deutschland eine insgesamt geringe Koope­

tion entweder zur Voraussetzung oder legen sol­

eigene Innovationsfähigkeit.

rationsneigung. Im Zeitraum 2010 bis 2012

che Kooperationen zumindest nahe. Eine öffent­

­arbeiteten 11,5 Prozent aller KMU in Deutschland

liche Förderung der Zusammenarbeit zwischen

zierung der Entwicklungskosten und des Ent­

mit externen Partnern in Rahmen von Innova­

KMU und Wissenschaftseinrichtungen ist in der

wicklungsrisikos aufseiten der KMU.

tionsprojekten zusammen. In anderen Ländern

Tat aus mehreren Gründen sinnvoll:

Zweitens erlauben Kooperationen die Redu­

Drittens können Kooperationen auch die Ver­

ist die Kooperationsneigung erheblich höher.

Ohne Förderung erscheinen der Wissenschaft

wertung der Innovationsergebnisse erleichtern,

In Großbritannien und Belgien beispielsweise

Kooperationen mit KMU häufig wenig interes­

wenn zum Beispiel durch die Einbeziehung

unterhalten fast ein Viertel der KMU Innovations­

sant. Die Projekte sind oft klein und kurzfristig

von Kunden, Lieferanten oder Wettbewerbern

kooperationen. Die KMU aus Deutschland, die

und widmen sich technischen Problemstellun­

neue Geschäftspartnerschaften entstehen

kooperieren, tun dies besonders häufig mit der

gen, die selten direkt mit der aktuellen (Grund­

oder neue Absatzwege erschlossen werden.

Wissenschaft. 57 Prozent der kooperierenden

lagen-)Forschungstätigkeit der Wissenschaftler

KMU aus Deutschland weisen Kooperationen mit

zusammenfallen.

Eine große Herausforderung bei FuE- und Inno­

Hochschulen auf, 40 Prozent arbeiten mit außer­

Aus Sicht der KMU müssen bei Wissen­

vationsprojekten von KMU ist der Abfluss von

universitären Forschungseinrichtungen zusam­

schaftskooperationen oft hohe interne Hürden

wettbewerbsrelevantem Wissen. Denn bei den

men. Einzig die KMU aus Finnland zeigen hier

überwunden werden. Um auf Augenhöhe mit

Kooperationsprojekten handelt es sich meist

höhere Werte. Demgegenüber ist der Anteil der

Wissenschaftlern zu kooperieren, braucht

um strategisch für das Unternehmen besonders

deutschen KMU, die mit Kunden aus der Privat­

es eine entsprechende technologisch-wissen­ schaftliche Kompetenz im Unternehmen. Auch müssen sich die beiden Partner bei ihren jeweils spezifischen Zugangswegen zu Forschungsfragen annähern: Während Wissen­

Anteil KMU mit Innovationskooperationen Land

schaftler Gründlichkeit und wissenschaftliche Exaktheit hoch schätzen, sind für KMU die

Anteil in Prozent

Belgien Großbritannien Österreich Niederlande Finnland Dänemark Schweden Griechenland Irland Tschechien Deutschland Frankreich Norwegen Portugal Spanien Ungarn Italien Türkei Polen

praktische und kosteneffiziente Anwendbarkeit 22,9 22,4

und die rasche Umsetzung des Ergebnisses besonders wichtig.

15,3 14,5 14,3 14,3

Durch Wissenschaftskooperationen können KMU vor allem ihre grundsätzlichen technolo­ gischen Kompetenzen stärken. Da solche lang­

12,7 12,4 12,0 11,6 11,5 11,5

fristig orientierten Investitionen sich oft erst in ferner Zukunft rechnen, gehen sie im Tagesge­ schäft eines KMU schnell unter. Eine Förde­ rung kann einen wesentlichen Impuls leisten, dennoch solche Investitionen vorzunehmen.

7,9 6,8 6,0 5,6 4,8 4,2 3,9 0

5

10

15

20

25

10 Die internationalen Vergleichszahlen stammen aus der europäischen Innovationserhebung (Community Innovation Survey) und beziehen sich auf Unternehmen mit 10 bis 249 Beschäftigten in Industrie und ausgewählten Dienstleistungen.

0

Quelle: Europäische Kommission: Community Innovation Survey 2012

49

5

10

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Exkurs

Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem Die Bedeutung von Unternehmensgründun­

Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn man

Technologien, ein bestehendes Produkt oder eine

gen für ein Innovationssystem wird durchaus

auf konkrete Technologiefelder schaut. In der

bestehende Dienstleistung vollständig verdrängen

­kontrovers diskutiert. Rein quantitativ und für

Bio- und Nanotechnologie kommt Start-ups auch

können. Ein Beispiel sind Plattformen zur Vermitt­

eine Volkswirtschaft insgesamt betrachtet

quantitativ eine relevante Rolle zu. Und auch in

lung von Fahrdiensten zwischen Privatpersonen,

spielen Start-ups für FuE und Innovationen

vielen Bereichen der IT-Wirtschaft sind Start-ups

die das herkömmliche Taxigewerbe zumindest in

nur eine sehr untergeordnete Rolle. Schätzun-

wichtige Akteure für neue technologische Ent­

Teilbereichen herausfordern. Ein anderes Beispiel

gen des ZEW zeigen, dass junge Unterneh-

wicklungen und innovative Ideen.

sind Plattformen zur Vermietung von privaten

men in Deutschland – das heißt Unternehmen,

Wohnräumen an Touristen, die ein klassisches

die nicht älter als fünf Jahre sind – etwa

Die wirklich wichtige Rolle von Unternehmens­

Geschäftsmodell von Hotels infrage stellen. Gera­

eine h ­ albe Milliarde Euro pro Jahr für FuE

gründungen in einem Innovationssystem ist

de im IT-Bereich werden disruptive Innovationen

ausgeben.

