Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners

e.V. eine Rotbuche vor dem Elefantenhaus, die Deutsche Staats- bibliothek widmete ihm eine Sonderausstellung „Ein Leben für die Tierwelt“, die auch in ...
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Heinrich Dathe mit einem jungen Schimpansen

Heinrich Dathe

Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners

Herausgegeben von Almut Fuchs, Falk Dathe, Holger H. Dathe Mit einem Geleitwort von Bernhard Blaszkiewitz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

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© Lehmanns Media • Berlin 2010 Helmholtzstraße 2-9 10587 Berlin Layout und Umschlaggestaltung: Clara Eichler Druck und Bindung: Dimograf • Bielsko-Biała • Polen

ISBN 978-3-86541-636-0 ww.lehmanns.de

Inhalt

Geleitwort Wenn ich reich wäre Vorwort Lebenserinnerungen Meine Großmutter Mein Vater Der Erste Weltkrieg Die Weinholdschule Das Realgymnasium Reichenbach Die Nikolaischule zu Leipzig Studium an der Universität Leipzig Ornithologische Studien und Berufsalltag Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Im Stabsdienst Erneute Frontversetzung Kriegsgefangenschaft Nachkriegsjahre in der Heimat Die Vorgeschichte des Tierparks Berlin Die Eröffnung Der Tierpark Berlin – ein Landschaftszoo Alltag eines Zoodirektors Mein täglicher Tierpark Tiergärten fördern das Umweltverständnis Moderne wissenschaftliche Forschungen an Zootieren Erlebnisse mit Tieren Fische wechseln ihre Farbe Kein Platz für kleines Tier!

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Inhalt

Daheim ist daheim Die erste junge Giraffe im Tierpark Berlin Ein bemerkenswerter Kameltransport Eine Kater-Idee Bäreneltern wider Willen Frohes Fest! Eine weihnachtliche Tiergeschichte Lebensstationen Quellen Bildnachweis

Den Lebenserinnerungen von Heinrich Dathe zum Geleit

Für einen Außenstehenden hat der Beruf des Zoodirektors etwas Exotisches. Die Vorstellung der meisten Menschen entspricht jedoch nicht der Realität. Weder hat der Zoodirektor Zeit, den ganzen Tag durch seinen Park zu spazieren und Tiere zu streicheln, noch ist er, um ein Wort von Heinrich Dathe aufzugreifen, ständig im Wartestand auf gute alte Freunde, denen er mal schnell seinen Tierpark zeigen will. Dennoch stimmt natürlich, dass ein Zoodirektor einen erfüllten Beruf ausüben darf, und dass ihm gerade die Förderung der Beziehung zwischen Mensch und Tier als wichtigste Aufgabe seines Berufes zufällt. Die meisten Zoodirektoren sind auch mitteilsam in Wort und Schrift, und für Heinrich Dathe gilt dies allemal. Er hat uns ein Schrifttumsverzeichnis von über tausend Titeln hinterlassen, wobei sein Bearbeitungsspektrum vom Medizinischen Blutegel bis zur Angola-Giraffe reichte. Heinrich Dathe konnte sich zu ethologischen Fragen ebenso äußern wie zu systematischen, morphologischen und kulturhistorischen. Gerade der letzte Punkt ist etwas, was Heinrich Dathe besonders nahelag. Er war ein Wissenschaftler von hohen Graden, aber verstand es auch, im populärwissenschaftlichen Stil eingängig und unterhaltsam zu schreiben. Wer beispielsweise seine Erlebnisse aus dem Tierpark in Buchform Revue passieren lässt, dem werden sofort „Im Tierpark belauscht“ und „Bäreneltern wider Willen“ einfallen. Und so wurde schon bald der Ruf nach Lebenserinnerungen von Prof. Dathe laut. Er selbst hat auch immer wieder an einem Manuskript zu diesem Thema gearbeitet, hat es aber nie abgeschlossen und auch nicht mehr das Erscheinen einer solchen Publikation erlebt. Erst nach seinem Tode haben seine Kinder, Dr. Almut Fuchs, Prof. Dr. Holger Dathe und Dr. Falk Dathe, die vorhandenen Manuskripte ihres Vaters zusammengefasst und als Lebenserinnerun-

