MITTELSTAND aktuell - BVMW

cher wird nicht per se für Leiharbeit „gesperrt“, sodass der fle- xible Personaleinsatz insgesamt kaum spürbar gehemmt wird. Ein zweites wesentliches Anliegen ...
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MITTELSTAND aktuell Alles was Recht ist

MEHR RECHTSSICHERHEIT BEI LEIHARBEIT Rente mit 63, Mindestlohn, Tarifeinheit – Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles löst ein Reformversprechen nach dem anderen ein. Das nächste Projekt: Die Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen. Nahles legte im November 2015 den entsprechenden Referentenentwurf ihres Ministeriums vor. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2017 in Kraft treten. Im Mittelpunkt des Entwurfs steht die Idee, „Leiharbeit auf ihre ursprüngliche Funktion zurückzuführen“: Auftragsspitzen und kurzfristiger Personalbedarf sollen gedeckt werden. Darum soll in Zukunft eine gesetzliche Höchstdauer von 18 Monaten gelten; tarifvertragliche Abweichungen bleiben möglich. Vor ihrer Abschaffung Ende 2003 lag die Grenze bei 24 Monaten. Die Wiedereinführung einer Definition der „vorübergehenden Überlassung“ schafft Rechtsklarheit und ist zu begrüßen, auch weil sie den Streit beendet, ob sich der Begriff „vorübergehend“ auf den Arbeitnehmer oder den Arbeitsplatz bezieht. Anzuknüpfen ist nach dem Entwurf allein an die Person des Leiharbeiters. Dieser kann erst nach einer Karenzzeit von sechs Monaten nochmals im selben Unternehmen eingesetzt werden. Der Arbeitsplatz als solcher wird nicht per se für Leiharbeit „gesperrt“, sodass der flexible Personaleinsatz insgesamt kaum spürbar gehemmt wird. Ein zweites wesentliches Anliegen ist die Unterbindung von Vertragskonstruktionen, die zwar als Werk- oder Dienstvertrag bezeichnet sind, tatsächlich aber als Arbeitsverträge durchgeführt werden. Bislang ist es möglich, vorsorglich eine Verleiherlaubnis zu beantragen, um bei Aufdeckung des Scheingeschäfts entsprechende Sanktionen, insbesondere Geldbußen, zu vermeiden. Künftig soll diese verdeckte Überlassung von den Rechtsfolgen her der illegalen Überlassung gleichgestellt werden. Jede Umgehung kann damit geahndet werden; zivilrechtlich soll automatisch ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher entstehen, sofern der Leiharbeiter nicht widerspricht. Der Schutz des Leiharbeiters steht auch bei der Einführung des Equal Pay nach neun Monaten im Fokus. Tarifvertraglich kann bei Gewährung stufenweise ansteigender Zuschläge eine Streckung auf zwölf Monate vorgesehen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass Leiharbeiter nur selten länger als neun Monate beschäftigt werden, dürfte aber auch diese Regelung eher symbolischer Natur sein.

Deutlich über das Ziel hinaus geschossen ist der Entwurf im Hinblick auf das geplante absolute Beschäftigungsverbot im Streikfall. Die Vorschrift ist nur für Neueinstellungen gerechtfertigt, bei denen es um den gezielten Einsatz als Streikbrecher geht; im Übrigen verstößt sie gegen die (negative) Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Die einzig bedeutsame Änderung im Mitbestimmungsrecht betrifft die konsequente Berücksichtigung von Leiharbeitern bei der Ermittlung der Schwellenwerte im Einsatzbetrieb/-unternehmen. Sonstige Anpassungen erschöpfen sich in der Kodifizierung geltenden Rechts. Letzteres soll auch im Hinblick auf den neuen Paragraphen 611a BGB der Fall sein. Bei der vermeintlichen Fixierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Abgrenzung von Werk-, Dienst- und Arbeitsverträgen handelt es sich jedoch letztlich um eine nur bedingt bessere Version des früheren Paragraphen 7 Abs. 4 SGB IV. Dieser wurde 2002 ersatzlos gestrichen, weil er nicht den gewünschten Effekt der Rechtssicherheit nach sich zog. Nichts anderes ist von seinem Nachfolger zu erwarten. Die Praxis braucht eine klare Leitlinie; dies ist nur durch Einführung eines abschließenden, in Haupt- und Indizkriterien unterteilten Katalogs zu erreichen. Insgesamt besteht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf, gerade was den neuen Paragraphen 611a BGB betrifft. Dort ist die Frage der konkreten Ausformung aber im Ergebnis weniger eine juristische als eine politische. Es bedarf einer differenzierten Regelung; ein zu enges gesetzliches Korsett erstickt Unternehmergeist und Gründerkultur. Thomas Hey, Düsseldorf Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner bei Clifford Chance www.cliffordchance.com Stephanie Claßmann, Düsseldorf Mag. iur. (Universität Düsseldorf), Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Clifford Chance www.cliffordchance.com

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