Tagebuch eines Weltenwanderers - PDFDOKUMENT.COM

keits-Defizit-Syndrom) leide. Und obwohl ich eigentlich ganz normal bin. (denn ADS zu .... senscheißer war, so mit acht Jahren. Da Papa so- wieso nie Zeit hatte, ...
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Konya Koolman

Tagebuch eines Weltenwanderers oder Was Jesus in der Hölle machte Roman © 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag, Berlin Coverbild: Stefan Haußner Printed in Germany ISBN 978-3-8459-0681-2 AAVAA Verlag www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Wenn wir uns nicht verlaufen, werden wir nie einen neuen Weg finden. Joan Littlewood

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Kapitel 1

Ich bin ein Freak. Dieses Buch könnte genauso gut „Tagebuch eines Freaks“ heißen. Oder „Memoiren eines Freaks“, denn im strengen Sinn ist es gar kein Tagebuch. Ich habe die Bezeichnung „Weltenwanderer“ bloß gewählt, weil das wohl eindeutig die freakigste Seite an mir ist. Oder findet ihr es vielleicht nicht gruslig, wenn ein Mensch seinen Bewusstseinszustand wie andere Leute die Straßenseite wechseln kann, mit seiner toten Großmutter plaudert, in der Hölle ein- und ausgeht oder seinem Engel einen Besuch abstattet als wäre das die normalste Sache der Welt? Nun, ich bin so ein Mensch. Ich bin ein Jenseitsfreak. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass es (mindestens) noch eine andere Welt gibt. Eigentlich müsste ich eine Berühmtheit sein wie der alte Jesus oder Buddha oder wenigstens Juri

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Gagarin und in den Talkshows aller Herren Länder herumgereicht werden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Man nimmt mich nicht ernst. Man ignoriert mich. Man hält mich für einen Spinner. Ich war sogar schon beim Psychiater deswegen. Der hat an mir so ziemlich jeden Test veranstaltet, den die Typen für solche Fälle parat haben. Aber wirklich herausgekommen ist dabei nichts, außer dass mein IQ Durchschnitt ist und ich an einer schwachen Form von ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) leide. Und obwohl ich eigentlich ganz normal bin (denn ADS zu haben ist bei den Jungs in meinem Alter ganz normal), werde ich von den meisten Leuten nicht für voll genommen. In meiner ehemaligen Klasse nannten sie mich „Hirni“ oder „Schizo, als hätte ich einen Sprung in der Schüssel. „Na, Schizo? Was geht ab auf Wolke Sieben? Kommt der Weltuntergang noch rechtzeitig vor der Mathe-Schulaufgabe?“ „He, Hirni, kannst du mir mal die Lottozahlen von nächster Woche channeln?“ 5

Das waren so die Sprüche, mit denen sie mich vollballerten. Und so kam es, dass ich immer auch der Klassenfreak war. Kein „Nerd“ wie mein früherer Banknachbar Rappu, der Einsteins Spezielle Relativitätstheorie schon in der neunten Klasse auf eigene Faust erweitert hat, sondern ein „Idi“, also ein echter Idiot. Ihr könnt euch vorstellen, dass ich schon von daher kein besonders geselliges Leben führe. Aber ich bin noch auf andere Arten freakig. Ich bin zunächst mal ein Unauffälligkeitswunder. Als Dreizehnjähriger war ich so unauffällig, dass die Mädchen nicht einmal kicherten wie bei den anderen Losern in meiner Klasse, wenn ich auf dem Pausenhof an ihnen vorbeiging. In meiner Anwesenheit bohren sich die Leute auch heute noch ungeniert in der Nase. Oder sie lassen vor mir die Tür zufallen. Nicht aus Bosheit, sondern weil sie mich einfach nicht wahrnehmen.

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Ich könnte als Zauberer auftreten. Meine Nummer wäre zwar simpel, aber sensationell. Ich würde einfach auf der Bühne stehen, und nach einer Weile würden mich die Leute nicht mehr wahrnehmen und denken, ich hätte mich weggezaubert. Manchmal halte ich mich selbst schon fast für ein körperloses Wesen. Immer wieder mal krame ich meinen Ausweis heraus, um mich zu vergewissern, dass es mich wirklich gibt. Und wenn ich dann das Lichtbild anschaue von dem Typen, der aussieht wie Superman nach seiner Verwandlung in Gonzo von der Muppetshow, dann werde ich erst recht unsicher. Vielleicht bin ich ja aus Versehen in diese Welt gebeamt worden. Und weil ich so unauffällig bin, haben sie drüben vergessen, den Rückholknopf zu drücken. Das würde zumindest erklären, warum ich in dieser Welt nicht so richtig heimisch werde und immer wieder mal in irgendwelchen Zwischenwelten lande. Das einzige, was mir hin und wieder eindringlich vor Augen führt, dass ich diese Realität noch

