Rapper Nazar: „Ich hab sehr viel Wut in mir“

13.05.2016 - ich, der Richter, gestern, im Wein- stock die ... Der liederliche Richter ist weg, doch all jene, die ... Gerichtsrats Walter für Frau Marthe machen ...
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10 KULTUR KURZ GEMELDET Theaterkarten über Smartphone kaufen WIEN. Eintrittskarten für Wiener Theater können nun über Mobiltelefon oder Tablet erworben werden. Der Wiener Bühnenverein stellte am Mittwoch eine App vor, die das Jungunternehmen Ticket Gretchen GmbH entwickelt hat. Beteiligt sind zunächst Josefstädter Theater, Volkstheater sowie Theater an der Wien, Kammeroper, Raimund Theater und Ronacher. Das Ziel sei „eine übergreifende Kultur-App“ für den europäischen Raum, hieß es im Pressegespräch.

Franz Schausberger ins Haus der Geschichte WIEN. Der ehemalige Salzburger Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) wird die Bundesländer im wissenschaftlichen Beirat des Hauses der Geschichte vertreten, das bis 2019 am Wiener Heldenplatz entsteht. Er sei dafür von der Landeshauptleutekonferenz für drei Jahre bestellt worden, teilte Schausberger mit. Der Beirat wird noch je zwei Mitglieder aus Kultur- und Wirtschaftsministerium haben; einer davon sowie Leiter des Beirats ist der Historiker Oliver Rathkolb.

Künstler outen sich für Josef Ostermayer WIEN. Fast 200 Künstler und Kulturmanager haben in zwei Tagen jene Initiative unterzeichnet, die die „Fortsetzung der Arbeit von Josef Ostermayer“ als Kulturminister fordert. Darunter sind Markus Hinterhäuser und Christian Kircher, die Burgschauspieler Peter Simonischek, Michael Heltau, Elisabeth Orth und Dorothee Hartinger, die Autoren Händl Klaus und Michael Köhlmeier sowie die Komponisten Olga Neuwirth und Wolfgang Mitterer. Initiatoren sind Autor Gerhard Ruiss und Künstlerin Brigitte Kowanz.

FREIT AG, 13. MAI 20 16

Rapper Nazar: „Ich hab sehr viel Wut in mir“ Düsternis, Härte und aggressive Verse: Der österreichische Rapper Nazar legt sein neues Album „Irreversibel“ als Anschlag an. WIEN. Nazar spürt Wut. Und diese Wut trieb ihn an fürs neue Album. Besonders in den vergangenen beiden Jahren sei viel bei ihm passiert. Insofern lag die Verarbeitung auf künstlerischem Weg nahe. Konkret meint der Rapper in erster Linie seine diversen Auseinandersetzungen mit der FPÖ. „Ich bin hinter den Kulissen sehr viel politisch schikaniert worden. Ich musste zum Verfassungsschutz wegen Volksverhetzung, wegen meiner Ansprache am Donauinselfest. Das sind Dinge, die einen Rapper sehr wütend machen, weil versucht wird, dich mundtot zu machen“, sagt er. Gelungen ist das keineswegs, greift Nazar doch auch auf dem Album „Irreversibel“ wieder etliche heikle Themen auf. „Ich habe aus meiner Vergangenheit gelernt, nicht mehr aggressiv darauf zu reagieren, sondern es in meiner Musik umzusetzen“, betont der Rapper, der bürgerlich auf den Namen Ardalan Afshar hört. Das beginnt beim minimalistischen „Generation Darth Vader“, führt über das knackige „La Haine Kidz“ und mündet unter anderem in „Mein Viertel“, für das sich Nazar neuerlich Sido als Unterstützung am Mic holte. Zeilen wie „Jeder kriegt, was er verdient“ oder „Wir sind die Generation mit Hass in der Brust“ werden dem Hörer entgegengeschleudert: Hier wird eine Dreiviertelstunde lang Gangsta-Rap par excellence vorgeführt, wobei in der zweiten Hälfte einige ruhigere Momente Zeit zum Durchatmen bieten. Wer mit Kraftausdrücken und Zuspitzungen nichts anfangen kann, ist

