Herrenhäuser Gärten - Großer Garten

Ernst August von BraunschweigLüneburg (1629. 1698) und seiner Frau, Kurfürstin .... glückliche Fügung und eindrucksvolle Seltenheit. Nach 1837 lebte die ...
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HERRENHÄUSER GÄRTEN  |  HERRENHAUSEN GARDENS

Großer Garten

Great Garden

HERRENHÄUSER GÄRTEN

Großer Garten HERRENHAUSEN GARDENS

Great Garden Fotos | photos: Stefan Schulze Texte | text: Sabine Zessin

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EINFÜHRUNG INTRODUCTION Der Große Garten ist nicht nur das imposante Kernstück der Herrenhäuser Gärten in Hannover, sondern darüber hinaus eine der bedeutendsten barocken Gartenanlagen Europas. Zwar haben sich seit den Anfängen des Gartens gestalteri­ sche Veränderungen vollzogen, doch sind die Grundstrukturen der ursprünglichen Anlage noch heute erlebbar, was den Großen Garten zu einem außergewöhnlichen Schauplatz historischer Gar­ tenkultur macht.

The Great Garden is not only the impressive centrepiece of the Herrenhausen Gardens in Hanover, but also one of the most distin­ guished Baroque gardens in Europe. The garden has undergone some changes since its beginnings, but the basic structures of the original garden are still visible today which makes the Great Garden an exceptional site of historical garden culture.

CREATION AND HEYDAY ENTSTEHUNG UND BLÜTEZEIT Die Geschichte des Gartens nimmt in den 1670er Jahren ihren Lauf, als Welfenherzog Johann Friedrich zu Braunschweig-Lüneburg mit dem Bau eines Lustschlosses vor den Toren Hanno­ vers begann und hier, in Herrenhausen, in den folgenden Jahren auch einen Garten einrichten ließ. Dessen Fläche war ungefähr so groß wie das Große Parterre heute; alte Pläne lassen mehrere Beetfelder vermuten, ein Wasserbecken sowie zwei Fischteiche. Gehölze wie Linden, Hainbu­ chen und Obstbäume rahmten den Garten ein.

The history of the garden starts in the 1670s when the Welf duke John Frederick of Bruns­ wick-Lueneburg began with the construc­ tion of a pleasure palace on the outskirts of Hanover and also commissioned the creation of a garden here in Herrenhausen in the fol­ lowing years. Its surface was approximately that of today’s Great Parterre; old plans sug­ gest the existence of several planting beds, a water basin and two fish ponds. The garden was framed by trees and shrubs such as lime trees, hornbeams and fruit trees.

Seine Glanzzeit allerdings erlebte der Große Gar­ ten später, unter dem Herzog und Kurfürsten Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (16291698) und seiner Frau, Kurfürstin Sophie (16301714), die 1680 nach Hannover kamen. Nach den Wünschen der gartenbegeisterten Kurfürstin wurde die Gartenanlage im Laufe der Jahrzehnte auf ihre heutige Größe erweitert. Das Große Par­ terre mit seinen Sandsteinfiguren, das Hecken­ theater, die Galerie sowie der südliche Gartenteil,

The Great Garden’s high period, however, came later under the Duke and Elector Ernest Augustus of Brunswick-Lueneburg (16291698) and his wife, the Electress Sophia (1630-1714) who came to Hanover in 1680. According to the wishes of the Electress who was a gardening enthusiast, the garden was expanded over the decades to the size it is today. The Great Parterre with its sandstone figures, the Hedge Theatre, the Gallery and

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Blick auf das Große Parterre und die Glockenfontäne. Symmetrie und die axiale Ausrichtung des Gartens auf das Schloss als Bezugspunkt sind wichtige Gestaltungsmerkmale barocker Gartenkunst.  |  View onto the Great Parterre and Bell Fountain. Symmetry and the axial layout of the garden with the castle at the centre are important characteris­tics of the art and architecture of the Baroque garden. der Nouveau Jardin, gehörten zu den umfang­ reichen Neuerungen. Sophies Gartenvorbilder lagen zum einen in Frankreich, wo die Schloss­ gärten von Versailles unter Ludwig dem XIV. eine gewaltige Strahlkraft auf die Gartengestaltung an allen europäischen Höfen ausübten. Ordnung, Symmetrie und architektonisch präzise Formen, bzw. Formgehölze als Ausdruck einer vom Fürs­ ten beherrschten Welt waren die Maximen der damaligen Gartenkunst. Doch die Kurfürstin kannte auch die bedeutenden Gärten Hollands, in denen neben Zier- auch Nutzpflanzen wuchsen; ein eigenwilliges Gestaltungsmerkmal, das sich auch im Großen Garten in Form von zahlreichen Obstgehölzen im Nouveau Jardin durchsetzte.

the southern part of the garden, the Nouveau Jardin, were some of the comprehensive in­ novations. Sophia was inspired by the French formal gardens; the Gardens of Versailles un­ der Louis XIV had an enormous influence on garden design at all European courts. Order, symmetry and precise architectural forms or topiaries expressing the principle of im­ posing order on nature were the maxims of garden art at that time. But the Electress was also familiar with the famous Dutch gardens which were kitchen gardens as well as orna­ mental gardens; a unique feature that also established itself in the Great Garden in the form of numerous fruit trees in the Nouveau Jardin.

