Fachartikel "Forschungsplattform FINO 1 – einige Messergebnisse"

1Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH, Hamburg, 2WINDTEST ... Hinblick auf die Sicherheit der Anlagen einige Parameter ausgewertet werden. Dennoch ...
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Forschungsplattform FINO 1 – einige Messergebnisse Kimon Argyriadis1, Gundula Fischer1, Peter Frohböse1, Detlef Kindler2, Frederike Reher2 1Germanischer

Lloyd WindEnergie GmbH, Hamburg, 2WINDTEST Kaiser-Wilhelm-Koog GmbH

1. Einleitung Im Sommer 2003 wurde die erste Forschungsplattform FINO 1 in der Nordsee etwa 45 km nördlich der Insel Borkum errichtet. Die Germanischer Lloyd WindEnergie GmbH (GL Wind) hat im Auftrag des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), vertreten durch das Forschungszentrum Jülich GmbH (Projektträger Jülich PTJ) den Bau, die Aufstellung und die Inbetriebnahme koordiniert. Seit der Aufstellung ist GL Wind mit dem Betrieb der Plattform beauftragt. Die meteorologischen und ozeanographischen Messungen werden durch das DEWI und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) betreut und aufbereitet. Die erhobenen Daten stehen den Projektpartnern, Forschungseinrichtungen sowie weiteren Interessenten – bei kommerzieller Nutzung gegen eine Schutzgebühr – zur Verfügung. Inzwischen ist die Messapparatur seit über einem Jahr in Betrieb. Dies erlaubt es, einen ersten Blick auf die Messergebnisse zu werfen. Generell wird hier nicht versucht eine Langzeitanalyse durchzuführen oder Windenergiepotentiale genau zu erfassen. Es sollen Tendenzen aufgezeigt werden und im Hinblick auf die Sicherheit der Anlagen einige Parameter ausgewertet werden. Dennoch wird eine vorläufige Potentialanalyse durchgeführt, um die Güte des Standortes aufzuzeigen. Ein Vergleich mit der GL Wind-Richtlinie zur Zertifizierung von Offshore-Windenergieanlagen [1] wird für ausgewählte Parameter durchgeführt. Entscheidend für die Windenergieanlagen und für Ihre Standfestigkeit sind sowohl Extremereignisse als auch der normale Betrieb. Aus diesem Grund wurde wie bei der Windpotentialbestimmung eine Analyse durchgeführt. Weiterhin wurden die fünf stärksten Stürme im Zeitraum vom Start der Messungen bis Ende 2004 ausgesucht und analysiert. Das diesem Bericht zugrunde liegende Vorhaben wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter Aktenzeichen 0329905 durchgeführt. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

2. Messung 2.1. Windgeschwindigkeit Die Instrumentierung des Windmessmasts besteht aus Anemometern und Windfahnen, die, ausgehend von 33 m, etwa alle 10 m bis zu einer Höhe von 100 m über Seekartennull angebracht sind. Die Messung auf FINO 1 stellt somit die weltweit höchste Dauerwindmessung im Offshore-Bereich dar. In Abb. 1 ist die Anordnung der einzelnen Geräte zu sehen. Auf der Südostseite des Messmasts sowie an der Mastspitze befinden sich insgesamt acht Schalensternanemometer des Typs A100 der Firma Vector in der Offshore-Version. Auf der Nordwestseite des Mastes befinden sich klassische Windfahnen der Firma Thies sowie drei schnellaufzeichnende Ultraschallanemometer der Firma Gill-Instruments in der aufwändigeren wissenschaftlichen Version. Die freie Strömung erfährt, je nach Windrichtung, eine Beeinflussung durch Vorstau oder Nachlaufströmung des Messmastes. Das Top-Anemometer (siehe Abb. 2) erfährt als einziges keinen Mastschatten und dient als Referenz für den Wert der ungestörten Windströmung. Der Einfluss von Mast und Blitzschutzstäben auf die Luftströmung zeigt sich auch beim winkelabhängigen Vergleich der Messung auf dem Masttop zur Messung auf 90 m Höhe, wie in Abb. 3 dargestellt.

