Südtirol WEINMA CHER Die Gipfelstürmer

Neupositionierung am. Markt benötigt aber meist etwas mehr Zeit. Die. Absatzzahlen sind aber in allen vergangenen Jahren deutlich gestiegen, was die.
5MB Größe 4 Downloads 237 Ansichten
Südtirol WEINMACHER

In Südtirol geht es aufwärts; sowohl mit den Weinbergen als auch mit den Preisen

Die Gipfelstürmer In Südtirol geht es weiter steil bergauf. Die Zahl der Prestigeweine steigt, die Preise auch, und selbst die Weingärten erklimmen zunehmend schwindelerregende Höhen

D

ie deutschen Italienspezialisten betrachten die Entwicklung mit gemischten Gefühlen. Viele meinen, dass Südtirol den Markt einer allzu dynamischen, also gefährlichen Preisentwicklung aussetzt. Einige halten den kollektiven Drang nach Spitzenpositionierung durchaus für gerechtfertigt.

Südtirol rüstet sich. Die rund 5.300  Hektar kleine Weinschatztruhe will es mit internationalen Spitzenregionen wie dem Burgund aufnehmen und einen ähnlichen Stellenwert erreichen. Südtirol mag einen Napoleonkomplex haben, aber der Weinsektor arbeitet tatsächlich seit Jahrzehnten an sich

14

wie kaum in einer anderen Region Italiens. Zu den außergewöhnlichen Anbaubedingungen im alpin-mediterranen Klima kommt ein nimmermüder Ehrgeiz der Südtiroler, stets und überall die Besten zu sein. Die Kellerei Terlan gab 2014 als erste Kellerei die Marschrichtung vor. Sie präsentierte der verblüfften Weltöffentlichkeit den mit großem Abstand teuersten Weißwein Italiens. Der Terlaner I (sprich: Primo) Grande Cuvée kostet den Endverbraucher strategische 195  Euro pro Flasche. Kellermeister Rudi Kofler und Geschäftsführer Klaus Andergassen gehen mit jedem neuen Jahrgang des Primo auf Tournée und lassen ihn mit anderen hochkarätigen Weinen des gleichen Jahrgangs blind verkosten. Beim

aktuellen 2013er haben sie es richtig krachen lassen. Er wurde in diesem Mai von zwei Grand Crus aus dem Burgund flankiert, einem Bâtard-Montracht von der Domaine Leflaive und dem Chevalier-Montrachet von Etienne Sauzet. Beide kosten das Doppelte vom Primo. Der Terlaner schlug sich gut, sogar bestens, denn er hat seine Heimat nicht verleugnet und war als Südtiroler zu identifizieren. Im direkten Vergleich zu den spannungsreichen, furchtbar jungen und noch holzgeprägten Diven kam er wie ein mediterraner Sonnyboy daher, viel zugänglicher, großzügig im Ausdruck, freilich auch mit Tiefe, Raffinesse und Druck gesegnet. Er hat zwar noch keine Geschichte, aber an seiner Langlebigkeit dürfte kein Zweifel bestehen. Sie ist

Weinwirtschaft 21/2016

Die jüngsten Superlativen. Dem Dreigestirn folgten, da in Südirol jeder Akt im Weinsektor eine Kettenreaktion auslöst, sofort viele andere Kellereien mit Prestigeweinen. Der Klassiker Hofstätter stieß sein ehrwürdiges Pinot-NeroMonumet Vigna Sant‘Urbano Ende 2015 vom Thron und setzte ihm den »Roccolo Ludwig Barth von Barthenau Pino Nero« vor die Nase, Kostenpunkt ca. 195 Euro. Das Dreamteam Gerhard Kofler, Kellermeister, und Oscar Lorandi, Geschäftsführer der Kellerei Girlan, hat den Betrieb in den letzten Jahren vorbildlich vorangetrieben, sowohl die Qualität der Weine als auch das Image. Girlan hat sich zum Blauburgunder-Spezialisten unter den Kellereigenossenschaften entwickelt und im letzten November den Cru Blauburgunder Riserva »Vigna Ganger« vorgelegt, dessen Trauben auf dem Mazoner Kalkfelsen gedeihen. Ebenso sportlich wie die Terlaner Kollegen, ließen Kofler und Lorandi die Vigna Ganger in Gesellschaft von Burgundern sowie Spitzenprodukten aus Deutschland,

3.572,00 3.077,00 Rebfläche in ha

das Markenzeichen der Kellerei. Die Kellereien St. Michael-Eppan und Schreckbichl hatten zur Zeit der Primo-Uraufführung mit dem »Appius« und dem »LR« natürlich auch schon eine Supercuvée im Ausbau. Sie kosten je 99 und 80 Euro, was keinesfalls bedeutet, dass sie weniger als der Primo wert sind.

