Kurzbericht - Bagso

Gut ein Fünftel der Befragten vermisst es, regelmäßig nach draußen unter Leute zu kommen, während 31% eher nicht und gut die Hälfte dies gar nicht tun. Das kann vielfältige Ursachen haben, z.B. nachlassende Anlässe für Besuche bei Freunden und Bekannten, nachlassende Mobilität, Barrieren außer Haus oder auch ...
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„Alternsfreundliche Stadt“ Kurzbericht der Befragung 2011 Ein Projekt der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) Einleitung Die Bevölkerung in unseren Städten wird immer älter. Zum einen erreichen immer mehr Menschen ein hohes Alter und gleichzeitig nimmt die Zahl Jüngerer ab. So wandeln sich langfristig auch die Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner. Damit die Älteren bis ins hohe Alter am städtischen Leben teilhaben können, muss es ausreichend Angebote für sie geben, ihre Bedürfnisse müssen bei Planungsprozessen berücksichtigt und das Wohnumfeld und die städtische Umgebung so gestaltet werden, dass sich ältere Menschen auch außerhalb ihrer Wohnung selbstständig und sicher bewegen können. Doch wie alternsfreundlich sind unsere Städte tatsächlich? Welche Probleme bestehen bei der Nutzung des Stadtraumes und des öffentlichen Personennahverkehrs? Wie sind Straßen, Plätze und Parkanlagen gestaltet, wie sieht es mit der Erreichbarkeit von öffentlichen Gebäuden aus? Welche Lösungsmöglichkeiten und guten Beispiele gibt es bereits? Diesen Fragestellungen widmete sich die BAGSO in einer umfangreichen anonymen Befragung, in der ältere Menschen unmittelbar angesprochen und um ihre persönliche Einschätzung gebeten wurden. Mitmachen konnte jeder ältere Mensch, der in einem Ort mit mindestens 2.000 Einwohnern lebt.

Methodik Der sechsseitige Fragebogen konzentrierte sich auf die Themenfelder a) Wohnumfeld und öffentlicher Raum, b) Mobilität und Verkehr und c) soziales und kulturelles Leben. Zusätzlich wurden Fragen zu soziodemografischen Aspekten gestellt. Der Fragebogen konnte zwischen Juni und Dezember 2011 entweder in der BAGSO-

Die BAGSO-Befragung 2011 – „Alternsfreundliche Stadt“ - Kurzbericht

Geschäftsstelle angefordert, ausgefüllt und dorthin zu ihr zurückgesandt oder unmittelbar in Form eines Online-Fragebogens auf der Homepage der BAGSO beantwortet werden. Bei der Bekanntmachung und Weiterleitung der Fragebögen konnte die BAGSO auf die Unterstützung ihrer Mitgliedsverbände und zahlreicher weiterer Multiplikatoren zurückgreifen, so dass bundesweit sehr viele ältere Menschen erreicht wurden.