allerdings eine qualitative: Gerade technologie­

häufig von Start-ups eingeführt.

orientierte Start-ups liefern immer wieder wich­ Zum Vergleich: Der größte deutsche Konzern,

tige Impulse, indem sie neue technologische

Für den Beitrag von Start-ups zum Innova­

Volkswagen, weist ein FuE-Budget von über

Lösungen entwickeln und ganz neue Ideen und

tionssystem sind somit nicht die absolute Anzahl

14 Milliarden Euro auf. Vom reinen Ausgaben­

Zugangswege öffnen. Mit disruptiven Innovationen

von Unternehmensgründungen ausschlagge­

volumen her können Start-ups somit nur wenig

öffnen sie immer wieder völlig neue Märkte. Dabei

bend, sondern die Gründungen mit wirklich

in einem Innovationssystem bewegen.

handelt es sich um Innovationen, die bestehende

neuen I­deen, die diese über ein wachstums­

Mit einer neuartigen Rettungsboje, die erst kaum größer als ein Smartphone ist und sich dann sekundenschnell aufbläst, überzeugten Marius Kunkis (li.) und Christopher Fuhrhop von Restube in diesem Jahr die Jury des Deutschen Gründerpreises. Der Lohn: Platz 1 in der Kategorie Start-up.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

50

orientiertes Geschäftsmodell umsetzen wollen.

innovativen Unternehmen, die aus dem Markt

Anteil der Wagniskapitalinvestitionen am BIP (Durchschnitt der Jahre 2012–2014)

ausscheidende ältere Unternehmen ersetzen.

Land

Solche Gründungen befeuern den Innovations­ wettbewerb und bilden auch den Nachwuchs an

Dies ist gerade im Hinblick auf eine der Stärken der mittelständischen Wirtschaft Deutschlands, die Hidden Champions, von Bedeutung. Denn diese Unternehmen sind relativ alt (im Mittel 80 Jahre) und bewegen sich teilweise in ­Märkten, die Opfer von disruptiven Innovationen durch Start-ups werden können. Eine wichtige Rahmenbedingung für innovative, wachstumsorientierte Start-ups ist die Verfügbar­ keit von Wagniskapital. Denn Start-ups, die in der Lage sind, einen messbaren Beitrag zu Innova­ tionen zu leisten, zeichnen sich meist durch vier Dinge aus: hervorragende Ideen, große Wachs­ tumspotenziale, ein erhebliches Scheiterrisiko und mangelnde finanzielle Ressourcen. Und genau hier setzen formelle Wagniskapitalinvestoren wie private Wagniskapitalgeber (Founding Angels oder Business Angels) an: Sie finanzieren die Umset­ zung der Ideen in marktfähige Produkte und die Vermarktung dieser Produkte. Dadurch, dass sie über ein Portfolio an Investitionen in innovative Start-ups verfügen, können sie auch das Risiko tragen: Ein erfolgreiches Start-up bringt mitunter mehr Mittel ein, als neun nicht erfolgreiche Pro­ jekte verbrannt haben. Der Wagniskapitalmarkt in Deutschland ist aller­

Anteil in Prozent

Israel USA Schweden Finnland Irland Dänemark Ungarn Großbritannien Frankreich Schweiz Belgien Niederlande Norwegen Kanada Japan Indien* Deutschland Russland Australien Portugal Südkorea Österreich China* Brasilien* Spanien Singapur Südafrika Polen Italien Türkei* Tschechien Griechenland

1,19 0,74 0,57 0,55 0,52 0,43 0,38 0,33 0,31 0,31 0,28 0,28 0,27 0,27 0,26 0,25 0,23 0,23 0,21 0,20 0,18 0,15 0,10 0,10 0,09 0,08 0,05 0,04 0,03 0,03 0,03 0,01 0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

dings bei Weitem nicht so stark, wie es eine inno­ vationsorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland bräuchte. Im Mittel der Jahre 2012 bis 2014

* Werte beziehen sich auf 2009. Quelle: EVCA, NVCA, OECD.

wurden in Deutschland rund 650 Millionen Euro an Beteiligungskapital in der Seed-, Start-up- und Wachstumsphase von Unternehmen investiert. Dies ist weniger als in Großbritannien und Frank­

günstiger als in anderen Ländern. In Deutschland

reich und nur ein Zwölftel des Investitionsvolu­

fehlt außerdem eine wichtige Akteursgruppe am

mens der USA. Gemessen am BIP liegen die

Wagniskapitalmarkt, die Pensionsfonds. Schließ­

Wagniskapitalinvestitionen in Deutschland hinter

lich sind auch die Exit-Optionen für Wagniskapi­

fast allen anderen innovationsorientierten Volks­

talgeber durch das Fehlen eines eigenen Börsen­

wirtschaften zurück. Selbst Japan, das lange Zeit

segments für junge Unternehmen begrenzt.

einen wenig entwickelten Wagniskapitalmarkt aufwies, liegt mittlerweile vor Deutschland.

Neben einer ausreichenden Wagniskapitalversor­

Deutschlands Start-ups brauchen einen stärkeren Wagniskapitalmarkt.

gung spielen aber auch andere Faktoren für eine Gründe für die niedrigen Wagniskapitalinves­

Belebung der Start-up-Aktivitäten eine wichtige

titionen gibt es mehrere. So ist die steuerliche

Rolle: Dazu zählt die Förderung einer Wagnis­

Behandlung von Wagniskapital, etwa was die

kultur, die zum Aufbruch ermuntert und ein

Behandlung von Verlustvorträgen betrifft, un­

Scheitern von Gründungen nicht stigmatisiert.