2.362,38

1.271,31

1978

1988

1998

der Schweiz und Oregon blind verkosten. Der perfekt ausbalancierte Wein machte eine Superfigur, sieben Weine steckte er in die Tasche und allein gegen den Chambertin Grand Cru von Rousseau und den Nuits Saint Georges 1er Cru Clos de la Maréchale von Mugnier hatte er es wirklich schwer. Chapeau also, leider kostet er 165 Euro. Christian Plattner vom Ansitz Waldgries in Bozen, bekannt durch zahlreiche Auszeichnungen beim Vernatsch Cup für seine Variationen des St. Magdalener, hat indessen dem heimischen Lagrein ein Denkmal gesetzt. Der geschliffene, konzentrierte und doch feine »Roblinus«, zu 20 Prozent aus angetrockneten Trauben und mit extremer Ertragsreduktion herge-

2008

857,61

836,8

2014

2015

stellt, ist der Königslagrein, mit dem sich Schweizer und Südtiroler Sternerestaurants schmücken. Sein Endverbraucherpreis liegt bei 75,50 Euro. Bei den weißen Perlen machte die Kellerei St. Pauls unlängst auf sich aufmerksam. Sie verfügt über die wohl älteste Weißburgunder-Anlage Südtirols, die nachweislich über 110  Jahre zählt. Die Genossen ernteten die wenigen Trauben und ließen sie – supertrendig – auf den Schalen in großen Tonamphoren vergären. Die »heiligste« Riserva »Sanctissimus« kann der Weinfreund für schlappe 80 Euro erstehen. Klasse mit Bodenhaftung. Tröstlicherweise erscheinen in Südtirol auch

Früher die wichtigste Rebsorte Südtirols, hat der Vernatsch stark an Bedeutung verloren

noch neue Weine, die nicht nach dem Liv-Ex Fine Wine zu schielen scheinen und ebenfalls nach langen, kostspieligen Recherchen das Licht der Welt erblicken. Alois Lageder, der es ohnehin nicht leiden kann, wenn Weinen künstliche, allein dem Marketing dienende Preise aufgestülpt werden, stellte in diesem Frühling den »Fórra«, einen reinsortigen Manzoni Bianco vor. Er ist aus dem Weinbau-Projekt »Kometen« hervorgegangen, dem eine Versuchsanlage mit verschiedensten Sorten wie Viognier, Roussanne, Tannat oder Assyrtiko zugrunde liegt. Lageder hatte sie ab Mitte der 80er Jahre angelegt, um herauszufinden wie sich südliche Sorten auf Südtiroler Boden entwickeln und suchte auch Rebsorten mit dickeren Schalen und lockerbeerigen Trauben, die nicht unter den zunehmend extremen Klimabedingungen leiden und weniger krankheitsanfällig sind. Außerdem waren geringe Zuckerwerte und eine hohe Säure Orientierungspunkte. Der Manzoni Bianco, eine Kreuzung zwischen Riesling und Weißburgunder, hat den Anforderungen entsprochen und es mit dem Jahrgang 2014 erstmals in die Flasche geschafft. Sein Charakter bestimmt die Spontanvergärung und eine zehntägiger Verbleib auf der Maische, acht Mo-

FOTO: SEBASTIAN STOCKER

WEINMacher Südtirol

nate Holzreife sowie der Mini-Ertrag von 39 Hektoliter pro Hektar. Dieser feine Wein kostet beispielsweise in Geisels Weingalerie in München 19,50 Euro. Kleines Eisacktal ganz groß. Dann gibt es noch eine ganz besondere Premiere. Ende September stellte der Pacherhof der Familie Huber in Neustift die allererste Weißweincuvée des Eisacktals vor. Die »Private Cuvée Andreas Huber« ist eine anmutige, strahlende Assemblage aus den Sorten Riesling, Kerner und Silvaner, die auf sandig-fel-

