Pakt für qualitative Ernährungssicherung Methodik zu dem Bericht „Land. Wirtschaft. Nahrung" Auswirkungen auf die Reduzierung von Armut und Unterernährung ONE will erreichen, dass auf dem 2012 stattfindenden G8-‐Gipfel ein neuer „Pakt für qualitative Ernährungssicherung“ beschlossen wird. Dieser würde einen zweigleisigen Ansatz zur Reduzierung von Armut und Hunger bis zum MDG-‐Zieljahr 2015 verfolgen. Erstens bestehen innerhalb der Gruppe der IDA-‐Länder 30 gebilligte landeseigene Investitionsprogramme für Landwirtschaft und Ernährungssicherung („Country Investment Plans" -‐ CIPs)1. Bei voller Finanzierung dieser CIPs ließen sich 40 bis 50 Millionen Menschen aus der Armut befreien. Zweitens haben sich von den 30 „CIP-‐ /IDA-‐Ländern“, 18 gleichzeitig der SUN-‐Bewegung („Scaling Up Nutrition") angeschlossen. Durch erhebliche zusätzliche Investitionen in den Zugang zu qualitativ hochwertigerer Nahrung in diesen 18 Ländern2 könnte verhindert werden, dass 100 Millionen Kinder unterernährt sind und 15 Millionen Kinder unter 5 Jahren von Entwicklungsstörungen (gemessen an einer zu geringen Körpergröße für ihr Alter) betroffen sind. Chronische Mangelernährung zieht irreversible körperliche und geistige Schäden nach sich, die eine geringere Produktivität und Lebenserwartung zur Folge haben.3 Aus der Armut Mit Ernährungs-‐ Vor "Stunting" befreite Menschen maßnahmen bewahrte Kinder erreichte Kinder Global 40–50 Millionen 100 Millionen 15 Millionen Afrika 31 Millionen 80 Millionen 12 Millionen 1
Die IDA-Kriterien erfüllen jene Länder, die 2012 ein Bruttonationaleinkommen von weniger als 1175 Dollar pro Kopf aufwiesen und deshalb bei der International Development Association („IDA") der Weltbank konzessionäre Darlehen beantragen können, die nicht oder in sehr kleinen Raten zurückgezahlt werden müssen. Zudem unterstützt IDA einige Länder, darunter kleine Inselstaaten, die über der genannten Grenze liegen, jedoch nicht kreditwürdig genug sind, um sich Geld von anderen Einrichtungen der Weltbank zu leihen. 2
SUN ist eine globale Bewegung, die das Ziel hat, weltweit die Versorgung mit ausreichend nahrhaften Nahrungsmitteln zu verbessern. Ins Leben gerufen wurde sie von den Vereinten Nationen in Reaktion auf die Nahrungsmittelpreiskrise von 2007/08, um die internationale Aufmerksamkeit auf die unsichere Versorgung mit Nahrungsmitteln, Landwirtschaft und den Ernährungsstand von Kindern zu lenken. Seitdem gewann die Bewegung stark an Schwung. In den USA ist sie unter dem Namen „1000 Days“ bekannt geworden. Ihre Bemühungen mündeten u. a. in Nutrition Action Plans (NAPs), die von Ländern, die sich der Bewegung angeschlossen haben, erarbeitet wurden. Gegenwärtig gehören der SUN-Bewegung 26-Länder an, darunter viele so genannte „High-burden“-Länder. 3 Dieses Phänomen wird als „Stunting" bezeichnet. Ob es vorliegt, wird durch den Vergleich der Körpergröße von Kindern unter 5 mit den Durchschnittswerten für Kinder dieser Altersgruppe ermittelt. „Stunting" schränkt die Lernfähigkeit, die Organfunktionen und die Produktivität ein und führt häufig zum vorzeitigen Tod.