51

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Größenvorteile eine hohe Qualität ihrer Produkte

Teil 4 Internationalisierung von KMU in Deutschland und Japan

erreichen. In diesen Produktbereichen wie Foto­ apparate oder Uhren zählten gerade deutsche Unternehmen vielfach zu den Verlierern. Der Auslandserfolg der japanischen Wirtschaft zeichnet sich besonders durch Kosteneffizienz in der Massenfertigung und weniger durch Kunden­

Sowohl Deutschland als auch Japan verfügen

nähe aus, Letzteres ist die traditionelle Stärke der

über eine sehr leistungsfähige, innovative mittel­

deutschen Unternehmen. Die japanische Industrie

ständische Industrie. In beiden Ländern beruht

ist somit dort im Vorteil, wo Größenvorteile bei FuE

die industrielle Stärke auf hoher Innovations­

und Produktion existieren und sowohl ein Preis-

kompetenz, gepaart mit starker Exportorientie­

als auch ein Qualitätswettbewerb stattfinden. So

rung. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch,

hat der japanische Optikhersteller Nikon, heute

dass japanische mittelständische Unternehmen

ein Großkonzern mit fast 25.000 Beschäftigten,

weit weniger auf dem Weltmarkt präsent sind,

anders als die deutsche Traditionsmarke Leica, im

als deutsche. Japanische KMU sind oft primär

Massenmarkt für hochwertige Kleinbildkameras

Zulieferer von japanischen (global aktiven) Groß­

seinen Wettbewerbsvorteil gesehen. Durch Inno­

unternehmen. So exportiert nur ein sehr kleiner

vation hat Nikon eine starke Weltmarktposition in

Anteil der japanischen KMU direkt an Kunden im

diesem Segment erreicht, die das Unternehmen

Ausland, ihr Anteil liegt bei unter 3 Prozent. Die

bis heute verteidigt.

Gesamtzahl exportierender KMU in Japan ent­ spricht nur etwa 10 Prozent der entsprechenden

In Japan gibt es viele Familienunternehmen, die technisch auf höchstem Niveau arbeiten und äußerst innovativ sind.

Anzahl in Deutschland.

Schlafende Drachen

Dieser Unterschied ist frappierend, denn die

Für viele der Hidden Champions in Deutschland

Ausgangslage ist in beiden Ländern sehr ähnlich:

lässt sich ein sehr ähnliches japanisches Unter­

technische Exzellenz von KMU und eine ähnliche

nehmen finden, das in Japan Marktführer ist,

Industriestruktur. Während deutsche Unterneh­

aber auf dem Weltmarkt nur schwach vertreten

men diese Basis für eine offensive Internationali­

ist. Hier wird ein großes, noch nicht ausge­

sierung nutzen, weist der japanische Mittelstand

schöpftes Exportpotenzial für Japan gesehen

eine fast extreme Zurückhaltung vom Auslands­

und mit der Metapher der sleeping dragons

geschäft auf. Ein Vergleich zwischen Deutsch­

anschaulich gemacht. Das japanische Handels­

land und Japan kann somit auch Aufschluss

ministerium hat denn auch im Rahmen eines Re­

über einige der Gründe für die besonders gute

vitalisierungsprogramms für Regionen außerhalb

Exportleistung der deutschen KMU geben.

der industriellen Ballungsräume die potenzielle Stärke von mittelständischen Unternehmen ins

Die Diskussion um Hidden Champions hat in den

Visier genommen.

letzten Jahren auch Japan erreicht. Traditionell

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

war das Interesse von Politik und Öffentlichkeit

Hermann Simon hat schon darauf hingewiesen,

ganz auf Großunternehmen ausgerichtet. Lan­

dass es in Japan in der Tat auch Hidden Cham­

ge Zeit war die gängige Meinung in Japan, dass

pions gibt. Allerdings ist deren Zahl weit geringer

Exporterfolg und internationale Wettbewerbsfä­

als in Deutschland und diese Hidden Champions

higkeit auf nationalen Champions beruhen, also

sind hauptsächlich im Elektronik- und Optikbe­

multinationalen Großunternehmen mit Sitz in

reich tätig. Von den wenigen japanischen Hidden

Japan. Diese Überzeugung ist geprägt von der

Champions sind manche technologisch besonders

preislichen Wettbewerbsfähigkeit japanischer

stark aufgestellt. Ein Beispiel ist das japanische

Großunternehmen auf dem Weltmarkt. In tech­

Familienunternehmen Nichia, der Weltmarktfüh­

nisch hoch anspruchsvollen Produktbereichen

rer für LEDs. So hat ein früherer Mitarbeiter von

konnten diese nationalen Champions durch

Nichia, Shui Nakamura, im Jahr 2014 den Nobel­

52

preis für Physik erhalten, und zwar für die 1993

sind näher an Nachbarmärkten als japanische

in dem Unternehmen geglückte Entwicklung der

Unternehmen. Von Japan aus ist der Markteintritt

blauen LED. Nichia erwirtschaftet mittlerweile mit

in die ostasiatischen Nachbarländer eine genau­

knapp 8.000 Beschäftigten einen Umsatz von

so große Herausforderung wie die Bearbeitung

2,5 Milliarden US-Dollar und unterhält Vertretun­

des nordamerikanischen oder europäischen

gen und Produktionen in der ganzen Welt.

