Ein Mensch zwischen Erde und Himmel

eine Geschichte im Kopf. Bach war mit neun Jahren Waise, und ist später als. Komponist seiner Zeit weit voraus gewe- sen. Er hatte kein leichtes Leben – mit 20.
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KULTUR

Seite 10

Fußball-Krimi

Schüsse auf den Bundestrainer Keine Ahnung, ob Yogis Jungs während der EM auch Krimis lesen. Aber den Roman „Abstauber“ von Frank Goldammer würde der Bundestrainer sicher höchst ungern auf den Nachttischen von Gomez & Co. sehen. Obwohl oder gerade weil dieser „Fußball-Krimi“ vor und während des Turniers in Polen und der Ukraine spielt … Im Buch hat dabei Klaus Ehlig das Sagen. Er trainiert das deutsche Team, führt es von Sieg zu Sieg, ist aber außerhalb der Stadien alles andere als ein Vorbild: Seine Prämien investiert er in Bordellen, er zockt, geht fremd, ist arrogant, duldet niemanden neben sich. Liegt hier der Grund für ein Attentat auf ihn? Bei der Fahrt zu einem Vorbereitungsmatch in Dresden feuert ein Unbekannter auf seinen Dienstwagen, trifft Ehligs Assistenten tödlich, verletzt den Bundestrainer. Oder liegt das Motiv im sportlichen Bereich? Schließlich finden sich auf der später auftauchenden Tatwaffe die Fingerabdrücke des DFB-Präsidenten und auch ein Trainer-Konkurrent, dem Ehlig den lukrativen Job wegschnappte, verhält sich seltsam. Der Aufsehen erregende Fall landet auf dem Schreibtisch eines noch größeren Kotzbrockens: Hauptkommissar Falk Tauner. Der leidet unter den Folgen einer Gehirnoperation, hat Alkoholprobleme, seine Ehe ist im Eimer, und den Fußball hasst er über alle Maßen. Seine Wut über all das Ungemach lässt der zynische Kriminalist am liebsten an seinen Kollegen und an Zeugen aus. Diese Ausfälle und Streitereien, sein Kampf gegen die Staatsanwältin und sein ständiger Zwist mit der Presse sind amüsant-lesenswerte Passagen des Buches. Aber, um im Fußball-Jargon zu bleiben, sie wirken wie Rück- und Querpässe, wie Dribblings ohne Drang zum Tor. Kein Wunder, dass Tauner einige Steilvorlagen braucht, um den Fall in einem turbulenten und verblüffenden Finale zu lösen. Das ist ebenso spannend wie das EM-Endspiel, das – so viel kann verraten werden – die Deutschen zumindest im ersten Krimi des bislang nur durch Mysterie-Romane bekannten Dresdner Autors locker erreichen. Hartwig Hochstein

Frank Goldammer: Abstauber. Gmeiner-Verlag; 319 Seiten, 9,90 Euro

Theater-Fest in Rudolstadt

130 Kinder bringen Leben auf die Bühne „Stürmt ins Leben wild hinaus!“ - dieses Motto frei nach Schillers Ballade „Die Glocke“ gibt seit gestern die Richtung beim 5. Deutschen Kinder-Theater-Fest in Rudolstadt vor. Bis Sonntag zeigen sieben Amateurgruppen ihre Inszenierungen. Junge Darsteller aus Burkina Faso beispielsweise befassen sich in ihrem Tanztheater „La corde contaminate“ (Das verseuchte Seil) mit dem Leben von Aids-Kranken, mit dem sie tagtäglich konfrontiert sind. Aus Asien, Afrika, Nordamerika und europäischen Ländern sind zudem Kenner der Amateurtheaterszene gekommen, um über die Arbeit mit Kindern und künstlerische Ansprüche zu diskutieren. „Die 130 Mädchen und Jungen im Alter von 6 bis 12 Jahren werden auch in Workshops miteinander spielen und viel Spaß zusammen haben“, sagte Festivalleiter Frank Grunert. Das Deutsche Kinder-Theater-Fest wurde 2004 in Rudolstadt aus der Taufe gehoben und bietet alle zwei Jahre an wechselnden Orten eine Bühne für junge Schauspieler. dpa

