Mit Ausdauer zur erfolgreichen Renaturierung: Die Geschichte ... - BKW

ger Start in die Renaturierungstätigkeit dieses Fonds. Erfreulicherweise stiess das. Angebot bei den Verantwortlichen der Landumlegung auf offene Ohren.
94KB Größe 42 Downloads 239 Ansichten
Es gilt das gesprochene Wort

Mit Ausdauer zur erfolgreichen Renaturierung: Die Geschichte der Gewässerlandschaft Gauchert

Referat von Peter Hässig, Präsident BKW-Ökofonds, anlässlich der Einweihung der Gewässerlandschaft «Gauchert» vom 3. Juli 2012 Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich, Sie heute als Präsident des BKW-Ökofonds zur Einweihung der neugeschaffenen Gewässerlandschaft Gauchert begrüssen zu dürfen. Wenn ich auf die langwierige Entwicklung dieses grossen Renaturierungsprojekts zurückblicke, kommt mir unweigerlich ein Spruch von Mark Twain in den Sinn: «Sie wussten nicht, dass es unmöglich war, deshalb haben sie es getan». Diese pointierte Aussage wird beim Durchblättern meiner Projektordner zweifelsfrei bestätigt. Das erste Dokument, eine E-Mail von Jürg von Orelli mit dem Hinweis auf die ökologischen Chancen der bevorstehenden Landumlegung Detligen – Jucher – Ostermanigen in der Gemeinde Radelfingen, datiert vom 16. November 2000. Nur zehn Tage vorher war dem Wasserkraftwerk Aarberg das Ökostromzertifikat naturemade star in einer gediegenen Feier in Zürich übergeben worden. Der junge BKW-Ökofonds packte die Chance und schrieb am 13. Dezember 2000 einen Brief mit einem konkreten Kooperationsangebot an die Gemeinde Radelfingen und die Landumlegungsgenossenschaft:

«Durch die Zertifizierung der Stromproduktion des Wasserkraftwerks Aarberg nach dem Ökostromlabel naturemade star hat sich die BKW verpflichtet, einen Rappen pro verkaufte Kilowattstunde Ökostrom in Projekte zur ökologischen Aufwertung der Aare zu investieren. Falls unsere Kunden positiv auf dieses neue Ökostromprodukt reagieren und die gesamte Produktion des Wasserkraftwerks zu einem höheren Ökotarif verkauft werden kann, kommt pro Jahr der stolze Betrag von CHF 850‘000.00 für die Realisierung von Projekten zugunsten der Natur zusammen. Daraus ist ersichtlich, dass auch grosse Vorhaben eingeplant werden können. Solche Vorhaben sind aber wegen des erforderlichen Landbedarfs nur in Zusammenarbeit mit den Anstössergemeinden machbar. Die laufende Landumlegung der Gemeinde Radelfingen im Gebiet Detligen – Jucher – Ostermanigen bietet Gelegenheit, die Interessen der BKW mit denjenigen anderer Partner zusammenzulegen und ein grösseres Projekt zur ökologischen Aufwertung in Angriff zu nehmen».

2

Wenn man berücksichtigt, dass der Ökostromverkauf zu diesem Zeitpunkt erst ganz am Anfang stand und die Kasse des BKW-Ökofonds noch leer war, war dies ein mutiger Start in die Renaturierungstätigkeit dieses Fonds. Erfreulicherweise stiess das Angebot bei den Verantwortlichen der Landumlegung auf offene Ohren. Trotzdem mussten wir in der Folge lernen, dass guter Wille und (später) auch finanzielle Mittel zum Gelingen eines grossen Renaturierungsprojekts nicht genügen, sondern dass auch viel Geduld und Ausdauer erforderlich sind. Über elf Jahre Vorbereitungszeit sind vergangen, bevor wir Sie heute zum Festakt der Einweihung einladen konnten.

Es ist klar festzuhalten, dass die ökologische Aufwertung der Sankt-Vrene-Matten nur dank der grossräumigen Landumlegung Detligen – Jucher – Ostermanigen möglich wurde. Die BKW war als betroffene Grundeigentümerin in dieses Landumlegungsverfahren direkt eingebunden. Dies erlaubte eine intensive Mitarbeit bei der Ausarbeitung des ökologischen Konzepts im Landumlegungsperimeter. Dabei war von allen Beteiligten immer wieder Kompromissbereitschaft gefordert. Bis der BKW-Ökofonds aber mit der konkreten Projektierung der einzelnen Aufwertungsideen starten konnte, waren die zeitraubenden Abläufe einer Landumlegung einzuhalten, wie Bodenkartierung / Bonitierung / Wunschtage / Zuteilungsentwürfe / Mitwirkung / Differenzbereinigungsverfahren und so weiter. Schliesslich lag im Oktober 2005 ein bereinigter Neuzuteilungsentwurf vor. Leider konnten sich nicht alle Landeigentümer damit einverstanden erklären, so dass Einsprachen den definitiven Landantritt bis zum 15. November 2007 verzögerten. Das endgültige Ergebnis erfüllt die Zielsetzungen des BKW-Ökofonds. Ihm wurden schliesslich über 5 Hektaren Landfläche im Gebiet der Sankt-Vrene-Matten für die ökologische Aufwertung zugeteilt. Deren Renaturierung wird in den «Allgemeinverbindlichen Bestimmungen» der Landumlegung verbindlich gesichert.

