Größte Gefahren bei CETA aus der Sicht von Greenpeace1

Beispiele neue Gentechnik und Glyphosat: In den letzten Jahren wurden neue Gentechnik- verfahren, wie z.B. „Gene-Editing" entwickelt, die die Agroindustrie ...
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Größte Gefahren bei CETA aus der Sicht von Greenpeace1 Aus der Sicht von Greenpeace sind bei dem EU-Kanada-Handelspakt CETA die folgenden drei Bereiche besonders problematisch: 1) Sonderklagerechte für Konzerne, 2) Regulatorische Kooperation und 3) Gefährdung der Daseinsvorsorge und regulatorischer Handlungsspielräume. Diese Gefahren werden im Folgenden beschrieben und anhand konkreter Beispiele illustriert.



Sonderklagerechte für Konzerne

CETA schafft für ausländische Investoren einen zusätzlichen Rechtsschutz, der über jenen von inländischen Unternehmen hinausgeht. Diesen können sie geltend machen, indem sie Staaten vor einer Paralleljustiz auf hohe Schadenersatzsummen zu klagen, wenn sie diesen Schutz durch staatliche Maßnahmen für beeinträchtigt halten. Und das, obwohl in Rechtsstaaten wie in der EU und in Kanada ausländische Investitionen durch funktionierende Rechtssysteme bereits ausreichend geschützt sind. Beim Investitionsschutz, wie er in CETA vorgesehen ist, können Klagen gegen staatliche Maßnahmen zum Schutz von Umwelt, Gesundheit und anderen öffentlichen Interessen nicht ausgeschlossen werden. Die Praxis hat gezeigt, dass ausländische Investoren Klagedrohungen oft gezielt einsetzen, um Staaten davon abzuhalten, solche Maßnahmen überhaupt erst zu ergreifen. Darüber hinaus diskriminiert der Investitionsschutz in CETA inländische Investoren und auch alle anderen gesellschaftlichen Gruppen, die gegen staatliche Maßnahmen „nur“ vor den regulären Gerichten des Landes klagen können. Die Verankerung derartiger Klagerechte in CETA würde einen Präzedenzfall für TTIP und zukünftige Handelsabkommen schaffen. Außerdem würden durch CETA ca. 42.000 in der EU aktive US-Unternehmen die Möglichkeit erhalten, europäische Staaten über kanadische Tochterfirmen zu klagen („Treaty Shopping“). Vor allem wegen der Präzedenzwirkung für TTIP und andere Abkommen und der Möglichkeit von Treaty Shopping (US-Unternehmen gehören traditionell zu den eifrigsten Nutzern von ISDS) wäre mittel- bis langfristig mit einer starken Zunahme von Klagen gegen Staaten zu rechnen, wenn CETA kommt. Ein Inkrafttreten von CETA würde das System von Investor-Staat-Klagen auch insofern einzementieren, als Investorenklagen selbst nach Aufkündigung des CETA-Vertrags noch weitere 20 Jahre lang möglich wären. Mögliche Klagen gegen Verbot von Bankomatgebühren, Begrenzung von Wassergebühren und Mietpreisen und gegen höhere Standards im Gesundheitssektor: Es wäre zum Beispiel denkbar, dass der US-amerikanische Bankomatbetreiber Euronet, der für Abhebungen von seinen Bankomaten in Österreich heute bereits eine Gebühr verlangt, mittels CETA den Staat auf Schadenersatz klagen könnte, wenn hierzulande ein Verbot von Bankomatgebühren beschlossen würde. Voraussetzung dafür wäre, dass das Verbot nach dem Inkrafttreten von CETA (bzw. nach dem Beginn der vorläufigen Anwendung, sofern auch der Investitionsschutz vorläufig angewendet wird) von CETA erlassen wird und dass die Euronet-Niederlassung in Kanada Anteile an der österreichischen Niederlassung hält. Als rechtliche Grundlage für die Klage könnte Euronet argumentieren, das Gebühren-Verbot sei ein Verstoß gegen sein Recht 1

Dieses Papier liefert keine vollständige Aufzählung der aus zivilgesellschaftlicher Sicht problematischen Elemente von CETA, sondern fokussiert sich lediglich auf drei besonders problematische Bereiche.

auf Schutz vor „indirekter Enteignung“ oder das Recht auf „gerechte und billige Behandlung“ – beides Rechte, die CETA ausländischen Investoren gewährt. Denkbar wären außerdem beispielsweise Investor-Staat-Klagen gegen eine Weigerung der öffentlichen Hand, eine Erhöhung der Wassergebühren nach einer Privatisierung der Wasserversorgung zu genehmigen (so geschehen bei einer ISDS-Klage gegen Estland), gegen Regelungen zur Mietpreisbegrenzung oder gegen Verschärfungen von Leistungs- und Qualitätsanforderungen im Gesundheits- und Pflegesektor.



