Peter Haupt Landschaftsarchäologie

Beiden Gruppen soll sie die einschlägigen Grundlagen und Methoden näher- bringen, aber auch ... In der jüngsten Zeit schließlich etablierte sich die neue For- .... Westfalen, Oberbayern oder das Saarland können so als Landschaft verstan-.
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Peter Haupt Landschaftsarchäologie

Peter Haupt

Landschaftsarchäologie Eine Einführung

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Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Umschlagmotiv: Landschaftsprospektion. (© Peter Haupt) Umschlaggestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-24863-6 Die Buchhandelsausgabe erscheint beim Konrad Theiss Verlag Umschlagabbildung: Cover oben: Bewuchsmerkmale im Luftbild, Kreisgrabenanlage zwischen Flusstalarmen (© Peter Haupt), unten: Hochauflösender LIDAR-Scan der Heuneburg (© ArcTron GmbH, Altenthann); Buchrückseite: Geomagnetische Prospektion mit einem Handgerät (© Peter Haupt) Umschlaggestaltung: Stefan Schmid Design, Stuttgart www.theiss.de

ISBN 978-3-8062-2619-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72594-6 (für Mitglieder der WBG) eBook (epub): 978-3-534-72595-3 (für Mitglieder der WBG) eBook (PDF): 978-3-8062-2667-6 (Buchhandel) eBook (epub): 978-3-8062-2668-3 (Buchhandel)

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Was ist Landschaftsarchäologie? . . . . . . . . . 1.2 Die Stellung der Landschaftsarchäologie zu ihren Nachbarwissenschaften . . . . . . . . . . . . . 1.3 Definitionen von Landschaft . . . . . . . . . . 1.4 Kulturlandschaftsgenese . . . . . . . . . . . . . 1.5 Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2 Quellen und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Pollenprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Bodenkunde und Geoarchäologie . . . . . . . . . . . . . 2.3 Archäologische und geophysikalische Prospektion, LIDAR . 2.4 Datierungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Dendroökologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Ältere Karten und Luftbilder . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Flurnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Weitere Toponyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Archäologische Kartierung / GIS . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Archäobotanik und Archäozoologie . . . . . . . . . . . .

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3 Ressourcennutzung . . . . 3.1 Erze . . . . . . . . . . 3.2 Steine . . . . . . . . . 3.3 Weitere Bodenschätze 3.4 Wald . . . . . . . . . 3.5 Wasser . . . . . . . . 3.6 Salz . . . . . . . . . . 3.7 Boden . . . . . . . .

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4 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Forschungen zur frühen Almwirtschaft . . . . . . . . . . 4.2 Alter Bergbau am Donnersberg in der Pfalz . . . . . . . . 4.3 Besiedlung am Rand der Ökumene – Wüstungsprozesse . 4.4 Nord-Beveland – Verlust und Ausdehnung von Kulturland zwischen Antike und heute . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Bibracte – Prospektionen im Mittelgebirgsraum um die Yonnequellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Linien in der Landschaft: Alte Parzellierung, Wege und Straßen, Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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5 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort Vorwort

Landschaftsarchäologie ist eine nur wenige Jahrzehnte alte, ausgesprochen interdisziplinäre Forschungsrichtung zwischen Archäologie und Geowissenschaften. Wegen ihrer zahlreichen Verbindungen zum heutigen Alltag lebender Menschen (also Steuerzahler, die den Wissenschaftsbetrieb weitgehend finanzieren) ist sie in der Lage, auch über die kleine Wissenschaftsgemeinde hinaus Neugierde zu wecken und ihre Erkenntnisse zu vermitteln. Deswegen richtet sich diese Einführung explizit an Studierende und interessierte Laien. Beiden Gruppen soll sie die einschlägigen Grundlagen und Methoden näherbringen, aber auch zu deren Anwendung und Weiterentwicklung anregen. Die zu einzelnen Unterkapiteln existierenden Lehrbücher sollen nicht zusammengefasst oder gar ersetzt werden. Auch können die weiten Verästelungen der Forschung in diesem Rahmen nicht vollständig wiedergegeben werden. Weiterführende Literatur wird aber über eine kommentierte Bibliographie im Anhang zugänglich gemacht. Da „Theorien“ und das Schreiben über solche bisweilen als höchste Stufe archäologischer Wissenschaft propagiert werden, möchte ich Erwartungen in diese Richtung vorweg mindern: Landschaftsarchäologie wird von mir eingeschränkt und vorrangig als Forschungsrichtung zum Erzielen von Erkenntnissen zur Kulturlandschaftsgenese verstanden. Man könnte das auch eine bodenständige Landschaftsarchäologie nennen – soziokulturelle Theorien etwa spielen, im Gegensatz zur Archäologie im anglo-amerikanischen Raum, eine untergeordnete Rolle. Diese Einführung entstand aus einer Vorlesung, die ich im Wintersemester 2010 / 2011 an der Philipps-Universität Marburg gehalten habe. Sie fand im Rahmen einer Lehrstuhlvertretung statt, für die ich Herrn Andreas MüllerKarpe zu danken habe. Dank gilt aber auch den neugierigen und engagierten Studentinnen und Studenten, deren Interesse den Anstoß für das Schreiben dieses Buches gab. Peter Haupt, im Juli 2011

