Hintergrund Syrien, Sonderausgabe Genf, 22.02.2016

22.02.2016 - Berater nach Genf zu kommen. Als klar war, dass es keine offizielle Rolle für die PYD geben würde, reise Saleh Muslim jedoch am 30.01.2016 ...
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SWP Hintergrund Syrien – Sonderausgabe zur ersten Runde der Genf-III-Verhandlungen 22.02.2016 Petra Becker

Genf- III – Auftakt und vorübergehende Aussetzung Am 29.01.2016 haben die Genf-III-Gespräche im Palais des Nations in Genf begonnen. Zu direkten Gesprächen zwischen der Opposition und dem Regime kam es nicht. Am 03.02. erklärte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, dass die Gespräche am 05.02. vorerst unterbrochen werden sollten, da noch mehr Vorarbeit zu leisten sei. Als Datum der Wiederaufnahme der Gespräche nannte er den 25.02.2016. http://carnegieendowment.org/syriaincrisis/?fa=62631&mkt_tok=3RkMMJWWfF9wsRons6T KZKXonjHpfsX56eokWK6ylMI%2F0ER3fOvrPUfGjI4ARcBqI%2BSLDwEYGJlv6SgFSrnAMbBwzLgFWhI %3D http://www.unog.ch/unog/website/news_media.nsf/%28httpNewsByYear_en%29/56F55856D 462989AC1257F4E007DB923?OpenDocument http://www.unog.ch/unog/website/news_media.nsf/%28httpPages%29/8C2FDB8C1F0C90A1C 1257F4F002E2A44 Vorlauf Die Genf-III-Gespräche gehen auf die Konferenz von Wien am 30.10.2015 zurück. Dort wurde beschlossen, den 2012 beschlossenen politischen Übergang (Genf-I) entschlossener voranzutreiben. Die auf dieser Konferenz anwesenden Staaten und internationalen Organisationen, darunter alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrates (Details im vierten Link) gaben sich daraufhin den Namen „International Syrian Support Group“ (ISSG). Diese traf am 14.11.2015 erneut zusammen und erklärte, Ziel sei es, Anfang Januar 2016 mit Friedensverhandlungen zu beginnen. Daraufhin wurde am 09.12.2015 in Riad eine Konferenz der Opposition einberufen, auf der diese sich auf eine gemeinsame 16-köpfige Delegation und eine gemeinsame Linie einigen wollte, was auch gelang (s. dazu die Newsletter vom 11.11.2015, 17.12.2015 und 22.12.2015 (Links s.u.)) Grundlage ist außerdem die am 18.12.2015 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedete Resolution zu Syrien, die die Vereinten Nationen beauftragt, den politischen Prozess voranzubringen und alle Seiten darauf verpflichtet, Angriffe auf Zivilisten zu stoppen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Eigentlich hatten die Gespräche am 25.01.2016 beginnen sollen. De Mistura hatte den Beginn aber auf den 29.01. verschoben, vor allem, weil er noch Zeit benötigte, die Opposition

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zur Teilnahme zu bewegen. Verzögert wurde das durch den Druck Russlands, Gruppen bzw. Personen in die Oppositionsdelegation aufzunehmen, die nicht eigentlich zur Opposition gezählt werden können, wie z.B. die kurdische PYD (syrischer Arm der PKK). Diese gilt der Opposition als zu regimenah, weil sie zum einen die kurdisch dominierten Gebiete Syriens de facto mit Duldung des Regimes selbst verwaltet und dabei mit syrischem Militär und Geheimdiensten kooperiert. Außerdem musste sie sich in der zweiten Jahreshälfte 2015 vorwerfen lassen, Kämpfe gegen ISIS dazu genutzt zu haben, einen Teil der arabischen Bevölkerung aus kurdischen Gebieten und Nachbarregionen gewaltsam zu vertreiben, um ihre Einflusssphäre zu erweitern.