Regulatorische Kooperation

Durch die „regulatorische Kooperation“ sollen „nicht-tarifäre Handelshemmnisse“ – also Regulierungsunterschiede, die den Handel betreffen – zwischen der EU einerseits und Kanada andererseits abgebaut werden. Insbesondere sollen durch CETA neu geschaffene Gremien erörtern, wie nach Abschluss des Vertrages (!) abweichende Regulierungen entweder angeglichen („Harmonisierung“) oder gegenseitig anerkannt werden können. Doch bei einer Angleichung droht eine Absenkung auf das niedrigere Niveau, und bei einer gegenseitigen Anerkennung von Standards kann es zu einem verstärkten Wettbewerb unter ungleichen Ausgangsbedingungen kommen, der letztlich zu einem „race to the bottom“ bei Standards führt. Es gibt verschiedene Gründe, warum eine Angleichung von Standards nach unten und nicht etwa nach oben zu erwarten ist: Der Einfluss von Wirtschaftslobbys im Regulierungsprozess wird gestärkt, eine ausreichende Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner ist nicht gesichert. Die verstärkte Mitsprache von kanadischen Behörden und Lobbygruppen beim europäischen Regulierungsprozess schafft neue Hürden für die Weiterentwicklung von Standards. Regulierungshoheit und Schutzstandards sind nur unter Einschränkungen bzw. in schwachen Formulierungen im CETA-Text enthalten. All das ist besonders problematisch, weil die regulatorische Kooperation in CETA beinahe sämtliche Regelungen mit Handelsbezug umfasst, weil Änderungen des Vertragstextes nach Vertragsabschluss womöglich ohne ausreichende parlamentarische Beteiligung erfolgen könnten und weil konkrete negative Langzeitfolgen, die sich durch eine Veränderung des Regulierungsprozesses an sich ergeben, nur unzureichend vorausgesehen werden können. Beispiele neue Gentechnik und Glyphosat: In den letzten Jahren wurden neue Gentechnikverfahren, wie z.B. „Gene-Editing" entwickelt, die die Agroindustrie jetzt vermehrt auf die Felder bringen will. Aktuell steht eine Regulierung dieser Techniken in der EU noch aus, da die Europäische Kommission eine Stellungnahme bereits mehrmals verschoben hat. Die regulatorische Kooperation unter CETA bietet der kanadischen Regierung und der Agroindustrie ein zusätzliches Forum, in dem sie Druck auf die EU gegen eine Regulierung der neuen Gentechnik ausüben können. Ein weiteres Beispiel ist Glyphosat: Dessen Zulassung wurde im Juni von der Kommission um 18 Monate verlängert, danach wird sich die Frage nach einer Neuzulassung erneut stellen. Auch hier könnten die kanadische Regierung und die Agroindustrie ihren zusätzlichen Einfluss durch die regulatorische Kooperation nutzen, um sich für eine Neuzulassung einzusetzen. Die Gefahr bei neuer Gentechnik und Glyphosat ist umso größer, als bei der Regulierung in beiden Bereichen das Vorsorgeprinzip eine wichtige Rolle spielt – das jedoch durch verschiedene Bestimmungen in CETA geschwächt würde.



Gefährdung der Daseinsvorsorge und regulatorischer Handlungsspielräume

Ein wichtiger Teil von CETA zielt auf die Liberalisierung von Dienstleistungen ab. Dabei geht es nicht nur um eine Liberalisierung für ausländische, sondern auch für inländische Anbieter – einer der Gründe dafür, warum CETA viel mehr ist als nur ein „Handelsabkommen“. CETA ist das erste EU-Abkommen, bei dem in diesem Bereich der „Negativlistenansatz“ angewendet wird: Grundsätzlich gelten die Liberalisierungen für sämtliche Dienstleistungssektoren – ausgenommen sind nur jene Sektoren, die die einzelnen Staaten explizit auf eine Ausnahmeliste setzen. In früheren EU-Handelsabkommen hingegen war es umgekehrt – es wurden nur jene Sektoren liberalisiert, die explizit angeführt wurden. Mit dem Negativlistenansatz in CETA wird ein Präzedenzfall für zukünftige Abkommen geschaffen. Wichtige öffentliche Dienstleistungen der Daseinsvorsorge kommen dadurch unter verstärken Liberalisierungsdruck. In CETA gibt es keine generelle Ausnahme der Daseinsvorsorge von den Liberalisierungsverpflichtungen. Die bestehenden Ausnahmebestimmungen sind sehr lückenhaft und bieten keinen ausreichenden Schutz vor Liberalisierung – und vor allem auch keinerlei Schutz vor Investorenklagen. Besonders problematisch ist außerdem der Einsatz der sogenannten „Stillstands- und Ratchetklauseln“. Diese machen es in Zukunft unmöglich, einmal getroffene Liberalisierungen rückgängig zu machen. Der zukünftige regulatorische Handlungsspielraum und die Möglichkeit, missglückte Liberalisierungen rückgängig zu machen, werden dadurch massiv eingeschränkt. Beispiele Abwasser- und Abfallentsorgung, geförderter Wohnbau: Aufgrund des Negativlistenansatzes und der unzureichenden Ausnahme der Daseinsvorsorge sind in Österreich insbesondere die Sektoren Abwasser- und Abfallentsorgung nur unzureichend von den Liberalisierungsverpflichtungen unter CETA ausgenommen. Denn Österreich hat (im Gegensatz z.B. zu Deutschland) für diese Bereiche in CETA keine sektoralen Ausnahmen definiert. Hier gilt nur die horizontale (also sektorübergreifende) „Public Utilities“-Ausnahmeklausel. Doch die ist lückenhaft, weil sie nur öffentliche Monopole oder die Vergabe ausschließlicher Rechte an Private zulässt, andere Formen der Marktzugangsbeschränkungen jedoch unmöglich macht. Im Abwassersektor wäre es um Beispiel nach dem Inkrafttreten von CETA nicht mehr möglich, die Beteiligung von Privaten an der Abwasserentsorgung an die Bedingung zu knüpfen, dass dies in Form einer GmbH mit mindestens 51%-Beteiligung einer Gemeinde geschieht. Darüber hinaus wäre auch der geförderte Wohnbau durch CETA gefährdet, da dieser nicht ausreichend ausgenommen ist.