KULTUR7 Der Kampf ums Lesbischsein in Hollywood

07.04.2016 - Bank habe ihm einen Kredit verwei- gert, trotz vorhandener Sicherhei- ten. ... Finanzierung von Firmenprojek- ten über viele kleine Anleger auf.
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Der Kampf ums Lesbischsein in Hollywood Die Schauspielerin Ellen Page im Interview über das Bürgerrechtsdrama „Freeheld“ – und über ihre eigene Geschichte als Homosexuelle. MAGDALENA MIEDL

Mutige Polizeikommissarin (gespielt von Julianne Moore) und burschikose Automechanikerin (Ellen Page, aus „Juno“): Das Drama „Freeheld“ beginnt als zärtliche, humorvolle Liebesgeschichte unter Frauen. Doch als die eine schwer an Krebs erkrankt, weigert sich die Pensionsversicherung, der anderen die jedem Ehepartner zustehenden Bezüge zu zahlen. „Freeheld“ schildert die wahre Geschichte des Bürgerrechtskampfes, den die Polizistin Laurel Hester in ihren letzten Lebensmonaten führte. Der gleichnamige Kurzdokumentarfilm bekam 2008 einen Oscar. Im SN-Interview erläutert Schauspielerin und Produzentin Ellen Page, warum ihr dieser Film so wichtig war und wie sich ihr eigenes Leben seit ihrem Coming-out verändert hat. WIEN.

SN: Wir wissen, dass ein Film kaum die Welt verändern kann. Aber welche Auswirkungen wünschen Sie sich von „Freeheld“?

Ellen Page: Natürlich hoffen wir, dass Menschen diesen Film sehen, die das Problem in seiner Tragweite bisher vielleicht nicht verstanden haben und die vielleicht eine lesbi-

sche Tochter haben und versuchen, sie zu akzeptieren, und sich schwer damit tun. Wenn man die realen, katastrophalen Effekte von Diskriminierung sieht und das durch eine zärtliche Liebesgeschichte erzählt bekommt, dann bewegt das die Leute hoffentlich. Meiner Erfahrung nach kann ein Film seinem Publikum schon helfen, festzustellen: „Oh, bisher habe ich lesbische Liebe als anders und komisch wahrgenommen, aber das ist sie ja gar nicht. Es ist dasselbe.“ Wir hoffen eben, dass dadurch Mitgefühl und Empathie wachsen. SN: Bei den Interviews zu „Carol“ (der Verfilmung einer lesbischen Liebesgeschichte von Patricia Highsmith, Anm.) sagte Regisseur Todd Haynes, Hollywood habe sich seit den 1950er-Jahren kaum verändert, was die Offenheit betrifft. Sind Sie da optimistischer?

Oh ja. Ich meine, in den Fünfzigerjahren konntest du in Los Angeles noch verprügelt und ins Gefängnis geworfen werden fürs Lesbischsein. Natürlich gab es einen Wandel, und wir haben ja heute auch vielfältigere Geschichten im Kino und im Fernsehen. Wir haben Geschichten von Transleuten, aber ja, es ist noch viel zu tun. Es braucht mehr Filme

schwulen Anliegen befragt, wie auch jetzt. Ist das manchmal ermüdend?

Polizistin (Julianne Moore) und Automechanikerin (Ellen Page, r.) kämpfen BILD: SN/UNIVERSUM FILM als lesbisches Paar um ihre Rechte.

mit Afroamerikanern, und mit amerikanischen Ureinwohnern, aber es findet eine Änderung statt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich in den Fünfzigerjahren ein Comingout haben und damit glücklich hätte sein können. Das wäre einfach nicht passiert, Punkt. SN: Trotzdem gibt es in Hollywood immer noch sehr wenige offen lesbische Frauen. Ist das aus Sorge, weniger Rollen zu bekommen?

Tatsächlich, es gibt offensichtlich sehr viele schwule und lesbische Leute auf der Welt, und sehr wenige

offen schwule und lesbische junge Schauspielerinnen und Schauspieler. Es existiert da eine Angst, die ich auch gefühlt habe: Ich hab jahrelang geschwiegen, aus Sorge, dann keine Jobs mehr zu kriegen. Aber auch das ändert sich, und je mehr Leute ihr Coming-out haben, desto besser. Ich verstehe das Gefühl und die Angst vor dem Unausgesprochenen. Aber ich habe das ganz klar hinter mir und frage mich, Film: Freeheld. Drama, USA 2015. Rewovor, verdammt, ich denn so gro- gie: Peter Sollett. Mit Julianne Moore, Ellen Page, Steve Carell, Luke Grimes, ße Angst hatte. SN: Sie werden fast in jedem Interview zu lesbischen und

Allein gegen die Finanzmarktaufsicht Eine Dokumentation porträtiert den aufmüpfigen Waldviertler Schuhmacher Heini Staudinger. MAGDALENA MIEDL WIEN. Mehr, noch mehr, und möglichst heimlich: Geldgeschäfte haben dieser Tage keinen guten Ruf. Nun kommt die Doku „Das Leben ist keine Generalprobe“ von Nicole Scherg ins Kino, die von einem handelt, der es anders probiert. Heini Staudinger, „Finanzrebell“ und Arbeitgeber für 250 Menschen in der Krisenregion Waldviertel, kann sich vor Aufträgen für seine bequem geschnittenen Schuhe kaum retten, seit er zur Symbolfigur für zivilen Ungehorsam geworden ist. Er erzählt die Geschichte so: Ein benachbartes Unternehmen sei in der Krise 2008 pleitegegangen, und Staudinger habe die Fertigungshalle ankaufen wollen, um selbst zu expandieren. Doch die Bank habe ihm einen Kredit verweigert, trotz vorhandener Sicherheiten. Also fragte Staudinger Bekannte und Freunde, schließlich auch Kunden, ob sie bei ihm Geld einlegen wollten. Insgesamt hatte er sich von Privatpersonen 2,8 Mill. Euro ausgeliehen, bei 4 Prozent Zinsen. Staudinger kaufte seine Halle. Und das Geschäft läuft weiterhin prächtig, ob-

