Personalentwicklung durch Mentoring. Wie

2.1.1 Annäherung an den Lernbegriff. ..... lernen, bei dem der Lernende auf ein Signal hin eine Reaktion zeigt, bis hin zum. Problemlösen, bei ... So betont Siebert ein reflexives Lernverständnis der Päda- gogik zur ... Die Stimuli bilden damit.
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Katharina Wewer

Personalentwicklung durch Mentoring Wie Unternehmen und Organisationen das Lernen der Akteure besser verstehen und für sich nutzen können

Diplomica Verlag

Katharina Wewer Personalentwicklung durch Mentoring Wie Unternehmen und Organisationen das Lernen der Akteure besser verstehen und für sich nutzen können ISBN: 978-3-8366-2737-5 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2009

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Inhaltsverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis…………………………………………………………...................................V 1 Einleitung .......................................................................................................... 1 1.1 Ausgangssituation und Problemstellung ....................................................... 1 1.2 Zielsetzung dieses Buches............................................................................. 2 1.3 Thematischer Aufbau und formale Hinweise ............................................... 3

2 Grundlagen des Lernens Erwachsener .......................................................... 5 2.1 Zum allgemeinen Lernverständnis................................................................ 5 2.1.1 Annäherung an den Lernbegriff ............................................................. 5 2.1.2 Klassische Lerntheorien der Psychologie .............................................. 7 2.1.2.1 Behaviorismus................................................................................. 8 2.1.2.2 Kognitivismus ................................................................................. 9 2.1.2.2.1 Lernen am Modell ..................................................................... 9 2.1.2.2.2 Teilprozesse und Ergebnisse des Modelllernens..................... 10 2.1.2.3 Konstruktivismus .......................................................................... 11 2.2 Zum Lernverständnis Erwachsener............................................................. 13 2.2.1 Der Erwachsene: Definition und (Lern-) Vorurteile............................ 13 2.2.2 Übergreifende Merkmale des erwachsenen Lerners ............................ 15 2.2.2.1 Lernen im Lebenslauf ................................................................... 17 2.2.2.1.1 Erfahrungsbegriff .................................................................... 18 2.2.2.1.2 Deutungslernen ....................................................................... 19 2.2.2.2 Selbstständiges Lernen als selbstgesteuertes Lernen .................... 22 2.2.2.3 Situiertes und informelles Lernen ................................................. 24 2.2.3 Didaktische Implikationen ................................................................... 27 2.3 Zusammenfassung....................................................................................... 30

3 Grundlagen der betrieblichen Personal- und Führungskräfteentwicklung................................................. 33 3.1 Einordnung der Personal- und Führungskräfteentwicklung ....................... 33 3.1.1 Definitionen zur Personalentwicklung................................................. 34 3.1.2 Weiterbildung....................................................................................... 37 3.1.3 Führungsbildung .................................................................................. 39 3.1.3.1 Führung verorten........................................................................... 40 3.1.3.2 Anforderungen an Führungskräfte ................................................ 41 3.2 Zu dem zentralen Gegenstand: Die Entwicklung von Handlungskompetenz………………………………………... 43 3.2.1 Kompetenzverständnis ......................................................................... 43 3.2.1.1. Abgrenzung zur Qualifikation...................................................... 45 3.2.1.2 Abgrenzung zur Schlüsselqualifikation..……………………...........45 3.2.2 Handlungskompetenz........................................................................... 46 3.2.2.1 Elemente der Kompetenz zur Handlung ....................................... 47 3.2.2.2 Pädagogisches Handlungskompetenzmodell ................................ 49 3.2.3 Kompetenzentwicklung im Unternehmen............................................ 51 3.3 Zusammenfassung....................................................................................... 54

4 Förderung von Nachwuchsführungskräften durch Mentoring................. 56 4.1 Mentoring – Eine Begriffsbestimmung....................................................... 56 4.1.1 Definitionen zum Mentoring................................................................ 58 4.1.2 Historischer Ursprung und Einzug in die Unternehmen des 20. Jahrhunderts……………………...60 4.1.3 Funktionen ........................................................................................... 63 4.1.4 Ziele ..................................................................................................... 64 4.1.5 Inhalte................................................................................................... 65 4.1.6 Methoden ............................................................................................. 67 4.1.7 Vergleiche und Abgrenzungen zu ähnlichen Lernformen ................... 68 4.1.7.1 Coaching ....................................................................................... 69 4.1.7.2 Traineeprogramme, Patenschaften und Networking..................... 72 4.2 Interaktionsebene des Mentorings............................................................... 74 4.2.1 Der Mentor: Rolle und Anforderungen................................................ 74 4.2.2 Der Mentee: Rolle und Anforderungen................................................ 76