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1 Einleitung 1.1 Was ist Landschaftsarchäologie? Einleitung Was ist Landschaftsarchäologie?

Landschaftsarchäologie ist die von archäologischen Fragestellungen ausgehende Erforschung der Kulturlandschaftsgenese, das heißt des von Menschen beeinflussten Wandels der verschiedenen Bestandteile einer Landschaft: Vegetation, Oberflächengestalt, Böden, Besiedlung … Landschaftsarchäologie ist aber auch eine geowissenschaftlich-archäologische Forschungsrichtung, deren Interesse vornehmlich den der Kulturlandschaftsgenese zugrundeliegenden Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt gilt. Schon frühe historisch-geographische Forschung hat sich mit den Landschaften vergangener Epochen befasst. Dabei wurde meistens das heutige Erscheinungsbild rückprojiziert, günstigenfalls konnten Beschreibungen antiker Autoren ausgewertet werden, etwa die des Tacitus zu den germanischen Wäldern. Auch im Zuge archäologischer Forschungen widmete man sich solchen Fragen, erinnert sei nur an Heinrich Schliemanns Suche nach Troja oder die Frage nach dem Ort der Varusschlacht. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die Ergebnisse jedoch meistens statische Befunde. Es interessierte der Zustand der Umgebung einer archäologischen Fundstelle zur Zeit derer Entstehung. Die meist naturwissenschaftlichen Untersuchungen wurden dann als Anhänge der im Vordergrund stehenden archäologischen, oft auf Funde und Chronologie konzentrierten Auswertung publiziert. Andererseits versuchte man schon vor dem Ersten Weltkrieg, mittels Kartierungen gleichartiger Artefakte homogene Kulturen zu erkennen (Gustav Kossina), später dasselbe Ziel anhand gleichartiger Siedlungsbefunde (Herbert Jankuhn) und schließlich durch die theoretische Einbeziehung von Religion, Brauchtum, Handel und anderem mehr (Hans Jürgen Eggers) zu erreichen. Hieraus entwickelte sich eine theorielastige, raumbezogene Forschungsrichtung innerhalb der Archäologie. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde zunehmend der Blick auf die zeitliche Dimension des Wandels gelenkt, die Impulse dazu kamen vor allem aus der vegetationskundlichen und geographischen Forschung. In der jüngsten Zeit schließlich etablierte sich die neue Forschungsrichtung auch dem Namen nach – die Zahl der nach eigenem Bekunden Landschaftsarchäologie betreibenden Forscher wächst deutlich. Landschaftsarchäologen wenden etablierte archäologische Methoden an, insbesondere die archäologische Prospektion (Luftbildarchäologie, Begehungen), Sondagen und Ausgrabungen, sowie archäologische Datierungsmethoden. Ebenso kommen aber auch in der Archäologie gängige Methoden aus den Naturwissenschaften zum Einsatz, hervorzuheben sind geophysikalische Prospektionen, bodenkundliche Untersuchungen, das weite Feld der Archäobotanik und naturwissenschaftliche Datierungsmethoden. Erkenntnisgewinn wird besonders hinsichtlich Vorteil-Nachteil- beziehungs-