Hindernisse im Vorfeld der Konferenz Auch im Nachgang zur Konferenz von Riad, auf der eine gemeinsame Verhandlungskommission und von dieser wiederum eine Verhandlungsdelegation gewählt worden war, hörten die Versuche Russlands nicht auf, die PYD und andere regime- und russlandnahe Personen in die Delegation zu zwingen. Neben dem PYD-Vorsitzenden war dies u.a. der VizePremier der Assad-Regierung Qadri Jamil, der Ende 2013 in Moskau geblieben war, nachdem das syrische Regime ihn seines Amtes enthoben hatte. Der Grund dafür soll ein unautorisiertes Treffen Jamils mit US-Botschafter Ford in Genf im Vorlauf der Genf-II-Gespräche gewesen sein. Noch Mitte Januar versuchte Moskau, die Opposition mit der Drohung einer dritten Delegation zu erpressen. Entweder solle die Opposition die PYD in ihre Delegation aufnehmen oder aber Moskau werde eine dritte Delegation nach Genf schicken, die außer aus PYD aus anderen „säkularen“ Kräften bestehen solle. Nach einem Artikel der überregionalen Tageszeitung Al-Hayat bestand diese „russische Liste“ aus 15 Namen: Saleh Muslim, Vorsitzender der PYD Asya Abdalla, Co-Vorsitzende der PYD Kahlid Issa, Vertreter der PYD in Europa Haitham Manaa, Vorsitzender des Syrischen Demokratischen Rates (Der Rat besteht hauptsächlich aus der PYD und wurde nach der Riad-Konferenz im Dezember als politischer Arm der „Syrian Democratic Forces“ gegründet, einem Militärverband, der mit russischer und amerikanischer Unterstützung von den syrischen Kurdengebieten aus gegen ISIS kämpft und dessen stärkste Kraft der militärische Arm der PYD, die YPG ist. Außerdem kämpfen in ihr einige christliche Milizen und wenige arabisch-sunnitische Milizen auf Stammesbasis. Haitham Manaa war zur Gründungskonferenz der Oppositionskommission nach Riad eingeladen worden, hatte die Einladung aber ausgeschlagen.)

Majid Habbo Qadri Jamil, Vorsitzender der Volksfront für Befreiung und Wandel (s.o.) Mazen Maghribiyeh Samir Al-Aita, Vorsitzender des syrischen Demokratischen Forums Amina Wausau Rim Turkmani Abbas Habib Randa Kassis Nemrod Suleiman Fateh Jamous Salim Kheirbek

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(letztere unter dem Label “Inlandsopposition”; Bis 2015 galt als „Inlandsopposition“ vor allem das Nationale Koordinationskomitee (NCC) unter Hassan Abdelazim und die Gruppe „Building the Syrian State“ unter Louayy Hussein. Beide Gruppen sind in der Riad-Kommission vertreten.)

Inwieweit dies mit den von Russland vorgeschlagenen Kandidaten abgestimmt war, bleibt offen. Jedenfalls lehnte Samir Aita es ab, mit einer Teilnahme in Genf in Konkurrenz zur Riad-Delegation zu treten, ebenso der ehemalige Sprecher des syrischen Außenministeriums Jihad Makdessi, dessen Name im Zusammenhang mit der Russland-Liste genannt worden war.