4.2.3 Die SAGE-Formel................................................................................ 77 4.2.4 Phasen des Mentorings......................................................................... 79 4.3 Umsetzung in den Unternehmen................................................................. 82 4.3.1 Formen des Mentorings ....................................................................... 82 4.3.1.1 Informelles und formelles Mentoring ........................................... 83 4.3.1.2 Externes und internes Mentoring .................................................. 85 4.3.2 Dimensionen der Förderung................................................................. 86 4.3.3 Rahmenbedingungen............................................................................ 88 4.4 Zusammenfassung....................................................................................... 89

5 Potentialeinstufung des Mentorings ............................................................. 91 5.1 Analyse der Lernsituation ........................................................................... 92 5.2 Analyse der Lernformen und -prozesse ...................................................... 95 5.3 Ausgewählte Wirkungen auf die Akteure ................................................... 99 5.4 Interaktionsbedingungen als kritische Anmerkungen............................... 102 5.5 Schlussfolgerungen für die Praxis von Personalentwicklern und Prozessbegleitern...............................................106 5.6 Zusammenfassung..................................................................................... 110

6 Fazit ............................................................................................................... 112

Literaturverzeichnis………………………………………………………………………………….115 Anhang.......................................................................................................................................................132

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Teilprozesse des Beobachtungslernens……………………………………...10 Abbildung 2: Erwachsenenlernen als Deutungsarbeit..........................................................20 Abbildung 3: Inhalte der Personalentwicklung………………………………………………36 Abbildung 4: Elemente der Kompetenz zur Handlung………………………………........47 Abbildung 5: Handlungskompetenzmodell……………………………………………………50 Abbildung 6: Beiträge zum Mentoring im Social Citation Index nach Fachdisziplinen………………………………………………………………………57 Abbildung 7: Rollenvarianten der Lernvermittlung……………………………..................70 Abbildung 8: Phasen des Mentorings nach Kathy E. Kram (1983)……………...........79 Abbildung 9: Formen des Mentorings…………………………………………..........................82 Abbildung 10: Theoretisches Modell der Funktion von Erfahrungswissensbeständen für Mentoring-Prozesse…………………………….....98

1 Einleitung 1.1 Ausgangssituation und Problemstellung Mentoring ist ein zunehmend beliebtes Personalentwicklungsinstrument in deutschen Unternehmen. Dies wird durch den stetig steigenden Einsatz und der anwachsenden wissenschaftlichen Beschäftigung belegt (vgl. Punkt 4.3.2). Daneben weist die Existenz zahlreicher Ratgeber- und Managementliteratur auf ein anhaltendes Interesse an diesem Phänomen hin. Durch Mentoring sollen Fach- und Führungskräfte in ihrer fachlichen, vor allem aber in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden. Die Förderung von Nachwuchsführungskräften stellt heutzutage eine zentrale Aufgabe der Unternehmen dar, weil sie im so genannten „war of talents“ (Koreman 2005, 45) einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bietet. Mentoring wird daher als „zukunftsweisendes Praxisberatungsmodell“ (RoteringSteinberg 2007, 40) beschrieben, das als hoch interessant eingestuft wird (vgl. ebd., 40). Allerdings stehen noch eingehende Untersuchungen zu diesem Instrument aus. Schließlich ist bislang gar nicht oder nur unzureichend geklärt, wie die Beteiligten ihre Lernsituation innerhalb dieser Entwicklungsmaßnahme gestalten bzw. welche Möglichkeiten ihnen dazu offen stehen. Es ist unklar, wie sie ihre (berufs-) biographischen Erfahrungsbestände einsetzen bzw. welche Rolle diesen Erfahrungsbeständen zukommt. Außerdem muss untersucht werden, welche Lernprozesse bei den Beteiligten tatsächlich stattfinden (vgl. Schell-Kiehl 2007, 14). Eine umfassende Analyse der (Lern-) Faktoren, die eine effektive Förderung durch Mentoring begünstigen, muss grundsätzlich daher noch stattfinden (Fellenberg 2007, 424). Es kann festgestellt werden, dass Mentoring-Programme in ihren Formen zwar insgesamt immer vielfältiger und wandlungsfähiger werden, es ist „jedoch immer noch wenig über die Dynamik dieser Organisationsform selbst bekannt (…)“ (Peters 2006, 8). Dazu stellt Dehnbostel (2007) stellvertretend für zahlreiche Arbeitszusammenhänge fest, dass die Anzahl an Lernmöglichkeiten zunimmt, es aber zu prüfen bleibt, inwiefern diese Angebote wirksam und nachhaltig sind (vgl. Dehnbostel 2007, 67). Um eine effektive Förderung durch Mentoring in Unternehmen zu gewährleisten, ist es daher erforderlich, dass das zentrale Thema „Lernen“ eine stärkere Berück1