Marktes. Für japanische Unternehmen stellt der erste Schritt ins direkte Auslandsgeschäft eine

Hürden beim Export

fundamentale Entscheidung dar, die erhebliche Ressourcen und die Entwicklung neuer Fähigkei­ ten erfordert. Hierzu bedarf es zuallererst eines

Nichia stellt aber weiterhin die Ausnahme dar.

international ausgerichteten und erfahrenen

Die meisten innovativen japanischen mittelstän­

Topmanagements.

dischen Unternehmen sind auf den japanischen Binnenmarkt konzentriert. Sie sehen ihre Funk­

Ein anderer Faktor, der die Exportfähigkeit japa­

tion hauptsächlich als Zulieferer für japanische

nischer Unternehmen beeinflusst, ist die Charak­

Großunternehmen. Geringe Exporte werden oft

teristik der heimischen Nachfrage. In vielen

nicht mit geringer Leistungs- oder Wettbewerbs­

Industrien, in denen Japan heute zu den weltweit

fähigkeit gleichgesetzt, da japanische Großun­

führenden Nationen gehört, nimmt die heimische

ternehmen sehr exportorientiert sind und somit

Nachfrage eine Leitmarkt-Rolle in der Welt ein.

auch die Produkte ihrer Zulieferer in hohem Maße im Weltmarkt vertreten sind. Enge, ver­ trauensvolle Lieferantenbeziehungen zwischen japanischen Unternehmen, die gemeinsame Entwicklungsprojekte und Kapitalverflechtungen einschließen, sind ein großer Vorteil der japani­ schen Industrie. Aber sie stellen wohl auch ein Hindernis für die Exportorientierung der mittelständischen Unter­ nehmen dar. Denn Zulieferer sehen sich häufig in der Pflicht, die heimischen Kunden bevorzugt zu beliefern oder neueste technische Entwicklungen zuerst oder exklusiv ihren Kunden im Heimatland

Anteil von KMU in europäischen Ländern mit Exporten nach Übersee

zur Verfügung zu stellen. So wurde von auslän­

Land

dischen Unternehmen sogar berichtet, dass es

Schweden Italien Finnland Deutschland Belgien Frankreich Niederlande Spanien Portugal Österreich Norwegen Polen Türkei Ungarn Griechenland Tschechien

schwer sei, kleine japanische Unternehmen zum Export ihrer neuesten Technologien zu bewegen. Dieses Verhalten kann für die japanische Groß­ industrie von Vorteil sein, aber es reduziert das Exportvolumen Japans insgesamt. Es ist jedenfalls oft eine Zurückhaltung aufsei­ ten der japanischen Mittelständler zu erkennen, Auslandsmärkte zu erobern, wenn dies einen hohen Einsatz des Managements erfordert. Denn für japanische Unternehmen ist der erste Schritt ins Auslandsgeschäft weitaus schwieriger als für deutsche oder europäische Unternehmen. Letz­

Anteil in Prozent 44 41 41 38 37 35 34 32 30 29 25 23 22 22 22 20 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

tere können bereits innereuropäischen Handel als Export verbuchen. Deutsche Unternehmen

53

Quelle: Eurostat: Community Innovation Surveys. – Berechnungen des ZEW.

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Produktion in Toyota City: Der japanische Autobauer ist als Fami­ lienunternehmen ent­ standen und zu einem Weltkonzern gereift.

In vielen anderen Branchen herrscht allerdings

Die erste Komponente, die hohe Exportbereit­

eine sogenannte idiosynkratische Nachfrage vor:

schaft des Topmanagements, ist ein häufig

Dabei stimmen die Bedürfnisse und Anforde­

genannter Faktor für den Erfolg von KMU in

rungen der japanischen Kunden kaum mit den

Deutschland, wobei unter anderem auf die guten

internationalen Präferenzen und Trends überein.

Englischkenntnisse und die Auslandserfahrung

Auf japanische Kunden ausgerichtete Produkte

von Unternehmern und Managern in Deutsch­

sind deshalb kaum exportierbar.

land verwiesen wird. Letztlich ist aber die Export­ bereitschaft der Unternehmen eine individuelle

Hoher Internationalisierungserfolg

Eigenschaft von Unternehmerpersönlichkeiten. Einige mittelständische Unternehmer zeigen einfach einen besonders großen Willen, den

Der Erfolg deutscher Mittelständler auf interna­

Weltmarkt zu erobern. Die Zahl solcher Un­

tionalen Märkten hat drei wesentliche Kompo­

ternehmen in Deutschland kann schon allein

nenten:

dadurch recht groß sein, dass auch die Zahl der

eine hohe Exportbereitschaft des Topmanage­ ments,

mittelständischen innovativen Unternehmen ­insgesamt sehr groß ist.

die Fähigkeit des Unternehmens, den Welt­ markt zu bedienen und nah an vielen Kunden

Im Vergleich zu Japan ist aber nicht nur die

weltweit zu sein, und

Exportbereitschaft besonders hoch. Auch der

eine langfristige Strategie der Konzentration

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Zugang zu Exportmärkten ist einfacher. Denn der

auf einen engen Produktbereich und die Wah­

Start ins Exportgeschäft und dadurch das Lernen

rung der unternehmerischen Eigenständigkeit.

auf Auslandsmärkten ist für deutsche wie auch für

54

Unternehmen in anderen europäischen Ländern

nehmens entscheidend ist, sondern auch die

durch die Harmonisierung innerhalb der Euro­

Fähigkeit, ein Netzwerk an internationalen Nie­

päischen Union viel leichter geworden.

derlassungen zu unterhalten und professionell zu managen. Denn der hohen Ressourcenbelastung

Die Situation in den USA und China ist wiederum

stehen oft nur kleine Marktvolumina gegenüber.

von einem sehr großen Heimatmarkt geprägt.

Mit Ausnahme des US-Markts sind für Nischen­

Für ein kleines US-Unternehmen stellt schon die

unternehmen die einzelnen Auslandsmärkte so

Abdeckung des gesamten Heimatmarktes, von

klein, dass sich eine eigene Niederlassung nicht

Alaska bis Florida, eine große technische und

von selbst trägt. Hinzu kommen ein Kostenrisiko

logistische Herausforderung dar. KMU, die den

und ein Kontrollrisiko: Mitarbeiter in Auslands­

gesamten US-Markt bearbeiten wollen, müssen

vertretungen sind schwerer zu führen und zu

viel größer sein als KMU in Deutschland, die den

kontrollieren als am Heimatstandort.

deutschen Markt abdecken wollen. Marktführer in den USA sind deshalb meist recht groß, wenn sie den ersten Schritt in einen Auslandsmarkt machen.