Beschreibung der Stichprobe Insgesamt liegen 1.956 gültige Fragebögen vor; drei Viertel in Papierform und ein Viertel als Online-Version. Das Durchschnittsalter aller Befragten liegt bei 71 Jahren. Knapp 10% sind unter 60 Jahren, etwa 30% zwischen 60 und 69 Jahre alt, gut 40% zwischen 70 und 79 Jahre alt und knapp 20% sind 80 Jahre alt und älter. Mit 63% haben deutlich mehr Frauen als Männer (37%) teilgenommen. Die Befragten leben zu beinahe gleich großen Anteilen in Klein-, Mittel- bzw. Großstädten. Mit 55% wohnt mehr als die Hälfte der Befragten in einem Mehrpersonenhaushalt, 37% leben allein und 8% in einer Senioreneinrichtung. Die Befragten wurden um Angaben zu körperlichen Einschränkungen gebeten, die ihre Mobilität negativ beeinflussen. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, zumindest leichte Probleme beim Gehen oder Bücken zu haben. 43% geben Seh- und 39% Hörprobleme an. Jeder Dritte berichtet von Problemen in der Fingerfertigkeit. 26 % der Befragten verwenden eine oder mehrere Arten von Mobilitätshilfen: 14% aller Befragten nutzen einen Gehstock, 11% einen Rollator, 3% einen Rollstuhl und 5% nutzen persönliche Begleitung. Dies zeigt, dass Rollatoren deutlich an Akzeptanz gewonnen haben und im Stadtbild immer sichtbarer werden. Die große Mehrheit (85%) bewegt sich täglich außerhalb der Wohnung zu Fuß, weitere 8% zumindest ein- bis mehrmals pro Woche. Das Auto wird von 41% der Befragten als Selbstfahrer täglich benutzt, 20% nutzen es wöchentlich, 9% seltener und fast ein Drittel (30%) niemals. 8% sind aber täglich und 22% wöchentlich Mitfahrer in einem Auto. Während 28% täglich und 19% wöchentlich Fahrrad fahren, nutzen es 15% seltener und 38% nie. Öffentliche Nahverkehrsmittel werden von 19% täglich, 23% wöchentlich, 47% selten und 10% nie verwendet. Der Bahnfernverkehr wird nur von einer Minderheit täglich oder wöchentlich genutzt; 70% nutzen ihn aber zumindest ab und zu. Taxen werden noch seltener in Anspruch genommen.

Störende Aspekte in der Wohnumgebung, im Wohnviertel und in der Stadt Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung sollten zunächst in freier Form maximal fünf Aspekte nennen, die sie in ihrer Wohnumgebung, ihrem Viertel oder 2

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ihrer Stadt stören. Insgesamt werden 3.667 Beschwerden vorgebracht. Als Hauptproblembereiche werden die mangelnde Sauberkeit von Straßen und Plätzen, jegliche Art von Verkehrsproblemen und ein ungepflegtes Stadtbild benannt.

Was stört in der Wohnumgebung am meisten? 527

mangelnde Sauberkeit motorisierter Verkehr

520

Stadtbild, kommunale Dienste

459 331

Ärgernisse für Fußgänger Radf ahrer, Radwege

251

Lärm

248 224

Einkauf ssituation, Versorgung

151

bestimmte Personengruppen

150

Versorgung mit ÖPNV

130

mangelnde Sicherheit und Kontrolle

107

nicht altersgerechter ÖPNV mangelnde oder dreckige WCs

105

unbef riedigende Interaktion und Kontaktmöglichkeiten

103 83

manglende Barrieref reiheit

74

Politik, zu wenig Mitwirkung

56

Kultur- und Freizeitangebote

52

Probleme mit Wohnraum

96

Sonstiges 0

100

200

300

400

500

Handlungsbedarfe für eine seniorengerechte Stadt 56% der Befragten sehen einen großen Handlungsbedarf bei der Sauberkeit der öffentlichen Grünanlagen und Plätze. Fast ebenso viele fordern Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im Verkehr (54%) und mehr öffentlich zugängliche Toiletten (53%). Weitere 45% der Befragten fordern Veränderungen im öffentlichen Personennahverkehr, 44% wollen Verbesserungen für gehbehinderte Menschen und 43% mehr oder bessere Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum. Für 40% der Befragten ist eine Erhöhung der Sicherheit auf Plätzen und in Grünanlagen dringlich, während Verbesserungen für seh- und hörbehinderte Menschen jedem Vierten wichtig sind.

Hindernisse und Barrieren Die Befragten sollten einschätzen, inwiefern mögliche Barrieren und Hindernisse Auswirkungen auf ihre Aktivitäten außerhalb ihrer Wohnung haben. Hierzu wurden

