Redetext der Botschafterin des Plurinationalen Staates Bolivien ...

Seit Jahren besteht mit Deutschland eine enge ... Regionen. Bolivien definiert sich laut Verfassung als pazifistisches Land, ausländische Militärbasen werden im.
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Redetext der Botschafterin des Plurinationalen Staates Bolivien, Elizabeth Salguero Carrillo, anlässlich der Feierlichkeiten in Berlin zum Nationalfeiertag Boliviens. Guten Tag meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde. Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich zu diesem Empfang gekommen sind. Wir freuen uns sehr, heute – am 6. August- hier im schönen Wappensaal des Roten Rathauses von Berlin den 189. Jahrestag der Unabhängigkeit unseres Landes feiern zu können. Die offiziellen Feierlichkeiten zum Día Nacional oder Fiestas Patria, wie wir sagen, werden in Bolivien heute übrigens in unserer Hauptstadt Sucre stattfinden. Mit Freude und Stolz feiert der Plurinationale Staat Bolivien seinen 189. Nationalfeiertag. Bolivien ist ein Land im Umbruch. Mit Evo Morales, dem ersten indigenen Präsidenten Boliviens, der im Jahr 2006 die Amtsgeschäfte übernahm, hat in Bolivien eine neue Etappe in der Geschichte des Landes begonnen. Bolivien hat sich neu erfunden, es wurde „vom Kopf auf die Füsse gestellt“, wie ein deutscher Philosoph vielleicht sagen würde. In einem breiten, demokratischen und partizipativen Prozess, in dem erstmals auch die indigenen Völker meines Lande, die sozialen Organisationen und die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Zivilgesellschaft beteiligt waren, wurde eine neue Verfassung erarbeitet. Sie wurde von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung per Volksentscheid im Jahre 2009 verabschiedet und trat 2010 in Kraft. Damit war der Plurinationale Staat Bolivien gegründet. Die neue Verfassung liegt übrigens auch in deutscher Sprache vor, sie ist die Grundlage für einen völlig neuen Weg unseres Landes. Ich will hier nur einige Punkte benennen. Erstmals in der Geschichte des Landes werden die 36 indigenen Völker Boliviens ausdrücklich anerkannt, ihre Bedeutung für den plurinationalen Staat Bolivien ist festgeschrieben, ebenso ihre Mitwirkungsrechte bei der Formulierung von konkreter Politik und der Gestaltung des Zukunft unseres Landes. Auch die Rechte der Frauen, ihre Gleichstellung und Förderung sind Verfassungsgrundsätze. Dies bedeutet eine Anerkennung bislang historisch stets benachteiligter Gruppen der Bevölkerung: der indigenen Bevölkerung und der Frauen. Bolivien hat ein Ministerium für Dekolonisierung und Enpatriarchalisierung. Im letzten Jahr wurde zudem das Gesetz „zum Recht der Frauen auf ein Leben ohne Gewalt“ verabschiedet. Das Konzept des VIVIR BIEN – GUT LEBEN, IN WÜRDE LEBEN ist Leitmotiv der Verfassung und der aktuellen Politik. Wir wollen eine integrale Entwicklung für ein Leben in Würde unter Respektierung der Rechte und in Harmonie mit der Pacha Mama – der Mutter Erde. Bolivien ist weltweit das einzige Land, das ein Gesetz der Rechte der Mutter Erde hat. Die Nahrungsmittelsicherheit und Nahrungsmittelsouveränität sind entscheidende Entwicklungsziele. Die Nutzung von genmanipuliertem Saatgut ist verboten. Die Grundversorgung mit sauberem Trinkwasser, Energieversorgung, der Zugang zu Kommunikationsmitteln und die Gesundheitsversorgung sind als Menschenechte in der Verfassung verankert. Seit Jahren besteht mit Deutschland eine enge Zusammenarbeit bei Wasserprojekten und im Bereich nachhaltige Entwicklung in ländlichen Regionen. Bolivien definiert sich laut Verfassung als pazifistisches Land, ausländische Militärbasen werden im Land nicht geduldet. Streitigkeiten müssen auf friedlichem Wege gelöst werden. Boliviens historische Forderung auf einen Zugang zum Meer ist in der Verfassung verankert. Zur Erfüllung dieser Forderung gegenüber Chile setzt das Land auf friedliche Mittel und die internationale Rechtssprechung. Bolivien hat darum eine Klage beim Internationalen Gerichtshof in den Haag