Auf einen Blick Südtirol Rebfläche 2015: W DOC-Weine: 5.309,64 ha (97,23 %) W IGT-Weine: 88,98 ha (1,63 %) W Weine ohne geografische Angabe: 62,56 ha (1,15 %) Produktion 2015: 324.041,48 hl (2014: 289.931 hl) Produktionsstruktur*: W 17 Genossenschaften: 69,1 % (inkl. der Trentiner Kellereien Mezzacorona, LaVis, Cavit, Roverè della Luna, die auch DOC Südtirol Wein produzieren ) W 62 Privatkellereien: 25,6 % W 110 Selbstvermarkter: 5,3 % Anbaubereiche: Unterland, Überetsch, Bozen, Etschtal, Meran, Eisacktal, Vinschgau. Eppan und Kaltern sind Südtirols größte Weinbaugemeinden. *Die Zahlen betreffen die Weinproduktion von DOC Südtirol, IGT Mitterberg und DOC Kalterersee im Weinjahr 2014. Bei Privatkellereien und Selbstvermarktern ist die Zuordnung immer schwierig. Die Konsortiumsmitglieder müssen entscheiden, wo sie zugeordnet sein wollen. Nichtmitglieder, die auch nicht bei den freien Weinbauern sind, wurden nach dem Ermessen des Konsortiums zugeordnet. Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing), Südtirol Konsortium Südtirol Wein

16

Terlaner I Grande Cuvée – Vorreiter in Sachen Ultra-Premium und Vorbild für viele andere Produzenten

sigen Höhenlagen zwischen 600 und 820  Meter reifen. Der saftige und salzige Wein bringt ein beachtliches Entwicklungspotenzial mit. Es macht Sinn, dass ausgerechnet die Huber-Familie die erste Spitzencuvée des nördlichsten Anbaugebietes Italiens hervorbringt. Schließlich gelten die Ahnen Josef und Johann Huber als Weinpioniere des Eisacktals. Sie haben den Weinbau entscheidend beeinflusst, weil sie die Sorten Silvaner, Grauburgunder, Gewürztraminer und später auch den Kerner im Eisacktal eingeführt haben. »Die Klimaerwärmung hat dem Eisacktal genutzt. Vor 20 Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, auf unseren Höhen Riesling anzubauen, jetzt gehört er zu unseren interessantesten Weinen. Gemeinsam mit der Versuchsanstalt Laimburg werden wir nun auf 900 Metern Höhe eine Versuchsanlage mit Pinot Nero pflanzen«, informiert der Weinmacher Andreas Huber. Der 41-Jährige studierte an der Weinbauschule Veitshöchheim bei Würzburg. Sein Meisterstück kostet im Verhältnis zu den anderen großen Cuvées bezahlbare 32 Euro EVP. Auch die Eisacktaler Kellerei, die jüngste Winzergenossenschaft Südtirols, legt sich seit einigen Jahren mächtig ins Zeug. Im 2017er Gambero Rosso wird der Einsatz belohnt. Erstmalig wurde ein Wein der Eisacktaler Genossen mit den Drei Gläsern ausgezeichnet, es ist der salzig-schmelzige Silvaner der Linie Aristos. Auch die Geschäfte entwickeln sich erfreulich. 2014 hatte der junge Armin Gratl die Geschäftsführung übernommen. Er war vorher an der Seite Elena Walchs für den Verkauf der beiden Familienkellereien der Walchs verantwortlich und ist mit dem Einstieg der beiden Walch-Töchter nach Klausen abgewandert. Innerhalb der drei Jahre wurde der Absatz von 700.000 Flaschen auf 900.000 gesteigert, und der Umsatz wuchs um knapp 30 Prozent. Dank der Erfahrung, die Gratl im Walchschen Exportgeschäft gesammelt hat, bewegt sich auch mehr Eisacktaler Wein ins Ausland. »Es läuft momentan sehr gut für uns. Unsere mineralischen, fruchtigen Weine liegen zum Glück voll im Trend. Meiner Meinung nach war die Kellerei im-