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nicht verlassen habe, sind die Fettnäpfchen, in denen ich dauernd lande. Ich bin ein Tollpatsch. Wenn es irgendwo im Umkreis von zehn Kilometern ein Fettnäpfchen gibt, dann könnt ihr sicher sein, dass ich reinlatsche. Ich habe eine Spürnase für Fettnäpfchen. Ich könnte bei der CIA locker eine Anstellung als Fettnäpfchen-Detektiv kriegen, wenn es so was gäbe. Und mit meiner phänomenalen Fähigkeit ist es kein Wunder, dass die Leute einen Bogen um mich machen, wann immer ich ihnen in die Quere komme. Und trotzdem schaffe ich es immer wieder, welche von ihnen mit reinzuziehen. Die Liste meiner Opfer ist länger als die der verbotenen Bücher im Vatikan. Sie beginnt mit meinem Dad und meiner Schwester, die ich beide aus der Familie rausgedrängt habe. Meine prominentesten Opfer sind zwei Lehrerinnen, die hauptsächlich wegen mir den Schuldienst quittierten. Und am Ende wird die Sache wirklich übel, weil ich Vollpfosten mich zwischen zwei Mädels nicht entscheiden konnte und ein wirkliches Schlamassel anrichtete. 8

Ich bin ein Jammerlappen. Diese Welt wird in vieler Hinsicht nicht meinen Ansprüchen gerecht. Als sie konzipiert wurde, stand ich definitiv nicht auf der Liste der möglichen Geschöpfe. So gesehen bin entweder ich ein evolutionärer Planungsfehler oder die Welt ist ein Auslaufmodell. (Im schlimmsten Fall hängt beides zusammen und die Welt geht wegen mir zugrunde.) In allen Fällen habe ich ziemlich schlechte Karten. An guten Tagen kann ich mich darüber aufregen und mir den Rotz von der Seele reden. Aber meistens zieht mich das alles ziemlich runter. Ich sage mir zwar immer wieder, ich sei zu gut für diese Welt, aber die Liste der Beweise, dass es sich genau umgekehrt verhält, wächst mit jedem Tag. Darum gehe ich immer öfter auf Tauchstation und fahre die Depri-Tour. Oder ich jammere euch die Hucke voll und flenne mir einen ab. Ich bin nämlich eine waschechte Heulsuse. Ich würde den ganzen Heulsusen bei Germany´s Next Topmodel locker das Wasser reichen. Rechnet also nicht mit einem Stück Erbauungsliteratur, falls ihr jetzt überhaupt noch weiterlesen wollt. 9

Bei alledem bin ich auch noch ein Sex-Freak. Ich bin kein Perversling oder Weltrekordhalter im Dauermasturbieren, das nicht. Aber ich verliere unweigerlich die Kontrolle über mich, wenn ich mit weiblichen Reizen in irgendeiner Form konfrontiert werde. Dann fühlt sich mein Unterleib an, als wäre er mit heißer Schokolade gefüllt, und meine Sehschärfe schrumpft auf minus sieben Dioptrin, so dass mir jede Sumpfkrähe plötzlich als gestaltgewordene Aphrodite erscheint. Und dann lasse ich mich manchmal zu Sachen hinreißen, die ich bei klarem Verstand nur als abartig bezeichnen würde. Das könnte auch der Grund dafür sein, dass dieses Buch an einigen Stellen ein bisschen versaut ist. Jugendliche unter 16 Jahren, Moralapostel, Sittenwächter, Bibelforscher und Leute, die allergisch sind auf Schweinekram - legt das Buch lieber gleich weg! Dies ist die letzte Warnung – wenn ihr jetzt weiterlest, dann seid ihr selber schuld! Ihr wundert euch vielleicht, wie das alles zusammengeht, was ich da an Freakvarianten vereine – aber es ist so. Ich bin ein asozialer, auto10