Welche Länder sind in die Programme einbezogen? IDA/CIP und SUN Äthiopien Malawi Ruanda Bangladesch Mali Sambia Benin Mosambik Senegal Burkina Nepal Sierra Leone Gambia Niger Tansania Ghana Nigeria Uganda
nur IDA/CIP Bhutan Guinea-‐Bissau Haiti Honduras Kenia Liberia
Kambodscha Kap Verde Moldawien Mongolei Tadschikistan Togo
In welchen Ländern tragen die nationalen landwirtschaftlichen Investitionsprogramme am stärksten zum Abbau der Armut bei? 1. Bangladesch (3,7 Millionen) 4. Niger (2,0 Millionen) 2. Äthiopien (3,1 Millionen) 5. Mosambik (1,8 Millionen) 3. Tansania (2,2 Millionen) In welchen Ländern würde die Zahl der Kinder mit Entwicklungsstörungen durch chronische Mangelernährung am stärksten sinken? 1. Nigeria (4,4 Millionen) 4. Tansania (1,7 Millionen) 2. Äthiopien (2,4 Millionen) 5. Uganda (0,9 Millionen) 3. Bangladesch (2,2 Millionen) Wie viel würde das Erreichen dieser Ergebnisse kosten? Die volle Finanzierung der 30 landwirtschaftlichen Investitionsprogramme in reinen IDA-‐ Ländern würde geschätzte 50–60 Milliarden Dollar kosten. Für das Erreichen der oben genannten ernährungsbezogenen Ziele müsste die Weltgemeinschaft nach Schätzungen von ONE in den 18 SUN-‐Ländern 6,9 Milliarden Dollar investieren. Diese 18 Länder sind eine Untergruppe der 30 IDA-‐Länder mit landeseigenen Investitionsprogrammen (CIPs). Wie werden die CIPs finanziert? Wir gehen davon aus, dass die Finanzierung der CIPs über eine Kombination aus Beiträgen von Geberländern, Regierungen, dem privaten Sektor und – in einigen Fällen – nichtstaatlichen Organisationen erfolgt. Die meisten geprüften CIPs haben einen zeitlichen Rahmen von fünf bis sechs Jahren. Die Finanzierungslücke – gemäß Angabe in den Programmen – beträgt für die 30 Programme etwa 50 Prozent bzw. 27 Milliarden Dollar. ONE empfiehlt, die Schließung der Finanzierungslücke bei den CIPs zu gleichen Teilen auf Geberländer und Empfängerländer zu
verteilen, wobei der private Sektor eine kleinere, aber dennoch wichtige Rolle spielt.4 Die Kosten für das Erreichen der ernährungsbezogenen Ziele belaufen sich auf insgesamt 6,9 Milliarden Dollar und sollten zu gleichen Teilen auf Geber und Empfänger aufgeteilt werden. 7 Prozent (0,5 Milliarden Dollar) der Investitionen würden in Form von Nahrungsanreicherung auf den privaten Sektor entfallen.5 Bilden diese Programme die gesamte Initiative? Nein. Länder ohne gebilligte CIPs werden ebenfalls von einer neuen Initiative zu Versorgungssicherheit und Ernährung profitieren. Durch die Bevorzugung von Ländern mit gebilligten CIPs und darüber hinaus gebilligten SUN-‐Strategien garantieren die Geber jedoch die Einhaltung des ersten Rom-‐Prinzips (Eigenverantwortung der Empfängerländer). Darüber hinaus sollten die Geber durch Capacity Building dafür sorgen, dass andere Niedrigeinkommensländer unter gesellschaftlicher Beteiligung verantwortungsvolle eigene nationale Investitionsprogramme für Landwirtschaft sowie Ernährungsinterventionen erarbeiten können. Warum muss die Eigenverantwortlichkeit Vorrang haben? Im Rahmen der auf dem G8-‐Gipfel von 2009 beschlossenen L’Aquila Food Security Initiative einigten sich alle 40 Unterzeichner auf die Einhaltung der Rom-‐Prinzipien zur weltweiten Ernährungssicherung. Das erste Prinzip zur Gewährleistung einer wirksamen Hilfe bei der Entwicklung der Landwirtschaft und der Ernährungssicherung schreibt das Investieren in ländergesteuerte Programme vor. Das Wissen um die lokalen Bedingungen und entsprechenden Lösungen sind die entscheidende Voraussetzung für das Treffen der richtigen Entscheidungen bezüglich einer intelligenten Landbewirtschaftung und der Sicherung der Nahrungsmittelversorgung. Böden, klimatische Bedingungen, Ressourcen und Kapazitäten variieren so stark, dass ein Einheitskonzept keine Lösung für die Reduzierung der Armut böte. Wann wären diese Ergebnisse sichtbar? Bei voller Finanzierung bis 2015 wären die Ergebnisse innerhalb der nächsten zehn Jahre sichtbar. Wie lange es genau dauert, die Armut spürbar zu reduzieren, variiert jedoch von Land zu Land. Das hängt davon ab, wie schnell und auf welche Art die Investitionen finanziert werden. Einige Geber lassen sich beispielsweise sehr viel Zeit zwischen der Zusage von Mitteln bis zu deren tatsächlicher Ausschüttung. Eine Kanalisierung der Mittel über das GAFSP (Global Agriculture and Food Security Program) könnte die Umsetzung erheblich beschleunigen. 4
Die vorgeschlagene Aufteilung spiegelt die erwarteten Beiträge von Gebern, Empfängern und dem privaten Sektor wider, wie sie gegebenenfalls in den CIPs aufgeführt waren. 5 Gestützt auf das im Weltbank-‐Bericht „Scaling Up Nutrition: What Will it Cost?“ aufgeführte Maßnahmenpaket von Phase 1 liegt der Anteil des privaten Sektors bei geschätzten 7 %. Mit ihm wird die Anreicherung der Nahrungsmittelprodukte mit Eisen und jodiertem Salz finanziert. ONE empfiehlt die Aufteilung des verbleibenden Restes zu gleichen Teilen.
