Henrik Lüchtenborg ‒ Mut zur Poesie

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Henrik Lüchtenborg

Fratzen 6 Millionen Fratzen und ich versinke nur in Deiner

Lyrik

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© 2014 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Henrik Lüchtenborg Printed in Germany

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Ulrike Stockmann: Henrik Lüchtenborg – Mut zur Poesie Das Leben in der Postmoderne ist weiß Gott eine Herausforderung: Wir befinden uns in einem Prozess unaufhaltsamer Transformation. Strukturen verschwimmen, werden bedeutungslos, das Individuum ist auf sich allein gestellt – ein klarer Fall ins Bodenlose. Alle wollen glauben, dass die alten verstaubten Regeln nicht mehr gelten und kämpfen zugleich um deren krampfhafte Aufrechterhaltung. Sicherheit wird großgeschrieben, doch man kann sich nicht mehr sicher sein. Die Dekadenz ist längst über uns herein gebrochen, mögen wir uns auch noch so sehr bemühen, die Zukunftsmusik nicht wahrzunehmen. Und die Literatur? Verleiht sie dieser Stimme Ausdruck? Merkt sie überhaupt, was vor sich 4

geht oder ist sie noch zu sehr damit beschäftigt, die Tradition des 20. Jahrhunderts fort zu setzen? Immerhin ein Autor hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich ihrer angenommen. Henrik Lüchtenborg ist die Stimme der musischen Jugend, die sich derzeit mit Vergnügen in Berliner Vierteln wie Kreuzberg, Neukölln oder Friedrichshain vernehmen lässt: Im Sinne von Menschen mit einem differenzierten Blick auf die Welt, den Raum, die Zeit und nicht zuletzt sich selbst darin. Lüchtenborg nimmt kein Blatt vor den Mund und schreibt buchstäblich ohne Punkt und Komma. Seine Natur bewegt ihn zu textlichen Gefühlsausbrüchen, geistigen Höhenflügen und schnöder Sozialkritik. Die Emotion bestimmt seinen Text, so fürchtet er sich auch nicht vor zarten Liebeserklärungen, Erinnerungen ans Scheitern oder leiser Selbstironie. In der Ausgefallenheit seiner Prosa beweist Lüchtenborg einen sicheren Stil: Textfragmente, Gedichte oder auch gerne mal ein Inter5

view mit sich selbst fügen sich zusammen zu einer kunstvollen Collage. Er bleibt oft vage und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Er findet Wahrheit im Kuriosen und führt das Paradoxe ad absurdum. Er greift flüchtige Eindrücke auf und verleiht ihnen Tiefe durch seine szenische Sorgfalt. Heute noch kommt es bei literarischen Werken – seien es Romane oder Gedichte - oft auf die Struktur an. Es besteht ein Anspruch auf Dramaturgie, Form und „den richtigen Ton“. Lüchtenborg scheint es darum nicht zu gehen und aus diesem Grund kommt seine Literatur gut ohne ein erkennbares „Konzept“ aus. Er selbst sagt, er könne nicht anders, als zu schreiben. Und diesen förmlichen Schreibdruck liest man aus jeder seiner Zeilen heraus. Und gerade daher kommen seine expressionistisch anmutenden Texte natürlich und von Herzen daher, sind nicht zur bloßen Pose verkommen. Ihm gelingt somit eine literarische Exzentrik, nach der sich so mancher Autor sehnt, die je6

doch nur gelingt, wenn sie aus einem aufrichtigen Gefühl heraus entsteht. Anarchie wird nicht durch Übung einstudiert, sondern kann nur existieren, wenn sie aufrichtig gelebt wird. Lüchtenborg schreibt seine ganz persönliche Anarchie aus dem Leben heraus, findet im Alltäglichen Besonderes und macht das Besondere alltäglich. Er setzt ein Zeichen für seine Generation, seine Stadt und nicht zuletzt seine Berufung. In diesem Sinne – hier ist ein Gesicht der deutschen Literatur 2014. Der Postmoderne, in der Henrik Lüchtenborg Innovation beweist und dennoch literarische Tradition bewahrt. Die Tradition zum Mut. Und somit den Mut zur Poesie. (Berlin 2014)

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Du verlässt die Bücher, gehst von Schenke zu Schenke; der Bier-genuss allabendlich, der Biergeruch verscheucht die Menschen von DIR.