Definition

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Einleitung weise Kosten-Nutzen-Rechnungen gesucht: Das Einbringen eines neuen Faktors in die Kulturlandschaft hat für das menschliche Wirtschaften praktisch immer Vor- und Nachteile, oft wird deren Verhältnis zueinander erst im Laufe einer längeren Entwicklung erkennbar. Solche Entwicklungen sind hervorragend für eine Betrachtung mit archäologischen Methoden geeignet, jedenfalls und besonders dann, wenn sie Zeiträume oder Umstände mit wenig Information aus anders erschließbaren Quellen betreffen. So ist beispielsweise der Einfluss von Weidewirtschaft auf Besiedlung und Bewaldung der deutschen Mittelgebirge bis in die Neuzeit hinein nur sehr unzureichend aus Schriftquellen zu beschreiben. Die Epochen vor der späten Eisenzeit sind nördlich der Alpen komplett ohne schriftliche Eigenquellen. Die Landschaftsarchäologie kann auch mit deutlicherem Schwerpunkt in den Humanwissenschaften betrieben werden – was besonders im angloamerikanischen Raum getan wird. Beispielhaft sei der soziologische Einfluss in Fragestellungen zu den Raumbezügen von Herrschaft oder zu den Sakralstrukturen von Landschaft genannt. Solche Gewichtungen sind keinesfalls müßig, sie bauen aber auf landschaftsarchäologischer Forschung auf, wie sie in dieser Einführung beschrieben wird: Ohne Kenntnis der Ressourcennutzung ist es zum Beispiel kaum möglich, sinnvoll über Herrschaftsstrukturen nachzudenken – ohne zu wissen, wo der profane Wirtschaftsraum seine Grenzen hatte, bleiben die Sakralstrukturen im Dunkeln. Landschaftsarchäologie in unserem Sinne erarbeitet erst die Grundlagen für Überlegungen auf einer Metaebene über den empirischen Wissenschaften. Dementsprechend wird Landschaftsarchäologie hier auch nicht von der wissenschaftstheoretischen Warte aus diskutiert, sondern aus der Praxis heraus beschrieben.

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Der Begriff „Landschaftsarchäologie“ wird immer wieder in verschiedenen Kontexten gebraucht, wodurch die Forschungsrichtung unscharf wahrgenommen wird. Eine archäologische Grabung an einem Siedlungsplatz wird als Siedlungsarchäologie bezeichnet, während gleichzeitige Grabungen an zwei benachbarten Orten bisweilen schon als Landschaftsarchäologie gelten. Rettungsgrabungen entlang einer „landschaftsprägenden“ Schnellbahntrasse werden zur Archäologie einer Landschaft, was unschwer als Synonym für Landschaftsarchäologie verstanden werden kann. Es ist besonders die Verquickung unserer subjektiven Vorstellungen von Landschaft mit in der Archäologie oft unbewusst angewandten Definitionen, die hier Unklarheiten mit sich bringt. Klarheit lässt sich gewinnen, wenn das Ziel der jeweiligen Untersuchungen betrachtet wird. Forschungsrichtungen innerhalb der verschiedenen archäologischen Fächer werden nicht vom Gegenstand bestimmt, mit dem sich der einzelne Wissenschaftler befasst, sondern von den Fragestellungen, die seine Arbeit leiten. Auch wenn es die vereinfachende Darstellung tagesaktueller Berichterstattung nahelegt: Ein Archäologe, der sich mit den Mammutknochen einer altsteinzeitlichen Fundstelle befasst, ist kein Mammutforscher. Viel zutreffender und mit größerer Wahrscheinlichkeit verfolgt er Fragestellungen bezüglich des Jagdverhaltens oder der Beuteverwertung früher Menschen und ist treffender als Archäologe des Eiszeitalters zu bezeichnen.