Russischer Widerstand gegen Teilnahme von Rebellengruppen Außerdem hatte Russland Vorbehalte gegen die Teilnahme von islamistischen Rebellengruppen (Ahrar Al-Sham und Jaish Al-Islam), lenkte aber später ein, so dass wie geplant Mohammad Alloush, der Vertreter der Jaish Al-Islam, als Verhandlungsführer nach Genf reisen konnte. Allerdings traf er später ein als die Delegation und nahm am ersten Gespräch mit de Mistura am 01.02. noch nicht teil. Ahrar Al-Sham ist weiterhin in der Verhandlungskommission vertreten, die die Delegation berät, hat aber keinen Repräsentanten in der Delegation selbst. https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/sonstiges/Hintergrund_Syrien_20151111.pdf http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/sonstiges/Hintergrund_Syrien_20151217.pdf http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/sonstiges/20151222Hintergrund_Syrien_Sonderausgab e_Riad-Konferenz.pdf http://www.auswaertigesamt.de/EN/Infoservice/Presse/Meldungen/2015/151114_Abschlussstatement_des_Syrien_Au %C3%9Fenministertreffens_Wien.html http://www.un.org/press/en/2015/sc12171.doc.htm http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/sonstiges/20160128_Hintergrund_Syrien.pdf http://syrianobserver.com/EN/Commentary/30438 http://carnegieendowment.org/syriaincrisis/?fa=62631 http://bit.ly/24oDBO4 Oppositionsdelegation Der Versuch Russlands, die Oppositionsdelegation zu unterwandern, war nicht der einzige Grund dafür, dass die Teilnahme der Opposition an den Genf-Gesprächen ungewiss war. Teile der Opposition und große Teile der Revolutionsbewegung standen der Teilnahme kritisch gegenüber, da sie sahen, dass die Militäroffensive Russlands, die am 30.09.2015 begonnen hatte, darauf angelegt war, nicht etwas ISIS zu bekämpfen, sondern die Rebellengruppen auszulöschen oder zumindest so weit zu schwächen, dass man der Opposition in Genf eine russische Lösung würde aufzwingen können. Die in Riad tagende Kommission wusste daher, dass sie in jedem Fall viel zu verlieren hatte: Wenn sie trotz des Widerstands ihrer Basis nach Genf ginge und dort keinerlei Fortschritte erreichte, würde sie die Legitimation, die sie sich durch den Riad-Prozess erarbeitet

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hatte, wieder zunichtemachen. Ginge sie nicht, lief sie Gefahr, in Genf komplett übergangen zu werden – und damit auch die Forderungen ihrer Basis nach einem politischen Übergang ohne Assad (wie im Abschlusspapier von Riad vereinbart). Der Grund, dass die Opposition am Ende anreiste, lag darin, dass auch die USA großen Druck auf die Delegation ausübten. Nach Presseberichten soll Außenminister Kerry der Opposition damit gedroht haben, dieser die Unterstützung zu entziehen, wenn sie nicht nach Genf ginge. Der US-Syrien-Gesandte Michael Ratney musste Schadensbegrenzung betreiben und die Äußerungen von Kerry relativieren, um die Opposition bei der Stange zu halten. Für weiteren Unmut sorgte Staffan de Mistura Tage später mit der Äußerung, Genf werde auf jeden Fall stattfinden – und man werde ja dann sehen, wer komme – was von der Opposition als Drohung verstanden wurde, ohne Einbeziehung der Opposition Beschlüsse zu fassen.

Vorbedingungen der Opposition Die Hauptkritikpunkte derjenigen, die eine Teilnahme an Genf ablehnten, war die militärische Eskalation durch Russland und die Belagerung von Zivilisten vor allem durch Regimekräfte. Außerdem wurde aus der Zivilgesellschaft die Forderung gestellt, dass man, auch wenn man politisch vielleicht nichts erreichen könnte, so doch wenigstens eine Freilassung Zehntausender Gefangener aushandeln könnte. Vor allem hatte man Sorge, dass das Regime in Genf die humanitäre Hilfe für belagerte Gebiete zum Verhandlungsgegenstand machen und damit die Verhandlungen über das eigentliche Thema – nämlich den politischen Übergang – verzögern würde. Daher stellten die Opposition folgende Vorbedingungen an de Mistura: Sie würde eine Delegation nach Genf entsenden, wenn das Bombardement von zivilen Zielen eingestellt werde, alle Belagerungen aufgehoben und Gefangene freigelassen würden. In einem Briefwechsel zwischen der Opposition in Riad (in der Presse auch HNC = Higher Negotiation Committee) und Staffan de Mistura bzw. dem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon versuchte die Opposition Zusicherungen der UN zu bekommen, dass die humanitären Aufgaben, über die in der ISSG und im UN-Sicherheitsrat Konsens herrsche, umgesetzt würden, bevor man sich an den Verhandlungstisch setze. Erst nachdem Ban Ki-Moon versichert hatte, dass diese Aufgaben unabhängig von den Verhandlungen in Angriff genommen würden, beschloss die Delegation am 01.02.2016, nach Genf zu reisen.