Aufwendige Auslandsvertretungen

Deutschlands Exportmodell ist eher die Ausnahme Das dritte besondere Merkmal des exportorien­ tierten deutschen Mittelstandes ist die konse­ quente und langfristig verfolgte Konzentration auf

Die zweite Komponente der Fähigkeit eines kleinen

wenige Kernbereiche oder einzelne Produkte und

Unternehmens, den Weltmarkt zu beliefern, stellt

Dienstleistungen. Wachstum wird hauptsächlich

die wohl größte Herausforderung dar. Die Beschrei­

durch Erschließung von Auslandsmärkten und

bung von Hidden Champions durch Hermann

weniger durch Diversifikation erreicht. Da Inter­

Simon demonstriert, dass mittelständische Unter­

nationalisierung ein langfristiger Prozess ist, der

nehmen mit dem Anspruch, den gesamten Welt­

sich über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg

markt zu beliefern, oft eine hohe Zahl an Auslands­

entfaltet, ist das Wachstum von exportorientierten

vertretungen unterhalten. Zum Teil liegt hier die

und spezialisierten Unternehmen meist ­geringer

Anzahl bei 50 oder mehr Auslandsvertretungen, oft

als bei Unternehmen, für die Wachstum das

auch in Ländern mit eher marginalen Marktvolumi­

­primäre Ziel ist.

na. So führt die Firma ProMinent Dosiertechnik mit 380 Millionen Euro Jahresumsatz Auslandsvertre­

Diversifikation wird von mittelständischen Unter­

tungen in 48 Ländern auf, darunter Libyen, Sudan,

nehmen häufig vermieden, stattdessen steht die

Armenien und Kuba.

unermüdliche Sicherung der Wettbewerbsfähig­

Die Hidden Champions in Deutschland sind im Schnitt mehr als 80 Jahre alt.

keit in den bestehenden Stärken im Vordergrund. Eine hohe Zahl von Auslandsvertretungen bringt

Dies ist sicher auch ein Grund dafür, dass sich

vielfältige Herausforderungen mit sich. Dazu

Deutschland gegenüber anderen Ländern durch

zählen Aufbau, Führung und Organisation der

eine hohe Zahl an sehr alten, traditionellen und

Vertretungen unter sehr unterschiedlichen recht­

kleinen Weltmarktführern auszeichnet.

lichen und kulturellen Rahmenbedingungen, ein hoher Personalaufwand im Vergleich zur Ge­

Das hohe Alter der Hidden Champions in

samtbeschäftigtenzahl, eine Vielzahl an Anpas­

Deutschland – im Mittel über 80 Jahre – ist Kenn­

sungen an lokale Märkte und eine Vielzahl an

zeichen für die untergeordnete Rolle von Unter­

Rückmeldungen, Verbesserungsvorschlägen und

nehmenswachstum. Viele Unternehmen opfern

Innova­tionsimpulsen. KMU, die diese Herausfor­

ein mögliches stärkeres Wachstum für die Sicher­

derungen meistern, können daraus einen großen

heit in der Nische.

Wettbewerbsvorteil ziehen. Aus US-amerikanischer Sichtweise ist diese Im Auslandsgeschäft zeigt sich, dass nicht nur

strategische Ausrichtung eher ungewöhnlich.

die technische Leistungsfähigkeit eines Unter­

In der Tat gibt es nur wenige Beispiele für neue

55

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Hidden Champions, geschweige denn für deut­

Teil 5

sche Großunternehmen, die in den letzten zwei Jahrzehnten aus mittelständischen Unternehmen entstanden sind. SAP ist hier eine der wenigen Ausnahmen. Der US-amerikanischen Strategie, auf

Zusammenfassende Schlussfolgerungen

schnell wachsende Unternehmen zu setzen, die von hohen Wagniskapitalinvestitionen angetrieben werden, steht offenbar eine deutsche Strategie der

Marktnischen sind für Großunternehmen oft nicht attraktiv genug.

Pflege bleibender Werte gegenüber. Dies weist

Die Rolle der KMU für das deutsche Innovations­

aber auch darauf hin, dass Länder unterschiedli­

system ist ebenso vielgestaltig wie der KMU-Sektor

che Strategien verfolgen und dabei auf ihre Weise

selbst vielgestaltig ist. Eine im internationa­len

erfolgreich sein können. Die Beispiele Japan, Süd­

Vergleich besondere Position nimmt die Gruppe

korea und China zeigen, dass das deutsche Modell

der Hidden Champions ein. Kein anderes Land be­

weltweit eher die Ausnahme ist. In China sind in

herbergt so viele mittelständische Weltmarktführer

den vergangenen Jahren durch aggressive Diver­

wie Deutschland – und zwar nicht nur absolut

sifikation große Unternehmen entstanden, die nun

betrachtet, sondern auch pro Kopf. Diese Unter­

nach und nach auf den Weltmarkt drängen.

nehmen stellen zwar weniger als ein Prozent des deutschen Mittelstands, sie sind aber eine nicht

2014 hat beispielsweise der chinesische Bau­

unwesentliche Stütze der deutschen Volkswirt­

maschinenhersteller Sany in Deutschland durch

schaft bei Innovation und Export.

die Übernahme des mittelständischen Unter­ nehmens Putzmeister von sich reden gemacht.