sichtigung findet. Es muss bei den Prozessverantwortlichen der Unternehmen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wie Lernprozesse Erwachsener überhaupt ablaufen und wie diese durch Mentoring gefördert werden können.

1.2 Zielsetzung dieses Buches Ausgehend von diesen Überlegungen stellt das vorliegende Werk einen Zusammenhang zwischen den Lernprozessen Erwachsener und Mentoring als ein Instrument der Personal- und Führungskräfteentwicklung her. Die Untersuchung versucht zu klären, welche Lernprozesse durch das Mentoring gefördert werden und wie nachhaltig diese sind. Konkret lässt sich daraus folgende Hauptfragestellung ableiten: Inwieweit wird Mentoring den Anforderungen an erwachsenenpädagogische Lernprozesse gerecht und kann auf diese Art und Weise erfolgreich zur Förderung von Nachwuchsführungskräften eingesetzt werden? So kann gefragt werden: Welche lernförderlichen Prozesse werden durch Mentoring auf den Weg gebracht? Ist es als Instrument zur Nachwuchsförderung innerhalb eines Unternehmens geeignet und welche Bedingungen sind damit verbunden?

Um diese Hauptfrage beantworten zu können, sind folgende Einzelfragen zu stellen: • Welche Bedingungen sind beim Lernen Erwachsener zu berücksichtigen? • Welche Anforderungen werden an Nachwuchsführungskräfte gestellt? • Wie ist Mentoring als Förderinstrument angelegt? • Welche Lernprozesse werden durch Mentoring angeregt? Wie lernt die Nachwuchsführungskraft (Mentee) von der Führungskraft (Mentor)? • Was bedeutet das Lernen innerhalb des Mentorings für die Arbeit von Personalentwicklern und Prozessbegleitern? Welche Möglichkeiten bieten sich zur erfolgreichen Gestaltung und Begleitung dieses Prozesses?

Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen erfolgt anhand einer theoriegeleiteten Untersuchung. Dazu werden einschlägige aktuelle Studien und Werke herangezogen. Die intensive theoretische Auseinandersetzung mit Mentoring-Prozessen

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soll insgesamt das Bewusstsein für erwachsenenpädagogische Aspekte innerhalb dieser Personalentwicklungsmaßname schärfen. Dadurch sollen die Chancen, aber auch die Gefahren des Mentorings als Entwicklungsinstrument aufgezeigt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen eine Basis für die Implementierung von Mentoring in Unternehmen bieten.

1.3 Thematischer Aufbau und formale Hinweise Nachdem in Kapitel 1 die Ausgangssituation und die Problemstellung skizziert und daraus die Zielsetzung dieser Untersuchung abgeleitet wurde, werden in Kapitel 2 die Grundlagen des Lernens Erwachsener behandelt. Dabei wird zunächst beleuchtet, wie das Lernen nach den klassischen psychologischen Lerntheorien im Allgemeinen verläuft. Anschließend wird ein Bezug zum Lernen Erwachsener hergestellt. Dabei werden Lernformen vertieft, die den Bedürfnissen des erwachsenen Lerners im besonderen Maß entsprechen. Daraus werden didaktische Implikationen an die Lernprozesse Erwachsener abgeleitet. In Kapitel 3 werden die Grundlagen der betrieblichen Personal- und Führungskräfteentwicklung behandelt. Das Lernen Erwachsener wird auf diese Art und Weise in einen Kontext eingebunden. Auf der Grundlage des herausgearbeiteten Verständnisses von Personalentwicklung wird im Speziellen die Entwicklung von Führungskräften betrachtet, die wiederum besondere Anforderungen mit sich bringt. Die vorliegende Untersuchung betrachtet explizit die Anforderungen an Führungskräfte, weil anhand dieser Anforderungsanalyse die Entwicklung einer umfassenden Handlungskompetenz herausgestellt wird.1 Anschließend wird aufgezeigt, wie die Entwicklung von Handlungskompetenz im Unternehmen gestaltet werden kann. Als eine mögliche Maßnahme zur Entwicklung von Handlungskompetenz wird Mentoring in Kapitel 4 vorgestellt. Nach einer umfassenden begrifflichen und inhaltlichen Bestimmung von Mentoring wird die Interaktionsebene zwischen Mentor und Mentee als charakteristisches Merkmal dieser Maßnahme herausgestellt. Anschließend wird die Umsetzung und Ausgestaltung in den Unternehmen be-

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Es wird darauf hingewiesen, dass Mentoring in zahlreichen weiteren Förderbeziehungen im Prozess der Arbeit und darüber hinaus zum Einsatz kommt.

