Es folgt ein handgeschriebener Bericht über die Somme-Schlacht ...

Da haben wir dann einige wenige geistreiche Witze gerissen, als es oben immer pfiff und dann irgendwo krachte. In der Windmühle traten dann auch die ersten ...
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Es folgt ein handgeschriebener Bericht über die Somme-Schlacht: „Meine persönlichen Erlebnisse vom 24. Juni bis 24. Juli 1916 während der großen engl.-franz. Somme-Offensive. Daß wir einer großen feindlichen Offensive entgegen gingen, wußten wir schon lange lange vorher. Sie war an 1000 Anzeichen zu erkennen. Morgens erwachte man vom englischen Fliegergebrumme, abends ging man mit demselben Gefühl in die Falle. Die Windmühle hinter unserem Dorf, auf einer markanten Höhe stehend, bekam Monate vorher mit 21er Flachbahn Feuer und wurde auch schließlich, nachdem die Engländer viel Munition darangesetzt hatten, getroffen zwar, aber nicht zerstört. Denn unterdessen war im Innern ein Betonkern entstanden, der auch während der Offensive allen Beschießungen standhielt. Ich begrüßte den englischen Treffer deshalb, weil dadurch die Beobachtung in der zugigen Mühle aufhörte. Ganz davon abgesehen war es nicht gerade angenehm, in einem von der englischen Marineartillerie gern geschossenen Ziel zu setzen. – Einige Wochen vor Beginn der großen Schlacht wurde unsere Artillerie durch Flieger mit schwerstem Caliber beschossen, Zweck hatte dieser ganze Aufwand zunächst sehr wenig. Uns war es sehr unangenehm, da wir in Häusern über der Erde wohnten und uns nicht entschließen mochten, in den Unterstand zu ziehen. Bisher war es in unserem Pozières immer so friedlich gewesen, daß wir diese ganze Schießerei als sehr lästig empfanden, uns aber sonst nicht stören ließen. Nach wie vor wohnten wir in unserem geheiligten „Burkhotelhof“ (Burk heißt der Batterieführer). Dabei stand kaum 20 m davon entfernt das 1ste Geschütz einer 15 cm bayer. Landsturmbatterie. Wie durch ein Wunder blieb dieser Hof bei allen Beschießungen unversehrt. Einst, während des Mittagessens, bekam diese Batterie Schrapnellfeuer, Vom Tisch aus sahen wir die Geschosse in 20 – 30 m Entfernung crepieren, taxierten Sprenghöhe und Weite und gingen dann zum Pudding und Kaffee über. 24.6. in diesem ‚dolce fa niente‘ kam der 24. Juni Heran. Zunächst nicht sonderlich verschieden von allen anderen Tagen. Wohl schossen die Engländer viel mit Schrapnells, und als sie nicht aufhörten hielten wir sie für verrückt. Dies hielt mich auch nicht ab, auf die Grabenbeobachtung zu gehen und ein Wandergeschütz, das für die laufenden Geschäfte in Betracht kam, auf wichtige Ziele einzuschießen. Nach meiner Rückkehr schilderte ich die Knallerei als so wahnsinnig, daß der Hauptmann sich veranlaßt fühlte, auch mal vorzugehen. Er kam schon weniger unbehelligt zurück. Das Feuer hatte zugenommen, und er geriet beim Friedhof in schwere Caliber. Nachdenklich wurden wir erst, als die Sache gegen Abend nicht aufhören wollte, ja, daß wir in Pozières bei Nachtessen empfindlich gestört wurden. Es kam der feierliche Moment, da wir nicht nunmehr im Keller schliefen, sondern um Unterstand, zusammen mit den bayerischen Herren, die noch keine Offizierswohnung hatten. Da haben wir dann einige wenige geistreiche Witze gerissen, als es oben immer pfiff und dann irgendwo krachte. In der Windmühle traten dann auch die ersten Verluste ein. Mehrere Munitionswagen blieben liegen. Damit endete der erste Tag. Unterdessen war uns natürlich längst klargeworen woran wir waren. Angenehme Gefühle hatte ich gerade nicht, da ich noch immer im Banne des verflossenen Urlaubs lebte. 25.06.16 Morgens wurde die Sache schon verflucht unangenehm, als ich nach einem gemütlichen Ort für gewisses Bedürfnis Umschau hielt. Ich war gerade im Telephonraum, als der große denkwürdige Feuerüberfall auf Pozières einsetzte. Alle Kaliber bis zu 30,5 cm trommelten so etwa 30 – 40 Min. auf uns. Es dünkte mich, ein ganzer Tag zu sein. Eine riesige Detonation auf einmal, Luftdruck, alles raucht, eine 30,5 cm-Granate war 10 m entfernt in die Erde gegangen. Aber auch dieses ging vorüber