Weinwirtschaft 21/2016

mer unterbewertet und nach außen leider wenig sichtbar. Die Möglichkeit dies zu ändern, war der Hauptgrund meines Wechsels. Der Exportmarkt spielte zuvor bei uns eine untergeordnete Rolle. Inzwischen beliefern wir 16 Staaten, zuvor waren es sieben. Hauptaugenmerk sind die USA, wo wir an einem Absatzförderungsprojekt beteiligt sind und innnerhalb von drei Jahren rund 100.000 Euro investieren. Aber auch Deutschland wird für uns immer wichtiger. Vor zwei Monaten haben wir begonnen, mit Saffer in München zusammenzuarbeiten, wovon ich mir einiges erwarte«, so Armin Gratl. Das tut Andreas Saffer auch. Die Präsentationen der Weine in Fachhandel und Gastronomie hat begonnen und verläuft vielversprechend. Das Eisacktal macht mit einer Rebfläche von etwa 390 Hektar nur rund ein Siebtel der Südtiroler Gesamtproduktion aus. Die Genossenschaft und das Kloster Neustift stemmen allein etwa 65 Prozent der Eisacktaler Herstellung. Im neuen Gambero Rosso sammelte das kleine Gebiet sechs von 27 Höchstnoten ein, das ist ein beachtlicher Schnitt. Vier davon fallen auf Silvaner. Das Weingut Strasserhof ist zwar diesmal nicht dabei, brachte aber Anfang dieses Jahres ebenfalls einen interessanten neuen Silvaner auf den Markt. Der »AnJo« aus alten Rebstöcken kommt neun Monate später als der Jahrgangswein auf den Markt, weil er im großen Holz ausgebaut wird. Vernatsch wird rar. Die rote Identifikationssorte der Südtiroler führt mittlerweile fast ein Schattendasein. Die ein-

Von Rot zu Weiß Entwicklung der Anbauflächen von Rot- und Weißweinsorten Anbauflächen in Hektar Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing) Südtirol

1.009,60 1.280,40 1.852,01

2.709,62

3.187,27

3.221,26

2.080,94

2.088,86

2014

2015

4.255,10 3.676,00 3.065,56 2.423,99

1978

1988

1998

2008 rot

zige Initiative für die Sichtbarkeit dieses unkomplizierten, oft unterschätzten Freudenspenders stellt ein Privatunternehmer auf die Beine. Ulrich Ladurner lädt einmal im Jahr in sein sensationell gelegenes Vigilius Mountain Resort in Lana ein, um den besten Qualitäten aller Vernatsch-Varianten, vom leichtfüßigen Kalterersee bis zum saftigen St. Magdalener, eine angemessene Bühne zu verleihen. Der Mann macht das aus Leidenschaft und Großzügigkeit. Auf den Siegertreppchen finden sich fast jedes Jahr die eleganten St. Magdalener vom Pfan-

weiß

nenstielhof und dem Ansitz Waldgries, von den Genossen glänzen oft die Kalterer und die Bozener. Inzwischen hat sich der Vernatsch Cup auch auf dem Markt herumgesprochen, und er beinflusst den Absatz. »Nachdem Nals Margreid vor vier Jahren den Vernatsch Cup gewonnen hatte, war eine sehr starke Nachfrage nach Vernatsch zu spüren. Insgesamt verkaufen wir Vernatsch sehr ordentlich, mehr die Klassik-Linie als Galea Cru. Bei den Cru-Weinen ist Lagrein erheblich mehr gefragt als Vernatsch, vor allem der Top-Lagrein Gries Riserva, den wir

Zwischen Alpen und Zypressen

Bozen

Italien

Unsere Lagen erstrecken sich vom Fuße der Alpen bis in mediterrane Landschaften. In unterschiedlichen Klimazonen und auf Höhenlagen von bis zu 1.000 Metern bringen wir eine beachtliche Dichte an Spitzenweinen hervor: Der „Gambero Rosso“ vergibt seit Jahren die meisten „Tre Bicchieri“ im Verhältnis zur Rebfläche an Südtiroler Weine. www.suedtirolwein.com

WEINMacher Südtirol

zuteilen müssen«, informiert Ralf Kastner, der Geschäftsführer der Augsburger Weinhandelsgesellschaft Deuna. Die Hektaranzahl an Vernatsch sinkt jedoch immer noch. Er ist den Bauern einfach zu kompliziert im Anbau, da er wegen seiner dünnen Schale mehr als alle anderen Sorten von der Kirschessigfliege bedroht wird. Ein entscheidendes Argument sind natürlich auch die Auzahlungspreise. Für Vernatsch wird