1

Abb. 1: Instrumentierung des Windmessmasts auf FINO 1

Die Blitzschutzstäbe verursachen einen signifikanten Einbruch in der gemessenen 100m Windgeschwindigkeit in den vier Haupt-Himmelsrichtungen.

Abb. 2: Top-Anemometer in 100 m Höhe (Quelle: DEWI)

Abb. 3: Der Einfluss des Mastes und der Blitzschutzstäbe auf die Strömung zeigt sich bei einem Vergleich zwischen Top-Anemometer und der Windmessung auf 90m Höhe (Quelle: DEWI).

2

2.2. Seegang Verschiedene Seegangsparameter wie signifikante (Hs) und maximale Wellenhöhe (Hmax) sowie Wellenperiode und –richtung werden mit einer Seegangsboje bzw. mit einem Wellenradar bestimmt. Der Aufbau der ozeanographischen Messeinrichtung ist in Abb. 4 dargestellt. Die Seegangsboje (siehe Abb. 5) vom Typ WAVEC der holländischen Firma Datawell ist in unmittelbarer Nähe (ca. 200 m) zur Plattform verankert. Die gewonnenen Daten werden über eine Funkverbindung an einen Seegangsrechner auf der Plattform übermittelt. Darüber hinaus werden Messungen mit dem Radarverfahren WaMoS-II (Wellenmonitoringsystem) durchgeführt. Das System wurde in Deutschland entwickelt und wird kommerziell von der Firma OceanWaves GmbH vertrieben. Es liefert zeitlich hochaufgelöste Frequenz-Richtungsspektren, die alle drei Minuten gewonnen werden. Ein erster Vergleich der beiden Seegangsmesssysteme zeigt eine gute Übereinstimmung des generellen Seegangverhaltens bei FINO I zwischen den Bojen- und Radarmessungen. Die im weiteren Verlauf betrachteten Wellendaten stammen von der Seegangsboje.

Abb. 4: Aufbau der ozeanographischen Messeinrichtung (Quelle: BSH)

Abb. 5: Seegangsboje (Quelle: BSH)

3. Sturmereignisse Aus der Gesamtmenge der Messungen wurden fünf typische Sturmereignisse ausgesucht. Diese Sturmereignisse sollen erste Ergebnisse über die Wind- und Wellenbedingungen am Standort liefern, wobei die Datenmenge für eine genaue Langzeitanalyse noch nicht ausreicht. Die Auswahl der Stürme erfolgte nach der extremen Windgeschwindigkeit in 100 m Höhe. Eine Auswahl nach der Wellenhöhe wäre sicherlich interessant, erschien aber den Autoren als erster Schritt nicht ratsam. Dies ist auch damit zu begründen, dass eine hohe Korrelation von Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe erwartet wurde. Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn die Stürme aus westlicher Richtung mit einer langen Wirkstrecke (engl. Fetch) auf die Wasseroberfläche kommen. Weiterhin waren die Zeitreihen der Seegangsmessung während der Sturmereignisse oft sehr lückenhaft, so dass nicht immer eine klare Aussage gemacht werden konnte. Die mittlere Windgeschwindigkeit im Betrachtungszeitraum ist in Abb. 6 zu sehen. Es ist zu beachten, dass die Mittelwerte auf 10 Minuten bezogen sind, während die Spitzenwerte (Böen) 1-Sekunden-Mittel darstellen.

3

Abb. 6: Windgeschwindigkeit in 100 m Höhe im Jahr 2004 als 10-Minuten-Mittelwert.

Der Verlauf der signifikanten Wellenhöhe für die Messung von Juli 2003 bis September 2004 ist in Abb. 7 dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Daten lückenhaft sind. Trotzdem kann festgestellt werden, dass die entscheidenden Ereignisse aus westlichen Richtungen zu erwarten sind (siehe auch Abb. 8).

Hs [m]

6 4 2 0 0

2000

4000

6000

8000

10000

Messung Nr

Abb. 7: Gemessene signifikante Wellenhöhe (Hs) von Juli 2003 bis September 2004

6 4 2 0 -6

-4

-2

-2

0

2

4

6

-4 -6

Abb. 8: Signifikante Wellenhöhe (Hs) und Richtung

Bei den ausgewählten Stürmen handelt es sich um die Stürme vom 14.12.2003, 21.12.2003, 20.02.2004, 19.08.2004 und 18.11.2004. Es ist bezeichnend, dass die vier stärksten Stürme aus westlichen Richtungen kommen (SW bis NW) während es sich bei dem Sturm mit der niedrigsten Windgeschwindigkeit, den „Sommersturm“, um Ostwind handelt.