und – wir hatten nicht einen Mann verloren. Ein bayerischer Leutnant machte diese Hölle auf der blanken Straße mit, und es wurde ihm kein Haar gekrümmt. Die englische Schwere schoß nun dauernd auf die Kirche, ohne sie zu treffen. Nachmittags fielen unsere Fesselballons einem feindlichen Fliegerangriff mit einer neuartigen Brandbombe zum Ofer. Eine schwarze Rauchsäule bezeichnete ihren einstigen Standort. Die Sonne schon ganz silbern vor lauter Staub- und Pulvergasen. So etwas wirkt auf mich unheimlich, und ich habe es später immer wieder konstatieren können. Unser Hof war bei dem großen Feuerzauber natürlich übel zugerichtet worden. Unser Speisezimmer total demoliert. Wo mochten nun die Schwalben sein, die in unserem Zimmer genistet hatten und die Suppe mehr denn einmal versalzten! Das Grammophon rettete ich mit allen Cläre Waldoff-Platten1 in den Unterstand. Abends bekamen wir von unserem Koch ein tadelloses Beefsteak mit Salat. Gewürze waren überflüssig. Pikrin und Salpeter hatten das schon besorgt. Bei Rotspon lebte sogar der Humor wieder auf. Eine lustige Offensive, wo es so zugeht. 26.6.16 Morgens war es zunächst ruhig. Gegen Mittag nahm das Feuer auf P. wieder bedeutend zu. Schwere und schwerste Kaliber. Nachmittags hatte ich etwas zu schlafen versucht. In einer ruhigen Stunde flitzte ich zur Befehlsstelle, da trägt man den getroffenen Leutnant D. die Treffe herunter. Ein gräßlicher Anblick, das gebrochene Auge! Im Dreck liegt er da. Überall liegen abgeschossene Blätter und Zweige, Splitter fliegen überall umher, die Erde aufgerissen und – der Hauptmann gänzlich fassungslos. Der erste harte Schlag! Gegen Abend kommt Nebel, damit Gasangriff. Nun vermischt sich der süßliche Blutgeruch mit diesem Gestank. Düster heult die Kirchenglocke als Alarmzeichen. Schaurige Stunden ! Da war es mit der lustigen Offensive aus und vorbei. 27.6.16 Der neue Tag beginnt gleich mit einem Gasangriff und Feuerüberfall. Im übrigen schießt es eben überall. Von unserer Baumbeobachtung ist kaum noch ein Quadratmeter zu sehen, der noch grün ist. Weit und breit kein Mensch zu sehen. Nachmittags greifen die Engländer im Park von Thiepval2 an. Sie wollen sehen, ob wir noch nicht mürbe sind. Aber soweit ist es noch nicht, als trommeln sie weiter. Gegen Abend kommt wieder eine Gaswolke. 28.6.16 Nachts erscheint eine humoristische Figur auf der Bildfläche. Da hat man einen armen Etappenonkel vorgehetzt, um uns Munition zu bringen. Hilflos steht er da und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Zwei Wagen hatte er unterwegs liegenlassen müssen. Von den übrigen acht gerät einer am Dorfrand in ein Granatenloch, zwei bleiben vor der Windmühle liegen. Überall schießt es. Der Mann ist der Verzweiflung nahe. Ich habe den armen Kerl bedauert; vielleicht hört er jetzt zum ersten Mal einen feindlichen Schuß. Ich bringe ihn zurück auf die Straße. Hoffentlich ist er glücklich heimgekehrt und hat für diese Heldentat das Eiserne Kreuz I. Kl. gekriegt. – Von vorne kommt dann noch unser Veterinär-Oberarzt, der die Lage wenig rosig schildert. Die Gräben eingeebnet, nur noch Löcher bezeichnen die Eingänge zu Unterständen. Man erwartet den Sturm für den anderen Tag. 29.6.16 Wir warten und warten nochmal. Der Sturm erfolgt nicht. Beim Munitionsergänzen wird Canonier Wagner schwer verwundet. Es tritt nun eine merkwürdige Ruhe ein. Eine Feuerpause. Man atmet auf. Schließlich geht es aber im selben Tempo weiter.