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trachtet, wobei Formen des Mentorings und die Verbreitung in deutschen Unternehmen beleuchtet werden. In Kapitel 5 wird das Potential des Mentorings mithilfe der vorangegangenen Ausführungen erfasst. Dazu wird auf der Grundlage der in Kapitel 4 vorgenommenen Darstellung von Mentoring eine Mentoring-Situation im Abgleich mit einer kompetenzförderlichen Lernsituation betrachtet. Daraus werden mögliche Lernprozesse abgeleitet. Ausgewählte Wirkungen auf die Akteure sollen das grundsätzliche Potential des Mentorings belegen. Für eine abschließende Potentialeinstufung wird auf unterschiedliche Lernbedingungen aufmerksam gemacht, die auch auf die Gefahren des Mentoring-Prozesses hinweisen. Daraus werden Schlussfolgerungen für die Praxis von Personalentwicklern und Prozessbegleitern gezogen. Das Fazit in Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der aufgeworfenen Fragen zusammen und zieht ein abschließendes Resümee.

Die Inhalte des vorliegenden Werkes beziehen sich in gleichem Maße sowohl auf Frauen als auch auf Männer. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird jedoch die männliche Form für alle Personenbezeichnungen gewählt. Die weibliche Form wird dabei stets mitgedacht. Eine Ausnahme bilden die Inhalte, die ausdrücklich auf Frauen bezogen werden. Der Begriff „Mentoring“ ist eine feststehende Bezeichnung aus dem angloamerikanischen Sprachgebrauch. Der Genetiv wird nach einer Empfehlung des Dudens in der vorliegenden Untersuchung mit einem „s“ gebildet (vgl. Dudenredaktion 2007, 329). Daneben verwenden deutsche Veröffentlichungen zu diesem Thema auch die Form ohne Genetiv-s, die ebenfalls möglich ist.

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„Ich lerne vom Leben. Ich lerne solange ich lebe. So lerne ich heute noch.“ Otto von Bismarck (1815-1898), Gründer des Deutschen Reiches und dessen erster Kanzler

2 Grundlagen des Lernens Erwachsener Der erste Teil dieses Kapitels stellt die Grundlagen des Lernens vor, indem ein allgemeines Lernverständnis dargelegt wird und die Grundzüge der klassischen Lerntheorien der Psychologie aufgezeigt werden. Der zweite Teil behandelt ausführlich das Lernen Erwachsener. Dazu wird der Erwachsene als Lerner analysiert und aufgezeigt, welche Lernformen eine besondere Relevanz für ihn besitzen. Anschließend werden aus diesen Erkenntnissen didaktische Implikationen für das Lernen Erwachsener gezogen. Dabei wird stets ein Bezug zum Lernen im Prozess der Arbeit hergestellt, der im Hinblick auf das Thema des vorliegenden Buches eingehalten wird.

2.1 Zum allgemeinen Lernverständnis Der folgende Teil nähert sich dem Lernbegriff an und zeigt im Anschluss einen Überblick über gängige psychologische Lerntheorien auf. Diese Theorien stellen Annahmen darüber auf, wie sich menschliches Lernen vollzieht. Auf der Grundlage dieses Wissens können pädagogische Maßnahmen effektiver geplant und umgesetzt werden. Schließlich ist es „die vornehmste pädagogische Aufgabe“ (Göhlich et al. 2007, 9) die Umgebung so zu gestalten, dass sie „anregend klärend, aber auch stärkend wirkt“ (ebd., 9) und damit eine Lernunterstützung bietet. 2.1.1 Annäherung an den Lernbegriff Das Leben jedes Menschen und lernfähigen Individuums ist von Lernprozessen geprägt. Vor allem die menschliche Individualität und Anpassungsfähigkeit an die Umweltbedingungen sind auf Lernprozesse zurückzuführen (vgl. Gagné 1980, 13). Lernen bedeutet demnach im weitesten Sinn „Entwicklung“, die von natürlichen, genetisch-bedingten Reifeprozessen zu unterscheiden ist (vgl. ebd., 13). Die Entwicklung durch Lernen beinhaltet vielmehr „alle relativ dauerhaften Verände-