Das Aufwertungskonzept für die Sankt-Vrene-Matten sieht vier Teilprojekte vor: den Biberpass beim Wasserkraftwerk Niederried-Radelfingen, die Aufwertung des Gauchertbächlis entlang des östlichen Waldhangs, umfangreiche Kiesschüttungen in der Aare zur Aufwertung der Flusssohle und das «Filetstück», die Gewässerlandschaft Gauchert. Am Rand einer intensiv genutzten Landwirtschaftszone wurden vielseitige Naturlandschaften geschaffen. Diese sollen sowohl den Bedürfnissen einer Vielzahl von Wasserlebewesen gerecht werden, aber auch Spezialisten der selten gewordenen, extensiv bewirtschafteten Feucht- und Trockenwiesen Lebensraum bieten. Daniel Bernet wird in seinem Referat vertieft auf die ökologischen Zielsetzungen eingehen.

3

Last but not least, soll auch die Bevölkerung von diesem attraktiven Wandergebiet profitieren.

Im Jahre 2008 wurde das neue Flurwegnetz in den Sankt-Vrene-Matten erstellt, so dass anfangs 2009 die Voraussetzungen für die konkrete Projektierung der Gewässerlandschaft Gauchert erfüllt waren. In einem ersten Schritt wurde ein spezialisiertes Ingenieurbüro mit der Ausführung von hydraulischen Modellrechnungen zur Gestaltung des geplanten Seitenarms der Aare beauftragt. Damit wurde erreicht, dass die Funktionstüchtigkeit des Seitenarms bei allen Wasserführungen der Aare sichergestellt ist und keine Gefahr einer Verlandung besteht. Festgelegt wurden dabei Breite und Tiefe des Gerinnes sowie die optimierte Form des Inselkopfs. Um dieses Grundgerüst haben anschliessend Spezialisten die Detailgestaltung des Geländes vorgenommen. Steilufer für Biber und Eisvogel, Flachufer für kieslaichende Fische, Amphibientümpel, Feuchtund Trockenwiesen, Hecken und gestufte Übergänge zum Wald wurden in dieser Phase zu einem vielseitigen Mosaik verwoben. Dieser kreative Vorgang war ausserordentlich spannend und führte schliesslich zu einer Ausdehnung in den Hangwald. Dort konnten zusätzliche Landflächen erworben werden, so dass eine Erosion des Waldhangs durch die Aare künftig toleriert werden kann. Die sorgfältige Projektierung dauerte zwei Jahre und somit konnte im Februar 2011 das Gesuch um eine Wasserbaubewilligung eingereicht werden. Die Stellungnahmen der kantonalen Amtsstellen erforderten nur geringfügige Projektanpassungen. Entsprechend konnte das Projekt im Mai 2011 öffentlich aufgelegt werden. Dank offener Information der beiden betroffenen Gemeinden Radelfingen und Niederried gingen keine Einsprachen gegen das Projekt ein. Auch die notwendige Anpassung der Uferschutzplanung in der Gemeinde Radelfingen konnte ohne Opposition abgeschlossen werden. Entsprechend wurde am 15. Juli 2011 die Wasserbaubewilligung für die Gewässerlandschaft «Gauchert» erteilt.

Optimistischerweise hatten wir die Submission für die erforderlichen Bauarbeiten schon während des Baubewilligungsverfahrens durchgeführt. So waren wir bei Erhalt der Wasserbaubewilligung startklar und konnten im September 2011 plangemäss mit den Bauarbeiten beginnen. Dank einer günstigen Bauunternehmerofferte konnte das ursprüngliche Kostenbudget auf CHF 2,7 Mio. gesenkt werden. Diese Kosten werden grob gerechnet zur Hälfte über die kantonalen Wasserbausubventionen und zu je einem Viertel durch Beiträge des kantonalen Renaturierungsfonds und durch Eigenmittel des BKW-Ökofonds finanziert. Dank guter Vorbereitung und günstiger Witterung konnten die Bauarbeiten zügig und ohne unvorhergesehene Schwierigkeiten abgewickelt werden. So änderte sich das Bild im Gauchertspitz von Woche zu Woche. Zuerst wur-

4

den die Konturen des Seitenarms ersichtlich, dann füllte sich das Gerinne von unten her mit Wasser, die Insel wurde modelliert und das Ufergelände gestaltet. Den Höhepunkt der Bauphase bildete die Öffnung des Seitenarms mit Einleitung der fliessenden Aare am 20. April 2012. Seither lebt die Gewässerlandschaft «Gauchert». Die nachfolgenden Fertigstellungsarbeiten setzten nur noch das berühmte Tüpfchen auf’s i. Heute dürfen wir mit Stolz das grösste Renaturierungsprojekt des BKW-Ökofonds der Natur übergeben. Sie wird unsere Ingenieurarbeit in den nächsten Jahren zu einem natürlichen Juwel veredeln.