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Claire Waldoff 1884-1957: Schauspielerin, Kabarettistin, Chansonette. Waldoffs Platten genossen große Popularität bei den Soldaten. Sie erhielt zahlreiche Briefe von der Front. 2

Unter diesem Link finden sich weitere Informationen zur Somme Schlacht: www.somme14-18.com/

30.6.16 Morgens auf breiter Front Trommelfeuer, dazu eine Unmenge Flieger. Die Meisten nur wenige 100 m hoch. Von den deutschen – wie immer – nichts zu sehen. Wohl greifen die Engländer an, aber nur schwach. Der große Angriff ist das nicht. Also heißt es, weiter den Kopf hinhalten. Nachmittags wird die bayr. Batterie mit schwerem Kaliber zugedeckt. Zwei Geschütze nicht mehr feuerbereit. Der bayr. Häuptling ganz geknickt. 1.7.16 Der berühmte 1. Juli begann zunächst mit größter Ruhe. Nach einem Gasangriff greifen dann die Engländer ganz plötzlich in dichten Massen an. Ebenso plötzlich nach 5 Sekunden ist unser Sperrfeuer da, das mitten unter den im Schritt anrückenden Massen furchtbar haust. Beine, Köpfe und Arme werden von unseren Langgranaten in der Luft umhergeschleudert. Als Antwort bekommen wir in unsere Batterie schweres Feuer. Auf der ganzen Front haben die Engländer so angegriffen. Die „Feste Schwaben“ geht verloren. Die Canonen zielen dort direkt mit „Aufsatz tief“. Sie werden wieder geworfen. In Abschnitt 71 liegen die toten Engländer so dicht, daß das Maschinengewehr nicht mehr feuern kann wegen der Höhe des Leichenwalles. Nachmittags sause ich im Marsch-marsch auf die Windmühle, da unser Cabel abgeschossen ist. Ich muß von dort telephonisch einen Bericht weitergeben. Dort erfahre ich, daß unser bester Unteroffizier Pauli gefallen ist. Ab Abend dieses Tages kann die 26. Res.Div. stolz behaupten: Bei uns ist der Feind nicht durchgekommen. Bei Thiepval hält er noch ein Stück von 100 m besetzt. Die Engländer wollten abends in P.-Courcelles sein! Das war also der große Sturm. Von der Windmühle aus war leider nichts zu sehen wegen zu greller Beleuchtung. 2.7.16 Nach der großen Kraftanstrengung vom Tage vorher herrscht relative Ruhe. Ziemlich gemütlich stiefle ich zur Batterie zurück. Unterwegs stolpere ich über einen 38er Blindgänger. Unwillkürlich mache ich entsetzt einen großen Sprung, schaue mich dann aber gleich wieder danach um. Schön blank lag das Ungeheuer da, wie eben hingelegt. An Trichtern geht es vorbei, kleine Häuser könnte man hineinbauen. Links von uns sieht es übel aus, dort sind die Engländer vorgedrungen. 3.7.16 Morgens Trommelfeuer. Wieder mal versuchen es die Engländer. Diesmal Thiepval. Vom Baum bietet sich ein schaurig-schönes Bild. Ein herrlicher Sommermorgen. Prachtvolles Morgenrot. Bei unserer Batterie singen sogar Vögel. Bei Thiepval dichte schwarze Springwolken. Immer wieder spritzt der Dreck in die Höhe oder fährt ein Feuerstrahl aus diesem Dunst hervor. Arme Kerle, denke ich, die Ihr dort aushalten müßt! Einige Stunden später werden wir wieder böse eingeseift. Ds Bett schwankt angenehme, kindliche Träume! 