4

3.1. Zeitliche Verläufe der Stürme Mit Ausgangspunkt der ausgewählten Extremwerte wurden die Zeitreihen 10 Stunden vor dem Sturm bis 10 Stunden nach dem Sturm ausgewertet. Diese Verläufe geben Aufschluss über die gemeinsame Häufigkeit von Spitzenwerten sowie die möglichen Einflüsse auf eine Windturbine während eines typischen Sturmes in Zusammenhang mit dem typischen Verhalten der Anlage bei Zuständen z. B. ohne Netzankopplung. In den folgenden Abbildungen sind die Zeitverläufe der Windgeschwindigkeit, der Windrichtung und Turbulenzintensität dargestellt.

Abb. 9: Windgeschwindigkeit in 100 m Höhe für fünf ausgewählte Sturmereignisse

5

Abb. 10: Windrichtungsänderung in 90 m Höhe für fünf ausgewählte Sturmereignisse

Abb. 11: Turbulenzintensität in 100 m Höhe für fünf ausgewählte Sturmereignisse

6

In ähnlicher Weise wurden auch die Seegangsmessungen, die durch das BSH betreut werden, ausgewertet. Leider waren für die Stürme 1, 3 und 4 kaum verwertbare Seegangsdaten vorhanden. Aus diesem Grund wurden die Stürme 2 und 5 weiterverfolgt und aus den weiteren Stürmen nur zusätzliche Informationen, sofern möglich, verwendet. Abb. 12 zeigt den Verlauf der Wellenhöhe von Sturm 2 und Abb. 13 den Verlauf von Sturm 5. Von besonderem Interesse ist Sturm 5, der aus östlicher Richtung kommt, während die Wellen aus westlicher Richtung heranlaufen. Das Verhältnis Wind zu Wellenrichtung kann Abb. 14 entnommen werden.

Hs

Hmax

Wellenhöhe [m]

11

9

7

5

3 2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

22

Zeit [h]

Abb. 12: Signifikante Wellenhöhe Hs, und maximale Wellenhöhe Hmax, (30-Minuten-Mittel), Sturm 2

Hs

Hmax

Wellenhöhe [m]

6

4

2

0 3

5

7

9

11

13

15

17

19

21

Zeit [h]

Abb. 13: Signifikante Wellenhöhe Hs, und maximale Wellenhöhe Hmax, (30-Minuten-Mittel), Sturm 5

7

23

360 Wellenrichtung [deg]

315 270 225 180 135

Sturm 2

90

Sturm 5

45 0 0

45

90

135

180

225

270

315

360

Windrichtung [deg]

Abb. 14: Wellenlaufrichtung in Verhältnis zur Windrichtung, Stürme 2 und 5.

Die Verläufe der Windgeschwindigkeit zeigen das typische Verhalten von Stürmen in der Nordsee. Im Vergleich hierzu ist in Abb. 15 der schematische Verlauf eines Sturmes (meist der signifikanten Wellenhöhe) während des dimensionierenden Sturmes, wie er z.B. im NORSOK-Standard [2] angegeben wird, dargestellt.

Sturm 1

Sturm 2

Sturm 3

Sturm 4

Sturm 5

Annahme

1,1 1 0,9 v/v max

0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 -10

-5

0

5

Zeit [Stunden]