KULTUR KOMPAKT Die politische Lage in Ungarn, die Wandlung der lettischen Gesellschaft und das Auseinanderbrechen Jugoslawiens sind Themen des Festivals „Neue Stücke aus Europa“, das bis zum 24. Juni in Wiesbaden und Mainz über die Bühne geht. Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle widmet sich vom 23. Juni an dem expressionistischen Maler und „Brücke“-Gründungsmitglied Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938). Unter dem Titel „Ein gezeichnetes Leben“ werden bis 23. September in erster Linie Skizzen, aber auch Gemälde ausgestellt. An den Baubeginn des Erfurter Bartholomäusturms vor 600 Jahren erinnert seit gestern eine neue Dauerausstellung. Der Turm, 1412 nach Himmelfahrt begonnen, ist heute eines der wenigen erhaltenen mittelalterlichen Bauwerke auf der Fußgängerzone Anger. Das chinesische Haus im Schlosspark Oranienbaum bei Dessau-Roßlau ist seit gestern wieder für Besucher geöffnet. Bis 2014 wird noch die Papiertapete der Innenräume restauriert und die Innenausstattung komplettiert.

Freitag, 15. Juni 2012

„... ein neues Lied“ – Das 14. Bachfest der Stadt Leipzig feiert 800 Jahre Thomana

Spontane Eigenkreativität zum 10. Todestag Earle Browns Ob sich viele Bachfestbesucher zur Neuen-Musik-Fangemeinschaft im Gewandhauses gesellt haben, ist am Mittwochabend nicht genau auszumachen. Immerhin haben sich reichlich Zuhörer im Mendelssohn-Saal zum musica-novaKonzert mit dem Ensemble Avantgarde um Steffen Schleiermacher eingefunden. Eventuelle Bachfestler jedenfalls werden explizit begrüßt und dürfen nachfolgend an einem ziemlich kultigen Konzertabend teilhaben, der dem Komponisten Earle Brown anlässlich dessen 10. Todestages gewidmet ist. Brown, der wie John Cage, Morton

Feldman oder Christian Wolff zur „New York School“ zählt, sprengt in seinen Kompositionen das Zeitkontinuum. Und was hier als Partitur bezeichnet wird, ist oftmals eher ein Handbuch zur spontanen Eigenkreativität: Es bleibt den Ausführenden überlassen, welche Teile wie oft und wie lange gespielt werden. Oder dem Dirigenten, der dann mehr das Amt des schöpferischen Koordinators übernimmt. Wie Steffen Schleiermacher in Browns „Tracking Pierrot“ für Ensemble, in dem er mit seinen Armen zackige Kommandos und an Geheimbotschaften gemahnende Fingerzeige rudert, die das

Ensemble Avantgarde punktgenau pariert. Wenn denn überhaupt Noten aufgeschrieben sind: Einige Blätter der graphischen Notation von Browns „Folio“ werden ins Publikum gezeigt – wie soll da, bitteschön, Musik draus werden? Schleiermacher klärt auch in dieser Frage auf. Und jeder profitiert von den Erläuterungen, die das Hören der Werke Browns und seiner Weggefährten erleichtern. Auch wenn Schleiermacher anmerkt, experimentelle Musik sei zuweilen nicht hundertprozentig eingängig, spannend und beeindruckend ist es schon, was Ralf Mielke (Flöte), Matthias Kreher (Klarinet-

te), Andreas Pietschmann (Bassklarinette), Hans Werner Mehling (Violine), Christian Giger (Violoncello), Bernd Meier (Kontrabass), Stefan Stopora (Schlagzeug), Anja Kleinmichel (Klavier) und Schleiermacher selbst (Klavier und Leitung) da produzieren. Richtig abgefahren wird es mit Browns Octetts für Tonband und dem abschließenden „Tracer“ für Ensemble und Tonband (Tonregie: Volker Straebel und Ipke Starke), wo manuell zusammengeschnittene Tonschnipsel aus acht Lautsprechern tönen – der reichliche Schlussapplaus sagt alles. Birgit Hendrich