4.7.16 Ruhe im Staate Dänemark (zunächst wieder). Die 28. Res. Div. konzentriert sich rückwärts. Wenig erfreulich für uns, die wir auf dem äußersten linken Flügel unserer 26 Res. Div. stehen. Abends werden wir von Fliegern befunkt. Es passiert aber nichts. Mit einem Infanteriegewehr beschießen wir ihn, aber ohne Erfolg. – Unsere Infanterie wird abgelöst, wie hoffen auch stark. 5.7.16 Ich komme nun mal etwas zur Ruhr, nur plagen mich starke Rückenschmerzen. Diese sind so heftig, daß ich noch nicht mal einen Geschoßkorb tragen kann. Der Tag geht relativ ruhig vorüber. 6.7.16 Die Artillerie-Tätigkeit läßt nach. Nachts habe ich prächtig geschlafen. La Briselle haben die Engländer nun doch gewonnen. Ein Zug von uns (2 Geschütze) ist auf meinen Rat in die Zuckerfabrik gegangen. Ich folge morgen mit den anderen nach.

7.7.16 Heute morgen, 4 Uhr, bin ich nun auch zurückgegangen. Im milden Karacho an der Windmühle vorbei. Einen letzten Blick nochmal auf unsere geliebte Stellung. In der Morgendämmerung war sie eben sichtbar. In der Mitte gähnten wie Kraken zwei ausgebrannte Geschützstände. Überall fahren Geschosse, die durch Explosionen in die Luft gingen, umher, Balken und Bretter! Die Hecke mit dem Dort Pozières vor uns ist so ebengeschossen, daß wir von Mesnil her einzusehen sind. Die Erde wie umgepflügt. In das frühere Café National stelle ich meine beiden Haubitzen. Ich habe ein Schlafzimmer mit Bett für mich und die beiden Geschützführer. Die Sache läßt sich zunächst ganz nett an. Es ist ja zu merkwürdig, fast lächerlich! Mitten in dieser Schlacht wohne ich in einem Hause mit allem Comfort der Neuzeit. An letztere werden wir aber gleich in Gestalt einiger 12er Schrapnells erinnert. Da hindert uns aber nicht, gemütlich Kaffee zu trinken. Bei allem Feuer, das wir bekommen, trösten wir uns damit, daß es ja nicht uns, sondern der Straße gilt. Vorne Trommelfeuer, ein Graben in Ovillers soll verloren sein. Viele verwundete Infanteristen kommen vorbei. Nachmittags fängt es an zu regnen. Die Engländer sollen 400 m vor Poz. sein. 8.7.16 In meiner luftigen Villa gut geschlafen. Habe mich tadellos gewaschen und rasiert. Komme mir vor wie ein Granatenbauer. Unsere Schwere scheint ziemlich verstärkt worden zu sein. Nachmittags wird ein englischer Flieger durch Fokker abgeschlossen. 9.7.16 Nachts wieder ruhig. Morgens herrlicher Luftkampf. Ein großer Engländer wird abgeschossen, ein anderer verfolgt. Nachmittags werden wir so befunkt, daß wir ausreißen müssen. Canonier Küll wird verwundet. Später sind wir wieder zurückgekehrt und haben trotz des Volltreffers in der Scheune hinter uns gut gegessen und geschlafen. 10.7.16 Morgens zunächst ruhig, das Wetter klärt sich leider auf. Diese andauernde Anspannung aller Kräfte, dazu die Verantwortung für soviel Menschen und Material ist doch sehr aufreibend. Ich bin ziemlich fertig. Neben uns wurde eine Batterie in Brand geschossen. Gestern nacht brannte in Martinpuich ein Pionierpark. Es sieht schaurig aus, dazu ab und zu Explosionen. Sehr lustig war es, wie ein Leuchtkugellager in die Luft ging. Grün, rot und weiß. Ich glaube, daß man sich später mal aus einem Feuerwerk nichts mehr macht. Das hat man im Krieg viel reichhaltiger, vor allem, wenn die engl. Flieger nachts ihre Leucht- und Brandbomben abwerfen. 