Abb. 15: Sturmverlauf, Vergleich Standard und Windgeschwindigkeitsmessung

8

10

3.2. Windverhältnisse Die während der Stürme gemessenen Windverhältnisse und ihre statistischen Kennwerte werden den Annahmen der Richtlinie der Germanischer Lloyd Windenergie GmbH für Offshore-Windenergieanlagen [1] gegenübergestellt. Diese Gegenüberstellung mit den Annahmen ist eine erste Verifizierung der neuen GL Wind-Richtlinie mit konkreten Messungen. Eine Extrapolation der Messdaten auf die geforderten Grenzwerte mit 50 Jahren und 1 Jahr Wiederkehrperiode ist aufgrund der kurzen Messdauer leider noch nicht sinnvoll. Weiterhin sei hier auf die Arbeiten von Lange [3] und Neumann [4] verwiesen. Untersucht werden hauptsächlich die Turbulenzintensität und der Böenfaktor während des Sturmes. Die Turbulenzintensität der Windgeschwindigkeit geht direkt in den Lastsimulationen ein und ist daher eine zentrale Größe. Abb. 16 zeigt die Beziehung der Turbulenzintensität zur Windgeschwindigkeit im Vergleich zu den Klassen C (niedrige Turbulenzintensität) und B (mittlere Turbulenzintensität) der GL Wind-Richtlinie. Es ist deutlich, dass die Annahmen der Richtlinie konservativ sind, ohne extrem hohe Werte anzunehmen. Eine gute Übereinstimmung mit der Messung ergibt die Theorie nach Charnock [5], die eine recht gute Annäherung für den Mittelwert der Turbulenzintensität darstellt. Es ist zu beachten, dass in der Richtlinie die effektive Turbulenzintensität verwendet wird (84 percentile). Die Auswertung der Messung bezüglich effektiver Turbulenzintensität (Mittelwert plus eine Standardabweichung) wird in Abb. 17 gezeigt.

Sturm 1 Sturm 5

Sturm 2 GL class C

Sturm 3 GL class B

Sturm 4 Charnock

20

Turbulenzintensität

18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 10

15

20

25 v 10-min

Abb. 16: Turbulenzintensität des Windes in 100 m Höhe

9

30

35

GL class C

GL class B

Charnock

Fino eff

20 18 Turbulenzintensität

16 14 12 10 8 6 4 2 0 10

15

20

25

30

35

v 10-min

Abb. 17: Vergleich der effektiven Turbulenzintensität in 100 m Höhe

Wenn deterministische Berechnungen zur Ermittlung der Windlasten verwendet werden, wird oft die Böenwindgeschwindigkeit verwendet (meist 3-Sekunden-Mittel). Diese ist abhängig von der mittleren Windgeschwindigkeit und der Turbulenzintensität und wird häufig in Form des Böenfaktors dargestellt. Der Böenfaktor ist als der Quotient zwischen 3-Sekunden-Bö und 10-Minuten-Mittelwert der Windgeschwindigkeit definiert. In der Richtlinie wird dieser Wert mit 1,25 angenommen. Abb. 18 zeigt, dass es sich um eine gute Schätzung handelt, die im Allgemeinen konservativ ist. Der für landgestützte Anlagen verwendete Wert von 1,4 ist entschieden zu hoch für den Standort. Aus den fünf Stürmen wurde ein Mittelwert von 1,12 bis 1,16 mit einer Standardabweichung von 0,03 bis 0,05 ermittelt.

Sturm 1 Sturm 4 Onshore

Sturm 2 Sturm 5

Sturm 3 GL offshore

40

v 3-sec

35 30 25 20 15 10 10

15

20

25

30

v 10-min Abb. 18: Verhältnis 3-Sekunden-Bö zu Mittelwert der Windgeschwindigkeit in 100 m Höhe

10

35

Für die Auslegung einer Windenergieanlage ist nicht nur die Windgeschwindigkeit und ihre Variabilität von Bedeutung, sondern auch die Windrichtung. Während im Allgemeinen angenommen wird, dass die Windenergieanlage aktiv nachgeführt wird, kann bei einem Netzausfall die Drehung der Windrichtung erhebliche Folgen haben. In früheren Richtlinien und in der Offshore-Industrie wird oft angenommen, dass die Windrichtung sich nicht ändert. Wie in Abb. 19 zu sehen ist, ist dies für Sturm 2 nicht der Fall. Windrichtungsänderungen von über 90° sind zu berücksichtigen, entsprechend DLC 6.3 der GL WindRichtlinie. Die in Abb. 19 gezeichnete Linie bei 30° Schräganströmung entspricht der Windrichtung für Lastfall DLC 6.3 und soll relativ kurzzeitige Richtungsänderungen abdecken.

