Der Club der Gartenzwerge

Im Garten der Familie Akthar. Die Schaufel gräbt sich tief ins Erdreich und hebt die feuchte Erde zur Seite, wo sie auf ei- nem dunklen Haufen, zwischen den zer- trümmerten Resten des Fassteiches, landet. Tina steht am Fenster und beobachtet den kleinen hellgrünen Bagger bei der Arbeit, gleichzeitig spricht sie mit ihrer ...
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Walter Brunhuber

Der Club der Gartenzwerge Kriminalroman

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© 2017 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2017 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Walter Brunhuber Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck

ISBN 978-3-8459-2282-9 ISBN 978-3-8459-2283-6 ISBN 978-3-8459-2284-3 ISBN 978-3-8459-2285-0 Mini-Buch ohne ISBN

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Jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war, als Hass des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand. Heinrich Heine

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Inhalt

Das Geheimnis Nachbarn Ein froher Gast Im Meer der Zipfelmützen Neela Die Tulpe (Tulpia) Die Kirschen in Nachbars Garten Aronstab (Arum) Ungo Die Stechpalme (Ilex) Der Fall Reinhardt Weiße Narzisse (Narzissus poeticus) Im Gartenhäuschen Kegelhütiger Knollenblätterpilz (Amanita virosa) Tina Der Fassteich Nachwort: Kleine deutsche Pflanzenkunde 5

Das Geheimnis

2017. Im Garten der Familie Akthar. Die Schaufel gräbt sich tief ins Erdreich und hebt die feuchte Erde zur Seite, wo sie auf einem dunklen Haufen, zwischen den zertrümmerten Resten des Fassteiches, landet. Tina steht am Fenster und beobachtet den kleinen hellgrünen Bagger bei der Arbeit, gleichzeitig spricht sie mit ihrer Mutter am Smartphone. Marianne erzählt von den Orangenbäumen, dem Strand, der Sonne, und davon, dass Heiko sich nun doch einen Sonnenbrand geholt habe, da er mit Fred etwas länger am Strand geblieben war. „Und wie geht’s bei euch?‚, fragt ihre Mutter aufgeräumt. „Wir haben endlich die Kurve gekriegt.‚ „Womit?‚ 6

„Das Haus. Du weißt schon.‚ Tina Prochnow wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter nun seit gut zehn Jahren im Haus ihrer Eltern und es gab einiges zu renovieren, das bisher auf die lange Bank geschoben worden war. „Der Boden in der Küche muss erneuert werden‚, sinniert Marianne. „Oder wollt ihr als erstes das Wohnzimmer machen? Wir werden euch natürlich unter die Arme greifen. Finanziell.‚ Ihre Eltern waren alles andere als knausrig. Tina hatte schon häufiger erfahren, dass es nicht unbedingt ein Nachteil war, Einzelkind zu sein. „Mal sehen‚, sagt sie. „Als erstes ist der Garten dran.‚ „Der Garten? Ich finde ihn ja schön, so wie er ist.‚ „Du weißt doch, dass Amar den Fassteich weghaben will.‚ 7

„Den Fassteich?‚ „Amar findet ihn einfach nur hässlich.‚ „Ich weiß. Aber. - Überlegt euch das nochmal. Heiko hängt sehr an dem Teich.‚ Ihre Mutter klingt plötzlich etwas aufgekratzt. Tina hat sich während des Gespräches vom Fenster abgewandt und sucht nun mit einer Hand im Laptop nach dem Rezept für das Mittagessen. Kohlrouladen. Neela würde bald von der Schule kommen und dann brauchte sie sofort etwas zu essen, andernfalls drohte ein endloses Gezeter. „Ich fürchte, da gibt es nichts mehr zu überlegen.‚ „Ihr habt doch noch nicht angefangen, oder?‚, fragt Marianne. Es klingelt an der Tür. „Augenblick.‚ Tina öffnet. Vor ihr steht einer der Landschaftsgärtner. Er hat eine schmutzige Ar8

beitshose an und trägt eine Schirmmütze mit der Aufschrift 'New York'. Tina fällt sofort auf, dass er merkwürdig blass ist. Er schluckt ununterbrochen und sein Blick ist unstet. „Was gibt’s?‚ „Frau Akhar. Wir haben da was gefunden. Kommen Sie bitte.‚ Tina ist es gewohnt, dass ihr indischer Familienname Akthar falsch ausgesprochen wird, deshalb lässt sie die Sache auf sich beruhen. Außerdem sieht sie der Arbeiter mit einem ziemlich verstörten Blick an. „Moment.‚ Tina wendet sich kurz von dem Mann ab. „Ich muss mal nach draußen‚, sagt sie ins Smartphone. „Tina.‚ Die Stimme ihrer Mutter erreicht sie kaum noch. Tina folgt dem Arbeiter den Weg hinab zum Fassteich. Einige der Waschbetonsteine, aus 9

