Gier eines Ehemannes

Januar 2004, einem Donnerstag, den Aufzug im 12-stöckigen ... Auf der achten Etage verließ er den Aufzug, ... den Kartoffelkorb nicht auf der Treppe abstel- len.
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Joachim Hausen

Gier eines Ehemannes Thriller

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© 2017 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2017 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: lizenzfreies Bild von www.pixabay.com © Copyright 2017 Collage Wolfgang Herfurth, Birkenfeld Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck

ISBN 978-3-8459-2394-9 ISBN 978-3-8459-2395-6 ISBN 978-3-8459-2396-3 ISBN 978-3-8459-2397-0 Mini-Buch ohne ISBN

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Wer alles bloß des Geldes wegen tut, wird bald des Geldes wegen alles tun. Italienisches Sprichwort

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Frühlingsblumen

1 Der Baustellenleiter Tobias Blau betrat am 29. Januar 2004, einem Donnerstag, den Aufzug im 12-stöckigen Hochhaus in der Dr.-SchierStraße in St. Ingbert. »Da wird sich meine Frau freuen, dass ich bereits heute von der Baustelle in Ludwigshafen zurückkomme«, murmelte er. »Und auch noch vor vier Uhr. Dank des morgigen Urlaubs, werden wir uns ein gemütliches verlängertes Wochenende gönnen.« Auf der achten Etage verließ er den Aufzug, zückte den Wohnungsschlüssel und eilte nach links. Der Schlüssel verharrte vorm Schloss. 5

Die Tür flog auf. Die Ehefrau stand, in einen knielangen blauen Wollmantel, mittelblaue Jeans und schwarze Halbschuhe gekleidet, vor ihm. Sie riss die Augen auf und schüttelte sich. Das kupferrote Lockenhaar wallte bis auf die Schultern. »Großer Gott, Tobias, hast du mich erschreckt!«, stieß sie hervor und fuhr übergangslos fort: »Was ist los? Ist etwas passiert? Du kommst genau zum richtigen Zeitpunkt.« Herr Blau grinste, packte ihren Kopf und küsste sie auf den Mund. »Keine Hektik, Mariel«, rief er mit fröhlich wirkender Stimme. »Lass mich eintreten und dich aufklären.« Sie nickte und trat drei Schritte zurück. Er folgte ihr, schloss die Tür und knöpfte seinen dunkelblauen Caban auf. »Stopp!«, rief sie, sichtlich erregt. »Du musst sofort zu deiner Mutter fahren.« Tobias grunzte. »Wieso das? Ist ihr etwas passiert?« 6

»Seit ungefähr zehn Minuten versuche ich erfolglos, sie telefonisch zu erreichen. Ich habe mich nach dem Mittagessen mit ihr verabredet. Ich sollte sie anrufen, bevor ich sie abhole. Wir wollen im Lidl und DM-Markt einkaufen.« Sie schnaubte und packte ihn an einem Arm. »Fahr rasch hin und sieh nach. Vielleicht ist sie gestürzt.« Der Ehemann knurrte: »Scheiße! So habe ich mir den Beginn unseres verlängerten Wochenendes nicht vorgestellt.« »Jetzt geh endlich«, drängte Mariel, drückt ihm den Hausschlüssel der Mutter in eine Hand und schob ihn zur Tür. Er winkte ab. »Ja, ja, hetz mich doch nicht.« Er eilte aus der Wohnung. »Bin mal gespannt, was die alte Krähe diesmal angestellt hat«, sagte er zu sich auf dem Weg in die Tiefgarage. »Im letzten Juli stürzte sie auf der Stufe