Sturm 1 Sturm 4

Sturm 2 Sturm 5

Sturm 3 GL DLC 6.2

120

Windrichtung

100 80 60 40 20 0 -6

-4

-2

0

2

4

6

Zeit [Stunden] Abb. 19: Windrichtungsänderung während eines Sturmes.

3.3. Seegang Die Seegangsmessung kann entsprechend der Windgeschwindigkeitsmessung ausgewertet werden. Dabei ist neben dem Scatter-Diagramm, das hier nicht weiter behandelt wird, die Wellenhöhe und das Verhältnis der maximalen zur signifikanten Wellenhöhe von Interesse. Für eine Extrapolation von Extremwerten ist auch hier der Datensatz leider noch zu klein. Abb. 20 zeigt das Verhältnis der Wellenhöhen aus den Sturmmessungen. Die gestrichelte Linie stellt den Faktor der erwarteten höchsten Welle innerhalb einer halben Stunde für die Rayleigh-Verteilung dar. Es kann festgestellt werden, dass die Messungen erheblich höhere Werte aufweisen. Das kann unter anderem auf Messfehler zurückgeführt werden. Einige Messungen zeigten maximale Wellenhöhen, die 4- bis 5-mal größer sind als die signifikante Wellenhöhe, andere wiederum maximale Wellenhöhen, die unterhalb der signifikanten Wellenhöhe lagen. Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass sich die signifikante Wellenhöhe innerhalb mehrerer benachbarter Abschnitte nicht erheblich ändert (siehe auch Abb. 12 und Abb. 13). Würde man diese 30-Minuten-Werte auf längere Zeiträume zusammenfassen und das Verhältnis Hmax/Hs bilden, würde das Ergebnis näher an der Rayleigh-Verteilung liegen.

11

Sturm 2

Sturm 5

Rayleigh

Hmax/Hs

2,1 1,8 1,5 1,2 1

2

3

4

5

6

7

Hs

Abb. 20: Verhältnis maximaler zu signifikanter Wellenhöhe

spreading

Weiterhin von Bedeutung sind die Richtung und die Richtungsverteilung der einzelnen Wellen. Bei der Lastberechnung wird meist von einem langkämmigen Seegang ausgegangen, d.h. alle Wellen besitzen die gleiche Laufrichtung. Das ist nur eine grobe Näherung, jedoch nicht völlig abwegig, wie der „spreading angle“ in Abb. 21 zeigt. Die Richtungsverteilung wird immer schmaler, je höher die Wellenhöhe wird.

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0

1

2

3

4

5

6

7

Hs Abb. 21: Spreading als Funktion der signifikanten Wellenhöhe

3.4. Korrelation Wind und Wellen Eine Korrelation der Extremwerte von Wind und Wellen ist für eine realistische Auslegung von Offshore-Windturbinen unerlässlich. Allerdings ist dies ein sehr aufwändiger Prozess. Aus der Tabelle der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsdichte können Ebenen aufgebaut werden, die Zustände von signifikanter Wellenhöhe, Wellenperiode, Windgeschwindigkeit und ggf. Richtung mit einer Wiederkehrperiode von 50 bzw. 1 Jahr/en darstellen. Diese und ähnliche Methoden sind in der Literatur beschrieben und können hier nicht dargestellt werden. Eine erste Auswertung mit FINO-Daten wurde durch Mittendorf [6] durchgeführt. Dennoch sollen hier einige Annahmen, die in der Berechnung oft aufgestellt werden, kurz mit den Messungen verglichen werden. Bei der Lastberechnung wird ein Zusammenhang zwischen Wellenhöhe und mittlerer Windgeschwindigkeit angenommen. Dabei werden meist die JONSWAP-Gleichungen [7] mit zahlreichen Modifikationen angewendet. Eine Variante der JONSWAP-Gleichungen ist auch im Anhang der GL Wind Richtlinie aufgeführt und soll eine erste Abschätzung ermöglichen. Betrachtet man den Zusammenhang für die ausgewählten Stürme im Vergleich zu der JONSWAP-Formulierung, so erhält man Abb. 22.