Ein Mensch zwischen Erde und Himmel Kanadier plant einen großen Spielfilm über Bach Dass Freedmans Ideen nicht nur zerknüllt in Papierkörben enden, hat der Journalist und Autor mit „Vivaldi“ bewiesen. Der Zwölf-Millionen-Dollar Film über den venezianischen Barockkomponisten soll Ende 2012 oder im kommenden Jahr in die Kinos kommen. Nach seiner Darstellung von William Shakespeare („Shakespeare in Love“) und Martin Luther hat Joseph Fiennes die Rolle des Antonio Vivaldi übernommen. In weiteVon JÜRGEN KLEINDIENST ren Rollen sind Gérard Depardieu und „Man muss zu Fuß unterwegs sein, um Jacqueline Bisset zu sehen. In Leipzig ist man hoch erfreut über wirklich etwas über einen Ort zu erfahren. Leipzig“, sagt Jeffrey M. Freedman, das Projekt: „Über Johann Sebastian „ist sehr schön im Regen. Wie eine nach- Bach sind wenige persönliche Anekdoten denkliche Frau mit tiefgründigen Erinne- übermittelt. Das macht ihn in der öffentlichen Wahrnehrungen.“ Seit über mung oft unnahbar. einem Monat ist der jüdische Journalist Detloff Schwerdtfeger, Geschäftsführer Ein Spielfilm, desEntstehung und Autor in Leipzig, des Bach-Archivs: Ein Bach-Spielfilm er- sen atmet die Atmosphä- reicht mehr Menschen als das Bach-Ar- fachlich durch Exre einer Stadt, die chiv, das Bach-Museum und das Bachfest perten des Bach-Archivs begleitet wird, ihn gefangen hat. zusammen. wird dazu beitragen Nimmt Bilder in sich auf, Gesichter, Stimmen, Stimmungen – können, diese zentrale Figur der Musikvor allem aber die Musik. Und ganz be- geschichte unmittelbarer und persönlicher zu erleben“, sagt Christoph Wolff, sonders Bach. Wegen ihm ist Freedman gekommen, Direktor des Leipziger Bach-Archivs. besucht er Konzerte, führt er intensive Und Geschäftsführer Dettloff SchwerdtfeGespräche, unter anderem mit den Leu- ger sekundiert begeistert: „Ein Bachten vom Bach-Archiv. Erst seit Dienstag Spielfilm erreicht mehr Menschen als das weiß man dort, was Freedman vorhat: Bach-Archiv, das Bach-Museum und das Der gebürtige Kanadier, der in Los Ange- Bachfest zusammen. Wir freuen uns, dass les und Oregon lebt, arbeitet am Dreh- Jeffrey M. Freedman das Bachfest nutzt, buch für einen großen Spielfilm über Jo- um sein Filmprojekt zu beginnen.“ Der Amerikaner, der zum ersten Mal hann Sebastian Bach. Noch fehlt so ziemlich alles, was ein in Leipzig ist, könnte tatsächlich ein Film braucht: vor allem die Finanzierung. Glücksfall sein, auch weil er seit der Aber die Idee ist da. „Ich habe bereits Kindheit in der Musik zu Hause ist. Sie eine Geschichte im Kopf. Bach war mit begegnet ihm in einer Zeit von familiäneun Jahren Waise, und ist später als rem Chaos und Schmerz. Da ist er elf Komponist seiner Zeit weit voraus gewe- Jahre alt. „Mit der Musik von Vivaldi und sen. Er hatte kein leichtes Leben – mit 20 Bach verbinde ich Struktur, Harmonie, Kindern, von denen viele sehr jung star- Schönheit und Ordnung. Etwas, das ich ben. Doch da ist seine Musik, seine Ver- als Kind nicht erfahren hatte.“ Nach einer bindung zu einer höheren Autorität.“ Da- Ausbildung in Psychologie heiratet er rum solle es in dem Film gehen. Darum, eine US-Amerikanerin, trennt sich bald wie einer von Gott geleitet und zu Göttli- von ihr, aber bleibt in den USA und bechem geführt wird – „zu dieser überirdi- ginnt zu schreiben. Er verfasst Artikel für schen Musik“. Freedman spricht leise, zahlreiche Zeitungen und Magazine, wägt die Worte, bevor er sie spricht. Er schreibt ein Musical, das in Toronto aufwill diesem Über-Komponisten Leben geführt wird, Lyrik, Drehbücher. Bei der einhauchen. Biografie. Leidenschaft. Da- kanadischen Band „The Deck Chairs“ ist er für die Texte zuständig. Nebenbei enfür muss man sich einfühlen können. Auch ein Casting steht selbstredend gagiert sich der überzeugte Veganer in noch aus. „Ich weiß nur, dass George sozialen Projekten in Toronto, Los AngeClooney Bach nicht spielen wird. Ich les, New York und Washington. Freedkönnte mir gut einen Europäer in der man ist ein Suchender, der immer wieder Rolle vorstellen. Es kann auch ein völlig auch finden kann. „Leipzig ist eine inspirierende Stadt.“ Unbekannter sein.“ In den nächsten Monaten will er versuchen, Co-Produzenten Ganz anders als zum Beispiel Berlin erin den USA, Kanada oder Großbritannien reiche sie ohne Umwege Herz und Seele, für das Projekt zu interessieren. Und wo sagt Freedman. „Ich fühle mich hier zu soll der Film gedreht werden? „Natürlich Hause.“ Nur wenn er vor den im Boden eingelassenen „Stolpersteinen“ steht, mit vor allem in Leipzig.“

