Festrede anlässlich der Verleihung der Journalistenpreise 2017 der ...

13.10.2017 - Volker Herres (Vorsitzender). Frauke Ancker. Prof. Dr. Hubert Burda. Dr. Johannes Friedmann. Bankverbindung. Commerzbank München.
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Deutsche Journalistenschule . Hultschiner Str. 8 . 81677 München

Festrede anlässlich der Verleihung der Journalistenpreise 2017 der Bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken am 13. Oktober 2017 in München. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Preisträger und verehrte Gastgeber: Ich bin stolz darauf, dass auch Absolventen der DJS heute unter den Preisträgern sind. Sie und die anderen Sieger zeichnet aus, dass sie genau hingeschaut haben, wie Menschen die Digitalisierung erleben. Sie und die anderen Autorinnen und Autoren bekommen dafür einen Preis: Das ist für mich ein Beweis dafür, dass die Volks- und Raiffeisenbanken in Bayern sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Das finde ich vorbildlich. Worüber ich aber heute sprechen will ist dies: Wie stellt ein Verband wie der Ihrige sicher, dass er auch übermorgen noch solch exzellente Artikel auszeichnen kann? Denn dass der Journalismus heute auf dem Prüfstand steht, das haben wir ja gerade wieder im Nachgang zur Bundestagswahl gesehen. Da ging es wieder los mit der Suche nach den Verantwortlichen für den Wahlausgang, und da wurden natürlich auch wieder die Medien als die Schuldigen ausgemacht. Es stimmt, wir müssen uns fragen, was falsch läuft im Journalismus. Aber durchzählen, welche Parteien wie oft in den Fernseh-Talkshows vertreten sind, das greift meiner Meinung nach wirklich zu kurz. Viel eher sehe ich in der Diskussion um den Umgang mit den Rechtspopulisten einen Hinweis auf die tiefe Verunsicherung der Journalisten, denen jetzt auffällt, dass sie nicht nur ein ökonomisches oder technisches, sondern auch ein publizistisches Problem haben: Wir Journalisten erreichen bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht mehr, ja wir werden von vielen Leuten sogar abgelehnt, verachtet und verhöhnt. Woran liegt das? Natürlich gibt es dafür viele Gründe, aber ich möchte heute, wenn Sie erlauben, zwei Aspekte herausgreifen, auf die wir Journalisten meiner Ansicht nach in den vergangenen zehn Jahren zu stark fokussiert und die wir viel zu eindimensional betrachtet haben. Wir starren erstens auf die Digitalisierung wie das Kaninchen auf die Schlange, und hecheln ständig den neuesten Gadgets und Tools hinterher. Wenn ich diese Herangehensweise auf die Journalistenausbildung übertragen würde, dann müsste ich mich vor allem fragen, ob ich jetzt Drohnen-Journalismus auf den Lehrplan setzen soll oder ob erst einmal das 360-Grad-Video dran kommt. Zweitens: Wir suchen fieberhaft nach neuen Geschäftsmodellen. Denn wir wünschen uns ja, dass unsere Zeitung am Leben bleibt und dass wir auch im Internetzeitalter für Leistung bezahlt werden. Natürlich ist beides wichtig, die Technologie und die Ökonomie.