Aber auch Hidden Champions sind nicht nur Er­

Putzmeister gibt es seit 1958. Das Unternehmen

folgsbeispiele: Viele dieser kleinen Unternehmen

ist Weltmarktführer bei Zementpumpen. Sany hat

sind so stark auf Nischen und Spezialanwendun­

1994 ebenfalls mit Zementmaschinen begonnen.

gen ausgerichtet, dass sie faktisch keine Wachs­

Es hat aber in den vergangenen 20 Jahren seit

tumsmöglichkeiten besitzen, da sie bereits einen

seiner Gründung eine dezidierte Wachstumsstra­

großen Teil der globalen Nachfrage in ihrem

tegie verfolgt. In fast jedem Jahr wurde der Um­

Markt bedienen.

satz verdoppelt – mit dem Ergebnis, dass Sany heute einer der weltweit größten Baumaschinen­

Eine zweite, weitaus größere und weniger stark be­

hersteller ist.

achtete Gruppe sind die KMU, die ohne eigene FuE Innovationen hervorbringen. Diese Gruppe steht

Die Marktnische, auf die sich Sany am Anfang

selten im Fokus der öffentlichen Diskussion, wenn

konzentriert hatte, diente nur dazu, sich in einer

es um Innovationen durch KMU geht. Auch die

Industrie, die von Großunternehmen dominiert

Innovationspolitik behandelt diese Unternehmen

ist, zu etablieren. Denn Marktnischen sind für

stiefmütterlich. Denn für die meisten innovations­

Großunternehmen oft nicht attraktiv genug.

orientierten Förderprogramme sind eigene FuE-

Den Gründern von Sany genügte es aber nicht,

Aktivitäten eine Fördervoraussetzung. Tatsächlich

Marktführer in einem bestimmten kleinen Spe­

stellen die KMU ohne eigene FuE die Mehrheit der

zialmaschinensegment zu sein. Die Stellung

innovativen KMU in Deutschland. Und sie sind

im chinesischen Markt baute Sany durch den

keine schwachen Unternehmen, sondern verfolgen

Einstieg in weitere Bereiche der Baumaschinen­

erfolgreich innovationsorientierte Wettbewerbsstra­

industrie nach und nach aus. Erst nachdem

tegien. Bloß setzen sie nicht auf technologische

das Unternehmen zu einem Großunternehmen

Vorsprünge, sondern hohes Fachwissen ihrer Mit­

herangewachsen war, begann die Internationa­

arbeiter kombiniert mit Flexibilität, Kundenorientie­

lisierung. Heute ist die Größe die Wettbewerbs­

rung und effizienten internen Prozessen.

stärke, die das Unternehmen auf dem Weltmarkt ausspielt, und nicht die Spezialisierung auf tech­

Betrachtet man die Gesamtheit aller KMU in

nische Kernkompetenzen.

Deutschland, so sind sie nicht innovativer als KMU in anderen Ländern. Ihre FuE-Ausgaben in Rela­

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

56

tion zum BIP sind sogar weit unterdurchschnittlich.

Für die Innovationspolitik heißt das, gerade

Auch die Anzahl der Patentanmeldungen von KMU

wegen der Innovationsstärke der deutschen

ist – gemessen an der Landesgröße – in Deutsch­

Wirtschaft spezielle Maßnahmen für KMU anzu­

land nicht besonders hoch. Da dieser Befund auch

bieten, die deren größenbedingte Nachteile im

für die beiden anderen großen Länder mit innovati­

Innovationswettbewerb ausgleichen. Denn auch,

onsstarken Global Champions, die USA und Japan,

wenn KMU nur einen relativ kleinen Teil der

gilt, liegt eine Vermutung nahe, dass KMU in star­

gesamten FuE- und Innovationsaktivitäten der

kem Wettbewerb mit Großunternehmen im eigenen

Wirtschaft stemmen: Sie bilden das Reservoir für

Land größere Schwierigkeiten bei der Finanzierung

künftige international erfolgreiche Großunterneh­

und Umsetzung von Innovationsprojekten haben.

men. Sie sind oftmals Innovationsführer, wenn es um Lösungen in Nischenmärkten oder für

Eine mögliche Ursache könnte im Zugang zu hoch

spezielle Kundenwünsche geht. Damit ergänzen

qualifiziertem Fachpersonal liegen. Großunterneh­

sie das Technologieportfolio Deutschlands an

men können talentierten Mitarbeitern attraktivere

entscheidenden Stellen und tragen zur starken

Angebote im Hinblick auf Einkommen und Karri­

Exportperformance bei. Allerdings gelingt es nur

ereperspektiven machen als KMU. Auch ist der

sehr wenigen KMU, zu einem Weltkonzern auf­

(Innovations-)Wettbewerb im Heimatmarkt intensi­

zusteigen. Andere wiederum wollen dieses Ziel

ver. Schließlich kann es für KMU auch schwieriger

strategisch gar nicht erst verfolgen.

Der InnovationsWettbewerb im Heimatmarkt ist intensiv.

sein, geeignete Kooperationspartner für eigene Projekte zu finden, beispielsweise wenn die Wis­

Die Handlungsempfehlungen zu Beginn dieses

senschaft primär an einer Zusammenarbeit mit

Berichts enthalten Vorschläge, wie die Innova­

Großunternehmen interessiert ist.

tionskraft von KMU gestärkt werden kann.

Hidden Champions wie zum Beispiel das Familien­ unternehmen Kärcher sind eine wesentliche Stütze der deutschen Volkswirtschaft.

57

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Innovation messbar machen So funktioniert der Innovationsindikator Die Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften ist ein komplexer und mehrdimensionaler Untersuchungsgegenstand. Sie lässt sich niemals direkt erheben oder messen, sondern nur durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Werten und Indikatoren ermitteln. Der Innovationsindikator verwendet dafür ausschließlich Kennzahlen, die sich in einer empirischen Analyse auf Basis eines theoretisch fundierten Modells als relevant erwiesen haben. Zusammen ergeben diese Einzelwerte den Innovationsindikator. Damit lässt sich das vielschichtige Zusammenspiel aller Innovationsfaktoren in den einzelnen Ländern abbilden.

Ausgewählt sind die Indikatoren mit der höchsten Erklärungskraft.