Landschaftsarchäologie und Nachbarwissenschaften Nicht viel anders ist es mit der Landschaftsarchäologie: Sie wird primär von einschlägigen Fragestellungen bestimmt, nicht etwa vom Arbeiten in einer definierten Landschaft. Die Verbreitung eisenzeitlicher Fibeltypen im Voralpenland mag sich kartographisch vor dem Hintergrund einer definierten Landschaft darstellen lassen, es steckt allerdings keine landschaftsarchäologische, sondern eher eine typochronologische, eine ethnographische oder eine wirtschaftsarchäologische Fragestellung hinter solchen Arbeiten. Kartierungen und der Einsatz EDV-gestützter Geographischer Informationssysteme (GIS) sind zwar aus der Landschaftsarchäologie nicht mehr wegzudenken, sie sind aber längst auch in verschiedenen anderen archäologischen Forschungsrichtungen etabliert. Landschaftsarchäologie betreibt der, der sich mit landschaftsarchäologischen Fragestellungen auseinandersetzt – also mit noch zu beschreibenden Methoden Erkenntnisse zur Kulturlandschaftsgenese gewinnt.

1.2 Die Stellung der Landschaftsarchäologie zu ihren Nachbarwissenschaften Landschaftsarchäologie und Nachbarwissenschaften

Eine Reihe von Wissenschaften und Forschungsrichtungen sind hinsichtlich Methoden und Fragestellungen eng mit der Landschaftsarchäologie verwandt. So widmet sich die Montanarchäologie in vielen Epochen gewissermaßen der Basis der Kulturlandschaftsgenese, nämlich der Nutzung von Ressourcen aus dem Bereich Steine, Tone und Erze. Montanarchäologen untersuchen auch die mittelbaren Folgen derartiger Ressourcennutzung, besonders die Verhüttung von Erzen und die Beschaffung dazu nötiger Energie aus Holz oder fossilen Brennstoffen. Damit ist die Montanarchäologie mit ihren spezifischen Methoden eine wichtige Quelle für den landschaftsarchäologischen Erkenntnisgewinn – jedenfalls in Gegenden mit entsprechender Rohstoffnutzung. Die Siedlungsarchäologie kann man in ihrer heutigen Form quasi als älteren Bruder der Landschaftsarchäologie sehen. Ihr Fokus ist auf Entwicklung und Funktion von Siedlungen gerichtet, soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte stehen im Vordergrund. Landschafts- und Siedlungsarchäologie sind genauso miteinander verwoben, wie es Landschaft und Siedlung sind – der eigentliche Unterschied liegt in den gesetzten Schwerpunkten: Landschaftsarchäologische Fragestellungen sehen Siedlungen als Teil der Kulturlandschaft, siedlungsarchäologische Fragestellungen betrachten die Kulturlandschaft als Umgebung der Siedlungen. Jünger und hinsichtlich ihres archäologischen Anteils eher ein Ableger der Landschaftsarchäologie ist die Geoarchäologie. Die Fragestellungen sind oft deckungsgleich, als Unterschied ist ein größeres Augenmerk auf geowissenschaftliche Themen auszumachen – was vor allem an dem Umstand liegt, dass diese Fachrichtung überwiegend von Geographen und Geologen betrieben wird (so gibt es beispielsweise an der Freien Universität Berlin eine Juniorprofessur im Bereich Geoarchäologie am Fachbereich Geowissenschaften; allerdings an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg auch eine Juniorprofessur für Informationsverarbeitung in der Geoarchäologie am Institut für Archäologie,