Ja, wir brauchen Journalisten, die kreativ mit den neuen digitalen Möglichkeiten umgehen, die multimedial erzählen können, auf allen Kanälen. Ja, wir brauchen Journalisten mit Unternehmungsgeist, und wir müssen die neue Technik nutzen, um mehr über unser Publikum zu erfahren. Das nutzt uns aber alles nichts, wenn wir die Fundamentals aus den Augen verlieren: in diesem Fall das Publizieren selbst. Und hier kommt ins Spiel, wovon ich etwas verstehe, nämlich die Ausbildung von Journalisten. Gerade diese Woche hat eine neue Klasse an der Deutschen Journalistenschule angefangen. Es war mir eine Freude, diese 30 Neuen kennenzulernen, allesamt Persönlichkeiten, die brennen für den Beruf. Diese jungen Journalisten werden in nicht allzu ferner Zukunft in einem Umfeld arbeiten, in dem Chatbots immer mehr Aufgaben auch von Journalisten übernehmen. Sie werden in einem Umfeld tätig sein, in dem Algorithmen und künstliche Intelligenz Informationsflüsse steuern; ein Umfeld, in dem die Sprache verroht, auch von Politikern, die doch eigentlich in der Gesellschaft zu den Vorbildern gehören sollten; in dem junge Leute ihre News über YouTube und Snapchat bekommen; in dem keiner mehr weiß, was stimmt, und was ist ein Fake. Und eine solche Zeit ist für die demokratische Gesellschaft eine riesige Herausforderung. Da einfach so weitermachen wie bisher, das ist schlicht nicht mehr gut genug. Also brauchen wir junge Journalistinnen und Journalisten, die mutig und kreativ sind, die sich trauen, neue, vermeintlich gewinnbringende Mechanismen zu hinterfragen. Journalisten, die sich auch in höchst komplexe Zusammenhänge einarbeiten, an die sich sonst nur Experten herantrauen, Experten, die oft Konzernen, Regierungen oder Interessengruppen verpflichtet sind, und erst in zweiter oder dritter Linie der freien Gesellschaft. Wir brauchen Journalisten, die die Folgen von großen, komplizierten und oft beängstigenden Entwicklungen wie Digitalisierung und Globalisierung realistisch beschreiben können. Wir brauchen Journalisten mit Haltung. Und nur damit wir uns nicht missverstehen, damit meine ich keineswegs eine parteipolitische Positionierung. Sondern damit meine ich, dass sich Journalisten an ethischen Grundsätzen wie Menschlichkeit und Ehrlichkeit orientieren. Die Journalisten von morgen dürfen nicht die Distanz zu den politisch und wirtschaftlich Handelnden verlieren. Aber auch nicht den Respekt für die Bürger, die Wähler und auch nicht für die Politiker. Sie müssen zwischen Taten und Worten unterscheiden können, und zwischen Meinungen und Tatsachen. Denn das erwarten die Menschen von den Journalisten, auch die Leserinnen und Nutzer von übermorgen.

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Wir brauchen Journalisten, die sich nicht ins Bockshorn jagen lassen von Quoten und Klickzahlen, von simplen Parolen und komplexen Algorithmen, und auch nicht von Hasskommentaren. Sondern Journalisten, die sich wieder mehr auf die Inhalte konzentrieren, die gründlich und geschickt recherchieren, sowohl analog als auch digital. Nur so können wir unsere ins Wanken geratene Glaubwürdigkeit stabilisieren und stärken. Die Journalistenausbildung ist dazu ein Schlüssel. Was die Ausbildung von Journalisten angeht, hat unser Land ja schon einmal eine ungleich schwierigere Herausforderung gemeistert. Nach der Naziherrschaft und dem Zweiten Weltkrieg war von der freien Presse nichts mehr übrig in Deutschland, sie musste von Null wieder aufgebaut werden. Die Bayern haben damals die Vorreiterrolle übernommen. Sie gründeten hier in München die Deutsche Journalistenschule, damals übrigens nach amerikanischem Vorbild. Es folgten verlagseigene Schulen in Hamburg und Berlin und anderswo. Aber die DJS in München blieb die einzige unabhängige Journalistenschule, getragen von einer Mischung aus Verlagen und Sendern und Unternehmen und Organisationen, die alle jedes Jahr in Journalistenausbildung investieren. Dieses Modell ist aber kein Selbstläufer. Ich habe es ja eingangs schon beschrieben. Nicht alle, aber viele Medienhäuser sind fixiert auf ihre Bilanzen, versuchen verpasste Trends aufzuholen, blicken zunehmend nach innen, denken nicht weiter als ein, zwei Jahre in die Zukunft. Der öffentlichrechtliche Rundfunk steht ebenso unter Druck. Und nicht alle, aber viele Unternehmen denken bei der Förderung von Journalistenausbildung auch gern an die eigene PR. Für mich liegt die größte Herausforderung heute darin, die Finanzierung unserer Journalistenausbildung neu zu denken. Dabei orientiere ich mich an Methoden, die ich in den USA gelernt habe, aber auch an wenig beachteten, aber sehr erfolgreichen heimischen Vorbildern. Die Genossenschaft wäre solch ein Modell. Oder die Stiftung. Hinter ihnen stehen Menschen, die den Entschluss gefasst haben, sich mit eigenen Mitteln für Ideen zu engagieren, für Ideen, die eng verknüpft sind mit dem Fortbestand der demokratischen Gesellschaft, die Sie, die wir erhalten wollen. Ich bin überzeugt: Für die Zukunft der demokratischen Gesellschaft ist es überlebenskritisch, dass die Journalisten von morgen bessere Journalisten sind als die von heute. Vielleicht sollte ich eher sagen: noch bessere. Denn natürlich gibt es in meiner Generation tolle Journalisten, die ausgezeichnete Arbeit leisten. Nur sind viele von uns so damit beschäftigt, den Kopf über Wasser zu halten, dass wir nicht die Zeit haben, Ideen zu entwickeln, wie die vierte Gewalt im digitalen Zeitalter funktionieren soll. Wir kennen unsere ethischen Grundsätze, aber wie wollen wir die in den sozialen Medien umsetzen? Ein Beispiel: Welche Standards sollten Journalisten beim Tweeten einhalten? Nun, zunächst einmal müssen sie für alle Teilnehmer an diesem sozialen Netzwerk erkennbar machen, dass sie Journalisten sind. Das ist Transparenz. Außerdem sollte 3