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rungen im Verhaltenspotenzial, die aus Erfahrung resultieren (…)“ (Lefrançois 2006, 6), so eine allgemeine Definition der Psychologie. Auf diese Art und Weise wird durch Lernen die Bildung einer menschlichen Kultur vorangetrieben und die eigentliche „Menschwerdung“ (Göhlich et al. 2007, 7) unterstützt.2 Die internen Vorgänge des Lernens sind dabei für Außenstehende nicht unmittelbar einsehbar (vgl. Siebert 2001, 195). Der Lernbegriff impliziert stets ein aktives Tätigsein des Lerners 3, was über Tätigkeitsworte, wie aneignen, erfassen, begreifen und erwerben, deutlich wird (vgl. Nuissl 2006, 220). Aus der Lernaktivität gehen in der Regel Lernergebnisse hervor, die zum Teil durch vorher zugewiesene Lernziele gesteuert werden. Gagné (1980) zeigt anhand von fünf Klassen unterschiedliche Lernergebnisse auf, die hier beispielhaft genannt werden: intellektuelle Fähigkeiten, kognitive Strategien, verbale Information, motorische Fähigkeiten und Einstellungen (vgl. Gagné 1980, 37ff.). Diese Ergebnisse führt Gagné auf acht Lernstufen zurück, die sich an unterschiedlichen Komplexitätsgraden orientieren. Die Stufen reichen vom Signallernen, bei dem der Lernende auf ein Signal hin eine Reaktion zeigt, bis hin zum Problemlösen, bei dem der Lernende durch die Kombination von Regeln Leistungen höherer Ordnung vollbringt (vgl. ebd., 78ff.). Mit Hilfe der psychologischen Lerntheorien wird versucht, diese Stufen als Lernvorgänge zu erklären. Der Erfolg des Lernens ist dabei von bestimmten Lernbedingungen abhängig. Zum einen nennt Schüßler (2007) in diesem Zusammenhang die personale Dimension. Darunter sind Persönlichkeitseigenschaften sowie Fähigkeiten und Motivationen einer Person bezüglich ihres Lernverhaltens zu verstehen (vgl. Schüßler 2007, 119). Weiterhin ist die situative Dimension, wie „das soziokulturelle Millieu, Lernsettings, Arbeitsplatzbedingungen, familiäre oder berufliche Situation“ (ebd., 119), zu berücksichtigen. Als dritte Dimension tritt die didaktische Dimension hinzu, die Lernprinzipien, didaktische und methodische Verfahren, Interaktionsund Kommunikationsstrukturen und die pädagogische Professionalität des Lehrenden in den Blick nimmt (vgl. ebd., 119). Lernen umfasst demnach Tätigkeiten,

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Für weiterführende Informationen zur historischen Begründung und pädagogischen Tradition des Lernbegriffs vgl. beispielsweise Göhlich et al. 2007, 13ff. 3 In der Regel werden menschliche Individuen mit Lernprozessen in Verbindung gebracht, so wie es die vorliegende Untersuchung ebenfalls vorsieht. Dennoch sollte die Tatsache nicht vernachlässigt werden, dass auch Organisationen und die darin bestehenden Gruppen lernfähig sind und Gegen-stand von Lernprozessen sein können (vgl. dazu ausführlicher Argyris/ Schön 2006).

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die in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren über verschiedene Stufen zu einem Ergebnis führen. Daher ist Lernen stets in einen Prozess eingebunden (vgl. Nuissl 2006, 220). Aus der Abhängigkeit von den Umweltbedingungen können weiterhin verschiedene Arten des Lernens ausgemacht werden, die unterschiedliche Lernsituationen aufzeigen. Die Lernarten stehen sich oftmals als Gegensatzpaare gegenüber, wie zum Beispiel erfahrungsbezogenes versus wissenschaftsbezogenes, selbstgesteuertes versus fremdgesteuertes oder informelles versus institutionelles Lernen (vgl. Faulstich/ Zeuner 2006, 28). Im Zuge des wirtschaftlichen und demografischen Wandels wird besonders das Konzept des „Lebenslangen Lernens“ betont. Dieses Lernkonzept begreift Lernen als „individuelles und biografisches Kontinuum“ (Nuissl 2006, 217). Lernen findet hier außerhalb theoretisch-empirischer Zusammenhänge statt und kann als permanente Neugier und Aufgeschlossenheit des Menschen gegenüber Neuem verstanden werden (vgl. Siebert 2001, 197).