11.7.16 Ein Infanterieleutnant (er liegt auf der Lignyer Höhe) ist heute bei uns. Vorn muß es ganz doll aussehen. Stellenweise liegen die toten Engländer 1 – 1 1/2 m hoch. In diesen Haufen fahren dann wieder unsere Geschosse und wirbeln alles in der Luft umher. Es war tief erschütternd. 12.7.16 Nachts lebhaftes Artilleriefeuer. Es war wenig gemütlich im Bett! Immer pfiff es um’s Haus. Unser Unterstand ist erst im Bau. Canonier E.Kopp verwundet. Gestern wurde Leutnant K. und ein Unteroffizier durch Volltreffer im Sehschlitz verwundet. Soeben stehe ich neben Canonier Sch. In der Türe, da crepiert eine Granate etwa 100 m entfernt (wir hatten zusehen wollen). Auf einmal fährt er sich an den Hals und ruft: „Ich bin verwundet!“ Schon fährt ein Blutstrahl durch die Hand. Ich habe ihn gleich abtransportieren lassen. Nachmittags wird es ziemlich windig. Verziehen uns nach unten. Kaum sind wir im Unterstand, da geht ein Volltreffer in die Bude. 13.7.16 Nachts wieder sehr unruhig. Die Straße wird abgestreut, und wir liegen im Strich. Links Contalmaison griffen die Engländer an. Resultat unbekannt. 14.7.16 Der Tag fängt gut an. Um 4 Uhr trommeln die Engländer. Wir bekommen ziemlich Feuer. Über Mittag erneute Beschießung. Andauernd lebhaft. Die ganze Straße entlang liegen tote Pferde.

Es stinkt fürchterlich. Die Feuertätigkeit wechselt ständig. Es gibt Stunden, da man auf der Straße spazieren kann, und dann wieder mal ist es nicht zum Aushalten. 15.7.16 Heute zum ersten Male im Unterstand geschlafen. Zwar primitiv, aber es ging doch. Oben war sehr ungemütlich geworden. Jede Nacht fuhr eine in’s Haus. Ich konstatiere, daß die Engländer genau richten. Immer in Höhe der Dachrinne. Seitenstreuung 3 – 4 m. Links kommen die Engländer vor. Soeben ist ein Volltreffer in’s zweite Geschütz beim Zuckerring eingeschlagen. Alles tot und verwundet. Munition brennt. Scheußlich! Wann werden wir Wohl abgelöst? 16.7.16 Nachts wieder lebhaft. Im Stollen aber fein geschlafen. Jetzt sollen sie nur schießen! Zug B. hat Stellungswechsel nach Courcelles3 gemacht. Es heißt, wir werden abgelöst? 17.7.16 Es ist nachts jetzt immer sehr unruhig. Ich bin immer froh, wenn unser Verpflegungswagen wieder glücklich durchkommt. Durch Volltreffer wurde gestern der Sporn meines ersten Geschützes zertrümmert. Neues Geschütz ist schon wieder da. Wir haben Toll Sperrfeuer gefunkt. 18.7.16 Morgens große Ruhe. Longueval4 soll gestürmt sein. Unser Stollen ist schon ganz wohnlich. Es ist hohe Zeit. Oben kann man sich nicht mehr halten. Um 7 Uhr werden wir colossal befunkt. Munition brennt. Ein furchtbarer Schlag. Balken, Steine, fliegen die Treppe herauf. Die Munition ist crepiert. Unser Café zerschossen, verschwunden. Die Haubitzen haben von selbst Stellungswechsel gemacht. Glücklicherweise brennt nichts. 