eingereicht. In diesem Sinne hofft Bolivien auch darauf und wird diplomatisch aktiv, daß auch bei den aktuellen Konflikten in der Ukraine und im Gaza Streifen eine friedliche Lösung gefunden wird. Seit dem Jahre 2006 hat die bolivianische Regierung eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik angewandt, die in einem neuen Wirtschafts-, Sozial-, Gemeinschafts- und Produktionsmodell ihren Ausdruck findet. Einige zentrale Punkte sind Folgende: Nationalisierung der natürlichen Ressourcen, Gemischtes Wirtschaftsystem (privat, staatlich, genossenschaftlich, indigene lokale Wirtschaft), Wiedererlangung eines Wirtschaftsüberschusses zum Wohle aller Bolivianer/innen, Umverteilung des Reichtums und aktive Teilnahme des Staates an der Wirtschaft. Das alles führte dazu, daß die bolivianische Wirtschaft in den vergangenen acht Jahren ihr Bruttoinlandprodukt von 9 Milliarden auf 30 Milliarden Dollar steigern konnte. Dank der Nationalisierung der fossilen Brennstoffe, des Wachstums der bolivianischen Wirtschaft – im letzten Jahr 6,7 % - und der Sparpolitik bei den Ausgaben konnte Bolivien in acht aufeinander folgenden Jahren einen Haushaltsüberschuss erzielen. Als Evo Morales die Regierung übernahmen, betrug die Differenz zwischen den Reichsten und den Ärmsten das 128-Fache. Jetzt wurde die Differenz auf das nur 46-Fache verringert. Die absolute Armut konnte um 40 % gesenkt werden. Gegenwärtig zählt Bolivien zu den sechs Ländern in der Region mit der besten Einkommensverteilung und zu den drei Ländern der Region mit dem höchsten Wirtschaftswachstum. Die UNESCO hat Bolivien im jüngsten Bericht bestätigt, dass der Anteil von Menschen, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind, auf den historischen Tiefstand von 3,8 Prozent der Bevölkerung gesunken ist.

Die Weiterverarbeitung von Rohstoffen und die Industriealisierung – Bolivien hat die größten Lithiumvorkommen der Welt- ; der Technologietransfer – seit Dezember hat Bolivien seinen ersten Satelliten – Tupac Katari- im All, der Ausbau der Infrastruktur und Kommunikationstechnik, Investitionen im Bildungsbereich, Nahrungsmittelsicherheit – und Souveränität, sowie die Abschaffung der Armut sind nur einige wichtige Ziele der Agenda Patriótica bis 2025, dem 200. Jahrestages der Unabhängigkeit Boliviens. Zur Umsetzung dieser Ziele brauchen wir auch internationale Investoren, wir bestehen aber auf einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Bolivien legt gerade Klare gesetzliche Regelungen für Investitionen vor, damit eine möglichst hohe Rechtssicherheit für alle Beteiligten gewährleistet ist. Bolivien arbeitet eng zusammen mit regionalen und internationalen Organisationen und nimmt eine zunehmend aktive Rolle ein. Aussenminister David Choquehuanca hat gerade einen offenen Brief veröffentlicht mit dem Titel „Ein Leben in Einklang mit der Mutter Erde muss das Leitmotiv der Agenda Post 2015 und der Ziele der nachhaltigen Entwicklung sein“. Alle Mitwirkende werden dort dazu aufgerufen aktiv am Prozess der Formulierung der Entwicklungsziele der UN- Agenda Post 2015 teilzunehmen. Der offene Brief unterstreicht die Wichtigkeit der Ziele der nachhaltigen Entwicklung, die heutige Welt hin zu einer Welt zu verändern, in der die Mutter Erde geschützt wird und das Wachstum, die Industrialisierung, die Infrastruktur und die Entwicklung im Einklang mit der Natur stehen. Wir haben diesen Offenen Brief – auch in deutscher Sprache – auf unserer WEB Seite veröffentlicht – www.bolivia.de . Sie können diesen Offenen Brief durch ihre Unterschrift unterstützen. Besonders eng arbeitet Bolivien im regionalen Kotext mit den ALBA-Ländern zusammen, der Bolivarischen Allianz der Völker unseres Amerikas. Bolivien wird auch bald Vollmitglied des MERCOSUR sein, des gemeinsamen südamerikanischen Marktes. Die UNASUR, die Union