aber ein Journalist einen Post nur dann liken oder gar retweeten, wenn er ihn vorher samt Link oder Bild oder Video oder Audio wirklich aufgerufen und begutachtet hat, auch wenn das Zeit kostet. Klingt simpel, ist aber leider gar keine Selbstverständlichkeit. Sich solche Regeln aufzuerlegen dient übrigens nicht nur der Glaubwürdigkeit. Es schafft auch einen Mehrwert, und wir Journalisten müssen ja beweisen, dass unsere Texte, unsere Fotos, unsere Videos, und, ja, auch unsere Posts auf Social Media sich unterscheiden, dass sie etwas wert sind. Da schließt sich dann wieder der Kreis zwischen Qualitätsstandards und Wirtschaftlichkeit. An der Journalistenschule erlebe ich täglich, wie solche Fragen die Schüler und Schülerinnen bewegen. Ethik ist, könnte man sagen, an der DJS tatsächlich ein SmallTalk-Thema. Die Schülerinnen und Schüler reden darüber auch in den Pausen. Das hat mich überrascht, und das freut mich sehr. Denn letztlich ist es die nächste Journalistengeneration, auf die wir in dieser Zeit des Umbruchs besonders schauen müssen. Und unsere Aufgabe ist es, dieser neuen Generation auf ihrem Weg so gut es geht Hilfestellung zu leisten. In Deutschland gab es immer viele Wege in den Journalistenberuf: das Volontariat oder auch den Quereinstieg nach einem Studium. Was die Journalistenschule auszeichnet ist der Freiraum, den sie schafft, für Kreativität, Innovation und Reflektion. Zwölf Monate lang brauchen die Schüler bei uns keine Kompromisse zu machen, wenn es um die journalistischen Standards geht. Sie können die ethischen Grundsätze diskutieren und einüben, bis sie ihnen zur zweiten Natur geworden sind. Die Realitäten des Redaktionsalltags erfahren sie noch früh genug, aber wenn es soweit ist, dann sollten diese jungen Leute die Garanten sein, dass sich Journalismus auch in Zukunft als Dienst an der Gesellschaft versteht, der immer auch Information, Reportage und Analyse anbietet, statt nur Werbung oder Unterhaltung. Deshalb ist die Ausbildung an der DJS letztlich eine zentrale Voraussetzung dafür, dass der Qualitätsjournalismus in Deutschland eine Zukunft hat. Damit Sie vom Genossenschaftsverband Bayern auch übermorgen noch Artikel haben, die Sie auszeichnen können. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf viele interessante und weiterführende Gespräche.

Deutsche Journalistenschule e.V. Hultschiner Straße 8 81677 München

Henriette Löwisch Schulleiterin Deutsche Journalistenschule

Fon 089.23 55 74-0 Fax 089.23 55 74-74 [email protected] www.djs-online.de Schulleitung und Geschäftsführung Henriette Löwisch Sven Szalewa (Stellvertreter) Vorstand Volker Herres (Vorsitzender) Frauke Ancker Prof. Dr. Hubert Burda Dr. Johannes Friedmann

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Bankverbindung Commerzbank München IBAN: DE48700400410440513000 BIC: COBADEFFXXX