aggressiver, erotomanischer Heiliger im Auftrag der Apokalypse. Ich bin Ausgestoßener und Getriebener in einem. Und wahrscheinlich verdiene ich die Bezeichnung Freak deshalb sogar wirklich. Wenn ihr euch jetzt fragt, was daran so witzig oder cool sein soll, ein Freak zu sein und dann auch noch ein Buch darüber zu schreiben, dann sage ich euch: Nichts. Es ist nicht im Mindesten cool oder witzig. Im Gegenteil. Ein Freak zu sein ist das Übelste, was einem widerfahren kann. O.k., werdet ihr fragen, ist das Buch dann wenigstens zum Heulen? Oder tragisch? Auch da muss ich euch enttäuschen, Leute. Wenn einer von einem Fettnäpfchen ins andere stolpert, seiner Schwester beim Songwettbewerb als Transe die Show vermasselt, den eigenen Dad in der Besenkammer mit seiner Schlampe beim Pimpern entdeckt und ihn damit ans Messer liefert, wenn einer mit seinem Schutzengel ein Treffen hat und dann nichts Besseres weiß, als auf ihre Möpse zu starren, wenn einer sich in seine Re11

ligionslehrerin verknallt und ihr dann auch noch einen Heiratsantrag macht – naja, dann ist das vielleicht abgedreht, aber tragisch ist es nicht. Ich finde diese Type da, von der im Buch dauernd die Rede ist, eigentlich nur freakig. Und einen Freak kann man nicht einmal bedauern. Über einen Freak kann man bestenfalls den Kopf schütteln. Aber ein Kopf-Schüttel-Buch ist außer für Parkinsongeschädigte ziemlich schwer zu lesen und wird kaum jemals in die Top-Seller-Liste kommen. Ich will euch sagen, warum ich dieses Buch trotzdem geschrieben habe. Es ist wegen der Sache da. Die Sache, um die es geht, ist die wichtigste Sache der Welt, meiner Meinung nach. (Ich denke jetzt nicht an Sex, wenn ihr das denkt.) Und die Sache ist die, dass ohne die Klärung dieser Sache keine Sache so richtig Sinn ergibt.

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Oder zumindest keinen Sinn, der einem Mut macht, weiter leben zu wollen. Deshalb ist die Klärung der Sache, um die es in diesem Buch geht, die wichtigste Sache der Welt. Und wenn ihr jetzt nicht wisst, was Sache ist, dann liegt ihr, glaube ich, voll richtig. Also gut. Ich werde wohl doch etwas weiter ausholen müssen.

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Kapitel 2 Angefangen hat es, als ich noch ein kleiner Hosenscheißer war, so mit acht Jahren. Da Papa sowieso nie Zeit hatte, weil er bis spätabends im Büro hockte und Mama fand, dass ich eigentlich schon groß genug war, um allein ins Bett zu gehen, in Wirklichkeit aber ihre Schmonzetten zur besten Sendezeit nicht verpassen wollte, brachte mich meistens Großmutter ins Bett. (Ich nannte sie nie Omi oder Oma, sondern nur Großmutter, weil mir das Märchen so gut gefallen hatte, wo Rotkäppchen seine Oma, die in Wirklichkeit ein Wolf war, immer mit „Großmutter“ anredete.) Jedenfalls las mir Großmutter von da an Märchen oder anderen Kinderkram vor, wenn ich nicht gleich einschlafen konnte. Als ich neun war, fand Großmutter, dass mir als Vorbereitung auf meine Erstkommunion ein wenig religiöse Erbauung gut täte. Großmutter war im Gegensatz zum Rest meiner Familie ziemlich religiös, besuchte regelmäßig die Sonntagsmessen und betete dreimal am Tag den Rosenkranz. 14

Jedenfalls schmökerten wir uns von da ab durch das Alte und Neue Testament von der Erschaffung der Welt über Adam und Eva bis zu den Klagen des Jeremias und von der Geburt Christi bis zu seiner Himmelfahrt. Mann, ob ihr das glaubt oder nicht, ich wurde zu einem echten Bibelfreak und kannte die Geschichte des Volkes Israel mit der Zeit besser als alle jüdischen Schriftgelehrten der letzten 2000 Jahre zusammen. Das hatte zwar den Vorteil, dass mir im Religionsunterricht kein Lehrer mehr was vormachen konnte, aber auch den Nachteil, dass ich mir auf diese Art eine Menge Ärger einhandelte, wie ihr noch sehen werdet. Trotzdem bin ich Großmutter dankbar dafür, denn ohne sie wäre ich der Sache wohl nie auf die Spur gekommen. Im Vorbereitungsunterricht für meine Erstkommunion musste ich dann neben jeder Menge Gebete auch das Apostolische Glaubensbekenntnis auswendig lernen. Großmutter kontrollierte, ob ich es ordentlich aufsagen konnte. Alles ging glatt bis zu der Stelle nach der Kreuzigung, wo es heißt, Jesus sei „hinabgestiegen in das Reich 15