lily van der stokker: small talk

Lily van der Stokker arbeitet seit den späten achtziger Jahren an. Zeichnungen und Wandmalereien, in denen farbige Ornamente und in Schreibschrift ...
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Kasper König

lily van der stokker: small talk

L ily van der S tokker a rb e ite t seit den späten ach tzig e r Jahren an Zeichnungen und W andm alereien, in denen fa rb ig e Ornamente und in S ch re ib sch rift präsentierte Texte m ite in a n d e r verbunden sind. Sie werden auf die Wände eines besonderen Ortes in situ a p p liz ie rt und erfahren eine räum liche E rw eiterung durch an die W and gestellte Sofas, Bänke oder W ü rfe l, die ebenfalls Farben und M uster aufweisen. S c h rift und Ornament in Form von Arabesken, W olken- und B lum enm otiven sowie ihre fluoreszierende F a rb ig k e it erinnern an die kom m erzielle Ä sth e tik a bgeleitet von P o p -A rt und Flow er-Pow er der sechziger und siebziger Jahre. Die Besonderheit der In s ta lla tio n e n von L ily van der S tokker besteht fo rm a l in ihrer Verbindung von M a le re i m it einer, so könnte man sagen, geselligen R äum lichkeit, die sich m it einem erzählerischen Gehalt verbindet. Dazu kom m t eine ze itlich e Ebene, denn das W erk e x is tie rt m eist nicht länger als die ausgestellte P räsentation. Das Ephemere ih re r Arbeitsw eise erzeugt ebenso wie die Verwendung von Text und dessen Verweis auf reale und fik tiv e In h a lte Bedeutung im Sinne eines »unaufhörlichen Oszillierens zwischen G egenwart und Vergangenheit, A n- und Abwesenheit, Bewusstsein und E rinnerung«, das h e iß t den »Kern einer Idee des P e rfo rm a tive n « .1 L ily van der S tokker p la n t, fü r ihre P e rfo rm a tiv e In s ta lla tio n im D C :S aal des Museum Ludw ig spezifische A rb e ite n anderer K ü n stle r­ innen m it einzubeziehen, u nter anderem von John Bock, John C urrin, Isa M elsheim er und Nada Sebestyen. Neben diesen »Leihgaben« is t sie auch an Werken aus der Sam m lung des Hauses interessiert, solchen von Roy L ichtenstein, Escobar M a riso l oder N ik i de S aint P halle. D arüber hinaus p la n t L ily van der S tokker kleine In te rv e n ­ tionen im Museum auch auß erhalb des DC:Saales. Diese Im p lik a tio n von Werken anderer K ü n stle rinn e n erscheint als eine W e ite rfü h ru n g ih re r W andtexte, in denen sie sich grundsätzlich a u f ihren persönlichen Lebensraum sowie ihren privaten und b e ru f­ lichen K ontext bezieht, also Personen aus Familie, Freundeskreis und Kunstszene. B ereits in einer früheren A rb e it hatte sie den Versuch u n te r­ nommen, den assoziativen Verweis auf K ü n stle rko lle g in n e n durch bloße Namensnennung und durch die P räsentation von deren Werken visuell zu steiaern. Für die A usstellung »P unishm ent and D ecoration«

in h a ltlic h e w ider: In den nun in te g rie rte n A rb e ite n geht es nicht m ehr um Fragen von (geom etrischer) A b s tra k tio n und B ild ko m ­ p osition, sondern um Id e n titä t, das Bild der Frau, das P rivate sowie veränderte Handlungsräum e, die ebenfalls Grundlage der eigenen A rb e it sind. Dabei folgen die von der K ün stle rin ausgewählten A rb e ite n selbst sta rk erzählerischen und p e rform ativen P rinzipien.

John C u rrin und seine gem alten w eiblichen P rotagonistinnen m it ihren überdim ensionierten Brüsten spiegeln ebenso wie die aus der W erbung und den C om icstrips abgeleiteten F ra u e n p o rträ ts Roy Lichtensteins ein stereotypes Frauenbild n ich t a lle in der fü n fz ig e r und sechziger Jahre wider, während die überlebensgroßen »pop­ fa rb ig « bem alten N ana-S kulpturen von N ik i de S a in t Phalle an prähistorische F ru ch tb a rke itsg ö ttin n e n erinnern. Die Figurengruppen M a riso ls sind ironische Verweise auf die Verbindungen und das Zusammenleben von Menschen, und John Bocks In s ta lla tio n e n und A ufführungen verdichten spielerisch gesellschaftliche S tru ktu re n . Isa M elsheim er zeichnet und in s ta llie rt In te rie u rs, deren p riva te r oder ö ffe n tlic h e r C harakter durch die M a te ria lie n und M uster von S toffen in der Galerie Hohenthal und Bergen in Köln (1 9 9 4 ) hatte Lily van der S tokker eine W andm alerei m it einfachen B lum enm otiven e ntw orfen, die als Folie fü r drei Gemälde, von Peter Halley, Im i Knoebel und M ike Scott, diente. D am it w urde ihre W andm alerei bewußt zum dekorativen H intergrund fü r Kunstwerke, die sich bei a lle r U n terschiedlichkeit m it der Frage nach einer In te ra k tio n von Raum, B ild trä g e r (F läche) und Farbe (M u s te r) auseinander setzten. 1 9 9 9 äußerte sich die Künstlerin jedoch k ritis c h über diese A rb e it: » A lle rd in g s scheint es so, dass die Leute heute denken, sie könnten eine W andm alerei von L ily van der S to kke r nehmen und a u f diese einfach die A rbeiten hängen, die sie sich wünschen; das geht n a tü rlic h n ic h t.« 2 Die fü r das Museum Ludwig geplante A rb e it jedoch unterscheidet sich d e u tlich von ih re r knapp neun Jahre ä lte re n V orgängerin, einer zweidim ensionalen, auf flo ra le M otive beschränkten A ll-o ve r-W a n d m alerei. Dem durch W andtexte und M o b ilia r erzeugten in sta lla tive n C harakter ih re r neuen A rb e it fü g t L ily van der S to kke r im Museum Ludw ig nun auch Werke anderer K ü n stle rinn e n hinzu, die eine skulptu ra le Präsenz besitzen. Diese form ale Steigerung spiegelt eine und Tapeten abzuleiten ist, und Nada Sebestyen b ie te t m it ihren z e lta rtig e n Kleidern und Gehäusen dem nom adenhaften Menschen Schutz. L ily van der S tokker steht m it dieser Auswahl n ic h t nur als K ü n s tle rk u ra to rin im M itte lp u n k t ih re r In s ta lla tio n , die sich so m it als Collage und Display gleicherm aßen d e fin ie rt. V ielm ehr verdeutlichen die anderen A rbeiten durch ihren Rückverweis auch L ily van der Stokkers Interesse an diesen Themen und ihre eigene Position. Die In s ta lla tio n von L ily van der S to kke r w ird zu einem erzähle­ rischen Tableau, das in seinem Herstellungsprozess, in seinem Umgang m it anderen Kunstwerken, in seiner S p ra c h lic h k e it durch Text und Assoziation und in seiner flü ch tig e n Existenz einen p e rform ativen C harakter besitzt.