Die Trunkenheit ist ein Zustand momentaner Vergiftung! Die unvermeidliche Wirkung solcher Vergiftungen, wenn sie chronisch werden, bringt es aber auch dahin, dass das Blut des Trinkers sich verändert. Es bekommt einen anderen Rhythmus.-Es rennt nur noch! So kommt es, dass eine große Verwirrung im Körper des Taugenichts eintreten wird. Der Taugenichts verliert seine Zeugungskraft und damit seine Existenzberechtigung unter uns Wesen. Vergessen wir nicht den unendlichen Durst nach einer Trinkorgie. Dieser Durst wird ohne jeden Zweifel vom Verbrauch des im Magen vorhandenen Zuckerstoffes erzeugt oder auch dadurch, dass die einzelnen Elemente der 8

Speicheldrüse in ihren Zentren eben völlig überlastet und abgelenkt sind.

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Ich hab Heimweh nach dir In tausend Erinnerungen versunken, suche ich dich in meinen Träumen und finde nur kalte Bilder aus der langvergessenen Zeit. Das liebliche Lächeln in meinen Träumen, zu dunklem Gelächter verwandelt, lässt die große, weite Welt so elend klein erscheinen. Der Frühling warnt vor zu viel Melancholie, da erwache ich aus meinem langen Winterschlaf. Ließ mich fallen in die dunkelsten Ecken meiner Stadt, verkannte jedes offene Herz und lernte einsam zu leben. Befreite mich von deiner Liebe und trank mich 10

stark am Hass um mich herum. Du warst mein Lieblingsmensch, mein Halt. Ich hab Heimweh – Heimweh nach dir. Ich hab dich so sehr vermisst, dass ich mich selbst schon längst verloren habe. Hab tausend Münder geküsst und nicht einen berührt. Hab tausendmal versucht dich zu ersetzen, jedes Mal gespürt, dass es nur noch eine andere Hälfte für mein Herz gibt und ich nicht wählen darf. Du warst die Wiese auf der ich blühen durfte, das Licht, das mir den rechten Weg wies. Du warst die schönste Note in meinem Liebeslied. Der einzige Buchstabe, den ich sprechen konnte. 11

Du warst mein Flügel, wenn ich fiel und mein letzter Gedanke bevor ich zu träumen begann. Du warst mein Lieblingsmensch, mein Halt. Ich hab Heimweh – Heimweh nach dir. Jetzt. Jetzt verlier ich dich für immer. Lass dich gehen. Lass dich frei. Verlaufe mich auf jedem Meter, den ich renne. Was bleibt ist grau und leer. * * *

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Himmelstor Heute Nacht hat mir der Wind mein Leben neu erklärt - trieb mich aus dem Bett mit Donner und Blitz, rief mich hinaus, dort unten auf die Straße – „Leg dich hin, du Narr, und schau, was dich behütet“, pfiff es wütend aus den Ästen einer alten Buche. So lag ich dort, den Blick geschickt auf eine lange Suche! Die Sterne rieten mir nicht all zu weit nach vorn zu schauen verständ‘ ich doch nichts von Weiten, als wohl auch nicht die Ferne. Das Jetzt sei hier, man müsst‘s nur greifen, dann würde ich vielleicht doch zum Menschen reifen.

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Die dunkle Mutter Himmelsdecke, nahm mich warm und sanft behütet in ihr warmes Zelt gleich auf. Fühlte mich so klein geborgen; endlich durft‘ ich Kind hier sein – so wusch sie halb im Schlafe meine alte Seele rein. Der Mond, der alte treue Vater, hielt mit strengem Angesicht mich bloß für einen kleinen Taugenichts. Will ihm gefallen und will ihn gleich ehren, auch er lädt mich ein - will mir keinen Wunsch verwehren. Nur der liebe Gott bleibt heute ganz dem Bilde fern. Hätte ihn inzwischen seiner Wunder gesehen doch so gern. Zeigt keinen Saum des goldenen Gewandes, bleibt fern des ersehnten Landes. Wills ihm heut Abend gar nicht übel nehmen, 14

so viel Schaffenskraft Tag ein Tag aus. Muss jeden morgen schon so früh heraus. Achtet auf uns jeden Tag, weil er uns doch so gern mag. Muss gar nicht lang auf ihn hier warten spricht er doch durch seine Taten. Er schaffte Sterne, Himmelsdeck und Vater Mond, Nun weiß ich, liebe Freunde, dass an ihn glauben sich wohl lohnt! * * *

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