12

Sturm 1

7

Sturm 2

Hs

6 5

Sturm 3

4

Sturm 4

3

Sturm 5

2

PM

1 10

15

20

25

Jonswap TMA

30

v100

Abb. 22: Korrelation Wellenhöhe und Windgeschwindigkeit

Der Dünungsanteil mit recht hohen signifikanten Wellenhöhen bei niedrigen Windgeschwindigkeiten ist eindeutig sichtbar. Dieser wird nur durch die Beziehungen aus dem Pierson-Moskowitz-Spektrum angenähert. Dagegen kann die reine Windsee gut durch die Gleichungen angenähert werden. Dabei wurde eine Wirkstrecke von 500 km für westliche Richtungen und 100 km für östliche Richtungen verwendet. Die Wassertiefe wurde über die TMA-Formulierung [9] berücksichtigt. Eine besondere Bedeutung bei der Berechnung der Lasten an Offshore-Windenergieanlagen spielt die Richtungsabweichung zwischen Windgeschwindigkeit und Wellenlaufrichtung (Mittelwerte). Dies hat mit der relativ geringen Dämpfung quer zum Rotor, wenn die Anlage in Betrieb ist, zu tun sowie mit der Kraftrichtung, wenn die Anlage geparkt ist oder trudelt. Bei den Messungen (Abb. 23, Sturm 5) zeigt sich ein Kuriosum: Bei östlichem Wind kommen die Wellen aus Westen, also aus der entgegengesetzten Richtung. Es kann vermutet werden, dass hier entweder ein Messfehler vorliegt oder dass die signifikante Wellenhöhe recht schnell kleine Werte annimmt. Letzteres scheint hier der Fall zu sein.

Differenz Windrichtung Wellenlaufrichtung

90 45 0 -45 -90

Sturm 2

-135

Sturm 5

-180 1

2

3

4 signifikante Wellenhoehe

Abb. 23: Differenz Windrichtung-Wellenrichtung

13

5

6

7

Bei größeren signifikanten Wellenhöhen von über 5 m können - wie im Fall von Sturm 2 zu beobachten ist – durchaus Winkelabweichungen zwischen Wind- und Wellenrichtung von fast 45° auftreten. Diese Abweichung kann bezüglich extremer Lasten kritisch werden, da der Seegang Schwingungen quer zur Hauptwindrichtung induzieren kann, die erheblich geringere Dämpfung als in Hauptwindrichtung aufweisen.

4. Analyse und Beschreibung des Energiepotentials Betrachtet wird ein Messzeitraum vom 04.01.2004 bis zum 04.12.2004. Die Messung der Windgeschwindigkeit und die Ableitung der Weibull Parameter, des Formfaktors k und des Skalierungsparameters A fand anhand der Messungen mit dem Top Anemometer auf 100 m Messhöhe über Seekartennull statt. N NNW

NNE

NWN 8.6% 11.3%

5.0%

ENE

W12.4%

0

4.6% 4.4% 6.8%

E

6.6% 5.5%

14.6% WSW

7.5%

ESE

12.8% SSW

SSE S

Abb. 24: Windrichtungsverteilung

Aus der Windrichtungsverteilung (Abb. 24) geht die WSW-Richtung mit einer Häufigkeit von 14.6 % als Hauptwindrichtung hervor. Unter Berücksichtigung der ablenkenden Wirkung der Erddrehung (Coriolis-Kraft), entspricht diese Hauptwindrichtung dem zu erwartenden Ergebnis für die Hauptwindrichtung am Standort. Für einen Breitengrad von ca. 55° können unter Vernachlässigung der Beeinflussung von lokalen topographischen Gegebenheiten südwestliche Winde als Hauptwindrichtung erwartet werden. Die Darstellung der relativen Häufigkeiten der Weibull-Verteilungen für jeden Sektor ist in Abb. 25 zu sehen.

