Experten Talk bei der CIRSE 2011 mit Dr

Walter Gross-Fengels. (Interventioneller Radiologe). Diagnostische und interventionelle Radiologie, Asklepios Klinik, Harburg, Hamburg. Dr. med. Martin Fuchs ...
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München, Internationales Congress Center, 10.-14. September 2011, CIRSE 2011 – Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe

Experten Talk bei der CIRSE 2011 mit Dr. Marianne Koch Interventionelle Radiologie sichert Lebensqualität bei Diabetes und Krebs Interventionelle Radiologen behandeln mit gezielt minimal-invasiven Eingriffen zur Vermeidung von Beinamputationen bei Diabetes-Patienten und hungern Krebs-Tumore aus. Mehr als 6000 internationale Experten tagen seit Samstag beim CIRSE 2011 – der 26. Jahrestagung der Interventional Radiological Society of Europe. Die Interventionelle Radiologie ist eine Spezialisierung der Radiologie seit Anfang der 60er Jahre, die weit über die Diagnosestellung hinausgeht. Vielmehr konzentriert sie sich auf die minimal-invasive Behandlung, mithilfe bildgebender Verfahren wie CT, MR und Ultraschall bei Schmerzsyndromen, Gefäß- und Tumorerkrankungen. Der wissenschaftliche und mediale Fokus der CIRSE 2011 richtet sich auf die Volkskrankheiten Diabetes und Krebs, für die die interventionelle Radiologie zukunftsweisende und vor allem effektive Behandlungsmöglichkeiten bereit hält. Dieses zentrale Thema wurde auch beim CIRSE 2011 Experten Talk unter der Moderation von Dr. Marianne Koch aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Es diskutierten die Experten Prof. Thomas Helmberger (CIRSE Co-Chairman) Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin, Klinikum Bogenhausen, München Prof. Josef Tacke (CIRSE Co-Chairman) Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Klinikum Passau Prof. Dr. med. Reiner Hartenstein (Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie, Palliativmedizin) Präsident der Bayerischen Krebsgesellschaft e.V., Onkologische Praxis im Elisenhof München Prof. Petra-Maria Schumm-Draeger (Internistin, Endokrinologin, Diabetologin) Städtisches Klinikum München, Klinikum Bogenhausen, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie Prof. Walter Gross-Fengels (Interventioneller Radiologe) Diagnostische und interventionelle Radiologie, Asklepios Klinik, Harburg, Hamburg Dr. med. Martin Fuchs (Onkologe) Sektionsleiter Onkologie Klinikum Bogenhausen, München Prof. Arno Bücker (Interventioneller Radiologe) Universitätsklinik des Saarlandes, Homburg/Saar

Die Zusammenfassung des CIRSE 2011 Experten-Talks Frau Dr. Marianne Koch: „Die Radiologen haben früher hauptsächlich Erkrankungen diagnostiziert. Das hat sich dadurch gründlich geändert, dass unglaubliche Katheter-Systeme erfunden worden sind. Radiologen sind jetzt in der Lage, nicht nur zu diagnostizieren, sondern auch mit bestimmten Techniken einzugreifen.“ „Dass man diese Techniken in vielen Gebieten wie zum Beispiel bei Diabetes und Krebs verwenden kann, ist bis jetzt nicht ausreichend bekannt und deswegen sind Sie heute hier bei uns auf der CIRSE 2011 – der 26. Jahrestagung der Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe – eingeladen, um die Kunde davon weiterzutragen.“ „Fangen wir mit der Volkskrankheit Diabetes an, die eine Vielzahl von Leiden und Spätfolgen für den Betroffenen bedeutet. Frau Prof. Schumm-Draeger, was sind die Folgen einer langjährigen oder ungenügend behandelten Zuckerkrankheit?“ Frau Prof. Schumm-Draeger: „Wenn Sie die 4 Millionen Menschen mit Diabetes, die pro Jahr an dieser Erkrankung versterben, hernehmen, so geht über die Hälfte der Todesursachen auf Herzkreislauferkrankungen zurück. Zum ganzen Komplex gehört auch das sogenannte diabetische Fußsyndrom – eine sehr schwerwiegende Erkrankung der großen und kleinen Gefäße. Wir haben bis zu 50.000 Amputationen in Deutschland im Jahr. Was wahrscheinlich auch damit zusammenhängt, dass wir zu spät diagnostizieren und zu spät wirklich gut behandeln.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Herr Prof. Gross-Fengels, Sie sind dabei, diese Horrorzahl von 50.000 Amputationen im Jahr zu vermindern. Was kann die interventionelle Radiologie hier tun?“ Herr Prof. Gross-Fengels „Wir haben heute die Möglichkeit, mit feinsten Kathetern und Geräten in diese verstopften Gefäße hineinzugehen. Das machen wir unter Röntgenkontrolle und können so Gefäße effektiv behandeln. Dafür steht uns ein ganzes Bündel von Instrumenten zur Verfügung. Die wichtigsten davon sind feinste Katheter, feinste Drähte, die wir unter Röntgenkontrolle vorschieben und letztendlich Ballonkatheter und sogenannte Stents platzieren. Damit können wir die Durchblutung wiederherstellen und dazu beitragen, dass offene Wunden heilen, und letztendlich können wir, und das haben viele Statistiken gezeigt, viele Amputationen verhindern oder in ihrem Umfang verkleinern.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Es werden natürlich auch andere Methoden eingesetzt, wie das sogenannte BypassVerfahren. Herr Prof. Gross-Fengels, welche der möglichen Eingriffe eignen sich am besten für die Behandlung von Gefäßverschlüssen?“

