HIMMEL WÄRTS

Sonnenfinsternis finden sich in den Werken von Douglas Gordon und Brigitte Waldach. Obwohl die ... Robert Longo geb. in Brooklyn, New York, lebt und ...
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HIMMEL WÄRTS KUNST ÜBER DEN WOLKEN

MUSEUM SINCLAIR-HAUS

Dieses Abenteuer, dieses Rausgehen, die Umgebung erforschen, dorthin zu gehen, wo selten zuvor ein Mensch gewesen ist, Entdecker zu sein. Das ist es, was viele von uns antreibt. Alexander Gerst, Astronaut

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Julia WilLms

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Christoph brech

Befiehl du deine wege / Und was dein hertze kränckt / Der allertreusten pflege Deß / der den himmel lenckt / Der wolcken / lufft und winden / Gibt wege / lauf und bahn / Der wird auch wege finden / Da dein fuß gehen kan. Paul Gerhardt, Befiehl du deine Wege, 1. Strophe

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Christoph brech

Ein Pariser Phantast, geistreicher und kühner Künstler, begehrte und erbot sich, in eine Kugel eingeschlossen die Reise nach dem Mond zu machen, um über den Trabanten der Erde Forschungen anzustellen. […] Das Projectil ward cylinder-kegelförmig. […] Ein automatischer Apparat bereitete und lieferte die zum Athmen für die drei Reisenden erforderliche Luft. Zu gleicher Zeit ließ der Gun-Club auf einem der höchsten Gipfel des Felsengebirgs ein Riesenteleskop bauen, um es möglich zu machen, das Projectil während seiner Fahrt durch den Weltraum zu beobachten. Alles war fertig und bereit. Am 30. November […] sah man drei menschliche Wesen den Erdball verlassen und in den weiten Weltraum emporsteigen, fast vollständig überzeugt, daß sie am Ziel ihrer Reise anlangen würden. Diese kühnen Reisenden, Michel Ardan, der Präsident Barbicane und der Kapitän Nicholl, sollten ihre Ueberfahrt in siebenundneunzig Stunden dreizehn Minuten und zwanzig Secunden vollenden. Folglich konnte ihre Ankunft auf der Oberfläche der Mondscheibe erst am 5. December um zwölf Uhr Nachts erfolgen, gerade in dem Moment, da Vollmond eintrat. Jules Verne, Reise um den Mond, 1. Kapitel

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David Krippendorff

Epilog

Es wird erzählt, dass Thales, als er astronomische Beobachtungen anstellte und dabei nach oben blickte, er in einen Brunnen gefallen sei und dass eine witzige, reizende Magd ihn verspottet habe: Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, von dem aber, was ihm vor Augen und vor den Füssen liege, habe er keine Ahnung.

an die unendliche Weite des Kosmos handelt. Die Kunstwerke eröffnen assoziative Räume, die mehr oder weniger direkt mit einem gegenwärtigen wissenschaftlichen Bild-Repertoire spielen. Zahlreiche fotografische Aufnahmen aus dem Weltraum – wie der erste Schritt auf dem Mond im Jahr 1969 – sind tief in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt, worauf Künstler in ihren Werken in immer neuer Spielart reagieren. Auch die Divergenz zwischen wissenschaftlicher Neugier und dem „Sich aneignen wollen“ des Universums wird dabei von den Künstlern behandelt. In der ALTANA Kunstsammlung mit ihrem Themenschwerpunkt „Natur“ finden sich zahlreiche Werke, die sich mit dem Universum als unserer Um-Welt auseinandersetzen: So ist Bernd Zimmers Dark Shadow eine maleri-

Platon

sche Reaktion auf die atemberaubenden Aufnahmen des Hubble-Teleskopes und Robert Longos Solar Eclipse zeigt die Faszination einer totalen Sonnenfinsternis. Weitere Modulationen des Motivs der Sonnenfinsternis finden sich in den Werken von Douglas Gordon und Brigitte Waldach. Obwohl die

Die abgebildeten Kunstwerke zeitgenössischer Künstler und die Zitate aus der Literatur zweier Jahr-

Herangehensweise der beiden Künstler sehr unterschiedlich ist, verbindet sie das Interesse für dieses

tausende dieses ausstellungsbegleitenden Buches beschäftigen sich mit dem Raum über den Wolken,

Naturphänomen: Wenn der Mond die Sonne verschleiert, werden Naturgewalten spürbar, die dem

dem Himmel. Unter dem Titel HIMMELwärts umspannt die Ausstellung des Museums Sinclair-Haus