Montanarchäologie

Siedlungsarchäologie

Geoarchäologie

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Einleitung

Umweltarchäologie

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Denkmalkunde und Kunstgeschichte). Man könnte den Unterschied in aller Kürze so beschreiben: Landschaftsarchäologen und Geoarchäologen erforschen die dem Wandel der Kulturlandschaft zugrundeliegenden Ursachen. Erstere bauen ihre Fragestellungen tendenziell eher auf den im Vorfeld bekannten archäologischen Artefakten und Befunden auf, letztere beginnen ihre Forschungen mit einem Blick auf das Bodenrelief. Oft ist der zeitliche Rahmen der Geoarchäologie weiter gesteckt: Glaziale Geomorphologie zum Beispiel liegt ebenso in ihrem Interesse, wie postglaziale Kolluvienbildung – der Rückschluss auf Kultureinflüsse steht nicht zwingend im Vordergrund. Neben diesen nah verwandten und überschneidenden Disziplinen gibt es eine ganze Reihe weiterer Wissenschaften, die dem Landschaftsarchäologen (aus dessen Sicht) zuarbeiten. Es sind dies besonders die konventionellen Geschichtswissenschaften, die Geographie, die Bodenkunde, die Archäobotanik und die Archäozoologie. Deren Rolle wird beim Blick auf die Methoden und in den Fallbeispielen herausgestellt werden. Schwierig ist es, Unterschiede zwischen Landschafts- und Umweltarchäologie zu beschreiben. Sie überschneiden sich in Fragestellungen und angewandten Methoden; ein spürbarer Unterschied liegt auf Seiten der Umweltarchäologie in dem stärkeren Fokus auf den Lebensbedingungen der Menschen, die nicht zwingend für das Werden der Kulturlandschaft relevant sein müssen. So können Emissionen aus einer neuzeitlichen Alaunhütte zwar Fischbestände und die Gesundheit von Menschen geschädigt haben; für die Kulturlandschaftsgenese ist dies allein jedoch ohne Bedeutung, wie auch das Vorkommen von Parasiten aufgrund schlechter hygienischer Bedingungen ganz klar ein Arbeitsfeld der Umwelt-, und nicht der Landschaftsarchäologie ist. Der Begriff „Umwelt“ impliziert zudem eine schärfere Trennung zwischen dem Mensch und seiner Umgebung (= Umwelt). Menschliche Gesellschaften / Siedlungen / Populationen können scheinbar aus dem sie umgebenden Raum herausgelöst werden, sodass sich zwei souveräne, interagierende Teile ergeben: Der Mensch (als Synonym für eine Population) beeinflusst die Umwelt auf eine bestimmte Weise, die veränderte Umwelt beeinflusst wiederum den Menschen. Diese Gedanken haben in den 1960er- bis 1980er-Jahren Eingang in die Archäologie gefunden und sie sind im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang eng mit der Entwicklung von Ideen zu Umwelt- und Naturschutz verbunden. Obwohl sich diese simplifizierende Sichtweise eines Dualismus Mensch-Umwelt, Mensch-Natur oder Mensch-Planet bis in die früheste nachvollziehbare Zeit menschlicher Geistesentwicklung zurückverfolgen lässt und auch heute allenthalben vorhanden ist, kann sie kein ganzheitliches Modell zur Erklärung des Werdens unseres Lebensraumes sein (obwohl wir uns angesichts des anthropogen beeinflussten Klimawandels gerne selbst suggerieren, man könne durch klar umrissene Eingriffe solch hochkomplexe Systeme steuern). Eigentlich sollten wegen der gravierenden politischen und emotionalen Aufladung des Begriffes „Umwelt“ nur solche Forschungen als Umweltarchäologie bezeichnet werden, denen die Trennung zwischen Menschen und ihrer Umgebung sowie die Interaktion beider zugrunde liegen. Landschaftsarchäologie sollte Fragestellungen zum Gesamtsystem nachgehen, bei denen Menschen nur einer von vielen agierenden Teilen sind. Damit gibt es zwar

Definitionen von Landschaft weiterhin erhebliche Überschneidungen in den Untersuchungsmethoden und Arbeitsfeldern – die Fragestellungen wären aber zu trennen. In der archäologischen Praxis wird das Wort Umwelt allerdings oft unbedacht verwendet.

1.3 Definitionen von Landschaft Definitionen von Landschaft

Der Begriff „Landschaft“ klingt vertraut, bei näherer Betrachtung ist es aber gar nicht so leicht zu sagen, was er eigentlich bedeutet. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm finden sich allein sieben Bedeutungen des Begriffs Landschaft, von denen mehrere noch heute relevant sind.

Historisch-politische Definition

Wie bei Körperschaft oder Mannschaft bedeutet der Wortteil -schaft eine Zusammengehörigkeit – Landschaft wurde in früheren Zeiten mitunter als Synonym für die Bewohner eines Territoriums oder ein Territorium als Gebiet ein und derselben Verfassung gebraucht. In Spätmittelalter und Neuzeit wurden als Landschaft auch die landtagsfähigen, durch Grundbesitz ausgezeichneten Stände (zum Beispiel: Kirche, Ritterschaft, Städte) verstanden. Die Landschaft konnte so im frühneuzeitlichen Württemberg eine tatsächliche politische Kraft sein. Solche Definitionen spiegeln sich heute noch in der Praxis wider, einen Landkreis oder einen Bezirk als Landschaft zu bezeichnen. Westfalen, Oberbayern oder das Saarland können so als Landschaft verstanden werden, und obwohl die Definition den naturräumlichen Gegebenheiten nicht zwingend entspricht, haben solche Landschaften doch den Vorteil scharfer Begrenzung.