Die Ergebnisse der ernährungsbezogenen Eingriffe sind einfacher zu messen und würden sich schneller einstellen. Wenn der überwiegende Teil der Kinder drei Jahre lang ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt wird, sinkt der Anteil der Kinder mit Entwicklungsstörungen um ein Fünftel bis ein Drittel. Erreichen die Maßnahmen des Ernährungsprogramms ein Kind erstmalig, kann es zu den 100 Millionen „erreichten Kindern“ gezählt werden. Wie lange es dauert, 100 Millionen Kinder zu erreichen, hängt davon ab, wie schnell Geber und Empfänger die Programme ausweiten.
Wie entwickelte ONE diese Ziele? Um zu ermitteln, wie viele Menschen sich aus der Armut befreien ließen, teilte ONE die geschätzten Gesamtkosten der 30 gebilligten CIPs durch den veranschlagten Geldbedarf, der benötigt wird, um einen Menschen mittels Investitionen in die Landwirtschaft aus der Armut zu befreien: 1363 Dollar. Diesen Betrag wiederum ermittelte ONE wie folgt unter Bezugnahme auf eine ökonometrische Analyse des „International Food Policy Research Institute"6: (1) Die Analyse des IFPRI berechnete für 30 Länder, in welcher Höhe öffentliche Ausgaben im landwirtschaftlichen Sektor jährlich notwendig sein würden, um das MDG 1 zu erreichen. Das Modell geht dabei vom Basisjahr 2004 aus. Zwölf dieser Länder haben nun landeseigene Investitionspläne (CIPs). ONE addierte die Investitionssummen, die zwischen 2004 bis 2015 notwendig sind, für diese zwölf Länder. (2) ONE teilte dann für jedes dieser Länder diese Gesamtkosten für das Erreichen von MDG 1a durch die Anzahl der Menschen, die 2015 nicht mehr in Armut leben werden, wenn MDG 1a realisiert wird (siehe unten). Hierdurch ergab sich pro Land ein Investitionsbetrag pro Kopf für landwirtschaftliches Wachstum. (3) ONE ermittelte dann den Durchschnittswert aus den zwölf individuellen Pro-‐Kopf-‐Beträgen. Dieser beträgt 1363 Dollar und ist somit der berechnete Wert, um eine Person durch landwirtschaftliches Wachstum aus der Armut zu befreien. ONE errechnete in jedem der Länder die Anzahl der Menschen, die bei Erreichen von MDG 1a im Jahr 2015 nicht mehr in Armut leben müssten (Punkt 2 oben) wie folgt: (1) Multiplikation der für das Jahr 2015 prognostizierten Bevölkerungszahl in den einzelnen Ländern7 mit dem Prozentsatz derer, die im betreffenden Land in Armut leben, wenn 2015 MDG 1a erreicht wird. (2) Multiplikation der für das Jahr 2015 prognostizierten Bevölkerungszahl mit dem Prozentsatz der Menschen, die 2004 in Armut lebten. (3) Ermitteln der Differenz dieser beiden. Auf der Basis des Berichts der Weltbank „Scaling Up Nutrition: What Will it Cost?“ errechnete ONE die Anzahl der Kinder, die sich mit Ernährungsinterventionen erreichen und vor Entwicklungsstörungen bewahren ließen. Der Weltbank-‐Bericht berechnet die Kosten, um alle unter 6
Fan, Shenggen, Johnson, Michael, Saurkar, Anuia und Makombe, Tsitsi. „Investing in African Agriculture to Halve Poverty by 2015“, ReSAKSS Working Paper No. 25, Washington, DC: International Food Policy Research Institute, 2009. 7 FAO-‐STAT, UN-‐Prognosen über die Entwicklung der Weltbevölkerung: Aktualisierte Version von 2010 der UN Population Division. In Fällen, in denen die Armutsrate 2004 im Index keine direkte Berücksichtigung fand, wurde die mittlere jährliche Änderung in Prozentpunkten auf der Basis bekannter Prävalenzraten von 1992 bis heute verwendet.