Menschen die eigene Statistenrolle sinnbildlich vor Augen führen – beim Kräftemessen zwischen

Themen zwischen Erde und Unendlichkeit, zwischen Gravitation und Schwerelosigkeit, die sich in

Licht und Dunkelheit bleibt er nur Zuschauer. Dies wird auch in einem Gemälde von Hans Aichinger

Gemälden und Zeichnungen sowie in Fotografien, bewegten Rauminstallationen und Videoarbeiten

zweier Jugendlicher sichtbar, die stumm nebeneinander liegend in den Himmel schauen und an-

manifestieren: In einer Zeit, in der die Menschen den Welt-Raum ganz selbstverständlich nutzen und

gesichts der waltenden Kräfte des Universums in stilles, ohnmächtiges Staunen geraten.

sogar zu erobern versuchen, blicken auch die Künstler in diese kaum fassbare Sphäre. Der menschliche Konflikt zwischen „Bodenhaftung“ als Fundament und Voraussetzung des Lebens auf der Erde einer-

Die hier abgebildeten Gemälde, Rauminstallationen, Skulpturen und Filme der Ausstellung spielen

seits und dem Streben nach einem „Immer weiter und höher“ andererseits findet bereits in Platons

mit dieser unfassbaren Weite des „da Oben“ einerseits und den künstlerischen Möglichkeiten, diesen

Erzählung über das Missgeschick von Thales von Milet seinen Ausdruck. Diese Grundspannung spielt

gewaltigen Raum in eine (be-)greifbare Form zu fassen andererseits. Diese Formfindungen werden

auch in der künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem Thema eine entscheidende Rolle.

sowohl in der vorliegenden Publikation als auch in der Ausstellung um den poetischen Raum der Sprache erweitert. Denn auch durch den Dialog zwischen Text und Bild weitet sich unser assoziativer

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Letztlich gilt der Blick ins Weltall oft genug der Suche nach sich selbst, nach der eigenen Verortung im

und sensitiver Zugang zur Zone jenseits der Wolken. In der Zusammenführung dieser vielgestaltigen

„großen Ganzen“. Denn der Wunsch, den Makrokosmos zu verstehen, birgt auch die Hoffnung, unsere

Perspektiven eröffnen sich neue Blicke und Ausblicke in den Himmel, nicht um – wie in Platons

eigene Welt und unser eigenes Leben besser fassen zu können. Die hier ausgewählten Arbeiten und

Bericht über Thales von Milet – unsere Welt zu vergessen oder zu verkennen, sondern um sie zu

die dialogisch dazu gewählten Zitate eint, dass es sich dabei stets um fragmentarische Annäherungen

erkennen.

Verzeichnis der abgebildeten Werke

Hans Aichinger geb. 1959 in Leipzig, lebt und arbeitet in Leipzig Sonnenfinsternis, 2015 Öl auf Leinwand, 80 x 100 cm Privatbesitz S. 18/19 Christoph Brech geb. 1964 in Schweinfurt, lebt und arbeitet in München Dark Cloud, 2004 Video, 5 min 37 sec Leihgabe des Künstlers S. 14–16 Cielo si Riflette, 2004 Neon, Glas, Kabel, Transformator, 40 x 90 cm ALTANA Kunstsammlung S. 12 Vija Celmins geb. 1938 in Riga, lebt und arbeitet in New York Night Sky #15, 2000-2001 Öl auf Leinwand, montiert auf Holz, 79,1 x 96,7 x 3,2 cm MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main S. 46/47 Björn Dahlem geb. 1974 in München, lebt und arbeitet in Berlin Himmelsglobus (Das All), 2010 Holz, Stahl, Kupfer, Flasche, Christbaumkugel, Glühbirne, Cocktailkirschen, Lack, 80 x 80 x 100 cm Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin; Sies + Höke Galerie, Düsseldorf S. 25