Herr Prof. Gross-Fengels: „Es geht natürlich beides. Allerdings zeigt die Studienlage eindeutig, dass die interventionellradiologischen Verfahren als erste Wahl gelten sollten, wenn es darum geht, die Durchblutung zu verbessern. Wir haben die Möglichkeit, diese Behandlung nur mit lokaler Betäubung durchzuführen, mit sehr geringen Schmerzen für den Patienten, und letztendlich ist ein interventionell-radiologischer Eingriff noch dazu mit nur kurzem stationären Aufenthalt verbunden.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Herr Prof. Tacke, in welchen Gefäßen kann man diese interventionell-radiologischen Behandlungen noch anwenden?“ Herr Prof. Josef Tacke: „Es ist so, dass die IR in der Gefäßmedizin keine Gefäße auslässt. Die Verengungen und Stenosen, die bei Arteriosklerose oder anderen Vorerkrankungen vorhanden sind, werden mit den gleichen Techniken behandelt. Wir sind in der Lage, von einem Zugang aus, also der Stelle, an der wir mit dem Katheter in das Gefäßsystem reingehen, was in über 90% der Fälle die Leistenschlagader ist, alle Gefäßbereiche des Körpers zu erreichen.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Auch bei den äußerst gefährlichen Hirnaneurysmen ist dies möglich?“ Herr Prof. Josef Tacke: „Die interventionelle Neuroradiologie hat ebenfalls die Therapie für Hirnaneurysmen revolutioniert. Es besteht die Möglichkeit, sich mit haarfeinen Kathetern, rechtsseitig von der Leiste aus, über die Halsschlagadern bis ins Gehirn vorzutasten. Dort werden bestimmte Substanzen eingespritzt, wie Metallspiralen ober Gewebekleber, um mögliche Aussackungen von innen her auszuschließen. Die Aneurysmen werden somit stabilisiert und ein mögliches Platzen kann verhindert werden. Diese Therapie für Hirnaneurysmen ist mittlerweile, in manchen Fällen, zur Therapie der ersten Wahl geworden und man denkt nicht mehr an erster Stelle nur an die Chirurgie, besonders bei Patienten, die nicht operiert werden können.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Die interventionelle Radiologie wird auch in der Krebsbehandlung eingesetzt. Herr Prof. Bücker, können Sie uns ein paar Beispiele der Krebsbehandlungen, die die IR anbietet, nennen.“ Herr Prof. Arno Bücker: „Hier sollte betont werden, dass die interventionelle Radiologie von der Bildgebung abstammt. Das hat Möglichkeiten eröffnet, Krebstumore genau zu lokalisieren und den unproblematischsten Weg zum Tumor zu definieren. Das, kombiniert mit verschiedenen technischen Neuerungen und Fortschritten, ermöglicht uns zum Beispiel, ganz feine Nädelchen direkt durch die Haut in den Tumor zu stechen oder ihn mit Sonden zu abladieren und letztlich zu töten.