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Einführung | Introduction

1714 starb Sophie bei einem Spaziergang durch ihren Garten. Im gleichen Jahr wurde ihr Sohn, Georg Ludwig, König von Großbritannien. Er blieb in Personalunion allerdings auch Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg. Da George I. und sein Sohn, George II., das Schloss Herrenhau­ sen bis 1755 regelmäßig als Sommerresidenz nutzten, wurde auch der Große Garten weiter­ hin intensiv gepflegt. Darüber hinaus investierte George I. ein Vermögen, um den Traum von einer Großen Fontäne in die Tat umzusetzen – was ihm 1720 gelang. 35 Meter Höhe erreichte der Was­ serstrahl; Herrenhausen wurde für diese techni­ sche Sensation berühmt

Sophia died in 1714 while strolling through her garden. In that same year, her son, George Louis, became king of Great Britain, but he also remained Elector of Brunswick-Luene­ burg in personal union with Great Britain. As George I and his son, George II, regularly used the Herrenhausen Castle as a summer residence until 1755, the Great Garden was carefully groomed in that time. Furthermore, George I spent a fortune to realize his dream of a Great Fountain - and succeeded in 1720. The fountain reached a height of 35 metres; Herrenhausen became famous due to this technological sensation.

DER GARTEN VON 1755 BIS HEUTE

THE GARDEN FROM 1755 UNTIL TODAY

Obgleich die Personalunion mit Großbritannien bis 1837 bestand, kam nach 1755, bis auf eine einzige kurze Ausnahme, kein englischer König mehr nach Herrenhausen zu Besuch. Entspre­ chend entwickelte sich der Große Garten gestalte­ risch kaum weiter. 1763 machte man die Anlage für die Allgemeinheit zugänglich; wenige Jahr­ zehnte später waren viele Bereiche des Gartens vernachlässigt oder wurden als Baumschulquar­ tiere genutzt. Eine Verwandlung hin zum Land­ schaftsgarten, dessen Konzept aus England kam und von 1750 an in ganz Europa die Gärten des Adels umfassend veränderte, fand im Großen Garten nicht statt. So lässt sich in Herrenhausen heute ein Garten betrachten, der in seinen Grund­ zügen noch der barocken Anlage entspricht – eine glückliche Fügung und eindrucksvolle Seltenheit. Nach 1837 lebte die Welfenfamilie wieder in Han­ nover. Der Große Garten wurde zwar in Stand gesetzt, aber mit der Inflation in den 1920er Jah­ ren verfiel der Kulturschatz. 1936 kaufte die Stadt Hannover den Großen Garten und nahm Res­ taurierungsarbeiten an Gehölzen und barocken Bauwerken vor; dadurch blieb die Grundstruktur des barocken Gartens erhalten. Doch es wurden nun auch barockisierende Gestaltungselemente

Although the personal union with Great Brit­ ain existed until 1837, apart from a single short exception, no English monarch came to visit Herrenhausen after 1755. Consequent­ ly, the development of the design of the Great Garden stagnated. In 1763 the garden was opened to the public; only a few decades later, many parts of the garden were neglect­ ed or used as tree nursery. A metamorphosis into a landscape garden, which emerged in England and spread across Europe complete­ ly changing the gardens of the nobility from 1750, did not take place in the Great Garden. Hence the garden in Herrenhausen still has the main features of a Baroque garden to­ day – a fortunate coincidence and impressive rarity. After 1837, the Welf family lived in Hano­ ver again. Although the Great Garden was restored, with the inflation in the 1920s the cultural treasure deteriorated. In 1936, the city of Hanover bought the Great Garden and restored trees and shrubs and Baroque build­ ings; the basic structure of the Baroque gar­ den was thus preserved. But Baroque-style

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Marmorbildnis von Sophie, Kurfürstin zu Braunschweig-Lüneburg (1630-1714). Die gebildete und weit gereiste Herzogin war die entscheidende Förderin der Gartenkultur in Herrenhausen.  |  Marble statue of Sophia, Electress of Bruns­wickLueneburg (1630-1714). The cultured and muchtravelled duchess was the most important patron of Herrenhausen garden culture.

hinzugefügt, darunter die Sondergärten, die Aus­ sichtsplattform oder der Irrgarten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Große Garten stark in Mitleidenschaft gezogen. Ohne Schloss, das zerstört war, fehlte dem Garten fortan der gestalterische Bezugspunkt. In den 1950ern begann jedoch die Wiederherstellung der gesam­ ten Anlage, die heute zu den prachtvollsten ihrer Art in Europa zählt und für zahlreiche kultu­ relle Veranstaltungen genutzt wird. 2013 wurde schließlich das rekonstruierte Schloss Herren­ hausen eröffnet, mit einer modernen Innenar­ chitektur für die Nutzung als Museum und Wis­ senschaftszentrum. Die Fassade des Schlosses allerdings erinnert an historische Zeiten und setzt den Garten herrschaftlich in Szene. Ob blumen­ reiche Broderieparterres oder goldstrahlendes Heckentheater, erfrischende Wasserspiele oder die erhabene Eleganz des Nouveau Jardin: Der Große Garten öffnet ein Fenster in die prunkvolle und geordnete, verschwenderische Welt barocker Gartenkunst.

design features were also added, such as the Special Gardens, the viewing platform and the maze. During World War II, the Great Garden suf­ fered immense damage. The castle was de­ stroyed and without it the garden had lost its architectural centrepiece. In the 1950s, how­ ever, restoration work began of the whole garden, which is one of the most exquisite of its kind in Europe today, hosting a large variety of cultural events. The Herrenhaus­ en Castle was rebuilt and finally reopened in 2013. With its modern interior design it can be used as a museum and science centre. In contrast, the façade of the castle is reminis­ cent of the past and magnificently highlights the garden. From the flowery Parterres de Broderie to the Hedge Theatre with its gold­ en shine, from refreshing water displays to the sublime elegance of the Nouveau Jardin: The Great Garden opens a window onto the ostentatious and orderly, lavish world of Ba­ roque garden culture.