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typische Hindernisse in den Bereichen Umgebung und Plätze, Mobilität sowie Sonstiges vorgegeben und die Befragten sollten hierzu Stellung nehmen. Im Bereich Umgebung und Plätze sind es vor allem die fehlenden öffentlichen Toiletten, die fast drei Viertel der Befragten bei Aktivitäten außer Haus stören. Zu wenige Sitzgelegenheiten stören 57%. 43% monieren ungepflegte Grünanlagen, Straßen und Plätze und 41% stören sich unterwegs an „unangenehmen Leuten“, d.h. rücksichtslosen oder angsteinflößenden Personen. Fehlende behindertengerechte Toiletten stören 39%, jeder Vierte bemängelt eine nicht ausreichend helle Straßenbeleuchtung. Dabei stören sich Frauen deutlich häufiger an einer zu dunklen Straßenbeleuchtung als Männer. Frauen bemängeln ebenfalls häufiger fehlende Sitzgelegenheiten und öffentliche Toiletten. Personen, die Probleme beim Gehen und Bücken angeben, sind von fehlenden Sitzgelegenheiten und fehlenden behindertengerechten Toiletten stärker betroffen. Die genannten Hindernisse schränken die Befragten in unterschiedlichem Maße in ihren außerhäuslichen Aktivitäten ein. Zu wenige Sitzgelegenheiten und zu wenige bzw. nicht behindertengerechte Toiletten stören ebenso wie „unangenehme Leute“ vor allem beim Einkauf und beim Spaziergang. Im Bereich Mobilität waren insgesamt neun mögliche Hindernisse vorgegeben, die von den Befragten dahin gehend bewertet werden konnten, ob sie sie persönlich stören oder nicht. 70% der Befragten stören sich an rücksichtslos auf den Gehwegen fahrenden Radfahrerinnen und Radfahrern. Auch unebene und damit unsichere Gehwege empfinden 65% als störend. Ein größeres Ärgernis stellen PKWs dar, die auf Fuß- oder Radwegen parken (60%), sowie zu komplizierte Fahrkartenautomaten (59%). 44% der Befragten ärgern sich über zu kurze Ampelphasen für Fußgänger, ein gutes Drittel (34%) über mangelnde nahe gelegene Parkplätze und 27% stört es, dass die öffentlichen Verkehrsmittel zu selten fahren. Von mangelnder Sicherheit in den öffentlichen Verkehrsmitteln fühlen sich 20% beeinträchtigt, und dass die nächste Haltestelle zu weit entfernt liegt, ärgert immerhin noch 16% der Befragten. Die genannten Barrieren im Bereich Mobilität stören die Befragten vor allem beim Einkaufen und Spaziergang außer Haus. Arztbesuche werden durch fehlende nahe gelegene Parkplätze, zu weit entfernte Haltestellen oder generell zu schlechte ÖPNV-Anbindung erschwert. Letzteres schränkt auch kulturelle Aktivitäten ein; wobei hier noch erschwerend hinzukommt, dass sich viele Befragte (abends) in öffentlichen Verkehrsmitteln unsicher fühlen. Die Hindernisse, die im dritten Bereich („Sonstiges“) angesprochen wurden, bereiten den Befragten insgesamt weniger Schwierigkeiten. 43% stört es, dass Schilder, Beschriftungen und Fahrpläne schwer zu lesen sind, jeweils etwa ein Fünftel stört sich 4

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an schlechter Akustik, an schwer zugänglichen Gebäuden und an ungünstigen Öffnungs- bzw. Veranstaltungszeiten. Diese Barrieren bereiten vor allem bei Behördengängen und dem Besuch kultureller Veranstaltungen Schwierigkeiten.

Aktivitäten außer Haus Gut ein Fünftel der Befragten vermisst es, regelmäßig nach draußen unter Leute zu kommen, während 31% eher nicht und gut die Hälfte dies gar nicht tun. Das kann vielfältige Ursachen haben, z.B. nachlassende Anlässe für Besuche bei Freunden und Bekannten, nachlassende Mobilität, Barrieren außer Haus oder auch ein zunehmendes Unsicherheitsgefühl. Während sich tagsüber nur 13% außerhalb der Wohnung eher oder sehr unsicher fühlen, fühlen sich bei Dunkelheit 29% eher unsicher und weitere 28% sogar sehr unsicher. Mit zunehmendem Alter und zunehmenden körperlichen Einschränkungen nimmt das Gefühl der Unsicherheit zu. Vor allem ältere Frauen fühlen sich hierdurch in ihren abendlichen Aktivitäten eingeschränkt.