Aufrecht im sozialen Kampf: Heini Staudinger.

wohl er im Waldviertel produziert und seine Konkurrenz internationale Konzerne sind, die in China für höchstens ein Fünfzigstel der Kosten fertigen lassen. 2012 zeigte ihn jedoch die Finanzmarktaufsicht (FMA) an, er betreibe „bankähnliche Geschäfte“, ohne dafür die Zulassung zu haben. Und nun wurde Staudinger wirklich berühmt. Die Dreharbeiten begannen, noch bevor der Brief der FMA einlangte, und so gelingt es Nicole

BILD: SN/POLYFILM

Scherg mit ihrem Kinodebüt, die gesamte Geschichte einzufangen. „Das Leben ist keine Generalprobe“ schildert dieses besondere Unternehmen umfassend, vom Handwerk bis zum ethischen Überbau: die Zusammenarbeit mit Partnerbetrieben, die Entwicklung neuer Modelle, die Arbeit an den unverhohlen politischen Kundenmagazinen ebenso wie die Entwicklungszusammenarbeit mit einem Zulieferbetrieb in Tansania und den Um-

Ich betrachte das als Symptom für die Situation, in der wir uns immer noch befinden: Wenn alles, was ich mache, über meine Sexualität verstanden wird, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Erst dann ist alles gut: Wenn eine junge Schauspielerin sich nicht unter Druck fühlt, eine Rede zu halten bei ihrem Coming-out, und sie einfach existieren kann, wie jede HeteroSchauspielerin unhinterfragt existiert. Aber ich rede lieber ununterbrochen vom Lesbischsein, als mich noch einmal so zu fühlen wie vor meinem Coming-out. Ich bin jetzt so glücklich und fühl mich so kreativ, das Leben ist wieder aufregend und schön. Ich kann frei jemanden lieben und ihre Hand halten, wenn wir die Straße hinuntergehen, und nicht die Entdeckung fürchten! Wenn das bedeutet, dass ich jeden Tag über meine Sexualität reden muss, ja, dann bitte gerne.

gang mit neuen Lehrlingen – „Ihr seid die Zukunft der österreichischen Schuhindustrie!“ – mitten in der Krisenregion. Und der Film zeigt Staudinger als gerechtigkeitsfanatischen Sozialrevolutionär, der morgens nackt im Teich badet, mittags Unterstützungen für alleinerziehende Mütter ersinnt und nachmittags mit Wirtschaftsminister Mitterlehner Tacheles redet. Dass sein Zugang und sein Finanzierungsmodell funktioniert, beweist Staudingers Erfolg. Vor Gericht verlor er zwar gegen die FMA, doch sein Fall war Anlass, in Österreich erstmals über Crowdfunding zu diskutieren. Seit September 2015 gibt es das Alternativfinanzierungsgesetz, das die Finanzierung von Firmenprojekten über viele kleine Anleger auf legale Beine gestellt hat. „Geld ist ein Werkzeug. Geld ist nicht Gott“, sagt Staudinger, und man wünschte, es würden die meisten so denken. Film: Das Leben ist keine Generalprobe. Ö 2016. Regie: Nicole

Scherg. Mit Heini Staudinger, Moreau, Reinhold Mitterlehner u. a.

Michael Shannon, Josh Charles, Mary Birdsong, Kelly Deadmon. Kinostart: Freitag, 8. 4.

Buben müssen Minen entschärfen WIEN. Mai 1945: Eine Gruppe deutscher Kriegsgefangener in Dänemark wird abkommandiert zum Minenräumdienst. Insgesamt 2,2 Millionen Landminen platzierten die deutschen Besatzer an Nordseestränden. Die Dänen sind der Ansicht: Diejenigen, die das angerichtet haben, müssen es auch aufräumen. Es ist eine tödliche Arbeit. „Unter dem Sand“ erzählt davon. Deutsche Wehrmachtssoldaten als Opfer, nicht als Täter, sind eine heikle Sache. Unter der Regie des Dänen Martin Zandvliet wird daraus rührseliges Drama: Die Soldaten in seinem Film sind junge Buben. Der dänische Feldwebel, zu Beginn entschlossen, die Feinde zu hassen, hat bald Probleme damit. „Unter dem Sand“ ist geradlinig inszeniert, doch durch die Zuspitzung auf eindeutige Opfer moralisch haarsträubend eindimensional. Wie groß und wichtig könnte ein Film sein, der die Frage nach der Unteilbarkeit von Menschenrechten eines Kriegsverbrechers stellt – doch Zandvliet lässt all diese Zweideutigkeiten aus. Dafür gibt’s windzerwühlte Blondfrisuren, ein kleines Mädchen mit Zöpfen, und Ehre, und das ist dann doch alles ziemLENA lich fragwürdig.