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Geleitwort

gen herausgegeben. Heinrich Dathes Lebenserinnerungen spannen einen Bogen von seiner Jugend über die Universität und Kriegszeit, seine Zeit im Zoo Leipzig und enden mit der Gründung des Tierparks Berlin, dem er dann schließlich 35 Jahre vorstehen sollte. Der Gedanke ist reizvoll, wie wohl die Memoiren ausgesehen hätten, wenn Heinrich Dathe auch diese dreieinhalb Jahrzehnte noch hätte behandeln können. Doch ist deswegen das, was als Lebenserinnerung vorliegt, nur ein Torso? Keineswegs. Es ist die liebenswerte Geschichte vom Leben eines Jüngers der Naturwissenschaften, der erst ein Vertreter der reinen Lehre sein wollte und sich dann mehr und mehr, auch unter dem Einfluss seines Lehrers Prof. Dr. Karl Max Schneider, des Direktors des Leipziger Zoos, zu einem der führenden Tiergärtner des vergangenen Jahrhunderts entwickelte. Ohne Prof. Schneider und die Lehrjahre im Zoo Leipzig hätte Heinrich Dathe letztlich sein Lebenswerk, den Tierpark Berlin im Schlosspark Friedrichsfelde, nie verwirklichen können. Die Tiergartenbiologie wurde Heinrich Dathes Lebensinhalt. So tragen seine Memoiren auch folgerichtig den Titel „Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners“. 2001 erschienen die Lebenserinnerungen zum ersten Mal und mussten schon bald im darauf folgenden Jahr nachgedruckt werden. Doch auch die zweite Auflage war bald vergriffen, und es ist dem Verlag Lehmanns Media zu danken, dass er zusammen mit Heinrich Dathes Kindern eine Neuauflage herausbringt. Es gibt nicht viele Zoodirektoren deutscher Zunge, die ihre Lebenserinnerungen schriftlich niedergelegt haben. Die facettenreichste stammt von Geheimrat Ludwig Heck, Zoodirektor in Berlin von 18881931, unter dem schönen Titel „Heiter-ernste Lebensbeichte“. Aber auch Dr. Katharina Heinroths Erinnerungen „Mit den Faltern begann’s“ und nicht zuletzt Prof. Dr. Bernhard Grzimek „Auf den Mensch gekommen“ gehören zur Memoirenliteratur deutscher Tiergärtner. Heinrich Dathes „Lebenserinnerungen eines leidenschaftlichen Tiergärtners“ wird auch in der Neuauflage eine weite Verbreitung beschieden sein. Dr. Bernhard Blaszkiewitz Direktor Tierpark und Zoo Berlin Februar 2010

Wenn ich reich wäre

Oft hat sich schon der Wunsch in mir geregt, einmal reich zu sein. Ich habe mir auch schon ausgemalt, was ich, wenn ich dabei gesund an Leib und Seele wäre, mit dem Gelde anfangen würde. Erstens versorgte ich meine Eltern nach allen meinen Kräften, um ihnen zu vergelten, was sie an mir getan haben. Dann würde ich den von den Franzosen bedrängten deutschen Brüdern beträchtliche Summen Geldes zukommen lassen. Da ich die Natur sehr liebe, würde ich mir einen größeren Garten anlegen, worin ich Pflanzen und Tiere verwildern ließe, um deren Wachsen und Gedeihen beobachten zu können. Auch einige Weiher dürften nicht fehlen; in eine Ecke des Gartens legte ich ein Ameisenhaufen an, um das Skelettieren der Tiere durch die Ameisen mit ansehen zu können. Ferner kaufte ich mir allerlei ausgestopfte Tiere. Käfer und Schmetterlinge würde ich mir selbst fangen und aufstecken. Diese Sachen würde ich in Glasschränken aufbewahren. Endlich ließe ich mir eine große Halle bauen, die von unten geheizt werden könnte, damit tropische Hitze erzeugt würde. In diese müßte vorher eine dicke Schicht Erde gebracht werden, damit ich ausländische Gewächse, wie Palmen, Kakteen, Apfelsinen, Zitronen und Bananenbäume einsetzen könnte. Auch Tiere, wie Schlangen, Eidechsen, Kolibri, Insekten, Faultiere, fliegende Hunde und Affen müßten die Halle beleben. Ein Wasserbehälter dürfte auch hier nicht vergessen werden, damit Krokodile und Alligatoren ein beschauliches Dasein führen könnten. Möge Gott mir wenigstens einen Teil dieser Wünsche in Erfüllung gehen lassen. Schulaufsatz von Heinrich Dathe, 12 Jahre (5. Mai 1923)