Positive Veränderungen in der Stadt Die Befragten wurden gebeten, in freier Form Beispiele für positive Veränderungen in ihrem Wohnumfeld, ihrem Wohnviertel und ihrer Stadt zu benennen. Hier kamen insgesamt 1.360 gültige Antworten zusammen. Am häufigsten (197 Nennungen) werden Verbesserungen im kulturellen und sportlichen Angebot und bei Serviceleistungen genannt. Bedeutsame Vorschläge gibt es auch beim Schaffen seniorenspezifischer Netzwerke und Begegnungsstätten (155). Es werden 148 Beispiele für positive Veränderungen im Stadtbild genannt, z.B. bei der Pflege von Grünanlagen, dem Aufstellen von Bänken, Einrichten von Mehrgenerationenspielplätzen und verbesserter Beleuchtung. 145 Nennungen beziehen sich auf das Schaffen von Wohnraum für ältere Menschen, z.B. in Form von Seniorenheimen, betreutem Wohnen oder seniorengerechten Wohnungen. Beispiele für positive Entwicklungen für Fußgängerinnen und Fußgänger, besonders ebene und rollstuhlgerechtere Wege, mehr Zebrastreifen und Überquerungshilfen sowie Absenkungen der Bordsteinkanten werden 135-mal genannt. Barrierefreie Zugänge von Ämtern und Geschäften, Einbauten von Fahrstühlen sowie Wohnungsanpassungsmaßnahmen machen 109 Nennungen aus. Auf eine verbesserte Einkaufssituation und ärztliche oder pflegerische Versorgung entfallen 99 Angaben. Auch Antworten, die eine altersgerechte Umgestaltung von Bahnhöfen und Bus- und Straßenbahnhaltestellen sowie den Einsatz von Niedrigflurbussen beinhalten, summieren sich auf 98. 65 Fälle beziehen sich auf eine seniorenfreundlichere Politik und Tätigkeit der Stadtverwaltung sowie die Aktivitäten der Seniorenvertretungen. Als positive Veränderungen bzgl. des motorisierten Verkehrs fallen vor allem Maßnahmen der Verkehrsberu5

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higung sowie die Einrichtung zusätzlicher Parkplätze auf (64). 55 Beispiele beziehen sich auf eine bessere Versorgung im öffentlichen Personennahverkehr, 23 Beispiele auf positive Entwicklungen für Radfahrerinnen und Radfahrer. Beispiele für Maßnahmen zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls und zur Verbesserung der Toilettensituation werden nur vereinzelt genannt. Die sonstigen 35 Nennungen machen 3% aller Antworten aus.

Eine Stadt für alle Lebensalter Die breite Mehrheit der Befragten äußert sich zustimmend zur Aussage, dass Kindergärten und Spielplätze ebenso mitten in die Stadt gehören wie Seniorenheime. 13% stimmen dieser Aussage eher nicht oder gar nicht zu. In Anspielung auf die in den USA verbreiteten Seniorensiedlungen, wie z.B. Sun City in Arizona, die sich ausschließlich an den Interessen der älteren Generation ausrichten, in denen es z.B. eine Mindestaltersgrenze für den Zuzug gibt und in der Jüngere lediglich vorübergehend zu Besuchszwecken wohnen können, wurden die Befragten gebeten, sich zu der Aussage: „Ich könnte mir vorstellen, in einer reinen Seniorengemeinde zu leben“ zu positionieren. Immerhin 10% stimmen dem voll zu und weitere 11% stimmen eher zu. Dennoch wünscht sich die absolute Mehrheit der Befragten (98%) eine Stadt, die für alle Generationen attraktiv ist. Bonn, im April 2012 P.S. Der ausführliche Bericht zur BAGSO-Befragung 2011 „Alternsfreundliche Stadt“ kann auf der Homepage www.bagso.de heruntergeladen werden. Konzeption und Auswertung: Dr. Claudia Kaiser, Carsten Klein Kontakt: Dr. Claudia Kaiser Referentin für Gesundheits- und Pflegepolitik Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) Bonngasse 10, 53111 Bonn Tel.: 02 28 / 24 99 93 26 Fax: 02 28 / 24 99 93 20 E-Mail: [email protected]

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