Sein „Vivaldi“ mit Joseph Fiennes und Gérard Depardieu kommt bald in die Kinos. Jetzt plant der aus Kanada stammende Drehbuchautor Jeffrey M. Freedman sein nächstes Projekt: einen großen international produzierten Spielfilm über Johann Sebastian Bach. Beim Bach-Archiv ist man begeistert von der Idee.

PROGRAMM Heute 9.30, Michaeliskirche: Mette, Chormusik von Thomaskantoren; Pfarrer R. Günther, J. Pietzonka, P. Goldmann, Chor und Ensemble der HMT, M. Bühle (Einstudierung) 9.30, Bach-Museum, Sommersaal: Seminar; Bachs erster Leipziger Kantatenjahrgang (9.30–11.30, Fortsetzung Samstag); Ltg.: P. Wollny; Kartenpreis: 62,00 (inkl. Lehrmittel) 11.30, Alte Handelsbörse: Für Kenner und Liebhaber, Werke u. a. von Schein, Sweelinck, Scheidt; L’Art du Bois 12.00, ab Thomaskirche: Orgelfahrt nach Naunhof und Leipzig; E. Melbø, J. Wolf (Orgel); Kartenpreis: 62,00 15.00 Führung durch das Bach-Museum Kartenpreis: 9,00 (kein Vorverkauf) 16.00, Baptisten Leipzig: Junges Gemeindefest; Eintritt frei 18.00, Thomaskirche: Motette, Werke von Thomaskantoren und Thomanern; Pfarrerin B. Taddiken, D. Beilschmidt, Thios Omilos 20.00, Thomaskirche: Cantate Domino, Werke u. a. von Bach, Schumann, Britten; F. Teardo, Saint Thomas Choir of Men and Boys (New York), Ltg.: J. Scott; Kartenpreise: 47,00 | 37,00 | 27,00 | 16,00, erm.: 42,00 | 32,00 | 21,00 | 11,00 20.00, Gewandhaus: Großes Concert, Goldberg-Variationen 20.00, Werk II, Halle D: Ernst Horn und Gäste; Kartenpreis: 18,00 22.30, Altes Rathaus: Für Kenner und Liebhaber, Werke von Berg, Schumann, Brahms; Duo Brillaner; Kartenpreise: 37,00 | 29,00, erm.: 32,00 | 23,00 22.30, Baptisten Leipzig: Bach – Reflections in Jazz; Pascal von Wroblewsky & Band; Kartenpreis: 16,00, erm.: 12,00

Morgen

Jeffrey M. Freedman will Bach vom Sockel holen. denen an ehemalige Bewohner der Stadt erinnert wird, die von den Nazis ermordet wurden, fragt er sich: „Was mache ich eigentlich hier?“ Seine Familie stammt aus Deutschland, musste vor den Nazis fliehen. Eine andere Tragödie verhinderte der Zufall: Freedmans Großvater Abraham Stiejn hatte eine Schifffahrt nach New

Foto: Jürgen Kleindienst

York gebucht. In der Nacht vor der Überfahrt verlegte er die Tickets und blieb an Land. Das war im Jahr 1912, und das Schiff hieß Titanic. „Hätte er die Tickets gefunden, säße ich jetzt nicht hier.“ Doch das ist eine andere Geschichte. Eine neue hat gerade begonnen. Es ist eine Liebesgeschichte. Mit Leipzig, Bach – und dem Regen ...

