Krankenhäuser? - Die Malteser

Das ist auch keine Erkenntnis des 20. oder 21. ... Wir leben heute in einer Zeit zunehmen- der und fast schon .... Es ist das ewige Dilemma: Kostendruck.
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Warum brauchen wir katholische

Krankenhäuser? Aus personaler, gesellschaftlicher und kirchlicher Sicht ist für katholische Einrichtungen im Gesundheitswesen zu plädieren. Sie zeigen, dass christliche Werte gelebt und umgesetzt werden.

Franz Graf von Harnoncourt Bild: Andrea Steinhart

DASS ES KEINEN katholischen Blinddarm, keine katholische Herzoperation und auch keine christliche Blutdrucktablette gibt, sollte nicht grundlegend überraschen. Das ist auch keine Erkenntnis des 20. oder 21. Jahrhunderts.

Patienten wollen keine „mechanistische Reparatur“ Dass in Krankenhäusern aber nicht nur ein Blinddarm operiert, ein krankes Herz behandelt oder ein erhöhter Blutdruck „eingestellt“ wird, sondern dass die Behandelnden es zuallererst und vor allem mit hilfesuchenden und daher abhängigen Menschen zu tun haben, die an Symptomen oder Erkrankungen leiden, differenziert die simple naturwis-

Die Frage, ob eine Pflegekraft eine persönliche Glaubenserfahrung, wie diese Ordensfrau, oder ein hohes fachliches Know-how haben sollte, greift zu kurz. Es geht um ein „Miteinander“: höchste medizinische und pflegerische Qualifikation gepaart mit dem christlichen Ansatz vom Wert jedes einzelnen Menschen.

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Hier ist Platz für das christliche Menschenbild Somit stellt sich aber die Frage des dahinterliegenden Menschenbildes und des Selbstverständnisses, mit dem an den Menschen und seine Erwartungen, Bedarfe und Bedürfnisse herangegangen wird. Es scheint selbsterklärend, warum es in einer fast immer noch christlich durchdrungenen Gesellschaft wichtig, nötig und selbstverständlich sein sollte, darüber nachzudenken, ob nicht genau hier Platz für ein bewusstes und gelebtes christliches Menschenbild sein müsste. Damit stellt sich aber für Krankenhäuser und ihre Träger die Frage, ob dieses Bekenntnis gewünscht und notwendig ist und wie es sichergestellt werden kann – durch Trägerschaft, durch Angebot oder in der Hoffnung, dass gelebte soziokulturelle Praxis und Spiritualität diese Frage auf struktureller Ebene überflüssig machen. Die Frage, ob ein Arzt besser Rosenkranz beten oder hochqualifiziert operieren sollte oder ob eine Pflegekraft eine persönliche Glaubenserfahrung oder eine hohe fachliche Expertise haben sollte, ist grundsätzlich zu kurz gegriffen. Es geht nicht um ein „Entweder-oder“, sondern um ein „Miteinander“: höchste wissenschaftlich-medizinische und pflegerische neue caritas Jahrbuch 2015

Qualifikation gepaart mit dem christlichkatholischen Ansatz der Personalität jedes Individuums und der Ebenbildlichkeit des Menschen zum Schöpfergott. Die immer gleiche Frage der sich ausschließenden oder ergänzenden Dualität ist in diesem Falle – auch medizinisch – eindeutig zu beantworten: So wie das Zusammenspiel von Ratio und Emotio die selbstverständliche Vorstellung menschlichen Seins darstellt, muss diese Symbiose auch in der personalen Betreuung kranker und hilfsbedürftiger Menschen gefordert werden. Das ist die personale Dimension, die den Bedarf nach werteorientierten, persönlichkeitszentrierten Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen schlüssig nachvollziehen lässt.