19.7.16 Nachts lebhaft. Während des Tages ziemlich ruhig. Während des Tages ziemlich ruhig. Meine Rolle als Zugführer ist ausgespielt. Leutnant Schulten ist zur Batterie kommandiert und übernimmt mein Commando. Er scheint ein sehr netter Herr zu sein (Hanns wurde Ende Juli Leutnant). Unser Koch hat abends fein gekocht. Saure Kartoffeln, Goulasch und Salat, dazu Bier. Jetzt sollen sie mal kommen! 20.7.16 Nachts wieder übliche Schießerei. Bei Zug B. gingen gestern abend 500 Schuß in die Luft. War das eine dolle Explosion! Die Leute kamen ganz verstört zu uns. Wir haben auch 400 Gasgranaten um unser Haus stehen. Wenig angenehmes Gefühl, wenn man denkt, daß die auch mal hochgehen können und wir im eigenen Gas ersticken. 22.7.16 Heute Nacht mit 400 Schuß eine Artilleriemulde vergast, dabei kein Gegenfeuer bekommen! Nicht zu glauben! Es ist augenblicklich friedlich. Ganz hervorragend für unsere Leute ist die Möglichkeit, ruhig und sicher schlafen zu können, dazu eine tadellose Verpflegung. Gestern nachmitttag fährt ein Ausbläser durch den Schild in die Rohrwiege. Auf dem Rückwege von der Beobachtung habe ich ziemlich Dunst bekommen. Als ich wieder beim Zug angelangt war, mußte ich einige Veränderungen konstatieren. Das Haus hatte inzwischen einige Treffer mehr bekommen. Nach Courcelette funkten die Engländer in der Dämmerung wieder mit ganz Dicken. Die Splitter sausten nur so in der Luft umher. Obwohl ich mehrere 100 m entfernt war, wurde neben mir ein armdicker Ast abgeschlagen. 23.7.16 Nachts ging es wieder lebhaft zu bei uns und beim Feind. Heute morgen erfolgte dann ein schwerer Sturm gegen Pozières. Bis zum roten Haus sollen sie vorgedrungen sein. Die Windmühlenstellung wird mit ganz dicken Dingern bearbeitet. Beim zweiten Geschütz ist wieder ein 3 4

Courcelles liegt im französischsprachigen Teil Belgiens Longueval: französische Gemeinde im Département Somme

Volltreffer hinein. Vier Mann verwundet. Um 6 Uhr kommt die erlösende Nachricht, wir werden abgelöst. Ein alter Geschützführer fiel mir beinahe um den Hals. 24.7.16 Gestern bewahrte mich das Schicksal wieder mal in wunderbarer Weise. Durch Zufall wird mir der Befehl, die Beobachtungsstelle 28 nochmal zu besetzen, nicht mitgeteilt. Und an diesem Nachmittag verschüttet ein schwerer Volltreffer die Besatzung hoffnungslos. Heute morgen bin ich dann mit einem Canonier zum Teufel. Im wahren Sinne des Wortes aus dem Schrapnellregen. Sie hatten eben wieder unser Haus vor. Es ist das unangenehmste Gefühl, sich sagen zu müssen, daß man jetzt, da einen der ganze Verein nichts mehr angeht, noch getroffen werden könnte. Zünderteile und Kugeln flogen uns noch nach. Schließlich langten wir wohlbehalten in Warlencourt bei der Staffel an. Jetzt sollen die anderen sehen, wie sie den Kram schmeißen. So weit mein Tagebuch, das natürlich nur als „Gerippe“ für spätere Erinnerungen dienen kann und nicht entfernt ein Bild geben kann von den seelischen und physischen Bedrängnissen jeder Tage, an die ich nur ungern zurückdenke.“