Vorwort

Seit Anfang der achtziger Jahre etwa schrieb unser Vater an seinen „Lebenserinnerungen“. Er tat dies offensichtlich mit Muße und Vergnügen, und dabei ließ er sich Zeit. Obwohl ihm sicher bewusst war, etwas mitzuteilen zu haben, drängte es ihn keineswegs zu einer irgendwie doch „letztwilligen“ Lebensbilanz. In seiner grundpositiven Lebenshaltung war es ihm nie leicht gefallen, die Zeitlichkeit zu akzeptieren, und erst in seinen letzten Lebensmonaten, als er schwer erkrankt war und in völliger geistiger Präsenz den körperlichen Verfall registrierte, muss sich das geändert haben. Er nahm sich das angefangene Manuskript wieder vor und arbeitete daran mit bemerkenswerter Konzentration. Leider hat er es nicht mehr vollenden können. Wir fanden das Fragment der „Lebenserinnerungen“ (mit diesem Titel) inmitten seines umfangreichen schriftlichen Nachlasses. Der Gedanke lag nahe, das unvollendete Manuskript dennoch in geeigneter Weise druckbar zu machen, denn die Anteilnahme der Bevölkerung an seinem Tode 1991 war groß. Wir fanden es auch keineswegs in Ordnung, dass einige ziemlich vordergründig mit der heißen Nadel gefertigte Druckschriften über das „Elend des Professor Dathe“ das letzte Wort sein sollten. Nicht dass die dort geschilderten höchst unwürdigen Umstände seines Ausscheidens aus seinem Lebenswerk, dem Tierpark Berlin, falsch dargestellt sein müssen; aber darum brauchte man sich nicht zu kümmern, denn Niedertracht fällt früher oder später auf die Urheber zurück. Nur werden jene tagespolitisch aufbereiteten Berichte von Autoren, die ihn nicht wirklich gekannt haben, dem langen, reich erfüllten und von nachhaltigen Wirkungen gekennzeichneten Leben unseres Vaters nicht gerecht. Es wäre daher gut gewesen, er hätte sich noch einmal selbst zu Wort melden können. Leider hat das Fragment seiner Lebenserinnerungen einen wesentlichen Mangel – es endet mit der Eröffnung des Tierparks Ber-

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Vorwort

lin im Jahre 1955. Heinrich Dathe wird aber mit dem Aufbau und der Entwicklung des Tierparks in Berlin-Friedrichsfelde seit 1955 gleichgesetzt, und genau dieser vom Leser erwartete Teil fehlt im Text. Vor allem deshalb blieben diese Aufzeichnungen zehn Jahre lang liegen. Es gibt mehrere Gründe, den Faden nun doch wieder aufzunehmen. Viele Menschen, vor allem aus Berlin und dem östlichen Deutschland, haben, wie wir noch oft erfahren dürfen, unserem Vater bis auf den heutigen Tag ein außergewöhnlich freundliches Andenken bewahrt. In dieser Zeit hat sich auch das Interesse an der Person – nicht zuletzt durch die Art seiner Entlassung – eher verstärkt. Wer ist dieser Mensch, der die sicherlich einmalige Gelegenheit erhält, in der deutschen Hauptstadt einen neuen, modernen Tiergarten von Beginn an aufzubauen und der dieser Aufgabe, tausend Widrigkeiten zum Trotz, in offensichtlich zeitlos gültiger Weise entsprechen kann? Herkunft, Bildungsweg, politische Haltung und persönliche Entwicklung, Begegnung mit Personen der Zeitgeschichte und aus alledem entstandene Lebenserfahrung eines erfolgreichen Zoologen und Tiergärtners sind im Manuskript in Fülle enthalten. Es kommt hinzu, dass hier nicht eine strenge Chronik geschrieben ist, sondern dass sich die Lebensgeschichte in oftmals pointierten Episoden entwickelt. Wer ihn erlebt hat, wird manche Story wiedererkennen, wie er sie oft und gern erzählte, aber es finden sich auch völlig neue Erlebnisse und Gedanken, die selbst die engeren Angehörigen nicht kannten. Ausdruck des anhaltenden Interesses an Heinrich Dathe ist auch manche noch erscheinende persönliche, oft peinlich uninformierte Polemik. „Die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen“, pflegte er zu sagen. Wir halten es für gegeben, dazu einige Fakten nachzuliefern. An Anerkennung für seine Leistungen hat es nicht gefehlt, und auch dazu sind wir häufig um Information angesprochen worden. Neben würdigenden Nachrufen seiner unmittelbaren Fachkollegen – erwähnt seien nur Lothar Dittrich (Hannover), Wolfgang Puschmann (Magdeburg) und Bernhard Blaszkiewitz (Berlin) – pflanzte die Gemeinschaft der Förderer des Tierpark Berlin-Friedrichsfelde e.V. eine Rotbuche vor dem Elefantenhaus, die Deutsche Staatsbibliothek widmete ihm eine Sonderausstellung „Ein Leben für die Tierwelt“, die auch in Reichenbach im Vogtland und in Leip-