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Pollux, Arcturus, Aldebaran, 2015 Kupfer, Stahl, Christbaumkugeln, Bergkristall, Glasschüssel, Lack, Beize, 83 x 128 x 35 cm Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin; Sies + Höke Galerie, Düsseldorf S. 21 Orion, Pollux, Castor, 2015 Kupfer, Aluminium, Holz, Christbaumkugel, Lack, Beize, 108 x 22 x 38 cm Courtesy Galerie Guido W. Baudach, Berlin; Sies + Höke Galerie, Düsseldorf S. 23 Douglas Gordon geb. 1966 in Glasgow, lebt und arbeitet in Berlin und Glasgow August, 12, 1999, 2011 Handgemachter Offsetdruck, Paper Somerset, 300 gr. Express – 57 x 77 x 3 cm Record – 57 x 70 x 3 cm Sun – 57 x 73 x 3 cm Telegraph – 57 x 74 x 3 cm Mail – 57 x 66 x 3 cm Guardian – 57 x 74 x 3 cm Independent – 57 x 75 x 3 cm Times – 57 x 74 x 3 cm Herald – 57 x 77 x 3 cm Mirror – 57 x 72 x 3 cm MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main S. 42–45 David Krippendorff geb. 1967 in Berlin, lebt und arbeitet in New York und Berlin Night of 1000 Stars, 2005 Video, 3 min 49 sec, color, stereo Leihgabe des Künstlers S. 53

Mischa Kuball geb. 1959 in Düsseldorf, lebt und arbeitet in Düsseldorf

Sven Reile geb. 1967 in Braunschweig, lebt und arbeitet in Berlin

Five Planets, 2015 (hier stellv. Studioansicht einer früheren Arbeit) 5 Discokugeln, 5 Dias, 5 Diaprojektoren, 5 Deckenmotoren, 5 Vario Linsen Courtesy Mischa Kuball, Düsseldorf S. 50/51

Mare Orientale, 2014 Öl auf Leinwand, 170 x 165 cm Leihgabe des Künstlers S. 33

Robert Longo geb. in Brooklyn, New York, lebt und arbeitet in New York Untitled (Solar Eclipse), 2006 Kohle, Graphit auf Papier, 116,8 x 147,3 cm ALTANA Kunstsammlung S. 37 Hiroyuki Masuyama geb. 1968 in Tsukuba, Japan, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Tokyo Milky Way, 2012 Holz, Fiberglas, 84 x 253 x 8 cm Galerie Sfeir-Semler, Hamburg / Beirut S. 54/55, 57 (Ausschnitt) Sun, 2012 Leuchtkasten, Acrylfarbe, Resin, 201 x 201 x 20 cm Galerie Sfeir-Semler, Hamburg / Beirut S. 38/39 (Ausschnitt), 41 Maximilian Prüfer geb. 1986 in Weilheim, lebt und arbeitet in Augsburg Wo fängt der Himmel an?, 2014 Naturantypie auf Papier (Abdrücke von Wassertropfen aus 5, 10, 20, 40, 80, 160 cm Höhe und ein Abdruck eines Regentropfens), 50 x 70 cm Privatbesitz S. 27, 29 (Ausschnitt)

Small Step, 2014 Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm Leihgabe des Künstlers S. 34 Kapsel, 2014 Öl auf Leinwand, 90 x 100 cm Leihgabe des Künstlers S. 30 Anflug, 2014 Öl auf Leinwand, 110 x 110 cm Leihgabe des Künstlers S. 31 Peter Sauerer geb. 1958 in München, lebt und arbeitet in Walleshausen Weltbild, 2014 Nussschale, Holz, Schnur, bemalt, 8 x 4 x 3 cm Thomas Rehbein Galerie, Köln S. 49 Santeri Tuori geb. 1970 in Espoo, Finnland, lebt und arbeitet in Helsinki Sky #17, 2011–2014 Pigment Print, 170 x 205 cm (gerahmt), Edition of 6 +2 AP Galerie Taik Persons, Berlin S. 2 Sky #11, 2011–2014 Pigment Print, 205 x 170 cm (gerahmt), Edition of 6 + 2 AP Galerie Taik Persons, Berlin S. 7

Sky #20, 2011–2012 Pigment Print, je 170 x 198 cm (zweiteilig, gerahmt), Edition of 6 + 2 AP Galerie Taik Persons, Berlin S. 8/9 Brigitte Waldach geb. 1966 in Berlin, lebt und arbeitet in Berlin TOE, 2015 Graphit, Gouache auf Bütten, 146 x 140 cm Leihgabe der Künstlerin , courtesy Galerie Bo Bjerggaard, Kopenhagen S. 59 Julia Willms geb. 1974 in Wilhelmshaven, lebt und arbeitet in Amsterdam Home, 2010 Audiovisuelle Rauminstallation, Tür, Türrahmen, Projektionsfolie, 2 min 16 sec Leihgabe der Künstlerin S. 10 Bernd Zimmer Geb. 1948 in Planegg bei München, lebt und arbeitet in Polling und Oberhausen, Oberbayern Galaxie. Starburst. Z-68, 2000–2001 Acryl, Öl, Pastell auf Leinwand, 190 x 520 cm (zweiteilig) Sparkasse Norden-Aurich S. 60/61 Dark Shadow. Z-96, 2002 Acryl, Öl, Pastell auf Leinwand, 190 x 200 cm ALTANA Kunstsammlung S. 63

