erleichtert das Leben

motivieren, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten. Uns allen wurde ...... Eigenschaften sollten die primären Kriterien für jede Führungskraft eines Landes sein.
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EINE EINFACHE VERÄNDERUNG

erleichtert das Leben

BALANCED

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TEAM

Eine einfache Veränderung erleichtert das Leben

Das Balanced View Team

The Library of Wisdom Classics

FourthAusgabe 2012 Balanced View Media: Mill Valley, California USA 2012 Eine einfache Veränderung erleichtert das Leben vonBalanced View Team ist durch einen Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenzvertrag lizensiert. Basierend auf einem Werk on ISBN 978-0-9886659-1-0

Widmung

Offene Intelligenz, Weisheit und Mitgefühl für alle

Eine einfache Veränderung erleichtert das Leben

Inhaltsübersicht Anmerkungen zur 3. Ausgabe Vorwort des Herausgebers Vorwort zur Deutschen Ausgabe Einleitende Worte der Autorin 1. Eine einfache Veränderung erleichtert das Leben 2. Gehe behutsam mit dir um 3. Hingabe an das Unbeschreibliche 4. Liebe und Beziehungen 5. Sexualität und Verlangen 6. Eine ausgewogene Sicht 7. Herausragende Fähigkeiten 8. Eine neue Form des Seins 9. Belastende Zustände 10. Ein schöner Tod 11. Praktiken 12. Meditation

Vollkommenes Wohlbefinden Die Persönliche Identität Der menschliche Geist ist begabt Der Abbau von Mängeln und die Vervollkommnung guter Eigenschaften 17. Die natürliche Weisheit offener Intelligenz 18. Keine Bemühungen, keine besonderen Umstände 19. Direkte Teachings 20. Die Aufrechterhaltung von offener Intelligenz in Schlaf und Traum 21. Vollkommen offene Wahrnehmung 22. Entscheidungsfindung ohne Entscheidungsprozess 23. Die Eigenschaften offener Intelligenz 24. Jenseits von Ursache und Wirkung 25. Mitfühlender Benefit 26.Es liegt an dir und es liegt an mir! 13. 14. 15. 16.

Balanced View Ressourcen

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Anmerkungen zur 3. Ausgabe Wir haben uns durch das Feedback von Lesern sehr ermutigt gefühlt, denen die erste Ausgabe von Eine einfache Veränderung erleichtert das LebenFreude und Benefit bereitet hat, und können nun hocherfreut eine überarbeitete und auf den neusten Stand gebrachte Ausgabe des Buches herausbringen. Als Teil der ständigen Bemühungen in Balanced View, die bestmögliche Sprache zu finden, welche die Mehrheit der Leser am geschicktesten anspricht, kam in 2011 eine Veränderung in der Terminologie zustande, die großen Widerhall fand. Wo früher die Begriffe „Klarheit" und „Blickpunkte" in den Texten verwendet wurden, kamen die neuen Ausdrücke „offene Intelligenz" und „Daten" spontan zur Anwendung und wurden mit großem Enthusiasmus begrüßt, da diese Begriffe die Leser auf sogar noch unmittelbarere Weise anzusprechen scheint. Demzufolge werden alle Balanced View-Bücher auf den neusten Stand gebracht, um diese neue und sehr kraftvolle Sprache einzubeziehen. Der Inhalt dieses Buches ist derselbe wie bei der ersten Ausgabe, mit all denselben Kapiteln und Unterkapiteln—wenn auch mit einigen kleinen Veränderungen in den Überschriften in einigen der Kapitel und Abschnitte. Die Hauptveränderung ist die Verwendung von „offene Intelligenz‖ statt „Klarheit‖ oder „Bewusstsein‖ und „Daten‖ statt „Blickpunkte.‖ Der Ausdruck „Ruhen‖ aus der ursprünglichen Sprache der ersten und zweiten Ausgabe wird in dieser Ausgabe beibehalten. Dieser Ausdruck bedeutet im Grunde genommen das Gleiche wie auf offene Intelligenz zu vertrauen, und besitzt darüber hinaus zudem die weitergehende Bedeutung entspannt zu bleiben und die Dinge so zu belassen, wie sie in der Begegnung mit allen Datenströmen sind. „Empowern‖ wird ebenfalls in der gleichen Art und Weise innerhalb des Kontextes der empowernden Natur offener Intelligenz verwendet. Die Veränderung in der Sprache sollte die Botschaft dieses Buches sogar noch kraftvoller und klarer machen.