Die Methode des Innovationsindikators nennt sich

möglichst gering ist, dass also jeder Indikator

Kompositindikator. Sie fasst, kurz gesagt, komplexe

einen zusätzlichen Beitrag leistet oder eine zusätz­

Informationen einfach und verständlich zusam­

liche Dimension beleuchtet. Ursprünglich standen

men. In der empirischen Forschung findet diese

mehr als 100 Indikatoren zur Auswahl. Bedeutend

Methode mittlerweile breite Anwendung. Auch

waren jedoch diejenigen, die einen statistisch sig­

wenn sie nicht ohne Kritik geblieben ist: Sie hat

nifikanten Einfluss auf inhaltlich nachgelagerte Er­

sich bei systematischer und solider Anwendung

folgskennzahlen von Innovationssystemen („Out­

als eine verlässliche Darstellungsform etabliert.

putindikatoren“) haben. Ein Beispiel dafür: Die

Darüber hinaus bildet sie lediglich die Basis für

Zahl der Forschenden in der Wissenschaft steht in

eine weitergehende Diskussion der Ergebnisse im

Relation zur Zahl wissenschaftlicher Publikationen

jeweiligen Kontext sowie in Verbindung mit qualita­

in folgenden Jahren. Die Outputindikatoren muss­

tiven Informationen. Kompositindikatoren sind der

ten sich wiederum anhand eines direkten oder

Ausgangspunkt von weiter reichenden Erörterun­

indirekten Beitrags zum gesamtwirtschaftlichen

gen und nicht deren Endpunkt.

Wohlstand (BIP pro Kopf) qualifizieren.

Trotz der transparenten Methodik ist es ein weiter

USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frank­

Weg bis zum endgültigen Innovationsindikator.

reich, Italien, Schweiz: Auf Basis eines fixen Sets

Dazu sind drei Einzelschritte erforderlich: die

an Referenzländern normiert ein Intervall mit

Indikatorenauswahl und Datensammlung, die Nor­

Werten von 0 bis 100 die Einzelindikatoren, um

malisierung der Einzelindikatoren und die Zusam­

sie vergleichbar zu machen. Der Gesamtindikator

menfassung über Aggregationsgewichte.

lässt sich anschließend als Mittelwert aus den gleichgewichteten Einzelwerten berechnen. Die

38 Einzelindikatoren bilden Basis

Gleichgewichtung erfolgt, weil nur jene Indikato­ ren Berücksichtigung finden, die auch tatsächlich einen eigenständigen Erklärungsbeitrag leisten.

Um die unterschiedlichen Innovationsstrukturen

Daneben findet eine Sensitivitätsanalyse statt, die

in den Ländern berücksichtigen zu können, trägt

die Effekte der Wahl unterschiedlicher Gewichte

der Innovationsindikator 38 einzelne Indikatoren

auf das Gesamtergebnis analysiert.

für Teilbereiche von Innovationssystemen zusam­ men. Diese Teilbereiche sind Wirtschaft, Wissen­

Zusätzlich zum Gesamtindikator sind die Ergeb­

schaft, Bildung, Staat und Gesellschaft. Die darin

nisse getrennt nach den Subsystemen Wirtschaft,

enthaltenen Informationen verdichtet der Indikator

Bildung, Wissenschaft, Staat und Gesellschaft

schließlich zu einer einzelnen Maßzahl.

ausgewiesen. Damit lassen sich innovationspoli­ tische Handlungsfelder besser identifizieren. Die

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Bei der Entwicklung des Innovationsindikators

Methodik zur Berechnung der Subsysteme ist

sind die 38 Einzelindikatoren anhand eines empi­

identisch mit der für den Gesamtindikator. Die

rischen Modells ausgewählt worden. Das Modell

Einzelindikatoren sind innerhalb der Subsysteme

hat jene Indikatoren identifiziert, die die höchste

gleichgewichtet aggregiert. Zu beachten ist, dass

Erklärungskraft für die Innovationsfähigkeit von

sich die Subsystemindikatoren nicht zum Gesamt­

Volkswirtschaften haben. Dabei war wichtig, dass

indikator verrechnen lassen, da einige Indikatoren

die Überschneidung zwischen den Indikatoren

mehreren Subsystemen zugerechnet sind.

60

Eine Stärke des Innovationsindikators ist, dass

Es ergeben sich drei Hauptgruppen von Ländern:

er Daten aus unterschiedlichsten Quellen in

Spitze, Mittelfeld und Nachzügler. Innerhalb einer

einer Untersuchung zur Innovationsfähigkeit von

Hauptgruppe ist der Rangplatz eines Landes in

Volkswirtschaften verbindet. Wegen der Unter­

der Regel wenig robust gegenüber Veränderungen

schiedlichkeit der Datenquellen haben die darin

der Gewichte. Die Zugehörigkeit zu einer Haupt­

enthaltenen Indikatoren aber auch unterschied­

gruppe wiederum ist sehr wohl robust gegenüber

liche Periodizitäten bezüglich der Erscheinungs­

Veränderungen der Gewichtung. Das bedeutet,

zeitpunkte. Während einige Indikatoren jährlich

dass die konkrete Position eines Landes in der

und bis an den aktuellen Rand verfügbar sind,

Rangfolge durch eine etwas andere Gewichtung

sind es andere nur alle zwei oder auch nur alle

verändert werden kann, nicht aber die Zuordnung

vier Jahre. Durch diese zum Teil langen Perioden

zu einer der drei Gruppen.

zwischen den Datenaktualisierungen würde der Innovationsindikator an Aktualität verlieren.

Beispielsweise kann für Deutschland nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass es als Fünfter

Alle Daten, auf denen der Innovationsindikator

besser als Norwegen auf Platz 14 oder Südkorea

beruht, beziehen sich auf das Referenzjahr 2014.

auf Platz 13 ist. Man kann aber sehr wohl festhal­

Damit ist die Aktualität sichergestellt und die

ten, dass Deutschland hinter der Schweiz liegt.