Geographische Definition

Landschaft wird in der Geographie als Gebiet verstanden, welches nach Erscheinungsbild und einer gewissen systemischen Geschlossenheit eine Einheit bildet. Diese an und für sich vage Definition wird durch einen breiten Konsens spezifiziert, indem Aspekte der naturräumlichen Genese (Geologie, Geomorphologie) und, in geringerem Maße, der kulturellen Entwicklung eingebracht werden. Hiermit können relativ kleine Landschaften als Einheiten beschrieben werden, die bisweilen nur wenige km2 groß sind. Bei diesem Ansatz bleiben keine Restmengen übrig. Nachteilig ist, dass die Definition eigentlich nur von geographisch versierten Personen nachvollziehbar verstanden wird.

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Einleitung Empirische oder künstlerische Definition

Wo ich bin, ist die Mitte der Landschaft, die ich um mich herum sehe (zumindest wenn man sich im Freien aufhält). Eine solche „wahrgenommene“ Landschaft ist zum Beispiel das Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz. Dessen Grenzen finden sich in den Rheinpanoramen gedruckter Reiseführer so gezogen, dass das Mittelrheintal stets dort endet, wo der Blick des Besuchers von Uferstraße oder Flussschiff den Horizont findet. Seit es zum Welterbe erhoben wurde, ist es mit Grenzen versehen, die eben dieses visuelle Gebiet umfassen und nur geringfügig auf dessen unmittelbares Hinterland ausgreifen. Solche empirischen Beschreibungen sind sehr individuell und haben nicht selten das Problem einer nur ungenauen Reproduzierbarkeit. Zudem schaffen sie oft inselartig herausgehobene Gebiete, also Landschaften, die nicht von gleichartig definierten Landschaften begrenzt sind. Allerdings können sie von jedem ad hoc geschaffen werden, allein die Ähnlichkeiten unserer Sozialisierungen, der Physiologie unserer Sinne und unserer Wahrnehmungen, sorgen für ähnliche Landschaftskonstrukte in unseren Köpfen. Landschaft ist nach all dem ein definierter Raum (als Teil der Erdoberfläche), dessen Definition in der Regel auf einem größeren Konsens beruht. Auch bei der landschaftsarchäologischen Arbeit werden Landschaften konsensfähig definiert! Die Landschaftsarchäologie wählt sich ihr Arbeitsgebiet nahezu immer nach einer Mischung aus geographischen und kulturgeschichtlichen Faktoren aus – wobei den geographischen oft die bedeutendere Rolle zukommt. Das liegt vor allem in vorgeschichtlichen Zeiträumen daran, dass kulturgeschichtlich gleichartige Räume besonders im Binnenland kaum mit harten Grenzen versehen werden können, andererseits die geographische Homogenität bestimmter Faktoren meist heute wie früher unverändert ist: Eine Lößlandschaft mit ihrer großen Bedeutung für prähistorische Landwirtschaft kann mittels Bodenkartierungen heute einfacher rekonstruiert werden, als deren tatsächliche Besiedlung und Kultur in der Jungsteinzeit.

Retrospektiv-empirische Landschaftskonstruktion

Sacred Landscape

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Eine weitere Praxis, die häufig mit der Landschaftsarchäologie verbunden wird, ist die retrospektiv-empirische Landschaftskonstruktion. Hierunter sind alle Versuche einzuordnen, landschaftsbezogene Empfindungen vor- und frühgeschichtlicher Menschen zu rekonstruieren, ohne einschlägige Eigenüberlieferung dieser Menschen zu besitzen. Man nutzt dazu Analogien: in prähistorischen Epochen oft aus der Ethnologie, in frühgeschichtlichen Zeiten literarische Quellen (so werden für die Römerzeit nördlich der Alpen gerne zeitgenössische Schriftquellen des mediterranen Raumes herangezogen). Regelhaft spielen jedoch die eigene Sozialisierung und erlernte wissenschaftliche Arbeitsweisen des Archäologen eine große, unkalkulierbare Rolle bei solchen Ansätzen. Als Beispiel wenden wir den Blick auf eine „Sacred Landscape“, die vor- und frühgeschichtlichen Denkmalensembles um Stonehenge in Südengland: Wir wissen praktisch nichts um mögliche Reihenfolge von Ursache und Wirkung –

