Feministische Mädchenarbeit umsetzen

Mädchen sind selbstbewusst und stehen ihre Frau, sie sind gleichberechtigt und beruflich unabhängig ... Veränderung ist möglich, Spuren werden hinterlassen.
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Mädchen sein…. Feministische Mädchenarbeit umsetzen – wie geh` ich`s an? Nach wie vor fragen wir bei einem Neugeborenen als erstes: „Junge oder Mädchen?“ Die Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht ist bei uns immer noch sehr wesentlich. Vorurteile und Klischees wie: Jungen sind stark, kennen keinen Schmerz, sie sind die Denker, Mädchen hingegen tratschen, weinen, sind emotional sind tief verwurzelt und fließen in alle Lebensbereiche hinein. Sie beeinflussen die Berufswahl, Freizeitplanung, Familien- und Zukunftsvorstellungen. Mediale Inszenierungen, die diese Geschlechterstereotypen und -hierarchien aufgreifen und wiederspiegeln, bestätigen und verfestigen sie. Neben diesen gängigen Rollenvorstellungen ist jedoch ein neues Bild entstanden: Mädchen sind selbstbewusst und stehen ihre Frau, sie sind gleichberechtigt und beruflich unabhängig, machen Karriere, sind sexy, jung und schlank und haben Familie, sie haben keine Probleme. Sie sollen schön sein und Kind und Haushalt gut versorgen. Nicht nur in der Bildung überholen die sogenannten „Alphamädchen“ die armen Jungs, die die Verlierer sind, und besondere Unterstützung brauchen. Das neue Mädchen- und Frauenbild vermittelt den Anschein, alle Möglichkeiten stehen offen – wenn sie sich nur selber entsprechend bemühen. Dieser Trugschluss erzeugt entsprechend Druck. Es braucht Zeit und Raum, um hier entgegen zu wirken, eine kritische Hinterfragung dieser Klischees zu ermöglichen, eigene Wünsche und Zukunftsvorstellungen unabhängig von diesen Rollenbildern bewusst zu machen und Perspektiven zu erweitern. Damit kann nicht früh genug begonnen werden. Mädchen- und Jungenarbeit leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.

Was bedeutet nun aber eigentlich „feministische Mädchenarbeit“? Ziel feministischer Mädchenarbeit ist es ganz allgemein, Mädchen die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit und Unabhängigkeit zu ermöglichen und zu einer positiven Bewertung von „Frau sein“ zu finden. Mädchenarbeit bedeutet zugleich, die unterschiedlichen Bewältigungsformen und Selbstbilder von Mädchen und jungen

Frauen wahrzunehmen, anzuerkennen und sich mit einer Vielfalt weiblicher Lebenslagen, Lebensentwürfen und Handlungsstrategien auseinander zu setzen. Tatsächlich sieht es nämlich so aus, dass die vermeintliche Chancengleichheit der Geschlechter bei weitem noch nicht erreicht ist. Zu der zentralen Aufgabe von feministischer Mädchenarbeit zählt es daher, Ungleichheiten sichtbar zu machen und diese aufzulösen.

Feministische Mädchenarbeit basiert auf drei Prinzipien:

• Parteilichkeit bedeutet, die Vielfalt, Interessen, Wünsche, Bedürfnisse und Zukunftsvorstellungen der Mädchen (mit und ohne Behinderungen oder Migrationshintergrund) ernst zu nehmen und sie als Expertinnen ihrer Lebenswelten wahrzunehmen. • Identifikation Betreuerinnen ermöglichen den Mädchen, traditionelle Klischees aufzubrechen und alte Verhaltensmuster zu ändern.

•Autonomie Durch Gestaltungs-, Erfahrungs- und Lernräume für Mädchen, die frei sind von männlicher Dominanz, in denen Platz und Zeit für ihre eigenen Ideen und Wünsche sind. Es geht darum, Partizipation und Teilhabe zu ermöglichen. Um traditionelle Rollenbilder nicht unreflektiert an die Jugendlichen weiter zu geben, ist es notwendig, sich darüber im Klaren zu sein, dass wir alle durch unsere Sozialisation in einer Geschlechterrolle geprägt sind. Wir sollten sensibel dafür sein, jemanden nicht aufgrund des Geschlechtes einzuschränken und uns der eigenen Rolle und der Tatsache, wie Geschlechtsunterschiede reproduziert werden, bewusst sein. Das bedeutet für die BetreuerInnen aber auch, aktiv etwas dafür zu tun, um Mädchen und Jungen unterschiedliche Handlungsspielräume zu ermöglichen, sich einzumischen und entsprechende Freiräume zu schaffen.

Hilfreiche Fragestellungen könnten sein: • Wie verhalte ich mich gegenüber dem anderen Geschlecht? • Wie interpretiere ich das Verhalten des Gegenübers? • Welche Vorstellungen von Männlichkeit/Weiblichkeit habe ich und welche Rolle spielen sie? • Wie bin ich geworden als Mann/Frau und welche Männer/Frauen beeinflussten mich dabei? • Wo liegen meine „wunden Punkte“? • Was übertrage ich dann in aktuelle Beziehungen mit Mädchen/Jungen? • Welche Übertragungen veranlassen mich dazu Verhaltensweisen von Jungen/Mädchen zu bestärken/zu loben/abzuwerten/ zu sanktionieren? (Aus Cross Work – geschlechterreflektierende Überkreuzungspädagogik, IMST GenderNetzwerk, S.)

