rede „mich macht das unruhig, ja wütend“ - SPD-Fraktion RLP

25.02.2016 - des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Landtagsfraktion, Carsten. Pörksen, zum Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS ...
78KB Größe 2 Downloads 31 Ansichten
CARSTEN PÖRKSEN MITGLIED DES LANDTAGS RHEINLAND-PFALZ PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER DER SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ

REDE des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Landtagsfraktion, Carsten Pörksen, zum Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Rechtsextremismus keinen Boden bereiten – Die offene Gesellschaft schützen“ (Drucksache 16/6174) in der 114. und letzten Sitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 25. Februar 2016

„MICH MACHT DAS UNRUHIG, JA WÜTEND“ Herr Präsident, meine Damen und Herren, vor fast 47 Jahren bin ich als Student in Kiel in die SPD eingetreten. Ich wollte aktiv daran mitwirken, dass die NPD nicht in den Bundestag kommt. Damals waren noch alte Nazis am Werk wie von Thadden und Thielen. In mehreren Landtagen war die NPD bereits vertreten. Bei der Bundestagswahl ist sie dann knapp an der 5%- Hürde gescheitert. Heute, fast fünf Jahrzehnte nach dem Eintritt, scheide ich nach über 25 Jahren aus dem Parlament aus. Ich frage mich: Was hast Du eigentlich falsch gemacht oder unterlassen, dass in unserer Gesellschaft rechtsradikales, ja rechtsextremistisches Gedankengut in einem Umfang hoffähig zu werden scheint, wie ich es mir nie habe vorstellen können? Auch vor Jahren war mir schon sehr wohl klar, dass Altnazis oder Neonazis stetig versuchen, ihre rechten Parolen zu verbreiten. Neu

ist

auch

nicht,

dass

rechtes

Gedankengut in Deutschland durchaus verbreitet ist, zumindest die Anfälligkeit dafür. Dies zeigte schon vor Jahren eine Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung auf. Als Gewerkschafter und Sozialdemokrat habe ich immer gegen diese Gefahr von rechts gekämpft in Wort und Tat. Was wir aber seit einigen Monaten erleben, hat den bisherigen Bereich weit verlassen. Es geht um unglaubliche, menschenverachtende Handlungen von – so Ministerpräsident Tillich zu Recht – „Verbrechern“, die für ihr Verhalten auch noch Beifall bekommen. So ist

© SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ | GESCHÄFTSSTELLE

1

CARSTEN PÖRKSEN MITGLIED DES LANDTAGS RHEINLAND-PFALZ PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER DER SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ

es gerade vor wenigen Tagen in Sachsen geschehen und gestern hier diskutiert worden. Ich frage mich: Was sind das für Menschen, die Flüchtlinge unverhohlen bedrohen und Feuerwehrleute bei ihrer Arbeit behindern, bisher ein absolutes Tabu. Und dabei noch ihre Kinder mitschleppen. Unter dem Deckmantel der Besorgnis der Bürgerinnen und Bürger über die Asylpolitik der Kanzlerin wird versucht, Rassismus wieder salonfähig zu machen und AfD-Mitglieder marschieren da vorneweg. Auch wir in Rheinland-Pfalz bleiben von dieser Entwicklung nicht verschont, auch bei uns sind die Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund massiv gestiegen. So hat sich die Zahl von Straftaten im Zusammenhang mit Flüchtlingsunterkünften 2015 auf 29 erhöht, 2014 war es nur eine. Unter den 29 waren acht gewalttätige Vorfälle, zum Beispiel in Herxheim. Im

Bundesgebiet

waren

es

über

1.000

Straftaten

im

Zusammenhang

mit

Flüchtlingsunterkünften. Ich frage mich: Welches Bild müssen Menschen außerhalb von Deutschland von uns Deutschen bekommen anlässlich dieser Entwicklung? Man muss die Meinung von Amnesty International nicht unbedingt teilen, wonach die Menschenrechte in Deutschland missachtet werden, nachdenklich macht sie schon. Ich kann und will nicht glauben, dass zwischen 10 und 20 % der Bevölkerung dieses verachtenswerte Vorgehen auch nur im Ansatz billigt, geschweige denn: Es für gut hält. Wir Deutschen haben eine Geschichte, die aufzeigt, wohin die Ausgrenzung von Menschen führen kann, nämlich in einen totalitären Staat. Heute sind es die Flüchtlinge und Asylbewerber, morgen andere Bevölkerungsgruppen. Denn Sündenböcke findet man immer, wenn radikales Bewusstsein sich in den Köpfen festgesetzt hat. Wir alle haben die Chance, es nicht soweit kommen zu lassen und dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Es ist unsere Aufgabe, die offene Gesellschaft zu schützen und zu erhalten. Dafür brauchen wir vor allem Zivilcourage. Und zwar im Betrieb, auf der Straße oder in der Stammkneipe. Ich halte es für alternativlos, dass wir Demokraten in den täglichen persönlichen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern niemals müde werden, den Extremismus klar zu benennen und vor den Radikalen zu warnen. Wir müssen diesen persönlichen Austausch suchen, jeden Tag aufs Neue. Wir müssen dorthin gehen, wo Bürgerinnen und Bürger an dem politischen Mainstream zweifeln, wo Ängste aufbrechen

© SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ | GESCHÄFTSSTELLE

2

CARSTEN PÖRKSEN MITGLIED DES LANDTAGS RHEINLAND-PFALZ PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER DER SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ

und Menschen sich verlassen fühlen. Ich weiß, dass dies nicht leicht ist, weil es oft an der notwendigen Offenheit des Gegenübers fehlt. AfDler, die Kreide gefressen haben, dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, welch Ungeist sich in deren Kreisen und in rechtsextremen Gruppierungen breit gemacht hat. Ich erspare mir hier, Zitate von rechtsextremen Politikern vorzulesen. Aber ich rege mich z. B. maßlos über ein aktuelles Plakat auf, auf dem unverhohlen steht: Gas geben! Ich kann nur sagen: Das ist abscheulich und ist mir schwer verständlich, dies noch als zulässige Meinungsäußerung einzuschätzen. Es muss uns allen zu denken geben, dass vier rechte bis rechtsradikale Parteien zur Landtagswahl antreten. Unfassbar ist für mich, was sich in den sogenannten sozialen Medien - was ist an denen eigentlich sozial? – abspielt. Vor wenigen Tagen konnten wir in der Rhein-Zeitung lesen, welch Schindluder, ja welche Hetze gegen Flüchtlinge dort betrieben wird, sich in Windeseile verbreitet und kommentiert wird. Wie soll eine Gesellschaft funktionieren, die so mit den Schwachen umgeht, mit denen, die sich nicht oder nur unzureichend wehren können? Mich macht dies unruhig, ja wütend. Bei meiner Eröffnungsrede für die 16. Wahlperiode habe ich auf die bedenkliche Entwicklung hingewiesen. Es ist eher noch schlimmer geworden. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt davon, dass die große Mehrheit unserer Gesellschaft ein solches Verhalten nicht akzeptiert: Wie anders ist sonst die große Hilfsbereitschaft, das große Engagement zum Beispiel in der Flüchtlingsarbeit zu erklären? Ich denke: Wir müssen noch viel deutlicher sagen, dass wir diejenigen nicht akzeptieren, die Hassparolen verbreiten statt nach Lösungen zu suchen. So will ich heute anlässlich meiner letzten Rede im Landtag von Rheinland-Pfalz verstanden werden. Diesem Ziel dient auch unser Antrag, der heute zur Abstimmung gestellt wird und um deren Zustimmung ich Sie alle bitte. Auf die Einzelheiten möchte ich nicht eingehen, der Antrag liegt Ihnen vor. Lassen Sie mich am Schluss noch einige persönliche Äußerungen machen. Ich war mit Leib und Seele Parlamentarier. Das dürften Sie alle gespürt haben. Dabei schließe ich nicht aus, dass ich bei meinen seltenen Zwischenrufen manchmal über das Ziel hinaus geschossen bin, schließlich hat man nicht viel Zeit vorher zu überlegen, was man ruft. Gott sei Dank ist nicht alles protokolliert worden. Einen Ordnungsruf habe ich jedenfalls nie erhalten.

© SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ | GESCHÄFTSSTELLE

3

CARSTEN PÖRKSEN MITGLIED DES LANDTAGS RHEINLAND-PFALZ PARLAMENTARISCHER GESCHÄFTSFÜHRER DER SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ

Sollte ich mal über die Stränge geschlagen haben, bitte ich um Entschuldigung. Persönlich verletzen wollte ich nie, weil mir dies in der politischen Auseinandersetzung fremd ist. Im Übrigen wünsche ich Ihnen, die in unser Parlament zurückkehren und den Neuen wieder einen

Deutschhauskeller

im

Keller

des

Landtags,

in

dem

nach

Sitzungen

fraktionsübergreifend das eine oder andere Bier oder Wein, in seltenen Fällen auch Wasser, getrunken wird. Ich erinnere mich noch sehr gerne an die Abende im Keller, auch wenn ich so manche DM oder Euro beim Skatspiel verloren habe. Auch die Treffen an der Hotelbar im Mainzer Hof waren nicht ohne. Das scheint mir mindestens genauso wichtig zu sein, als W-lan und ähnliche elektronische Errungenschaften. Ganz besonders bedanke ich mich beim stenographischen Dienst, der vor allem anlässlich mehrerer von mir geleiteter oder begleiteter Untersuchungsausschüsse, es waren insgesamt 7, Schwerstarbeit leisten musste, ob meiner eingeschränkt klaren Aussprache. Nicht umsonst wird Hans-Jürgen Noss und mir nachgesagt, dass wir unsere Gespräche nicht verschlüsseln lassen müssen. Bedanken möchte ich mich auch bei der Landtagsverwaltung vom Hausmeister, den Frauen und Männer, die uns über viele Jahre fürsorglich bedient haben bis hin zum wissenschaftlichen Dienst, Sie alle haben uns die Arbeit angenehm gestaltet. Bei Ihnen allen liebe Kolleginnen und Kollegen möchte ich mich für die jahrelange kollegiale Zusammenarbeit auch über Parteigrenzen hinweg recht herzlich bedanken. Letztlich eint uns alle das Ziel, unser Rheinland- Pfalz weiter voranzubringen. Die Arbeit hat mir viel Freude gemacht. Eine ganz große Freude würden Sie alle mir machen, wenn es Ihnen gelänge, die AfD aus meinem geliebten Landtag rauszuhalten. Alles Gute für die Zukunft.

© SPD-FRAKTION IM LANDTAG RHEINLAND-PFALZ | GESCHÄFTSSTELLE

4