Kulturlandschaftsgenese vielleicht war die Landschaft um Stonehenge durch den Bau der bekannten Steinmonumente geheiligt worden, vielleicht war sie aber schon vorher aus heute ganz unbekannten Gründen heilig. Es könnten ja auch ein nur dort vorkommender Vogel oder bestimmte Pflanzengesellschaften dafür ausschlaggebend gewesen sein, die Monumente wären dann die Folge einer Sacred Landscape-Empfindung – nicht die primäre Ursache. Schließlich können prähistorische Monumente auch andere Empfindungen auslösen, als in den Köpfen rezenter Archäologen, die gerne dem Pathos der Schönen Wilden verfallen (das ist kein Vorwurf; die meisten Biographen neigen eben zu einer wohlwollenden Betrachtung ihres Studienobjekts). Eine Grabhügelnekropole mag wesentlich für das prähistorische Empfinden einer Heiligen Landschaft gewesen sein, vielleicht war sie aber noch vielmehr Aufenthaltsort der verehrten Ahnen oder sogar ein Gegenstück zur sonstigen Landschaft einschließlich derer Heiligtümer. Womöglich prägte die identitätsstiftende, gemeinschaftliche Leistung das Landschaftsempfinden vorrangig, ganz ähnlich wie es die Monumente heute tun: Hier sind die Werke unserer Vorfahren, dies ist unsere Heimat. Oder man sah nach einigen Generationen in alten Grabhügeln und Hengemonumenten nur noch den alten Krempel einer überwundenen Zeit. Es mag also sicher reizvoll sein, die landschaftswertenden Empfindungen vor Jahrtausenden lebender Menschen zu rekonstruieren – ob daraus ein Erkenntnisgewinn zum Wissen um die damalige Zeit oder nicht doch mehr zu unserem heutigen Denken entsteht, sei dahingestellt.

1.4 Kulturlandschaftsgenese Kulturlandschaftsgenese

Unter der Bedingung, der Mensch als kulturschaffendes Wesen und die Gesamtheit der übrigen Natur seien trennbar – menschliche Kultur also nicht nur Facette einer Gesamtnatur – ließen sich verschiedene Formen der landschaftsbezogenen Interaktion zwischen dem Menschen und seiner Umwelt beschreiben. Wir tun es heute in der Regel dann, wenn wir von Umwelt- und Naturschutz sprechen oder „menschliche Wirkungen auf die Natur“ beschreiben. Prinzipiell kann für die Nacheiszeit jedoch nicht von einem Wirken des Menschen in einem unbeeinflussten Naturraum ausgegangen werden. Anthropogene Einflüsse prägen spätestens seit der Jungsteinzeit die Landschaften Mitteleuropas, es ist seit dieser Zeit sogar von einer aktiven und bewussten Beeinflussung der Lebensgrundlagen auszugehen. Folglich muss man von einer wechselseitigen Abhängigkeit (Interdependenz) sprechen: der prähistorische wie auch der rezente Mensch passt nicht allein sich seiner Umgebung an, sondern gleichzeitig diese auch seinen Bedürfnissen. Bis in das 19. Jahrhundert ist die Komplexität dieser Wechselwirkungen einigermaßen überschaubar; doch mit der Industrialisierung lassen sich Ursachen und Wirkungen vielfach nicht mehr vernünftig trennen: Während im Mittelalter die Beeinflussung eines Waldgebietes durch Bergbau- und Hüttenbetriebe recht gut nachvollzogen werden kann, sind die Wirkungen des heutigen globalen Rohstoffhandels auf den Baumbestand eines Forstes zwar noch zu erkennen, die eigentlichen Ursachen aber nur schwer zu rekonstruieren.

Einwirkung des Menschen

Wechselwirkungen

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