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit Wir leben heute in einer Zeit zunehmender und fast schon ausschließlicher Ökonomisierung unserer Gesellschaft. Sinnhaftigkeit und gesellschaftlicher Nutzen werden immer mehr aus einer einseitigen Ausrichtung auf die wirtschaftliche Bewertung hin verstanden. Vor diesem Hintergrund muss die Frage gestellt werden, ob Bereiche der Grundversorgung und Bereiche, die die unmittelbare menschliche Verletzlichkeit berühren, tatsächlich und ausschließlich privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Interessen überlassen werden dürfen. Das Betreiben von kirchlichen, christlichen Krankenhäusern – und von Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen ganz allgemein – ersetzt nicht den privatwirtschaftlichen Ansatz. Es setzt aber ein bewusstes und klares Statement, dass eine Werteorientierung die Gewinnorientierung kontrapunktisch ergänzen kann und soll. Das schließt wirtschaftli99

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senschaftliche Herangehensweise. Die gesellschaftliche Erwartung, dass in einer Einrichtung des Gesundheits- und Sozialwesens nicht nur mechanistische Reparatur hochprofessionell und unpersönlich – um nicht zu sagen unmenschlich – betrieben wird, sondern dass auch bewusst ein Zugang zum Menschen gesucht wird, ist mittlerweile nicht nur in Patientenrechten verankert, sondern tatsächlich Allgemeingut.

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ches Handeln nicht aus. Ganz im Gegenteil: Es setzt sie im Sinne der nachhaltigen Überlebensfähigkeit und Präsenz in der Gesellschaft geradezu voraus. Doch die Frage nach Mittel und Zweck ist jeweils eindeutig zu beantworten: Gemeinnützigkeit sieht als letzten Sinn und Ziel die Präsenz der festgeschriebenen Werte in der Gesellschaft. Privatwirtschaftliche Orientierung dagegen muss im Letzten die Befriedigung von Gewinn- und Renditeerwartungen in den Mittelpunkt stellen. Damit setzen kirchliche Krankenhäuser das klare Memento, dass in einer durchökonomisierten Welt Gemeinnützigkeit im Sinne des Tuns um einer Sache, um eines Wertes willen hohen gesellschaftlichen Wert besitzt und dass der Mensch eben um seiner selbst willen und nicht wegen seiner Profitfähigkeit einen Wert hat. Dass für christliche, katholische Einrichtungen diesen Wert das christlich katholische Menschenbild darstellt, ist selbsterklärend.

Die kirchliche Dimension Nach der personalen und der gesellschaftlichen scheint als dritte Antwort auf die Frage, ob es kirchliche Einrichtungen in der Medizin überhaupt braucht, die kirchliche bedenkenswert. Gerade die von Papst Franziskus so eindeutig und eindrucksvoll eingeforderte Präsenz konkreten christlichen Handelns und Tuns in unserer Welt braucht auch – und vielleicht sogar besonders – in einer hochzivilisierten, hochtechnisierten und perfekt durchorganisierten Medizin Stützpunkte der spirituellen und religiösen Dimension. In Mitteleuropa stellen sich eben nicht nur existenzielle Überlebensfragen, sondern auch substanzielle Wertfragen. Also benötigt auch die Kir100

che diese Orte, an denen christliches Handeln in der Dynamik des Wissenszeitalters und der durchkapitalisierten Welt des 21. Jahrhunderts gelebt und praktiziert werden kann. Auch die Kirche braucht diese fühlbare und spürbare „caritas“ – besonders an Orten höchster Professionalität.

Kirchliche Krankenhäuser stehen für christliche Werte Angesichts des dringenden Bedarfs ist aus personaler, gesellschaftlicher, aber auch aus kirchlicher Sicht nachdrücklich für christliche, katholische Einrichtungen im Gesundheitswesen zu plädieren. Sie sind ein gesellschaftliches Statement, dass christliches Selbstverständnis als Herausforderung gelebt werden und konkret begreifbar bleiben muss. Aber sie werden nur dann gebraucht und sind nur dann glaubwürdig, wenn sie in ihrem täglichen Tun für ihre Wahrhaftigkeit und ihre spirituelle Orientierung in diesen drei Dimensionen arbeiten und kämpfen – auch in dem Wissen um die tagtägliche Unzulänglichkeit in der Umsetzung.