Verzögerte Ankunft der Delegation Die Delegation reiste am 02.02. und 03.02. an. Sie bestand aus Asaad Al-Zouabi, Delegationsleiter (von der syrischen Armee desertierter Generalmajor) George Sabra, stv. Delegationsleiter, linker Altoppositioneller Mohammad Alloush, Verhandlungsleiter (Jaish Al-Islam (islamistische Rebellengruppe)) Riad Naasan Agha, ehem. syrischer Kulturminister Hassan Ibrahim (Südfront) Ahmad Al-Hariri (Südfront) Salem Muslet, Sprecher der Nationalen Koaltion Monzer Makhous, Nationale Koalition Suheir Atassi, Nationale Koalition Abdelhakim Bashar (Kurden)

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Mohammad Sabra, Nationale Koalition Ahmab Shabib Ammar Esrawi Alice Mafraj, NCC Außerdem reiste ein großer Teil der Verhandlungskommission an, die die Delegation beraten sollte, unter anderem weitere Frauen wie Basma Kodmani (Arab Reform Initiative), aber auch weitere Kurden wie Fuad Aliko und Mustafa Osso. https://drive.google.com/file/d/0B39E0bnzI9YpbVhQM2o2SHV5WDg/view?pref=2&pli=1 http://www.alhayat.com/articles/13682157 http://www.alhayat.com/articles/13711686 http://www.all4syria.info/Archive/288602 http://all4syria.info/Archive/288971 http://mobile.reuters.com/article/idUSKCN0V61M4 http://carnegieendowment.org/syriaincrisis/?fa=62631 http://news.yahoo.com/syrian-peace-talks-officially-start-un-envoy-190524507.html http://www.syrianobserver.com/EN/News/30481/Statement_High_Committee_Agrees_Partic ipate_Geneva_Talks http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/02/syria-opposition-geneva-talks-demandsieges.html?utm_source=Al-Monitor+Newsletter+[English]&utm_campaign=81f4a2f7adFeb_02_2016&utm_medium=email&utm_term=0_28264b27a0-81f4a2f7ad-102338777 Die Delegation des Regimes Die Delegation des Regimes reiste am 29.01.2016 mit einer 16-köpfigen Delegation an. Die Delegation setzte sich zusammen aus: Bashar Al-Jaafari (Delegationsleiter), syrischer UN-Botschafter Husameddine Alaa, syr. Botschafter in Genf Osama Ali Ahmad Arnous, Außenministerium Ammar Al-Arsan Amjad Issa Ahmad Nabil Kuzbari, Parlamentsabegordneter Omar Ossi (Kurde) Elias Shaheen, Syrische Nationalsozialistische Partei (SSNP Hassan Bakri Mohammad Kheir Akkam Samer Al-Baridi (Geheimdienst: Allgemeine Sicherheit) Rafah Al-Baridi Jamal Shorbaji

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Amal Yazji (SSNP) Roua Shorbaji Aktivisten kritisierten die Teilnahme des Geheimdienstoffiziers Samir Al-Baridi, der zu Beginn der Proteste in Douma für den Mord an Demonstranten verantwortlich gewesen sein soll. Danach sei er zur Nationalen Sicherheit versetzt worden. http://alwatan.sy/archives/38991 http://www.souriyati.com/2016/01/31/39598.html http://all4syria.info/Archive/289285 http://bit.ly/1QD1ayp De Misturas Vorgehensweise De Mistura hatte schon im Vorfeld vor allzu großen Erwartungen an die Gespräche gewarnt. Es sei klar, sagte er, dass es zunächst nicht um direkte Verhandlungen gehen könne, sondern um eine Annäherung der Positionen. Daher sollten die Delegationen auch nicht direkt zusammentreffen, sondern jede Delegation einzeln Gespräche mit de Misturas Team führen.

PYD und die dritte Delegation Neben Einladungen an das Regime und die Opposition sprach de Mistura Einladungen an weitere Personen aus, die Moskau vergeblich versucht hatte, der Opposition aufzuzwingen. beziehungsweise in einer dritten Delegation nach Genf zu schicken. De Mistura lehnte das ab, lud Saleh Muslim und Haitham Manaa (s.o.) und zehn weitere Personen aber ein, als Berater nach Genf zu kommen. Als klar war, dass es keine offizielle Rolle für die PYD geben würde, reise Saleh Muslim jedoch am 30.01.2016 wieder ab. Nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus der Türkei hatte es großen Druck gegeben, die PYD als syrischen Arm der türkischen PKK, die als Terrororganisation gelistet ist, nicht an den Verhandlungen zu beteiligen.