14

Häufigkeit [%]

15 10 5 0 0

5

10

15 20 Windgeschwindigkeit [m/s]

N : A = 8.14 , k = 2.107 , V_m = 7.21 ENE : A = 9.42 , k = 2.001 , V_m = 8.35 ESE : A = 10.44 , k = 2.572 , V_m = 9.27 S : A = 11.33 , k = 2.396 , V_m = 10.04 WSW : A = 12.89 , k = 2.351 , V_m = 11.42 NWN : A = 10.56 , k = 2.442 , V_m = 9.36 Total : A = 11.03 , k = 2.16 , V_m = 9.77

25

30

NNE : A = 6.77 , k = 2.102 , V_ E : A = 11.42 , k = 2.272 , V_m SSE : A = 9.14 , k = 2.02 , V_m SSW : A = 13.59 , k = 2.571 , V W : A = 10.75 , k = 2.114 , V_m NNW : A = 10.77 , k = 2.295 ,

Abb. 25: Relative Häufigkeitsverteilungen in Abhängigkeit von der Windrichtung

In Abb. 26 liefert die Darstellung der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit die gleiche Information wie die Windrichtungsverteilung, allerdings multipliziert mit der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit in dieser Richtung. Das Ergebnis ist normalisiert dargestellt, um eine Summe von 100 % zu erhalten. Diese Darstellung gibt Auskunft darüber, welchen Anteil jede Windrichtung zu der durchschnittlichen Windgeschwindigkeit beiträgt.

NNW NWN

20

N NNE

15

ENE

10 5 0

W

E

WSW

ESE SSW

SSE S

Häufigkeit durchschnittliche Windgeschwindigkeit mittlere kubische Windgeschwindigkeit

Abb. 26: Häufigkeit, durchschnittliche Windgeschwindigkeit und mittlere kubische Windgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Windrichtung

15

Die Darstellung der mittleren Windgeschwindigkeit je Windrichtung zur dritten Potenz ist die mittlere kubische Windgeschwindigkeit, ebenfalls normalisiert. Mit dieser Darstellung ist ein Rückschluss auf die im Wind enthaltene Energie in Abhängigkeit von der Windrichtung möglich. Für die Richtungen WSW und SSW sind die Häufigkeiten in Tab. 1 dargestellt. Tab. 1: Ausgewählte Werte Für die Windrichtungen SSW und WSW Skalierungsparameters A [m/s] Formfaktors k [-] Mitteler Jahreswindgeschwindigkeit Vave [m/s] relative Häufigkeit der Weibull Verteilung [%] durchschnittliche Windgeschwindigkeit [%] mittlere kubische Windgeschwindigkeit [%]

SSW 13.59 2.57 12.07 12.84

WSW 12.89 2.35 11.42 14.59

15.87

17.07

16.98

14.40

Einen noch besseren Rückschluss auf die im Wind enthaltene Energie gibt die Energiedichtefunktion. Im European Windatlas [10] ist sie wie folgt definiert:

E (u ) = 12 ⋅ ρ ⋅ u 3 ⋅ f (u ) Mit ρ der Luftdichte (hier 1.225 kg/m³), u der Windgeschwindigkeit auf Nabenhöhe und f (u ) als relative Häufigkeit der Weibull Verteilung. Die Energiedichtefunktion ist in Abhängigkeit von der Windrichtung in Abb. 27dargestellt.

16000 Energiedichte [kg/s³]

14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 0

5

10

15

20

25

30

N

Windgeschwindigkeit [m/s] NNE ENE E

ESE

SSE

S

SSW

W

NWN

NNW

Total

Abb. 27: Energiedichte in Abhängigkeit von der Windrichtung

16

WSW

Aus der Darstellung der Energiedichtefunktion ist ersichtlich, dass das größte Energiepotential in den Winden der SSW Richtung enthalten ist. Dies ist bereits zu vermuten bei Betrachtung der verschiedenen Formfaktoren k und unter Berücksichtigung der Häufigkeit der zwölf Windrichtungssektoren. Die SSW Windrichtung weist mit einem Formfaktor von k = 2.571 den maximalen Wert auf, damit treten hier die hohen Windgeschwindigkeiten am häufigsten auf.