Dr. Franz Graf von Harnoncourt Geschäftsführer Malteser Deutschland gGmbH, Bereich Medizin & Pflege E-Mail: [email protected] neue caritas Jahrbuch 2015

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STATEMENT Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus Neue Ansätze werden den Bedarfen von Demenzkranken und Mitarbeitern gerecht

Kliniken bleiben auf den Kosten sitzen

Es ist das ewige Dilemma: Kostendruck versus personalisierte Medizin, Pflegenotstand versus Menschen mit erhöhtem Zeit-und Orientierungsbedarf. Und mittendrin die Mitarbeiter(innen), die versuchen, ihre Arbeit gut zu tun, in der Routine ein bisschen Zuwendung zu geben und den Menschen mit seiner Demenz nicht aus den Augen zu verlieren. In den letzten Jahren sind eine Reihe guter Modelle und Ansätze für die akutstationäre Versorgung von Menschen mit Demenz entwickelt worden. Special Care Units mit tagestruk-

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turierenden Angeboten, integrative geriatrische Stationen, die Einbeziehung von eigens ausgebildeten Tagesbegleitern oder Demenzlotsen. Doch das alles nur, wenn die jeweiligen Krankenhausträger eigenes Geld in die Hand genommen und den zusätzlichen Aufwand inklusive Evaluation der Maßnahmen aus Bordmitteln finanziert haben. Eine Abbildung des Mehraufwands ist bis heute in den diagnosebezogenen Fallgruppen (DRGs) nicht vorgesehen. In den modernen Pflegewissenschaften dagegen setzen sich aktuell wieder die Vorstellungen einer personenzentrierten Pflege durch. Der Deutsche Ethikrat fordert auf, „dafür zu sorgen, dass die Selbstbestimmung von Menschen mit Demenz beachtet und gestärkt werden kann“. Hehre Ziele. Doch wenn wir wirklich die Bedürfnisse und Perspektiven der uns anvertrauten Menschen wahrnehmen und aus der Sicht der Erkrankten helfen wollen, dann braucht es neben der individuellen Haltung einen breiten gesellschaftlichen Konsens und die Bereitschaft, in die Regelversorgung dieser Menschen zu investieren, damit die akutstationäre Versorgung von Menschen mit Demenz nicht auf einzelne engagierte Träger beschränkt bleibt. Und hier ist die Politik gefragt, durch die Gestaltung von Rahmenbedingungen den Krankenhausträgern die Möglichkeiten zu geben, Menschen mit Demenz eine an ihren Bedürfnissen angelehnte angemessene Versorgung zukommen zu lassen. Dr. Ursula Sottong

Katholischer Krankenhausverband Deutschland

Die stationäre Versorgung von akut erkrankten Demenzpatienten gleicht dem Wettlauf zwischen Hase und Igel. Der eine rennt und rennt und der andere ist einfach da, verhält sich quer zu allen Optimierungsprozessen und Qualitätsinitiativen, hält die Abläufe auf, kostet Zeit und Nerven und versteht letztlich gar nicht, was um ihn herum geschieht. Das Thema Demenz hat die Krankenhäuser schon lange erreicht. Doch im Alltag bleiben die Beteiligten auf der Strecke – Patienten und ihre Angehörigen ebenso wie die Erbringer der Dienstleistungen. Denn: Menschen mit Demenz bringen Sand ins Getriebe und zwingen dazu, Tempo rauszunehmen. Sie sind der lebende Beweis für die „Grenzen des Wachstums“. Umso mehr verwundert es, dass erwartet wird, dass Demenzpatienten sich täglich neu anpassen, den Routinen unterwerfen und trotz ihrer Erkrankung dazu beitragen sollen, dass sie schnellstmöglich und störungsfrei das Krankenhaus wieder verlassen.

Leitung Fachstelle Demenz Malteser Deutschland gemeinnützige GmbH E-Mail: [email protected]

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