Kafka macht Lust auf weitere Landpartien HEINZ BAYER

Affengeil. So könnte man sagen. Man läge damit gar nicht falsch. Denn sie bot alles, was eine gelungene Premiere braucht, diese Reise hinaus ins Grüne. Erstmals kooperiert das Landestheater Salzburg mit dem Kulturverein Kunstbox Seekirchen. Gespielt wird Franz Kafkas Klassiker „Ein Bericht für eine Akademie“. Das Lehrstück vom Affen also, der sich zum Menschen wandelt. Als Rotpeter auf der Bühne: ein sprachlich, gestisch und körperlich fabelhaft fitter Georg Clementi. Am Ende saß er ausgepowert auf der Bühne. Völlig nackt, erschöpft, aber glücklich und zufrieden – so wie es auch das sehr begeisterte Publikum war. Im Zentrum dieser Produktion: der gebildete Affe als Modellfall einer modernen Erfolgsstory. Anpassen, sich aufgeben, denn das sichert die Karriere. Der Affe kapiert es schnell und wird zum smarten Gewinnertyp, der insgeheim aber sehr am Verlust seines eigentlichen Wesens und seiner Herkunft leidet. Noch eines lässt die spartanischkluge Inszenierung Carl Philip von Maldeghems fühlen, auf sehr unanSEEKIRCHEN, SALZBURG.

genehme Art. Das ist der Umstand, dass Tierleid nie ein Hinderungsgrund war und ist beim Schielen nach fetten Erträgen. Videoprojektionen vergrößern den Saal ins schier Unendliche. Sie heben zugleich jede Distanz zwischen Bühne und Publikumsraum auf. Das Lampenfieber des Hauptdarstellers am Premierentag begann übrigens früh, um 4 Uhr. Da wachte er auf. Die Anspannung lohnte sich. Am Ende war Georg Clementi dort, wo er hingehört. Ja, klar, in Seekirchen. Vor allem aber: im Verbund des Landestheaters. Dessen Intendant von Maldeghem spürt nun, scheint’s, eine innere Lust an weiteren Landpartien. So wohl fühlten sich er und die Seinen in Seekirchen. Nicht nur dort möchte er nun öfter andocken. Es geistert ihm sogar der Gedanke einer Reise ins Gebirge durch den Kopf. Zielort: die Bergstation der Schmittenhöhebahn. Zunächst aber ist Kafka noch am 21. Mai in Seekirchen/Emailwerk zu sehen (20 h), dann ab 28. September in den Kammerspielen des Landestheaters.

Nazar

aber eindeutig fehl am Platz. „Für den Hip-Hop-Hörer ist das nicht schwer zu verstehen“, erklärt Nazar seine direkten Texte über Gewalt und das Leben auf der Straße. „Für den Ö3-Hörer wiederum schon, für den wird es gewaltverherrlichend sein. Aber wenn der einen Kraftausdruck hört, ist für ihn wahrscheinlich sowieso die Welt schon vorbei. Für diese Menschen mache ich meine Musik aber nicht.“ Nicht zuletzt seit dem Vorgänger „Camouflage“ scheint Nazar am Zenit angekommen. Goldstatus, Spitze der Charts, ausverkaufte Konzerte – der Sprung aus dem Underground in den Mainstream wurde eindrucksvoll vollzogen. Ob und wie er ankommt, das ist für Nazar allerdings keine wichtige Frage. „Ich mache mir darüber keine Gedanken, weil ich mir in meiner Kunst und meinen Texten keine Grenzen setzen möchte.“ Vielen dürfte es auch schwerfallen, den reflektierten Mann, der sich über die Gesellschaft Gedanken macht, mit dem harten „Gangsta“ von Plattencover und Video in Einklang zu bringen. Nicht zuletzt gibt er durch seine persönlichen Texte und eine teils entwaffnende Offenheit in Interviews viel von sich preis. Das Album „Irreversibel“ ist vor allem eines: ein wütender Blick auf eine in vielen Fragen zerrissene Gesellschaft – und dabei eher düsteres Stimmungsbild denn auf konkrete Personen gemünzte Anschuldigung. BILD: SN/UNIVERSAL