denen der Gartenweg besteht, sind auseinandergebrochen. Gras und Unkraut wächst durch die Ritzen. Heiko empfindet das schon seit Jahren als unerträglich. Im Garten nebenan, zwischen den Sträuchern kaum zu sehen, sitzt die alte Frau Brettschneider und liest. Mit ihren langen, weißen Haaren sieht sie aus wie eine Märchenfee. Der zweite Landschaftsgärtner steht an der Grube des Fassteiches, den er mit seinem Mini-Bagger aus der Erde herausgehoben hat, und dessen zerbrochene Reste sich nicht weit entfernt zu einem Haufen türmen. Im Rasen liegt ein verwittertes Messer, das der Bagger zutage befördert haben muss. Als Tina einen Blick in das Loch wirft, das eben noch der Fassteich gewesen war, sieht sie zunächst nichts Auffälliges. Doch dann, nach wenigen Sekunden, hebt sich etwas von der dunklen Erde ab. Knochen. Stofffetzen, Reste einer Plastikhülle. Und ein Totenschädel, der noch 10

halb in der feuchten Erde steckt. Den Bruchteil einer Sekunde denkt sie an eine archäologische Ausgrabung. Dann wird ihr bewusst, dass es sich auch um die Überreste einer Leiche handeln konnte. Ein Mensch, der unter dem Fassteich begraben wurde. Tina wird übel. „Muss Ruf machen an Polizei‚, sagt der Baggerfahrer, dessen tiefbraunes Gesicht mit Falten und grauen Bartstoppeln bedeckt ist. Der Mann mit der New-York-Mütze legt Tina eine Hand auf die Schulter und schiebt sie sanft von der Grube weg. Tina hat noch immer ihr Smartphone in der Hand. Sie hebt es ans Ohr. Marianne hat aufgelegt.

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Nachbarn

Fast drei Jahrzehnte früher ... Vereinzelt tummelten sich Insekten zwischen den Blüten, unbekümmert wie spielende Kinder. Sie jagten über die Frühlingsblumen und zogen kleine Spiralen in die Luft. Die Grashalme beugten sich unter der Gewalt des eisernen Messers, um dann im Inneren des vibrierenden Plastikgehäuses zerfetzt zu werden. Heiko Prochnow ließ den Griff des Rasenmähers zurückschnappen. Stille setzte ein. Er stemmte beide Hände in die Hüften. Sein Blick glitt über den frisch geschorenen Rasen. Ein paar Grashalme schmiegten sich furchtsam an die Hecke, wuchsen in sie hinein, als wollten sie sich verstecken. Heiko holte seine Rasenschere aus der Garage, um der Unordnung am Heckenrand ein Ende zu bereiten. Er 12

schnitt das lästige Grün ab und stopfte es in den Plastiksack zu den anderen toten Halmen. Er schnürte den Sack zu und wollte ihn eben in die Garage bringen, als er Fred Reiber sah. Fred stand mit einem grünen Schubkarren in der Nähe seines Gartenhäuschens, vertieft in den Anblick der ersten Frühlingsblumen, die seine Beete säumten. Nicht weit von ihm entfernt tanzten die Wasserfontänen seines Fassteiches und spritzten ihre silbernen Tropfen in die Luft. Heiko war überrascht. Er hatte die Reibers noch im Urlaub vermutet, in einem noblen Hotel, von dem aus man einen wunderbaren Ausblick auf das Meer hatte. Mit Fred verband ihn eine geradezu magische Seelenverwandtschaft und er spürte, dass sie der Keim zu einer lebenslangen Freundschaft sein konnte. Heiko musste an seine erste Begegnung mit Fred Reiber denken, der als Werbegrafiker gutes Geld verdiente. Kurz nachdem er und Marianne in das 13

neue Einfamilienhaus eingezogen waren, stand Fred eines Morgens mit einer Flasche Apfelkorn vor der Tür und entschuldigte sich für einen Apfelbaum, der mit einem Ast in Heikos Garten herüberreichte. Damit war das Eis gebrochen. Als Fred zu ihm herübersah hob Heiko die Hand. ‛Schon zurück‛, rief er und ging Fred entgegen, der sich ihm mit seinem Schubkarren näherte. Sie trafen sich am Naturholzzaun der Reibers. ‛Seit gestern.‛ Freds Gesicht und seine Arme waren von einer gesunden Bräune, die fremd auf Heiko wirkte. Dahinter strahlte jedoch unverwechselbar Freds Gesicht, das immer zu lächeln schien. ‛Hannelore ist noch am Auspacken‛, sagte Fred, während die Lachfältchen, die seine Augen einrahmten, funkelten. ‛Ich wollte 14

gleich mal nach dem Garten sehen. Die Blumen brauchen Dünger und der Komposthaufen müsste umgeschichtet werden.‛ ‛Gartenzwerge polieren nicht vergessen‛, feixte Heiko und die beiden grinsten sich an. ‛Und, hast du dich schon umgesehen?‛ fragte Fred. „Wegen der Zwerge.‚ ‛Ich hatte noch keine Zeit.‛ Heiko dachte seit langem daran, sich auch ein paar Gartenzwerge anzuschaffen. Die freundlichen Gesichter dieser tönernen Gartenbewohner durften vor seinem Haus nicht fehlen. Er wollte für die lustigen Gesellen eine Ecke einrichten, ähnlich wie Fred sie hatte, mit einem Fassteich als Mittelpunkt. Der Fassteich war gewissermaßen der Beginn ihrer Freundschaft. Kurz nach seinem und Mariannes Einzug hatte Heiko Fred dabei geholfen, dessen Teich in die Erde zu setzen. Gemeinsam hatten sie das Loch ausgehoben und den Boden der Grube mit Splitt bedeckt. Ein paar 15