KULTUR7 Der lange Schatten der Apple-Legende

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KULTUR

D ONNERST AG, 12. NOVEM BER 20 15

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Der lange Schatten der Apple-Legende Das Genie als Würstel: Ein Film nähert sich dem Apple-Gründer Steve Jobs an – mit durchwachsenem Erfolg. MAGDALENA MIEDL

Rückschläge, Erfolge, wichtigste Weggefährten – all das gehört bei einer zünftigen Filmbiografie dazu. Bei „Steve Jobs“ von Danny Boyle („Slumdog Millionär“), der am Freitag ins Kino kommt, liegt die Sache anders: Das Filmporträt des Apple-Gründers und Masterminds, dessen Buchbiografie sich bei Erscheinen 2011 wie die neueste iPhone-Version verkaufte, ist schon das zweite innerhalb von nur drei Jahren. 2012 scheiterte der Film „Jobs“ mit Ashton Kutcher in der Titelrolle, dem Kritiker den Duktus eines konventionellen Fernsehspiels attestierten. Er spielte nur knapp seine Produktionskosten ein. Stardrehbuchautor Aaron Sorkin verfolgt nun bei „Steve Jobs“ einen ganz anderen Ansatz: Er ist der Autor der TV-Serien „The Newsroom“ und „The West Wing“, berühmt für seine eleganten Dialoge, er schrieb David Finchers „The Social Network“ und wird gern dafür gepriesen, aus zeitgenössischem Material Konstellationen von shakespearescher Strahlkraft zu entwickeln. Hier versucht er das mit den Stilmitteln Reduktion und Übertreibung: Zum einen ist das eine strukturelle Eingrenzung auf drei besonders theatralische Momente in Jobs’ Leben, nämlich jeweils die Stunden vor drei entscheidenden Produktpräsentationen, die Jobs als Superevents in Rockkonzertgröße inszeWIEN.

nierte. Und zum anderen sind diese drei Akte überfrachtet, nicht nur mit technischen und wirtschaftlichen Konflikten, sondern auch mit privaten Problemen. Wie in einem Tür-auf-Tür-zu-Theaterstück kommen alle vorbei, die in der jeweiligen Lebensphase ein Anliegen bei Jobs haben. Eifersucht, Gier, Liebesentzug, Verrat, alles kommt auf die Leinwand. Hier ist dann auch der Haken: Sorkin und sein Regisseur Boyle konzentrieren sich so aufs Allgemeinmenschliche, dass das Spezielle an Steve Jobs (gespielt von Michael Fassbender) unterwegs abhandenkommt. Und da Jobs in diesem Film vor allem ein unangenehmer Narzisst ist, der die Menschen um sich herum finanziell, fachlich und emotional ausnutzt, ist das trotz Sorkins Imponierdramaturgie nicht speziell interessant anzusehen.

SN-KINOSEITE

Filmstarts der Woche

Aaron Sorkin war bei seinem Drehbuch „The Social Network“ über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ein Fokus auf Freundschaft, Liebe und Verrat gelungen. Bei „Steve Jobs“ will das nicht recht funktionieren. Zwar ist Kate Winslet als Jobs’ Marketingleiterin Joanna Hoffman immer an seiner Seite, doch nie wird erläutert, warum sie

Steve Jobs’ Profil kommt in der Filmbiografie abhanden. BILD: SN/UPI

ihm denn so treu ergeben ist. Die Konflikte mit Apple-Mitbegründer und Genie Steve Wozniak (Seth Rogen), mit dem zwischenzeitlichen Apple-CEO John Sculley (Jeff Daniels) und mit Jobs’ heranwachsender Tochter erzählen nichts über die beteiligten Figuren, sondern führen ausschließlich Jobs’ mangelhaften Charakter vor. Und der Schlenker ins Dann-doch-Menschliche am Ende kommt zu spät, um noch Sympathie für diesen Mann zu erzeugen. Jobs’ Kreativität, sein Humor, sein Scharfsinn sind nie Thema. Das ist ein merkwürdiger Kontrast zur Besetzung mit Michael