9.30, Evangelisch-reformierte Kirche: Mette; Pastorin E. Bucksch, J. Kirchner, S. Krumbiegel, T. Hunger, G. Schwarz, Kantorei der Evangelisch-reformierten Kirche, Orchester am Fürstenhof, Ltg.: C. Bräutigam; Eintrittsprogramm: 1,00 9.30, ab Thomaskirche: Konzertfahrt nach Güldengossa und Eilenburg; D. Orlando, J. Grosso, NBCM, Ltg.: A. Winter (Violine); Kartenpreis: 72,00 11.00, Theater der Jungen Welt: Um schlimme Kinder artig zu machen, Garantiert unpädagogische Liedgeschichten aus „Des Knaben Wunderhorn“ 11.30, Grassimuseum für Musikinstrumente: Werke von Bach, Mozart, Busoni; F. Starkloff, B. Vaida; Kartenpreis: 19,00, erm.: 16,00 14.00, Thomascafé im Thomashaus: Bachgeflüster; M. Wollny, T. Halperin, M. Hoffmeister (Moderation); Eintritt frei 15.00, Thomaskirche: Motette; The Rev. Robert Moore (Houston, Texas), U. Böhme, R. Bühler, Inga Jäger, T. Hunger, T. Berndt, amici musicae, Chor & Orchester, Ltg.: Ron-Dirk Entleutner; Eintrittsprogramm: 2,00 15.00, Zoo, Entdeckerhaus Arche: Das Zookonzert mit dem Zoowärterquintett für Kinder ab 5 Jahre; C. Neubauer, M. Schöpfer, P. Forcher, F. Wallner (Trompete), E.Duit (Klavier, Komposition), M. Simsa (Gesang, Moderation, Konzeption); Karten für Jahreskarteninhaber nur im Zoo an der Tageskasse: 3,00 / 1,00; Kartenpreis (inkl. Zooeintritt): 21,00, Kinder 4 bis 14 Jahre: 12,00 15.00, Führung durch das Bach-Museum; Kartenpreis: 9,00 (kein Vorverkauf) 16.00, Promenaden Hauptbahnhof Leipzig: BachSpiele 2012, Finale des CrossoverKünstler-Wettbewerbs für Nichtprofis aller Sparten von 14 bis 27 Jahren; Eintritt frei 16.30, Zoo, Entdeckerhaus Arche: b@ch für uns!: Das Zookonzert; siehe 15.00 17.00, Nikolaikirche: Orgelmusik, Italienische Reminiszenzen, Werk von Bach, Liszt, Bossi; J.-C. Geiser; Kartenpreis: 11,00, erm.: 8,00 17.00, Gewandhaus, Großer Saal: Orgelwerke von Gewandhauskapellmeistern des 19. Jahrhunderts, Werke u. a. von Mendelssohn, Gade, Reinecke; Gewandhausorganist M. Schönheit; Kartenpreis: 8,00 20.00, Nikolaikirche: „... ein neues Lied“ 800 Jahre Thomana, Orchesterkonzert, Werke von Bach, Hiller, Mozart; Orchestra of the Age of Enlightenment, Ltg.: M Faultless (Violine); Kartenpreise: 62,00 | 47,00 | 32,00 | 16,00, erm.: 52,00 | 37,00 | 27,00 | 13,00 22.30, Altes Rathaus: Für Kenner und Liebhaber: „Frische Clavier Früchte“, Werke von Bach, Kuhnau; P. Dirksen (Cembalo); Kartenpreise: 37,00 | 29,00, erm.: 32,00 | 23,00 22.30, Kellertheater der Oper Leipzig: Bach – Reflections in Jazz, „Wunderkammer“; M. Wollny (Piano), T. Halperin (Cembalo); Kartenpreis: 16,00, ermäßigt: 12,00

Bezaubernde Entzauberung Michael Quast und die Batzdorfer Hofkapelle entkleiden Johann Adolph Hasses Oper seria „Cleofide“ in Bad Lauchstädt „Obwohl Makedonien nicht qualifiziert ist und man in Indien eher Cricket schätzt“, ruft Michael Quast ins Publikum, „hier eine erster Zwischenstand: Gomez hat zum Eins-zu-Null getroffen.“ Durchs bis auf den letzten Platz vollgestopfte historische Goethe-Theater in Bad Lauchstädt wogen Lacher und Gluckser. Im Graben haben Mitglieder der Batzdorfer Hofkapelle die Gesichtsmuskeln nicht im Griff. Sänger ringen um Fassung. Viertel nach neun zeigt die Uhr an, der Abend ist bereits gut zwei Stunden alt, und auf dem Programm-Zettel steht „Cleofide“, eine opera seria, eine ziemlich ernste Oper also, von Johann Adolph Hasse. Darf man das? Darf man den Alltag eindringen lassen in die kunstvoll künstliche Welt der spätbarocken italienischen Oper? Oder, um es mit Quasts Worten zu sagen: „Gibt es Ironie in der Barockoper?“ Komplizierte Fragen, die dieser hinreißende und bisweilen saukomische lange Abend indes mit größter Deutlichkeit beantwortet. Quast hat das Konzept ersonnen und umgesetzt: Rechts auf der Bühne steht ein Nachbau von Goethes berühmtem Puppentheater. Da hinein stellt Quast Gliederpuppen in prachtvoll bunten Kostümen. Links daneben stehen die Sänger der vier Protagonisten Cleofide, Poro, Alessandro, Timagene, davor sitzt das