Produzenten an einer Abgrenzung der relevanten Lagen. »Es wird zwar gemeckert, dass wir das nicht schon vor 30  Jahren gemacht haben, aber besser jetzt als nie. Innerhalb von zwei bis drei Jahren wollen wir das Projekt abgeschlossen haben und den Startschuss für die Gesetzesregelung geben«, berichtet Werner Waldboth, verantwortlich für das Marketing des Konsortiums. »Die künftige Abgrenzung soll mit einem strenge-

Südtiroler Pläne. Zur Zeit arbeitet das Dachkonsortium gemeinsam mit den

FOTO: ULRICH HELWEG

FOTO: KREKLAU/WICIOK

Was halten sie von der Preispolitik Südtiroler Erzeuger?

FOTO: RITA MÄRZINGER

UMFRAGE

130 Euro pro Doppelzentner bezahlt, für Sauvignon gibt es 300 und für Weißburgunder 237 Euro. St. Magdalener kommt mit 172 etwas besser weg als der normale Vernatsch. Diese Anbauzone ist auch das einzige Gebiet in Südtirol, wo überhaupt noch Neuanlagen für diese Sorte entstehen.

Ingo Keul Einkaufsleiter, Fischer&Trezza

Andreas Saffer Geschäftsführer, Saffer Wein

Werner Waldboth Marketingleiter, Konsortium Südtirol Wein

Ralf Kastner Geschäftsführer, Deuna

Dirk Röhrig Geschäftsführer, Weinkontor Freund

Die Südtiroler haben den Markt aus den Augen verloren. Keine andere Region präsentiert uns alljährlich Preiserhöhungen. Die Produzenten sind beratungsresistent und gierig, wissen alles, und alles besser. Ausgenommen Alois Lageder, der wie Angelo Gaja einen Sonderstatus genießt und im übrigen auch nicht jedes Jahr an der Preisschraube dreht. Aber die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel. Neben der Preisproblematik sehen wir Ermüdungserscheinungen der Kunden. Natürlich sind die Qualitätsstandards sehr hoch, aber der EinstiegsSauvignon kostet den Fachhandel schon sechs Euro. Ich befürchte, dass die Südtiroler mit dieser Preispolitik früher oder später Schiffbruch erleiden werden.

Ich bin absolut der Überzeugung, dass die Preise überzogen sind, und die Kunden reagieren inzwischen verärgert. In der Gastronomie wird Südtiroler Wein kaum noch glasweise ausgeschenkt, dafür ist er zu teuer. Im LEH positionieren wir mit der Kellerei Erste + Neue seit einigen Jahren normalen Weißburgunder und Kalterersee für 6,99 bis 7,49 Euro. Das funktioniert noch ganz gut. Seit Ende 2015 haben wir für den LEH auch eine Vereinbarung mit der Kellerei Schreckbichl für die internationalen Sorten. Chardonnay und Merlot werden für etwa 7,99 Euro Regalpreis angeboten. Obwohl es schöne Qualitäten sind, tut sich der Absatz schwer.

Südtirol braucht extrem hochwertige Weine. Wir möchten die Langlebigkeit unserer Weine beweisen, ein Thema, mit dem sich Italien im Weißweinbereich noch schwertut. Die Produzenten wollen Flaggschiffweine, aber ob diese kostspieligen neuen Weine alle überleben werden, entscheidet der Markt. Da wird es eine natürliche Grenze geben. Die Auflagen sind ohnehin gering mit etwa 2.000 bis 5.000 Flaschen. Und davon fließt noch die Hälfte in Degustationen, die andere will auf den Weinkarten der Spitzengastronomie untergebracht werden.