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zur Eingangstür und brach sich den linken Unterarm.« Kopfschüttelnd fuhr er los und parkte wenige Minuten später in der Tulpenstraße vorm Haus der Witwe. Er sperrte die weiße Haustür auf, betrat die Diele, warf die Tür zu und brüllte: »Mutter? Wo steckst du?« Keine Antwort. Die Tür zum Keller stand offen und Licht fiel heraus. Er hängte seinen Mantel an die Garderobe und spähte die Stufen der aus hellem Terrazzo gefertigten Treppe hinab. »Ach du heilige Scheiße!«, stieß er hervor. »Da unten liegt sie. Voll auf die Schnauze gesegelt.« Er stürmte hinunter. Die 68-Jährige lag, in einen dunkelblauen Hosenanzug gekleidet, auf ihrer rechten Seite. Einer der schwarzen Pumps mit halbhohen Absätzen stand aufrecht neben dem bestrumpften Fuß. Fluchend trat der Sohn gegen den roten rechteckigen Plastikkorb, der auf einer Breit8

seite lag. Kartoffeln hatten sich offenbar aus dem Korb auf dem weiß gefliesten Boden des Kellervorraumes verteilt. »Aha, klarer Fall«, murmelte er. »Sie wollte aus dem Vorratskeller ihre Einkaufskörbe holen und stolperte auf der ersten Stufe über diesen Scheißkorb und stürzte hinunter.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe der dusseligen Kuh mindestens tausendmal gesagt, sie solle den Kartoffelkorb nicht auf der Treppe abstellen. Aber nein, meine stinkfaule Mutter hört ja nicht auf mich. Jetzt hat sie den Salat.« Er umrundete die Gestürzte, beugte sich hinab und begutachtete ihren Kopf in der Blutlache. Geschlossene Augen. Er hielt den rechten Handrücken gegen den halb geöffneten Mund. »Aha, ein Hauch von Wärme«, flüsterte er. »Sie lebt noch.« Mit gerunzelter Stirn richtete er sich zeitlupenhaft auf. Er stand wie erstarrt. Im hellen Blau der Augen erschien ein merkwürdiger 9

Ausdruck. Wahn? Gier? Er ging hinter dem Oberkörper der Mutter in die Hocke, griff ins dunkelblond gefärbte Haar und schmetterte den Kopf mit sichtbarer Wucht auf den blutigen Boden. Widerliches Knacken. Weiteres Blut floss. Fasziniert starrte der Sohn auf die schmierige Masse, die aus einem Riss in der unteren Schädelseite quoll. Er ließ den Kopf fallen, sog hörbar Luft ein und atmete aus. Er wartete etwa eine Minute und überprüfte Atmung und Halsschlagader. »Mausetot«, murmelte er, richtete sich auf und streckte seine 1,74 Meter. Er ging die Treppe hoch, stellte sich im Wohnzimmer an die Terrassentür und starrte in den Garten. Ab und zu sah er auf die Armbanduhr. Nach rund zehn Minuten nickte er, drehte sich um und trat zu dem hüfthohen Schränkchen neben dem Sofa. Mit blutverschmierten Fingern packte er das schnurlose Telefon und rief den

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Notarzt. Er eilte in die Küche und wusch akribisch die Hände. Sein Handy zwitscherte. Er verdrehte die Augen und nahm das Gespräch entgegen. »Halt, halt, Mariel!«, sagte er. »Mutter stürzte die Kellertreppe hinab. Ich glaube, sie ist tot. Reg dich nicht auf.« Er lauschte und schüttelte den Kopf. »Ist unterwegs. Nein, du brauchst nicht kommen. Ich regele alles. Einzelheiten erzähle ich dir später.« Er schaltete ab und brummte: »Nervensäge.« Er öffnete die Haustür. Grauer Himmel. Fünf Grad. Sirenenplärren näherte sich. Mit blitzenden Dachlichtern fegte ein Krankenwagen heran. Bremsgeräusche. Die Beifahrertür flog auf und ein schlanker, hochgewachsener Mann mit Halbglatze eilte mit flatterndem Kittel durch den Vorgarten. In der Linken trug er einen Alukoffer. Der Fahrer