Südamerikanischer Nationen, ist zunehmend aktiv und formuliert eine gemeinsame Haltung der 12 Staaten, zu denen auch Bolivien gehört, zu regionalen und internationalen Themen. Als derzeitiger Präsident eröffnete Evo Morales am 14. Juni das Gipfeltreffen der G77+ China Staaten in Santa Cruz de la Sierra in Bolivien. Es war gleichzeitig der 50. Jahrestag dieser UNO-Staatengruppe, zu der mittlerweile 133 Länder gehören. In seiner Eröffnungsrede schlug Evo Morales 9 Aufgaben vor zum “Aufbau einer anderen Welt “, die eine Gesellschaft der “Vivir Bién“ – des Gut Leben-in Würde Leben zum Ziel hat. Dazu gehören unter anderem: 

Von einer nachhaltigen Entwicklung zu einer integralen Entwicklung, um in Würde zu Leben, in Harmonie und Ausgewogenheit mit der Mutter Erde. Denn wir benötigen eine neue Vision, die sich von der westlichen kapitalistischen Entwicklung unterscheidet.



Souveränität über die natürlichen Ressourcen und strategische Sektoren: Die Rohstoffe besitzenden Länder müssen und können die souveräne Kontrolle über die Produktion und auch die Verarbeitung unserer Rohstoffe übernehmen.



Grundbedürfnisse auf -sauberes Trinkwasser, Elektrizität, Zugang zu Kommunikationsmitteln und Gesundheitsversorgung - müssen überall als Menschenrecht anerkannt werden.



Emanzipation des gegenwärtigen internationalen Finanzsystems und Errichtung einer neuen Finanzarchitektur: Wir müssen Banken des Südens gründen und stärken.



Den Hunger der Völker der Welt ausrotten als weltweites Entwicklungsziel bis 2030.

Am 12. Oktober 2014 finden Allgemeine Wahlen in Bolivien statt. Die Abgeordneten der gesetzgebenden Versammlung und der Staatspräsident, sowie sein Stellvertreter werden gewählt. Zu ersten Mal in der Geschichte des Landes können auch die Bolivianerinnen und Bolivianer, die im Ausland leben, in allen 33 Ländern, wo Bolivien eine diplomatische Vertretung hat, ihr Wahlrecht wahrnehmen. Auch in Berlin wird es ein Wahllokal geben. Auch hier haben die Frauen Boliviens Einiges erreicht: Zum ersten Mal in unserer Geschichte sind drei von fünf Kandidat/innen, die sich für die Vizepräsidentschaft beworben haben, Frauen. Von allen registrierten Kandidat/innen in den Wahllisten sind 52% Frauen. In Bolivien gilt bei den Wahlen nicht nur die Frauenquote, die Kandidatinnen müssen in gleichberechtigter, alternierender Weise in den Listen vertreten sein. Die nächsten Wochen und Monate werden sicher besonders interessant. Als Botschafterin des Plurinationalen Staates Bolivien in Deutschland und auch in Polen, Rumänien und der Schweiz, habe ich die große Ehre, Ihnen heute am Nationalfeiertrag Boliviens die herzlichsten Grüsse unseres Präsidenten Evo Morales Ayma zu überbringen. Wir bedanken uns für die hervorragende Zusammenarbeit und Ihr Interesse an unserem Land. Ich freue mich, dass Sie heute bei uns sind. Vielen Dank