Beteiligung der syrischen Zivilgesellschaft – Frauenrat Um Druck auf die Verhandlungsdelegationen auszuüben und gleichzeitig dem Prozess so viel Legitimation wie möglich zu geben, lud de Mistura neben den Delegationen auch Vertreter der Zivilgesellschaft nach Genf, ein, die ihn während des Prozesses beraten sollten. Um sich dem Vorwurf zu entziehen, bestimmte Gruppen bei diesen Konsultationen zu bevorzugen, ließ de Mistura dieses Format offen und erklärte, jeder, der in Genf zu einer Lösung beitragen wolle, sei willkommen. Anwesend waren in Genf zum Beispiel Vertreter von Hilfsorganisationen, die in Syrien humanitäre Hilfe leisten. Zudem richtete de Mistura einen Rat von zehn syrischen Frauen ein, die ihn während des Prozesses beraten sollen. Dafür wurde er von manchen Oppositionsmedien kritisiert. In der Internetzeitung souriat.com hieß es, de Mistura benutze syrische Frauen, um Druck auf die Opposition auszuüben. Syrische Frauenorganisationen sehen das anders. Sie beklagen die Ausgrenzung von Frauen von beiden Seiten. In der Oppositionsdelegation waren zwei Frauen vertreten (weitere allerdings in der beratenden Kommission), in der Regimedelegation drei. Nach einem Bericht des Syrian Observer richtete auch der HNC einen Frauenrat ein, der die Oppositionsdelegation beraten soll. In dem Rat sollen 28 Frauen vertreten sein, unter ihnen z.B. Nagham Al-Ghadri, Mariam Jalabi, Khaula Dunia, Nehad Badawi und Hind Qabawat.

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Keine Annäherung der Positionen in Sicht Wie schon oben erläutert kam die Opposition mit der klaren Erwartung, dass es Fortschritte in humanitären Fragen geben sollte. Eigentlich aber wollte sie über die politische Transition sprechen. Die Delegation des Regimes dagegen wollte – wie schon in Genf II – vor allem über Bekämpfung von Terrorismus reden.

Russisch-syrische Eskalation direkter Grund für Aussetzen der Gespräche Der Grund dafür, dass de Mistura schon am 03.02.2016 die Aussetzung der Gespräche bekanntgab, war wohl die syrische Bodenoffensive auf Aleppo, die mit russischer Luftunterstützung im Begriff war, die Stadt Aleppo von der Nachschubroute aus der Türkei abzuschneiden. Erstens stand diese Eskalation im eklatanten Widerspruch zur Resolution 2254 – auch wegen des Bombardements ziviler Ziele – vor allem aber entstand der Eindruck, Russland, das die Verhandlungen forciert hatte, wolle jetzt militärisch dafür sorgen, dass die Opposition keinerlei Verhandlungsmasse mehr habe oder die Gespräche abbreche und für das Scheitern einer politischen Lösung verantwortlich gemacht werde. Es ist daher davon auszugehen, dass de Mistura mit seiner Erklärung, die Gespräche zu vertagen, einem Abbruch der Gespräche durch die Opposition und damit einem formalen Scheitern von Genf-III zuvorgekommen ist. http://syrianobserver.com/EN/News/30458/What_Behind_Mistura_Insistence_Involving_Civi l_Society_Geneva_Talks/ http://www.syrianobserver.com/EN/News/30487/High_Committee_Negotiations_Announces _Formation_Women_Advisory_Council http://www.souriat.com/2016/01/18540.html http://www.syrianobserver.com/EN/News/30492/Video_Child_Under_Rubble_Incites_Syrian s_Anger_Over_Geneva_Talks http://www.all4syria.info/Archive/289063 http://www.zentralplus.ch/de/news/politik/5037397/Kurden-verlassen-SyrienGespr%C3%A4che.htm Nach der Konferenz: Schuldzuweisungen an Russland und USA Die USA gaben Assad und Russland die Schuld an der Vertagung der Friedensgespräche. Beobachter hatten aber schon im Vorfeld der Konferenz davor gewarnt, dass die Verhandlungen ad absurdum geführt werden würden, wenn die USA keinen militärischen Gegendruck zur russischen Militärintervention aufbauen würden. Dass die USA keine direkte Konfrontation mit Russland in Kauf nehmen wollen, ist nachvollziehbar. Offenbar haben sie aber in den vergangenen Monaten auch die Militärhilfe für die Rebellen sowohl im Süden als auch im Norden massiv zurückgefahren – wohl, um die Opposition zu Verhandlungen zu bewegen. In einem Artikel der Zeitschrift Foreign Policy heißt es schon am 01.02.2016, die USA hätten die Genf-III-Gespräche „vermasselt“, bevor sie überhaupt angefangen hätten, weil sie Russland auch rhetorisch zu weit entgegengekommen seien, z.B. mit ihrer Zustimmung zu einer Rolle Assads in einem Transitionsprozess. In einem Bericht der Internetseite middleeasteye.net wird US-Außenminister Kerry zitiert, der am Rande der Syrien-Geberkonferenz direkt im Anschluss an die Vertagung der Gespräche gesagt haben soll, er erwarte, dass das russische Bombardement noch drei Monate weitergehen und die Opposition weiter dezimiert werde. http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-02/genf-syrien-verhandlungen-friedensgespraeche