5. Entwurfswerte und Richtlinien 5.1. Extremwerte Von Interesse ist natürlich, ob die gemessenen Werte innerhalb oder in der Nähe der in den Richtlinien festgelegten Entwurfswerte liegen. Um dies zu bestimmen, müsste eine Langzeitanalyse durchgeführt werden, die hier noch nicht möglich ist. Trotzdem werden die Extremwerte der Messung denen der Richtlinie sowie den Entwurfswerten der Plattform in Tab. 2 gegenübergestellt. Zu beachten ist hierbei, dass die 1-Jahres-Werte aufgeführt werden, umgerechnet auf 100 m Höhe. Tab. 2: Extremwerte der Messungen, der GL-Richtlinien und des Entwurfs (1-Jahres-Werte)

Messung

Entwurf

GL-Richtlinie Klasse 1

Klasse 2

Jahreswindgeschwindigkeit v J

30,8

42,6

40,0

34,0

Jahresbö v J

36,0

55,1

50,0

42,5

≈0,105

0,145 (C)

0,145 (C)

Mittlere Windgeschwindigkeit v M

9,8

10,0

8,5

Signifikante Wellenhöhe H s , max

6,3

5,4

(7)

(6,07)

Maximale Wellenhöhe H max

10,2

11,63

(13,0)

(11,3)

Turbulenzintensität I 15

Auf den ersten Blick scheint es, als ob die Entwurfswerte der Richtlinien sowie die Auslegung der Plattform konservativ sind. Endgültig kann darüber nur dann eine Aussage gemacht werden, wenn die Umgebungsbedingungen und die Lastmessungen auf die geforderte Wiederkehrperiode von 50 Jahren extrapoliert werden können. Entwurfsbestimmend für Windenergieanlagen ist auch die Turbulenzintensität. Ein erster Vergleich gibt Aufschluss über die Ermüdungslasten.

17

0,2

FINO 100m GL C

0,16 I mean [-]

ESDU 0,12 0,08 0,04 0 0

5

10

15

20

25

30

V mean 8m/s9

Abb. 28: Gemessene Turbulenzintensität und Annahme aus der Richtlinie

Der Vergleich der gemessenen Turbulenzintensität mit der Annahme aus der Richtlinie zeigt, dass die Richtlinien sehr konservativ sind. Andererseits ist auch eindeutig zu sehen, dass die CharnockGleichung, die in vielen Offshore-Richtlinien verwendet wird, wiederum zu geringe Turbulenzen liefert.

6. Zusammenfassung Auf der Forschungsplattform FINO 1 in der Nordsee etwa 45 km nördlich der Insel Borkum werden seit über einem Jahr Messungen durchgeführt. Dies hat es erlaubt, einen ersten Blick auf die Messergebnisse zu werfen und einen kurzen Vergleich mit den Auslegungskriterien durchzuführen. Die derzeitige Messdauer erlaubt es noch nicht, eine Langzeitanalyse durchzuführen oder Windenergiepotentiale genau zu erfassen, Tendenzen werden aber sichtbar. Es wurden fünf charakteristische Sturmereignisse ausgesucht und analysiert. Bei allen fünf Ereignissen, zeigt sich, dass die Annahmen für den Entwurf konservativ sind, wenn entsprechend GL-Klasse 1 ausgelegt wird. Besonders interessant bezüglich der Dimensionierung ist die Feststellung, dass die Windrichtung und die Wellenrichtung erhebliche Unterschiede aufweisen können und sogar aus entgegengesetzten Richtungen kommen können. Dieser Zustand ist auf jeden Fall bei zukünftigen Dimensionierungen von Windenergieanlagen zu berücksichtigen. Die Windpotentialanalyse hat gezeigt, dass der Standort optimale Windverhältnisse für die Windenergie aufweist. Allerdings ist eine Langzeitkorrektur der Daten erforderlich, um gesicherte Ergebnisse zu erhalten. Langfristig sind die auf der Forschungsplattform FINO 1 erhaltenen Messungen eine hervorragende Grundlage für die Verifizierung von Verfahren zur Vorhersage und Korrelation meteorologischer und ozeanographischer Prozesse sowie zur Weiterentwicklung von Richtlinien.

7. Referenzen [1] “Rules for Classification and Construction, IV Industrial Services, Part 2 – Offshore Wind Energy, Guideline for the Certification of Offshore Wind Turbines”, Germanischer Lloyd WindEnergie 2005 [2] Norwegian Technology Center (NTC), NORSOK Standard N-003, “Actions and action effects”, Rev. 1, Feb. 1999. [3] B. Lange, “Comparison of Wind Conditions of Offshore Wind Farm Sites in Baltic and North Sea”, DEWEK 2004

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