Pure Freude am Wortwitz

24.10.2015 - man geht nach mekka, das ist aber ein pilgern. und dann sagen die wiener hatschen. man könnte also auf das wort gehen verzich-.
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KULTUR 19

SAM ST AG, 24. OK T OBER 20 15

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SprachLust

Pure Freude am Wortwitz

Veranstaltungen zur SprachLust

Friedrich Achleitner. Schriftsteller, Architekt und Architekturkritiker. BILD: SN/LUKAS BECK

H. C. Artmann und Gerhard Rühm waren Weggefährten von Friedrich Achleitner, und das geschliffene Wort von jeher dessen Werkzeug. Vor allem, wenn es um Architektur geht, die oft unsere Landschaft verletzt. HEINZ BAYER

Im Vorwort seines neuen Buches steht: „Sprache ist ein Werkzeug, mit dem sich die Wirklichkeit nicht fassen lässt. Fritz Mauthner.“ (Mauthner war ein österreichischer Philosoph und Schriftsteller). Friedrich Achleitner ließ sich selbst von dieser harten Erkenntnis nicht entmutigen. Denn Mut, Witz und der feine Sinn für kluge Wort-Architektur zählen zu seinen wesentlichen Charakterzügen. Das ist unter anderem an diesem Text in seinem neuen Buch „wortgesindel“ erkennbar. SALZBURG.

nicht hinschauen wenn man nicht hinschaut, sieht man auch nichts. und wenn man nichts sieht, hat man auch nichts gesehen. und nichts gesehen haben ist das wichtigste, dann kann auch niemand fragen, ob man was gesehen hat. und schon gar nicht kann jemand behaupten, dass man über das nicht gesehene etwas weiß. da hättest du ja was tun

können. aber wenn du nichts ge- ten jemanden laufen, sondern alsehen hast, hättest du auch nichts le gehen. gehen kann aber auch machen können. und wenn du fahren oder fliegen heißen. „ich gehe morgen nach berlin“ nichts machen konntest, kannst du auch nichts dafür, dass du heißt sicher nicht laufen, sondern fahren oder fliegen. es heißt nichts gemacht hast. wo kämen wir denn hin, wenn sogar noch viel mehr, es heißt für alle, die nichts gesehen haben, längere zeit oder für immer. oder auch noch etwas machen würden. man geht nach mekka, das ist aber ein pilgern. und dann sagen es genügt schon, wenn alle, die nichts gesehen, die wiener hatschen. man könnte nichts getan haben. also auf das wort gehen verzichten. allerdings könnte man dann niemanden mehr fragen: „wie Wenn man nicht geht’s dir?“ „wie fährt es dir?“ oder „wie fliegt es?“ wäre doch zu hinschaut, sieht aufdringlich. „wie läuft’s?“, hört man auch nichts man aber öfters. das sind jene, die überall hinlaufen. und man Auch dieser hintersinnig-iro- kann darauf antworten: „danke, nische Text stammt aus Achleit- mir geht es gut, ich muss nur ners Buch „wortgesindel“: schnell zum metzger laufen.“ gehen und laufen die deutschen brüder und schwestern, großmeister der deutschen sprache, gehen nicht über die straße, sondern sie laufen. sie laufen auch zum bäcker, in die bank, nur in die kneipe gehen sie lieber. man sieht aber sel-

Die Ausstellung SpachLust ist eine Initiative der Kulturbox Seekirchen, der „Salzburger Nachrichten“ und der Stadtbibliothek. Im Zentrum steht das Phänomen Sprache. Sie ist bis 20. 11. in der Salzburger Stadtbibliothek zu sehen (Mo., Do., Fr.: 10–18 Uhr; Di., Mi.: 15–19 Uhr; Sa.: 10–15 Uhr).

Friedrich Achleitner, geboren 1930 in Schalchen, Oberösterreich, Mitglied der Wiener Gruppe. Architekt und bis 1998 Professor an der Hochschule für angewandte Kunst. Lesung in Salzburg. Im Rahmen der Ausstellung SprachLust liest er aus seinem Buch namens „wortgesindel“ (ISBN 978-3-552-05712-8, Paul Zsolnay Verlag Wien) in der Stadtbibliothek Salzburg, Schumacherstraße 14, Salzburg. Und zwar am kommenden Mittwoch, 28. Oktober, 20 Uhr.

Stadtbibliothek Salzburg. Eintritt frei, um Anmeldung wird gebeten: 0662/80722450.