5-‐Jährigen in 36 besonders betroffenen Ländern zu erreichen. Insgesamt leben in diesen Ländern 356 Millionen unter 5-‐Jährige. Auf Basis der Information des Berichtes entwickelte ONE folgende Ergebniszahlen: (1) Prognose der Zahl der Kinder unter fünf Jahren, die 2015 in den 18 Ländern mit CIPs und SUN-‐Unterstützung leben werden (123 Millionen). (2) Berechnung der Zahl der Kinder, die bei einem Erfassungsgrad von 80 Prozent erreicht würden (98,7 Millionen -‐ rund 100 Millionen). Obwohl der Weltbank-‐Bericht eine
Kostenschätzung für einen Erfassungsgrad von 100 Prozent enthält, entschieden wir uns für einen Erfassungsgrad von 80 Prozent, weil uns 80 Prozent realistischer erschienen. (3) Berechnung des Anteils der 356 Millionen, die diese Zahl repräsentiert (28 Prozent). (4) Multiplikation der jährlichen Kosten für das Erreichen von 356 Millionen Kindern mit dem Phase-‐1-‐Paket der Ernährungsintervention8 (8,2 Milliarden Dollar) mit 28 Prozent der Kosten = 2,3 Milliarden Dollar. Dies stellt die jährlichen Kosten für das Erreichen von 100 Millionen Kindern mit den Ernährungsmaßnahmen von Phase 1 dar.
(5) Daher summieren sich die Kosten für das Erreichen von 100 Millionen Kindern – bzw. 80 Prozent der Kinder unter 5 Jahren in den 18 Ländern – für einen Zeitraum von drei Jahren auf 6,9 Milliarden Dollar (pro Jahr 2,3 Milliarden Dollar). (6) Die Weltbank geht in ihrem Bericht davon aus, dass die Entwicklungsstörungsraten in den einzelnen Ländern um ein Fünftel bis ein Drittel zurückgehen werden, wenn 100 Prozent der Kinder mit gezielten Ernährungsinterventionen erreicht werden. Weil der Vorschlag von
ONE auf einem Erfassungsgrad von 80 Prozent basiert, wählte ONE ein Ziel, das anteilig in etwa 80 Prozent des Rückgangs der Entwicklungsstörungsrate um ein Drittel in den 18 Ländern entspricht.
(7) Daher schätzt ONE, dass sich mit 6,9 Milliarden Dollar über drei Jahre, die 100 Millionen Kinder erreichen, fast 15 Millionen Kinder vor Entwicklungsstörungen bewahren ließen.
Statistisches Für die 18 IDA-‐/SUN-‐Länder: • Prognostizierte Zahl der Kinder unter 5 Jahren in den 18 Ländern für das Jahr 2015: 123,36 Millionen • Bei einer Erfassungsrate von 80 Prozent erreichte Kinder: 98,69 Millionen • Rückgang der Zahl der Kinder mit Entwicklungsstörungen bei Sinken der Rate um ein Drittel: 17,17 Millionen • Rückgang der Zahl der Kinder mit Entwicklungsstörungen bei Sinken der Rate um ein Fünftel: 11,7 Millionen • Kosten pro Jahr für Phase 1 in den 18 Ländern: 2,3 Milliarden Dollar • Kosten für 3 Jahre für Phase 1 in den 18 Ländern: 6,9 Milliarden Dollar 8
Das von der Weltbank empfohlene Maßnahmenpaket für „Phase 1“ umfasst Folgendes: Förderung des Stillens, nährstoffreiche Nahrung und Hygiene, Mikronährstoffzusätze, Entwurmung, Verhaltensänderung, Anreicherung von Grundnahrungsmitteln mit Eisen, Anreicherung mit jodiertem Salz, therapeutische Ernährung stark Unterernährter, Capacity Building, Ausbau des Gesundheitssystems. Für die Autoren des Buches bilden diese Maßnahmen Phase 1 des SUN-‐Programms („Scaling Up Nutrition“). Phase 2 umfasst alle genannten Interventionen plus angemessene Beikost. Beikost ist nicht Bestandteil dieser Initiative, weil am Markt noch keine schmackhaften, erschwinglichen Produkte erhältlich sind. Diese werden aber gegenwärtig entwickelt. Die Weltbank schätzt, dass der Kostenunterschied zwischen Phase 1 und 2 etwa 3,6 Milliarden Dollar beträgt.