Vorwort

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zig gezeigt wurde, und vieles mehr. Zwei Schulen, das DatheGymnasium in Berlin-Friedrichshain und die Dathe-Mittelschule in seiner Geburtsstadt Reichenbach i. V. nahmen seinen Namen an. In Reichenbach, deren Ehrenbürger er ist, bemühen sich insbesondere die Neuberin-Gesellschaft und das Neuberin-Museum um sein Andenken. Unter anderem haben sie am Geburtshaus eine Gedenktafel angebracht. Nicht zuletzt könnte sein Leben auch als Beispiel für eine bürgerliche Familiengeschichte im 20. Jahrhundert stehen. Insofern sind wir der Anregung des Verlages Lehmanns Media gern gefolgt, dieses Buch nach zwei vorherigen Auflagen im Wesentlichen unverändert neu herauszugeben. Für ernsthafte Bearbeiter der Biographie Heinrich Dathes steht sein schriftlicher Nachlass, den die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erworben hat, in der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin zur Verfügung. Die Anregung zur Autobiographie war dem Vernehmen nach ursprünglich vom Union-Verlag Berlin ausgegangen, aber sie dürfte unseren Vater nicht unvorbereitet angetroffen haben. Immerhin hatte er seit seiner Kindheit Tagebuch geführt, und wenn es auch zu viel gesagt wäre, er habe sein Leben planmäßig zu etwas Besonderem hin aufgebaut, das entsprechend dokumentiert zu werden verdient, so ist doch in der Rückschau das Maß an Zielstrebigkeit höchst beeindruckend. Im Alter von zwölf Jahren, im Mai 1923, schrieb er einen Schulaufsatz „Wenn ich reich wäre“, in dem er – altersgemäß – das Alfred-Brehm-Haus des Tierparks Berlin nachgerade prophetisch vorwegnahm. Der Text bietet eine Reihe ähnlicher Überraschungen, es wäre aber sicherlich falsch, daraus auf eine frühzeitig „kanalisierte“ Interessenlage zu schließen. Es zeigte sich vielmehr, dass der Beruf des Tiergärtners unserem Vater alle Voraussetzungen bot, seinen überaus vielseitigen Neigungen nachzugehen. Zu erwähnen sind vor allem wissenschaftliche und kulturelle Interessen. Hervorzuheben ist seine Anregung, am Tierpark eine wissenschaftliche Forschungsstelle der Akademie der Wissenschaften einzurichten. In den über vier Jahrzehnten, in denen er dieses Institut leitete, schuf er für zahlreiche Zoologen und Veterinärmediziner die Möglichkeit zu freier und damit fruchtbarer Grundlagenarbeit. Als Chef (und häufig Anregender) hätte er seinen Namen auf viele der dort entstandenen Veröffentlichungen als Koautor setzen können, aber diese nicht unübliche Praxis sah er als eher unehrenhaft