Impressum

Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung HIMMELwärts. Kunst über den Wolken Museum Sinclair-Haus, Bad Homburg 18. Oktober 2015 – 14. Februar 2016

Herausgeber ALTANA Kulturstiftung gGmbH Andrea Firmenich, Johannes Janssen Kurator Johannes Janssen Kuratorische Mitarbeit Ina Fuchs Redaktion und Lektorat Andrea Sietzy, Ina Fuchs Gestaltung Christian Padberg, LPG Bonn Lithografie Adhoc media GmbH, Köln Druck Köllen Druck + Verlag GmbH, Bonn Printed in Germany

Textnachweis

Bildnachweis

S. 5: Otto Ludwig: Zwischen Himmel und Erde. Erzählung, Stuttgart 1989, S. 211.

© VG Bild-Kunst, Bonn 2015 für die Werke von: Christoph Brech, Douglas Gordon, Mischa Kuball, Robert Longo, Sven Reile, Santeri Tuori, Bernd Zimmer

S. 6: Johann Wolfgang Goethe, http://www.aphorismen.de/zitat/62471. S. 11: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ menschen/astronaut-alexander-gerst-im-interview-13511660.html Interview mit Alexander Gerst in der FAZ, 2.4.2015.

© Hans Aichinger, courtesy maerzgalerie, Leipzig / Berlin

S. 13: Gerdt von Bassewitz, Peterchens Mondfahrt, Köln 2013, S. 24 f.

© Vija Celmins, courtesy MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main

S. 17: Paul Gerhardt: Gedichte, Frankfurt am Main 1969, S. 110.

© Björn Dahlem, courtesy Sies + Höke Galerie, Düsseldorf

S. 18: Matthias Claudius: Amus Omnia Sua Secum Portans. Oder Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten, München 1989, S. 595 f.

© Hiroyuki Masuyama, courtesy Galerie Sfeir-Semler, Hamburg / Beirut

S. 20: Bertolt Brecht: Leben des Galilei, Frankfurt am Main 1998, S. 62 f. S. 24: Bertolt Brecht: Leben des Galilei, Frankfurt am Main 1998, S. 64. S. 28: Mascha Kaléko. Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden, hg. v. Jutta Rosenkranz, Bd. 1, Werke, München 2012, S. 228. S. 35: Vilém Flusser: Vogelflüge. Essays zu Natur und Kultur, München/Wien 2000, S.63.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

S. 40: Weisheit, Kapitel 7, Vers 28 – Kapitel 8, Vers 1.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

S. 46: Rudolf Kassner: Frankfurter Rundschau, 5. Juli 1997, Nr. 153. S. 48: William Shakespeare: Hamlet, Stuttgart 2014, 2. Akt, 2. Szene, S. 57.

ISBN 978-3-945674-03-1

S. 52: Jules Verne: http://gutenberg.spiegel.de/ buch/reise-um-den-mond-7131/1.

Anlässlich der Ausstellung erscheint neben der vorliegenden Publikation ein Werkbuch (ISBN 978-3-945674-04-8).

S. 58: Marion Poschmann: Grund zu Schafen. Gedichte, Frankfurt am Main 2004, 82.

©ALTANA Kulturstiftung gGmbH, Bad Homburg v. d. Höhe

© bei den Künstlern: David Krippendorff, Maximilian Prüfer, Julia Willms

S. 62: Honoré de Balzac. Die menschliche Komödie, hg. v. Ernst Sander, Bd. 12, Louis Lambert. Die kleinen Nöte des Ehelebens u.a., München 1998, S. 517. S. 64: Platon, Theaitetos: http://gutenberg. spiegel.de/buch/platons-werke-zweitertheil-7315/1.

© Peter Sauerer, courtesy Thomas Rehbein Galerie, Köln © Brigitte Waldach, courtesy Künstlerin und Galerie Bo Bjerggaard

Fotonachweis Trotz intensiver Recherche war es nicht in allen Fällen möglich, die Rechteinhaber der Abbildungen und der Texte ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Titelabbildung Bernd Zimmer, Galaxie. Starburst. Z-68 (Ausschnitt), 2000–2001

Epilog (S. 64/65) Ina Fuchs, Johannes Janssen