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öffnete die Hecktüren und zerrte eine Rolltrage heraus. »Kommen Sie schnell!«, rief ein aufgeregt wirkender Sohn. In der Diele deutete er auf die offene Tür zum Keller. »Meine Mutter. Dort unten.« Der Arzt stürmte die Treppe hinab. Der Sanitäter stand mit der Trage vor der Haustür. Der Notarzt kehrte zurück, stellte den Arztkoffer ab, räusperte sich, sah dem betrübt wirkenden Sohn in die Augen und sagte: »Ihre Mutter ist tot.« Der jetzt Mutterlose krächzte: »Wann ... äh ... ich meine ... wie lange...?« »Ungefähr 20 Minuten.« »Mist«, brummte Herr Blau. »Da ich kam ich nur ein paar Minuten zu spät, um ihr den Kellergang abzunehmen und diesen blöden Korb wegzuräumen. Ich weiß nicht, wie oft ich ihr sagte, sie solle den Kartoffelkorb nicht oben abstellen.« 12

Der Arzt nickte nur. Der Mörder räusperte sich. »Was geschieht jetzt?« »Ich rufe einen ... Leichenwagen. Im hiesigen Krankenhaus ermittelt man die genaue Todesursache und schreibt den Totenschein. Zunächst warten wir auf die Polizei.« Blau riss die Augen auf. »Warum das?« »Vorschrift«, meinte der Arzt. »In derartigen Fällen muss man ein Fremdverschulden ausschließen.« Minuten später betraten zwei Polizisten die Diele. Händeschütteln. Beileidsbezeugungen. Der Notarzt stieg mit den Beamten die Treppe hinab. Nach ihrer Rückkehr schrieb der schlankere und jüngere Polizist die persönlichen Daten des mutterlosen Sohnes und den Ablauf der Ereignisse, beginnend mit dessen Ankunft zu Hause, in einen Notizblock. Der dickliche und ältere Beamte fragte: »Verkehrt außer Ihnen und Ihrer Frau noch je13

mand regelmäßig im Haus und wer besitzt einen Hausschlüssel?« »Nur wir. Jeden Freitagnachmittag kommt gegen 14:00 Uhr eine Putzkraft.« Die Polizisten blickten sich an und nickten. Der Dickliche sah Tobias an. »Wir fertigen einen Bericht. Kommen Sie morgen Nachmittag auf unsere Dienststelle und unterschreiben Ihre Aussage.« Die Beamten verabschiedeten sich. Der Arzt füllte in der Küche ein Formular aus. Herr Blau eilte ins Badezimmer der Mutter. »Will nichts von der unappetitlichen Sache sehen«, brummte er. Motorbrummen erstarb. Autotüren klappten. Tobias wartete mehrere Minuten. Er drückte die Toilettenspülung und wusch die Hände. Er ging bis zur Diele. Zwei Männer schleppten einen Sarg aus dem Haus. Der Arzt klärte ihn auf und verabschiedete sich.

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Herr Blau eilte ins Wohnzimmer und genehmigte sich einen doppelten Birnenschnaps. Er marschierte ins Gäste-WC, betrachtete den schmalen Mann im deckenhohen Spiegel über dem Waschbecken und fuhr mit der Rechten durch das kurze blonde Haar. Er betastete das breite Gesicht, das markante Kinn, die messerschmale Nase und die zu groß geratenen Ohren. »Tobias, du bist wahrhaftig kein Adonis und wirst im Februar bereits 41«, sagte er. »Trotzdem hat dich die neun Jahre jüngere Mariel geheiratet, die scharfe Mariel. Sie kennt sich offenbar mit Männern aus und hat mit dir einen Volltreffer gelandet. Du bist nämlich ein cleveres Kerlchen mit wachem Verstand und rascher Auffassungsgabe und – ein großartiger Liebhaber.« Der großartige Liebhaber grinste, nickte und fuhr fort: »Mit meiner kreativen Tat habe ich die alte Hexe, die sich Mutter nannte, ausgetrickst. Die erzählte mir doch glatt – nach ih15