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https://foreignpolicy.com/2016/02/01/the-united-states-botched-the-syria-talks-before-theyeven-began/ http://www.theguardian.com/commentisfree/2016/jan/28/the-guardian-view-on-the-syrianpeace-talks-fake-diplomacy-is-no-diplomacy?CMP=share_btn_tw http://www.middleeasteye.net/news/opposition-blame-syrian-bombing-kerry-tells-aidworkers-1808021537 Treffen der ISSG am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz Die ISSG hat sich am 12.02.2016 auch am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz getroffen. Dort wurden zwei Schritte beschlossen: 1. Weiter am humanitären Zugang zu belagerten Gebieten zu arbeiten. Dazu wurde eine Task Force gegründet, die in Genf zusammentrat. 2. Innerhalb einer Woche die Kampfhandlungen einzustellen (mit Ausnahme des Bombardements von ISIS und der Nusra-Front). Auch dazu wurde eine Task Force gegründet, die bisher aber noch nicht zusammengetreten ist. Damit war für Eingeweihte eigentlich schon klar, dass das Bombardement uneingeschränkt weitergehen würde, denn die Nusra-Front ist an vielen Stellen vertreten. Russland, das ohnehin für eine Feuerpause ab dem 1. März plädiert hatte, hat damit carte blanche, die Rebellengebiete weiter zu bombardieren, unter dem Vorwand, es habe sich um Nusra-Stellungen gehandelt. Inzwischen hat das Bombardement nach UNHCR-Schätzungen 74.000 weitere Menschen aus der Provinz Aleppo in Richtung türkischer Grenze vertrieben. Russland und Syrien gelang es, die Stadt Aleppo vom Grenzübergang Baba Al-Salame im Norden abzuschneiden. Konfliktverschärfend kommt hinzu, dass die SDF (Kurdische YPG und andere s.o.) das russische Bombardement genutzt haben, um ihrerseits Rebellengebiete nördlich von Aleppo zu erobern. Dies ruft die Türkei auf den Plan, die fürchtet, die PYD könnte entlang der türkischen Grenze ein geschlossenes Territorium zum Kurdenstaat ausrufen. Türkisches Militär beschoss Mitte Februar kurdische Gebiete und vor allem SDF-Stellungen, die vorher in Rebellenhand gewesen waren, und riskiert damit einen militärischen Konflikt mit Russland. Eine offizielle Ankündigung, wann die Gespräche wieder aufgenommen werden, gibt es bisher nicht. Allerdings haben Russland und die USA am 22.02.2016 bekannt gegeben, dass sie auf einen Waffenstillstand am 27.2.2016 hinarbeiten wollen. http://www.auswaertigesamt.de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2016/160211_Communique%20Syrienkonferenz.h tml http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/reach_syr_situation_overview_displac ement_from_aleppo_18_feb_2016.pdf

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