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Vorwort

an. Er beteiligte sich lieber an der Hochschullehre, für die er den Tierpark ebenso öffnete wie für die Forschung. Es hat sehr lange gedauert, bis das Schloss Friedrichsfelde endlich rekonstruiert war und kulturellen Zwecken dienen konnte, aber ohne seine künstlerischen Ambitionen wäre es mit Sicherheit abgerissen worden. An vielen Stellen des Tierparks finden sich Belege seines Kunstsinns, von der Erhaltung klassischer Parkteile bis zum Figurenschmuck der gesamten Anlage. Mit der Gartenarchitektin Ditha Bendig, dem Architekten Heinz Graffunder oder dem Bildhauer Walter Paul hatte er begnadete Gestalter gefunden, die ihn auch zu überzeugen vermochten. Wer ihn kannte, weiß, dass hier nichts ohne sein Einverständnis geschah, die Gestaltung letztlich also auch Ausdruck seiner persönlichen Ambitionen ist. Die Popularisierung des Tierparks in den Medien gehörte für ihn ebenso zu seiner Mission, und sicherlich hatte er auf diesem Gebiet einen besonders großen und nachhaltigen Erfolg. Es bereitete ihm offenkundig auch Vergnügen, in der Öffentlichkeit zu stehen; es greift aber wohl zu kurz, ihn vor allem als Organisator und Popularisierer darzustellen. Nichtsdestoweniger hatte er die ihm von Berlin gebotene Chance zur Umsetzung seiner Ideen erkannt – und er verstand sie zu nutzen. Es gab vor allem vor diesem Hintergrund in der Wendezeit und danach diverse Versuche, ihn in eine besondere DDR-Systemnähe zu rücken. Er selbst war nie Mitglied der SED, und in seinen Einrichtungen spielte die Betriebsparteiorganisation eine untergeordnete Rolle. Mit seinem exotischen Fach und seiner Popularität genoss er gleichwohl eine gewisse politische Freiheit, die er in einer ausgesprochen menschlichen Weise nutzte. Weniger für sich als für unzählige Mitarbeiter und Bekannte, denen er völlig selbstlos bei schwierigen Beschaffungen vom Telefon bis zu Wohnung oder Studienplatz, im Wortsinn mit Rat und Tat, behilflich war. „Fehlt’s am Rate, geh zu Dathe“, hatte einer seiner Studienkollegen gereimt, und auf dieses Bonmot war er zeitlebens stolz. Menschen, die ihm und vor allem seinem Tierpark Gutes taten, dankte er dies, auch wenn sie „offiziell“ in Ungnade fielen. Die politische Teilung Deutschlands hatte er für seinen Teil nie mitvollzogen, und mit seiner ausdrücklichen Billigung trafen wir unsere westdeutschen Kollegen und Freunde eben „zufällig“ im Tierpark, wenn uns die Abschottungsverordnungen der Universität oder Akademie wie-

Vorwort

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der einmal den Kontakt verboten hatten. Damals haben sich viele durch seinen Rückhalt gedeckt gehalten. Wir lernten in der Familie internationale Kontakte zu Ost wie West als besonders wertvoll zu schätzen, gegen jede offizielle Doktrin. In den nachgelassenen „Lebenserinnerungen“ sagt unser Vater wenig über seine eigene Familie. Das verweist deutlich auf den fragmentarischen Charakter des Textes, denn die Familie war für ihn von außerordentlicher Bedeutung. So bedeutsam, dass wir Kinder manchmal boshaft behaupteten, er mache keinen Unterschied zwischen seinem Betrieb und seiner Familie. Tatsächlich gehörte alles schon irgendwie zusammen, und eine Trennung in Dienstund Freizeit wäre ihm nur künstlich erschienen. Herz und Kopf dieser Familie war fraglos unsere Mutter Elisabeth. Sie hielt ihm in den täglichen Obliegenheiten den Rücken frei für seinen Beruf, assistierte ihm aber auch seit seinen Arbeiten an der Habilitation in den fünfziger Jahren vielfältig im beruflichen Bereich. Sie war mit ihrer praktischen Klugheit seine wichtigste Gesprächspartnerin, sein Gewissen und guter Geist, so eng, dass wir Kinder uns manchmal fast außerhalb des engeren Kreises der Familie wähnten. So schmerzlich uns alle ihr Verlust im April 1987 traf, für unseren Vater war ihr Tod der schlimmste denkbare Fall. Er hätte ihr mit Sicherheit auch ein literarisches Denkmal gesetzt. Leider ist es dazu nicht mehr gekommen, so dass wir es hier zumindest erwähnen und sie auch zu Wort kommen lassen möchten („Kein Platz für kleines Tier!“). Natürlich muss der Tierpark in diesem Buch ausführlich vorkommen. Der insgesamt episodische Aufbau lässt es letztlich wohl zu, die fehlenden Teile durch ausgewählte Texte aus seinen wissenschaftlichen und kulturpolitischen Aufsätzen und Büchern ergänzend anzufügen. Sein „Köchelverzeichnis“, wie er es nannte, umfasst mehr als 1.000 Zitate, eine Auswahl war damit gegeben. Bei zahlreichen Anlässen hat er sich auch zu grundlegenden Dingen geäußert, die verstreut publiziert sind und hier in der Zusammenstellung nähere Einsichten in seine Gedankenwelt vermitteln können. Diese Beiträge stehen unter dem Kapitel „Alltag eines Zoodirektors“. Ein weiterer, eher unterhaltsamer Teil mit dem Titel „Erlebnisse mit Tieren“ enthält Reminiszenzen an seine Erfolgsbücher „Im Tierpark belauscht“, „Erlebnisse mit Zootieren“ und „Bäreneltern wider Willen“. Für die Erlaubnis zum Nachdruck