Wir waren auch 2015 sehr erfolgreich mit den gleichen Wachstumsraten wie in den Vorjahren von 12 bis 15 Prozent. Nals Margreid nimmt seit vier, fünf Jahren eine fast schon spektakuläre Entwicklung. Die Kellerei möchte unbedingt ganz an die Spitze in Südtirol und zeigt ein Maximum an Anstrengungen in jedem Bereich. Damit einher geht selbstverständlich auch eine Neupositionierung im Markt – auch preislich. Die Qualität der Weine hat massiv zugelegt. Die Entwicklung ist rasant, die Neupositionierung am Markt benötigt aber meist etwas mehr Zeit. Die Absatzzahlen sind aber in allen vergangenen Jahren deutlich gestiegen, was die Richtigkeit dieser Strategie untermauert.

Für uns ist Südtirol schmückendes Beiwerk. Wir verkaufen im Jahr 15.000 Flaschen unseres Vertragspartners Lun, dessen Weine in der Kellerei Girlan hergestellt werden. Viele Leute fahren nach Südtirol in Urlaub und kaufen die Weine vor Ort. Dort sind die Weine schon teuer, hier noch teurer. Pinot Bianco und Pinot Grigio kosten den Konsumenten hierzulande zum Beispiel rund 11,95 Euro, der Lagen-Weißburgunder Sandbichler 15 Euro. Das ist eine Preislage, die in Deutschland schwer durchzusetzen ist.

18

Weinwirtschaft 21/2016

Absatzmarkt »vor der Haustür« Hauptabnehmer für Südtiroler Weine im Export sind Deutschland und die Nachbarländer

7%

Österreich

22% 38%

Export

5%

Benelux

18%

8%

USA

Schweiz

Italien (ohne Südtirol)

40%

Export

Südtirol

16%

andere

46%

Deutschland

Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing) Südtirol

ren Regelwerk einhergehen, die Sortenauswahl wird festgelegt und die Höchsterträge werden gekürzt.« Um die Fehler der Kollegen zu vermeiden, hat sich das Konsortium auch schon mit Vertretern des VDP, der Wachau, dem Piemont und dem Chianti Classico beratschlagt. Eine kleine Revolution bahnt sich bei der Öffentlichkeitsarbeit an. Die altehrwürdige Weinkost hat nach 110 Dienstjahren ausgedient. 2016 ist sie abgesagt worden. »Wir haben in Südtirol schon eine Fülle von Veranstaltungen für das große Publikum, die Weinkost hat sich überholt. Im September 2017 starten wir mit dem Wine Summit eine mehrtägige Veranstaltung auf internationalem Niveau. Es wird eine erweiterte Anteprima sein mit Einkäufern und Journalisten aus aller Welt«, so Waldboth. Der Südtiroler Exportanteil ist mit bescheidenen 22 Prozent der Produktion allerdings ausbaufähig, auch wenn die Kellereien ihren Wein mühelos zuhause und auf dem nationalen Markt unterbringen. Das Konsortium investiert in diesem Jahr 766.000  Euro Absatzförderung in Drittländern, die EU kofinanziert also zur Hälfte. Neben den USA, Japan und Russland werden auch die Schweizer umworben. Der Fluss an Schweizer Touristen hat sich deutlich vermehrt, sie zahlen gut und stehen

Weinwirtschaft 21/2016

auf Lagrein, hört man unisono von den Herstellern. Fazit. Die Südtiroler Kellereien treiben die Qualität weiter voran und stellen sich internationalen Vergleichen. Verständlich, dass sie bei den geringen Mengen und den großen Anstrengungen höhere Preise erzielen möchten. Das kann man in kleinen Schritten tun, und die Produzenten verarmen sicher nicht, wenn sie den Händlern mal eine Nullrunde einräumen. Es wäre auch nett, wenn die Kellereien trotz all des inzwischen erlangten Ruhmes nicht vergessen würden, wer zum Beispiel ihre Marke aufgebaut und erstes Vertrauen geschenkt hat, als die Region noch im Vernatsch versank. Das wünschen sich zumindest die deutschen Partner, denen auch schon mal die Adjektive »gierig« und »arrogant« im Bezug auf die Südtiroler entfallen. Sollte den Südtirolern der deutsche Markt nicht mehr attraktiv erscheinen, können sie versuchen, ihre Preisvorstellungen auf Märkten von Honolulu bis Grönland durchzusetzen. Das ist sehr anstrengend, unbequem und nicht immer erfolgreich wie die Kollegen aus den weniger privilegierten Regionen bestätigen können, die tatsächlich stark vom Auslandsgeschäft abhängen. VERONIKA CRECELIUS

19