Lehre, Liebe, Lebensleid Alle Jahre wieder kommt ein neuer Woody-Allen-Film: „Irrational Man“. MAGDALENA MIEDL WIEN. All diese klugen jungen Frau-

en, schlagfertig und großäugig und abenteuerlustig, ob Diane Keaton oder Scarlett Johansson oder Evan Rachel Wood oder Emma Stone. All diese älteren charismatischen verschrobenen Männer mit emotionalem Knacks, ob Woody Allen oder Larry David oder Javier Bardem oder Colin Firth. Sie verliebt sich in ihn, er wehrt ab und will dann doch, und als sie nicht mehr will, ist er unglücklich, und es ist alles ein Desaster, aber sie ist danach erwachsen geworden. Und er hatte dabei auch seinen Spaß. Nein, originell sind Woody Allens Liebeskomplikationskomödien allesamt nicht, aber trotzdem sehr gut beobachtet, vermutlich, weil verliebte Menschen im Allgemeinen gar nicht so originell sind, wie sie selbst vermuten – und das schließt auch Allen selbst ein, der seine eigenen Wünsche und

Liebesleid mit Variationen: Emma Stone, Joaquin Phoenix. BILD: SN/WARNER

Neurosen unweigerlich einbaut. In „Irrational Man“ variiert Allen das Thema in Richtung smarte Studentin (Emma Stone) und lebensmüder Philosophieprofessor (Joaquin Phoenix): Sie möchte von ihm lernen und ihn zugleich retten, er jedoch ist vor lauter Überdruss impotent und findet erst wieder Geschmack am Dasein, als er als philosophisch-moralische Fingerübung den perfekten Mord im Dienste eines größeren Guten plant. Unterwegs passieren ein paar unvorher-

gesehene Dinge, im Großen und Ganzen erfüllt „Irrational Man“ aber alles, was von einem Woody Allen-Film erwartet wird. Bemerkenswert ist dabei Parker Posey in der Nebenrolle als Chemieprofessorin. Sie verdeutlicht eines: dass Woody Allen ältere Frauen eigentlich viel spannender schreibt als jüngere. Und dass er leider nicht davonlassen kann, die jungen in den Vordergrund zu stellen, die jeweils ein paar Komödien lang interessant bleiben, bevor sie gegen eine Nächstjüngere ausgetauscht werden. Die nächste Kandidatin ist längst in Arbeit: Kristen Stewart dreht derzeit mit Allen in New York. Dass ein älterer charismatischer Mann vor der Kamera zu finden sein wird, ist nicht auszuschließen. Film: Irrational Man. Tragikomödie, USA 2015. Regie: Woody Allen. Mit Joaquin Phoenix, Emma Stone, Parker Posey, Tom Kemp. Start: 13. 11.

Fassbender, jenem Schauspieler, duktpräsentationshysterie dereinst der in den vergangenen fünf Jahren als Goldenes Zeitalter betrachtet fast jede Variante des schmerzvol- werden, in der wir sorglos Oberlen Mannseins durchgespielt hat, flächlichkeiten nachhetzten, dermit der Sexsucht in „Shame“, mit weil sich freilich längst ganz andere formierten. schrägstem Indie-Musikertum in Herausforderungen „Frank“, mit dem IRA-Hunger- Aber das ist eine andere Geschichte. streiktod in „Hunger“, der Men- Steve Jobs’ Strategie, die Welt mögschenschinderei in „Twelve Years a lichst schick zu verpacken und beSlave“, zerquältem Ehrgeiz in „Mac- nutzerfreundlich zu gestalten, wird dafür nicht mehr genügen. beth“. Nun spielt Fassbender diese Figur, die daneben ein Würstel an Film: Steve Jobs. Filmporträt, USA Selbstbezogenheit ist: Wenn das ei- 2015. Regie: Danny Boyle. Mit: Michael ne prägende Figur unserer jüngeren Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Vergangenheit ist – wie läppisch ist Michael Stuhlbarg, Jeff Daniels, dann erst unsere Gegenwart? Aber Katherine Waterston, Perla Haneyvielleicht wird ja die Ära der Pro- Jardine. Start: 12. 11.