Vergleichbarkeit der Werte für einzelne Länder

Auch im Idealfall einer für Deutschland beson­

garantiert. Für Indikatoren und Länder, deren

ders günstigen Gewichtung der Einzelindikatoren

Datenstand nicht bis 2014 reicht, werden Pro­

würde es keinen besseren als den dritten Rang

gnoseverfahren aus der Zeitreihenökonometrie

erreichen, allerdings auch keinen schlechteren als

angewendet, um die Werte bis zum aktuellen

den achten Rang.

Rand fortzuschreiben.

Sensitivitätsanalysen Robustheit ist bei Kompositindikatoren von großer Bedeutung, da die Ergebnisse und Rankings nicht nur von den verwendeten Kennzahlen und Indikatoren, sondern auch von den gewählten Aggregationsgewichten abhängen. Indikatoren­ systeme wie der Innovationsindikator müssen also transparent machen, inwieweit die Ergebnisse von den konkreten Gewichten abhängen. Hierfür wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, bei der Zufallsgeneratoren die Gewichte bestimmen und keine Gleichgewichtung stattfindet. Hierdurch ergeben sich zufällige Gewichtskonstellationen, die zu einem jeweils spezifischen Ranking der Länder führen. Für das Gesamtergebnis ist dieser Vorgang viele Male zu wiederholen. Die verschiedenen Ran­ kings, die sich durch die bestimmten zufälligen Gewichtungen ergeben, bilden schließlich simu­

Einen detaillierten Bericht, eine Übersicht der

lierte Schwankungsintervalle für die Rankings der

verwendeten Einzelindikatoren sowie Grafiken

einzelnen Länder. Sie ermöglichen es, die Robust­

zur Methodik des Innovationsindikators

heit der Ergebnisse zu untersuchen.

finden Sie online: www.innovationsindikator.de

61

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Projektpartner Der Innovationsindikator ist eine Kooperation von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Mitinitiator der Studie war die Deutsche Telekom Stiftung. Ein Konsortium aus zwei Instituten erarbeitet den Innovationsindikator: Die Federführung des Projekts liegt beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI). Unterstützt wird es vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech vertritt die deutschen Technikwissenschaften im In- und Ausland in selbstbestimmter, unabhän­ giger und gemeinwohlorientierter Weise. Als Arbeitsakademie berät acatech Politik und Gesellschaft in technikwissenschaftlichen und technologiepolitischen Zukunftsfragen. Darüber hinaus hat es sich acatech zum Ziel gesetzt, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu unterstützen und den technikwissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Zu den Mitgliedern der Akademie zählen herausragen­ de Wissenschaftler aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. www.acatech.de

Bundesverband der Deutschen Industrie Der BDI ist die Spitzenorganisation im Bereich der Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleister. Als Interessenvertretung der Industrie trägt der BDI bei seinen Mitgliedern zur Meinungsbildung und Ent­ scheidungsfindung bei. Er bietet Informationen für alle Bereiche der Wirtschaftspolitik an. Der BDI unter­ stützt so die Unternehmen im intensiven Wettbewerb, den die Globalisierung mit sich bringt. www.bdi.eu

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Es erforscht die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellt das Institut seinen Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlun­ gen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. www.isi.fraunhofer.de

Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ist ein gemeinnütziges wirtschaftswissen­ schaftliches Forschungsinstitut. Es wurde 1990 auf Initiative der baden-württembergischen Landesre­ gierung, der Wirtschaft des Landes und der Universität Mannheim gegründet und nahm im April 1991 die Arbeit auf. Seitdem hat sich das ZEW als eines der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute mit hoher europäischer Reputation etabliert. www.zew.de

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

62

Impressum Herausgeber

Gestaltung und Produktion

acatech – Deutsche Akademie der

SeitenPlan GmbH

Technikwissenschaften e. V.

Corporate Publishing,

Pariser Platz 4a

Dortmund

10117 Berlin www.acatech.de

Druck Druckerei Schmidt, Lünen

Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI)

Fotos

Breite Straße 29

Andritz, Deutsche Messe AG/Rainer Jensen,

10178 Berlin

Hero Images/Getty Images, Monty Rakusen/

www.bdi.eu

Cultura/Getty Images, JGI/Tom Grill/Getty Images, epa/Everett Kennedy Brown, Wolfram

Verfasser

Kastl/dpa, Lely Holding, picture alliance/dpa,

Dr. Rainer Frietsch, Dr. Christian Rammer,

picture alliance/David Ebener, picture alliance/

Prof. Dr. Torben Schubert, Dr. Oliver Som,

Keystone, picture alliance/Sodapix AG, Qiagen/

Dr. Marian Beise-Zee, Prof. Dr. Alfred Spielkamp

Jürgen Naber, www.herrenknecht.com

Projektteam

Stand

Prof. Dr. Marion Weissenberger-Eibl, Dr. Rainer

November 2015

Frietsch, Prof. Dr. Torben Schubert, Dr. Oliver Som (alle Fraunhofer ISI), Dr. Christian Rammer

Copyright

(ZEW), Prof. Dr. Alfred Spielkamp (Westfälische

acatech – Deutsche Akademie der

Hochschule), Dr. Marian Beise-Zee (Ritsumeikan

Technikwissenschaften e. V./Bundesverband der

Asia Pacific University, Japan)

Deutschen Industrie e. V.

Verantwortlich

ISBN: 978-3-942044-86-8

Prof. Dr. habil. Michael Klein (acatech), Dieter Schweer (BDI)

acatech dankt dem Förderverein für die Unterstützung des Projekts.

Redaktion Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier (acatech, HNI Paderborn), Prof. Dr. Christoph M. Schmidt (acatech, RWI Essen), Dr. Thomas Lange (acatech), Dr. Carsten Wehmeyer (BDI), Dr. Rainer Frietsch, Prof. Dr. Toben Schubert (ISI), Dr. Christian Rammer (ZEW)

63

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Notizen

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

64

Notizen

65

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

Notizen

acatech_BDI_Innovationsindikator 2015

66

www.innovationsindikator.de