CHRISTOPH GRIESSNER, APA

STANDPUNKT

Bernhard Flieher

100 Mal im Keller bei der Popmusik Sicher lässt sich jammern über den Bedeutungsverlust der Popmusik. Sie taugt nicht mehr recht zum gesellschaftlichen Diskurs. Dann aber steht man im Keller der Salzburger ARGEkultur und hört eine Band wie „Ja, Panik“, ehe die so richtig durchstartet. Und es lässt sich im kleinen Rahmen fühlen: Ganz so wurscht ist die Popmusik doch nicht. Jedenfalls nicht dort, wo sie fein säuberlich aufbereitet wird, wo nicht in erster Linie ein volles Haus zählt, sondern das Aufregende, manchmal noch Unbekannte, das auf treue Interessenten trifft und nicht auf eine Laufkundschaft, die ihre Zuneigung stets nach dem neuesten Wind richtet. Die Veranstaltungsreihe „Roter Salon“ in der ARGEkultur ist so ein Platz. An diesem Freitag steigt die 100. Ausgabe (mit A Life, A Song, A Cigarette und Esteban’s). Es ist ein Platz, der keine stilistische Einschränkung zulässt, dafür aber Entdeckungen möglich macht. Und es ist ein Ort, an dem die Gegenwart zählt, dieser einzige, im besten Fall intensive Moment, in dem Popmusik von Bedeutung sein kann. „Was bisher im Roten Salon geschah, kann gerne nachgefragt werden, wichtiger ist, was kommt“, schreibt ARGE-Leiter Markus Grüner folgerichtig im Editorial zum Jubiläum. Da hat er recht. Doch zeigt erst der Rückblick, wie zukunftsweisend manches Engagement war. Und auch wenn die Popmusik ein flüchtiges Wesen, ein bloß sternschnuppiger Schein sein mag: Sie braucht die richtige Umgebung und Pflege, um den Schein strahlen zu lassen. Der fein gepflegte Rote Salon ist eine solche Umgebung. [email protected]

Die Perücke verrät den Lüstling Die Gier eines mächtigen Mannes nach Sex und Geld fliegt auf. HEDWIG KAINBERGER

„Glaubt ihr, ich hätte, ich, der Richter, gestern, im Weinstock die Perücke eingebüßt?“ Mit dieser Frage katapultiert sich der Dorfrichter Adam ins Zentrum jenes Wirbelwinds, den er mit seiner Gier nach Sex und Macht selbst entfacht hat. Nun, kurz vor Ende von Heinrich von Kleists „Zerbrochnem Krug“, müsste auf der Bühne in Bild, Wort und Szene etwas so bersten wie die Seele des in die Enge getriebenen Lüstlings. Tatsächlich geht in der Premiere im Schauspielhaus Salzburg – Regie führte Esther Muschol – das Licht aus, es wird gepoltert und gerufen. Aber als es hell wird, wabert bloß Bühnennebel herum. Der liederliche Richter ist weg, doch all jene, die einander soeben als Kläger und Beklagte befetzt und bezichtigt haben, parlieren in plötzlicher Eintracht. Nach Küssen des jungen Paares, nach Handkuss des Gerichtsrats Walter für Frau Marthe machen alle harmlos Winkewinke. Vieles an den Beziehungen der Figuren dieses tiefsinnigen Theaterstücks bleibt oberflächlich; auch iPad-Wischen und iWatch-Schauen sind bloß modische Kinkerlitzchen. SALZBURG.

Marcus Marotte als Dorfrichter Adam und Susanne Wende als Marthe Rull. BILD: SN/SCHAUSPH. SBG./GREGOR HOFSTÄTTER

Trotzdem ist das Zuschauen bei diesem behutsam auf eineinhalb Stunden gestrafften „Zerbrochnen Krug“ mehrfach vergnüglich: Man darf – geführt von Kleists wunderbar melodiöser und rhythmischer Sprache – verfolgen, wie sich ein mächtig fühlender Mann aus seinen Vergehen und Lügen herauszuwinden versucht, aber trotzdem auffliegt. Zudem profiliert sich das

Schauspielhaus mit diesem Klassiker als etwas, das in österreichischen Theatern rar geworden ist: gutes, altes Ensembletheater. Mehrere, diesem Haus jahrzehntelang treue Schauspieler entfalten da ihr Können. Marcus Marotte brilliert als Dorfrichter mit Lug und Trug, Schleimen und Anbiedern, offener Gier und verlogener Korruption. Olaf Salzer kontrastiert dies, indem er den Gerichtsrat Walter als distinguierten, klugen wie gütigen Kontrollor spielt. Wenn Georg Reiter als Bauer Tümpel auftritt, genügen ihm zwei, drei Sätze, um der Szene emphatischen Elan zu verleihen. Bernadette Heidegger spielt die Frau Brigitte treffend manieriert, weil sie zwar die entlarvende Perücke bringt, doch die Erläuterungen des Beweises gegen den Dorfrichter im scheinbaren Geflunker über den Teufel verbirgt. Auch Nachwuchsmimen werden gut eingebunden – so spielt Kristina Kahlert, bis 2015 an der hauseigenen Schauspielschule ausgebildet, ein herzerfrischend eigensinniges Eve. Theater: Heinrich von Kleist, Der zerbrochne Krug, Schauspielhaus Salzburg, bis 18. Juni.