Ziel ist immer, das Ganze minimal-invasiv zu machen. Das ist kein Selbstzweck, sondern wir wollen die Lebensqualität der Krebspatienten erhalten und die Zeit, die sie wegen der nötigen Therapien im Krankenhaus verbringen müssen, minimieren. Gleichzeitig ist es natürlich unser Ziel, den Lebensstandard und die Lebensqualität der Patienten möglichst schnell wieder auf ein normales Niveau zu bringen.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Herr Dr. Fuchs, wie verhalten sich interventionelle Eingriffe mit dem Behandlungsansatz der Onkologie?“ Herr Dr. Martin Fuchs: „Was wir nicht wollen, ist, dass der Patient so behandelt wird, wo er letztendlich zugewiesen wird. Das heißt, kommt der Patient zum Chirurgen, wird er zwangsläufig operiert, kommt er zum Onkologen, bekommt er eine Chemotherapie, oder kommt er zum Strahlentherapeuten, wird er bestrahlt. Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von Therapiemöglichkeiten. Das Entscheidende für den Patienten ist die sinnvolle Anwendung dieser Verfahren. Es muss jemand da sein, der entscheidet, was sinnvoll ist für den Patienten. Das kann nicht einer alleine machen, sondern es muss in interdisziplinären Gremien passieren, um die bestmögliche Behandlung für den Patienten individuell auszuwählen.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Sind diese Behandlungen mit vielen Schmerzen verbunden? Wie kann man sich das in etwa vorstellen, Herr Professor Helmberger?“ Herr Prof. Thomas K. Helmberger „Die Angst vor dem, was man nicht kennt, ist größer als das, was der Patient tatsächlich spürt. Die sind normalerweise aufgeregt und haben, weil sie das noch nie erlebt haben, Angst davor. Aber es tut selten weh – die Schlagadern haben keine Nervenzellen, die Schmerzen transportieren könnten. Allerdings können bei den Ablationsverfahren mit Hitze Schmerzen auftreten.“ Herr Prof. Dr. Hartenstein weist auf die Wichtigkeit der Aufklärung der Patienten hin, die sich in der Lage befinden, eine interventionell-onkologische Behandlung anzunehmen: „Das ist die Aufklärung, die Schaffung von mündigen Patienten, die mit dem Arzt auf Augenhöhe diskutieren können…. die Unterstützung für Betroffene und Angehörige, das ist etwas, das in der Versorgung zu kurz kommt. Und letztlich auch die Information über Therapien, über die wir hier gesprochen haben. Viele Patienten, die die Krebsgesellschaft aufsuchen, sind in dieser Situation.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Gibt es denn in dieser relativ jungen Disziplin auch schon Resultate von Langzeitstudien?“

Herr Prof. Thomas K. Helmberger „Die Langzeit-Ergebnisse zeigen, dass wir mit diesen Techniken wirklich auf einem guten Weg sind. Der Patient landet selten auf einer Intensivstation, braucht selten eine Allgemeinnarkose und die Patienten werden auch wieder schneller „fit“. Das heißt, die hoch effizienten Verfahren, die wir einsetzen, sind für den Patienten angenehmer, sind mit weniger Schmerzen verbunden und führen auch zu einer schnellen Reintegration in das alltägliche Leben.“ Frau Dr. Marianne Koch: „Herr Prof. Helmberger, sind die Krankenhäuser aufgeschlossen gegenüber diesen neuen Techniken?“ Herr Prof. Thomas K. Helmberger „Absolut! Das ist ein Schritt in die Zukunft, vor dem sich kein Krankenhaus verschließt. Zum einen erhöht es die Attraktivität, weil IR die modernsten und minimal-invasivsten Methoden anbieten kann. Außerdem ist es so, dass die Behandlungen auch finanziell vorteilhaft sind – ein Patient, der nicht 1-2 Wochen stationär oder 2-3 Tage auf der Intensivstation verbringen muss, kostet dem Krankenhaus natürlich weniger. Darüber hinaus, je eher ein Patient entlassen wird, desto eher ist er auch fit und kann wieder arbeiten.“

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