Eigene Mädchenräume – warum? Geschlechtsspezifische Angebote sind oftmals der Schlüssel für Mädchen und jungen Frauen (mit und ohne Migrationshintergrund oder Behinderungen) durch den sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben und sich austauschen können. Mädchenspezifische Angebote bieten ihnen ein Lernfeld, in dem in dem sie gleichwertig, einzigartig, stark ... sein können und miteinander Spaß haben... Und dann geht’s wieder ab zu den Burschen/jungen Männern – aber mit einem anderen, gestärkten Selbstwert!

Wie kann ich also die Mädchen erreichen? Dabei übernehmen Frauen (mit und ohne Behinderung beziehungsweise Migrationserfahrungen) eine wichtige Rolle als Vorbild. Echte Beteiligung an Projekten ist gefragt, es macht oft keinen Sinn, die Mädchen zu fragen was sie wollen. Stattdessen bewährt es sich, Tätigkeiten vorzuschlagen und zu initiieren, die Ideen kommen beim Tun, Veränderung ist möglich, Spuren werden hinterlassen. In der Anfangsphase und als Einstieg bewährt es sich, niedrigschwellige Angebote zu setzen, in denen Betreuerinnen die Interessen von Mädchen wahrnehmen (zum Beispiel Masken basteln, verkleiden, Henna, Tatoos, Video-Film-Projekt, Tanz …) und durch Wohlfühlgeschichten (Gesichtsmasken, Schminken …) wird eine positive Auseinandersetzung mit dem eigenem Körper ermöglicht. In einer gemütlichen

Mädchenkreativgruppe kann Platz geschaffen werden, sich – in einer spielerischen und lustvollen Art – mit bestimmten Themen/Erfahrungen auseinander zu setzen und die Ergebnisse zu präsentieren (Schreibwerkstatt, Lieder, Theater, Technik, Computer ...). Somit kann in weiterer Folge der Weg frei gemacht werden, für eine Auseinandersetzung mit den Lebensrealitäten der jungen Frauen, ihren Berufswahlperspektiven, Partizipation … Mädchen und junge Frauen haben Bedürfnisse, die sich häufig von denen der Buben unterscheiden. Ob anerzogen oder nicht: Es geht darum, sie ernst zu nehmen und ihnen passende Angebote zu setzen!

Allgemein Bei gemischtgeschlechtlichen Angeboten ist es wichtig, in den Aussendungen und Einladungen eine geschlechtergerechte Formulierung zu verwenden. Bei veröffentlichten Fotos ist die gleichberechtigte Stellung von Mädchen und Burschen zu dokumentierten. Berichte über Aktivitäten aus dem Mädchenbereich von aus der offenen und verbandlichen Jugendarbeit bzw. anderen Einrichtungen sollen ein fixer Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit sein.

Zum Abschluss – Cross work Abschließend möchte ich auf einen weiteren Ansatz zur geschlechterreflektierten Jugendarbeit verweisen, auf die Methode Cross Work. Die Lebenswelten und Rollenerwartungen in Bezug auf Mädchen und Buben sind immer noch sehr unterschiedlich. Das erfordert, auch in den Konzepten und Angeboten der Jugendarbeit, die soziale Geschlechterperspektive zu berücksichtigen. Es ist nicht mehr alleine die Mädchenarbeit, die geschlechtsbewusste und gleichberechtigungsfördernde Konzepte besitzt und umsetzt. Gender in der Kinder- und Jugendarbeit bedeutet heute, die geschlechtshomogenen Ansätze der Mädchen- und Jungenarbeit miteinander und mit den geschlechtsgemischten Ansätzen geschlechtergerechter Koedukation und Cross Work zu verbinden. Ziel ist ein Gesamtsystem verschiedener Ansätze geschlechtsbewusster Pädagogik und Sozialer Arbeit. (Wallner, 2010 S.5)

Weitere Anregungen und Erklärungen dazu in der angeführten Literatur

Brown, Lyn; Gilligan Carol (1994): Die verlorene Stimme Wendepunkte in der Entwicklung von Mädchen und Frauen. Campus Verlag, New York Bursche, Mart, Maikowski, Laura; Pohlkamp, Ines; Wesemüller Ellen (Hg.) (2010): Feministische Mädchenarbeit weiter denken. Transcript Verlag, Bielefeld. Schweighofer-Bauer, Annemarie (2011): Cross Work. Geschlechterpädagogik überkreuz in Deutschland und Österreich. Ulrike Helmer Verlag, Sulzbauch/Taunus Cross Work – geschlechterreflektierende Überkreuzungspädagogik (Gender Crossing, gegengeschlechtliche Pädagogik) IMST-Gender Netzwerk https://www.imst.ac.at/app/webroot/files/handreichung_cross_work_02-2013_.pdf make it bietet kostenlos Literatur zum Ausleihen an unter http://www.salzburg.gv.at/themen/gv/landesjugendreferat/make-it/make_it_literatur.htm Teresa Lugstein ist hauptberuflich als Mädchenbeauftragte des Landes Salzburg tätig; Weiterbildungenin krisen- und traumaspezifischer Fachberatung, Mädchenarbeit, Genderund transkulturelle Kompetenz, (sexualisierte) Gewalt; freiberufliche Erwachsenenbildnerin und Sexualpädagogin.