Orchester. Viel dynamischer als im winzigen Guckkasten aus dem Kinderzimmer des später großen Johann Wolfgang wird es auf der Dresdner Theater-Bühne 1731 auch nicht zugegangen sein, als Hasses Metastasio-Oper das Licht der Welt erblickte: gezierte Posen an der Rampe, Tableaus, verzerrte Gesichter. Und es ist erstaunlich, wie gut diese Illusion auch im Kleinen funktioniert. Aber, und das ist die Essenz dieser denkwürdigen Produktion: In der Oper geht es nicht um Illusion. Darum kann Quast als „wandelndes Rezitativ“ seine liebevollen Pointen setzen, die hirnrissige Handlung entlarvend, all die Intrigen und Unwahrscheinlichkeiten, die Gefühlswallungen und Enttäuschungen, die Alexander dem Großen widerfahren beim Versuch, Cleofides indisches Reich zu erobern. Da kann Quast ganz nebenbei noch den Kosmos der opera seria aufschließen und immer wieder den Blick aufs Heute richten. All diese vermeintliche Entzauberung einer bei Lichte besehen zwar gut gemachten, aber bis aufs Schlussduett des ersten Aktes und Timagenes Rache-Arie im zweiten auch nicht herausragenden Oper, vergrößert nur ihren Zauber. Denn was da zum Vorschein kommt, nachdem Quast dem Werk sozusagen einen Schleier nach dem anderen entrissen

Michael Quast (rechts) macht große Oper im Kleinen ganz groß. hat, ist die pure Kraft einer Kunstform, die auf emotionale Überrumpelung setzt und nicht auf Logik. Das macht uns Barockoper so fremd – und sorgt doch dafür, dass sie immer noch funktionieren kann. Die regungslosen Puppen auf der kleinen Bühne, sie öffnen die Ohren für den großen Gesang auf der großen und das

Foto: Gert Mothes

Orchesterfeuerwerk davor. Wie beispielsweise die fabelhafte Yeree Suh in der Titelpartie die Koloraturen und Chiffren ihrer enorm anspruchsvollen Gesangspartie durchlässig macht für Gefühle, das bedarf keines nachvollziehbaren Handlungsfadens. Da reicht es, an den Haaren eine Situation herbeizuziehen, in der sie sich

ihre Liebe, ihren Schmerz, ihre Eifersucht aus der Seele tirilieren kann. Ebenso halten es der ebenso fabelhafte Yosemeh Adjei als Alessandro, der etwas matte Kai Wessel als Poro, der noch etwas mattere Raimund Nolte als Timagene. Und auch das, was im Graben Michael Hofstetter mit der virtuos und drahtig aufspielenden Batzdorfer Hofkapelle anstellt, fragt nicht nach Substanz oder Innovation, sondern dient ganz und gar der Wirkung, der Emotion – Hasses Zeitgenossen hätten gesagt: dem Affekt. Und schallendes Lachen hindert niemanden im Saal daran, sich bei Gelegenheit auch mal ein Tränchen der Rührung aus dem Augenwinkel zu wischen. Dem dient letztlich auch Quasts (gottlob) stark gekürzte kommentierte Einrichtung. Denn es gibt kaum einen schlagenderen Beweise für die Wirkungsmacht der guten alten Seria als diesen: Sie funktioniert auch im Kleinen, nackt sozusagen, ohne jeden Ausstattungs- oder Maschinen-Pomp, sogar ironisiert. Denn auch der ferne Geschützdonner, den der monströse Donnerkasten simuliert, ist mehr augenzwinkernde Zutat als akustische Illusion. Endloser Jubel aus ermatteten Gliedern – denn gegen die Holzbänke im GoetheTheater ist das Bayreuther Festspielhaus eine Wellness-Oase. Peter Korfmacher