Wie die verschiedenen Elemente und Phänomene des Lernens begründet sind und was unter dem Lernbegriff genau zu fassen ist, wird innerhalb der Humanwissenschaften unterschiedlich ausgelegt (vgl. Siebert 2001, 194; vgl. Nuissl 2006, 219). Die Pädagogik begreift Lernen vor allem in Rückbezug auf den jeweiligen Lerner und seine Lebenswelt. So betont Siebert ein reflexives Lernverständnis der Pädagogik zur Bewusstwerdung und Bildung des eigenen Selbst (vgl. Siebert 1985, 60). Die Steuerbarkeit von Lernprozessen bzw. die aktiven Gestaltungsmöglichkeiten von Lernumgebungen sind weitere Grundannahmen des pädagogischen Lernverständnisses (vgl. Göhlich et al. 2007, 7). Für den weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird die psychologische Sichtweise des Lernens eingenommen, indem die zentralen Aspekte der klassischen psychologischen Lerntheorien beleuchtet werden. Das Erkenntnisinteresse besteht darin, die Mechanismen und Strukturen von Lernprozessen zu erforschen. Diese Erkenntnisse bilden wiederum die Grundlage für die Theoriebildung innerhalb der Pädagogik. 2.1.2 Klassische Lerntheorien der Psychologie Wie deutlich wurde, beschreibt Lernen sehr komplexe Prozesse. Lerntheorien können als systematische Versuche verstanden werden, diese Prozesse zu erklären 7

und vorherzusagen (vgl. Lefrançois 2006, 24). Dabei stehen jeweils unterschiedliche Aspekte im Mittelpunkt der Betrachtung. Nach den historischen Hauptströmungen in der Lernforschung können drei wesentliche Theoriegruppen unterschieden werden: Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus. Diese Annahmen zum Lernen sind für Menschen jeder Altersklasse relevant (vgl. Krämer 2007, 49; vgl. Steiner 2006, 157) und werden im Folgenden skizziert. Aufgrund der zeitlichen Aufeinanderfolge greifen die Theorien ineinander über und überschneiden sich zum Teil. Eine endgültige, wissenschaftliche Klärung der genauen Funktionsweise des Lernens steht allerdings bis heute aus (vgl. Schwarzer/ Buchwald 2007, 217). 2.1.2.1 Behaviorismus Die Theorien des Behaviorismus beschäftigten sich mit den objektivbeobachtbaren Aspekten des menschlichen Verhaltens und deren Bedingungen. Die Grundannahme lautet, dass jedes Verhalten durch äußere Reize (Stimuli) ausgelöst und kontrolliert wird (vgl. Lefrançois 2006, 41). Die Stimuli bilden damit die vorausgehenden Bedingungen für eine Reaktion, die sich im menschlichen Verhalten äußert. Die Art und Weise der Reaktion wird über nachfolgende Konsequenzen gesteuert, die einer Belohnung, Bestrafung oder einer neutralen Auswirkung auf das gezeigte Verhalten entsprechen können. Je nachdem, wie die Konsequenz auf das gezeigte Verhalten ausfällt, wird das Verhalten wiederholt. Dieses zusammenhängende Schema wird als Reiz-Reaktionsschema bezeichnet (vgl. ebd., 41f.). Die menschlichen Verarbeitungsprozesse bleiben in diesen Theorien weitestgehend unberücksichtigt (vgl. Steiner 2006, 140). Unter Lernen kann nach diesen Annahmen jede dauerhafte Änderung des Verhaltens bezeichnet werden, die durch äußere Stimuli hervorgerufen wird. Dabei spielen vor allem Anreizsysteme eine wichtige Rolle (vgl. Faulstich/ Zeuner 2006, 26). Der Behaviorismus war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die dominierende Lerntheorie. Allerdings berücksichtigt diese Theorie nicht hinreichend menschliche Kognitionsprozesse, wie zum Beispiel menschliches Bewusstsein und Bedeutsamkeit, und konnte damit auch kein kreatives Handeln erklären (vgl. Göhlich et al. 2007, 10). Sie übertrug in großen Teilen die Versuchsergebnisse von Tieren auf Menschen und wurde daher zunehmend in Frage gestellt (vgl. Lefrançois

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