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VORWORT DES HERAUSGEBERS Das Material für dieses Buch stammt aus den öffentlichen Vorträgen von Candice O’Denver, der Gründerin von Balanced View, die sie in Indien, den U.S.A. und in Schweden gab. Ton und Stil der verschiedenen Kapitel spiegeln die Atmosphäre während dieser Vorträge wider – warmherzig, freundlich, intim und in direktem Kontakt mit den Anwesenden. Daraus ergibt sich, dass die Ausdrucksweise, auf die man hier trifft, im Allgemeinen nicht förmlich, sondern ungezwungen ist und darauf abzielt, es dem Leser so leicht wie möglich zu machen, von den Worten zu profitieren. Es sind allerdings nicht die Worte oder Ideen selbst, die den wichtigsten Aspekt der Kommunikation ausmachen, sondern vielmehr die in diesen Worten und Ideen innewohnende Leichtigkeit des Seins. Der Leser wird ermuntert, sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen und das Beschriebene auf vollkommen unvoreingenommene und aufgeschlossene Weise aufzunehmen, ohne es intellektuell begreifen zu müssen. Wie Candice es auf humorvolle Weise ausdrückt: ‚Intellektuelles Verständnis ist der Trostpreis!’ Dieser Text dient nicht zur intellektuellen Spekulation, sondern ist eine Einführung in das instinktive Erkennen offenerIntelligenz in der eigenen Erfahrung. Jedes Kapitel beginnt mit einer Einleitung und einer Erläuterung der Thematik des Kapitels, gefolgt von Fragen und Antworten, die helfen, offene Intelligenz zu erläutern und ihre Eignung und praktische Anwendung im Alltagsleben zu veranschaulichen. Nach der anfänglichen Erläuterung der wichtigsten Begriffe „Offene Intelligenz,‖ „Vertrauen in offene Intelligenz,‖ und „Daten‖ in Kapitel Eins, können die Kapitel in jeder beliebigen Reihenfolge gelesen werden. Man muss dabei keinem bestimmten Ablauf folgen. Jedes Kapitel enthält den Kernpunkt und die zentrale Anweisung des Balanced ViewTrainings: Vertraue für kurze Momente auf offene Intelligenz,viele Male wiederholt, bis sie automatisch wird. Dieser Kernpunkt sowie auch die praktischen Anweisungen, werden immer wieder auf zahllose, unterschiedliche Weisen wiederholt, um verschiedene Leser zu erreichen. Erwähnt sei noch, dass dieses Buch aus einer Ansammlung von Candices transkribierten Reden besteht, von Freiwilligen aus der ganzen Welt zusammengetragen, die neben Candice, über ein Jahr daran gearbeitet haben, dieses Buch druckreif zu machen. Hunderte von Reden wurden aufgezeichnet und dann als kostenlose Downloads ins Internet gestellt, über hundert dieser Reden wurden ins Schriftliche übertragen, was über 1600 Seiten Text ergab; diese wurden daraufhin zusammengefasst, bearbeitet, Korrektur gelesen und nochmals editiert. Diese Tätigkeiten wurden allesamt von dankbaren Menschen durchgeführt, deren Hauptinteresse darin liegt,

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anderen Menschen das zur Verfügung zu stellen, was ihnen selbst so viel Nutzen und Freude bereitet.

Scott Morrow Skåne – Schweden März 2008

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VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE Dieses wunderbare Buch in unserer Muttersprache in den Händen zu halten ist uns eine ganz besondere Freude. Auf seinen Seiten findet sich eine kristallklare Anleitung zu völliger mentaler und emotionaler Stabilität und dauerhaftem Wohlbefinden. Candice O’Denver vermittelt uns auf leicht verständliche und humorvolle Weise, wie wir mit nur einer einzigen Veränderung ein gänzlich erfülltes Leben voller Klarheit und Ausgeglichenheit führen können. Nach vielen Jahren der Suche nach Glück und Zufriedenheit in Philosophie und Psychologie, beruflichem Erfolg, Beziehungen und Spiritualität sind wir vor sechs Jahren in Indien auf das Great Freedom/Balanced ViewTraining gestoßen und haben die schiere Kraft dieser einfachen Veränderung im Gebrauch unseres menschlichen Bewusstseins erlebt. Was wir vorher mit viel Energie zu erreichen suchten, ist auf ganz natürliche Weise etabliert. Wir waren von unserem eigenen Wandel so berührt, dass wir uns bewegt sahen, diese Veränderung mit anderen zu teilen, zum Wohle und zum Frieden aller. Die internationale Great Freedom/Balanced View Bewegung bietet Kurse und Veranstaltungen auf allen Kontinenten an, die Menschen darin unterstützen, diese einfache Veränderung in ihrem Alltag anzuwenden, um bedeutsame und langersehnte Lösungen für Probleme im unmittelbaren Umfeld und auf globaler Ebene zu bewirken. Liebe, Frieden und Gerechtigkeit in der Welt können nur auf der Basis von Menschen wachsen, die in innerem Frieden und Erfüllung ruhen. Wie sollten wir in Harmonie mit unserer Umwelt leben können, wenn wir keinen harmonischen Umgang mit uns selbst pflegen? Wir sehen daher im Great Freedom/Balanced ViewTraining nicht nur die allerbeste Anleitung zur Erfüllung unserer sehnlichsten Wünsche nach Zugehörigkeit und innerem Frieden, sondern auch und vor allem die Grundlage für eine neue Art des Menschseins, die Kultur übergreifenden Wandel ermöglicht. Auf unseren Reisen durch viele Länder der Welt finden wir ei-ne stetig wachsende Zahl von Menschen, die diesem Wandel nicht nur offen und sehnsüchtig gegenüber stehen, sondern sich auch bereit erklären, diesen bei sich selbst zu beginnen. Diese Entwicklung stimmt uns sehr freudig und zuversichtlich, dass wir als Menschheit, ausgerüstet mit Verständnis, Leichtigkeit, Klarheit und einer ausgewogenen Sichtweise, die kleinen und großen Probleme der Welt gemeinsam lösen können. Wir sind Candice und allen unseren Freunden von der Great Freedom/Balanced View Bewegung zutiefst dankbar für die Unterstützung, einen Traum wahr werden zu lassen.

Kathy und Jochen Raysz

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EINLEITENDE WORTE DER AUTORIN Wir freuen uns dieses Buch unseren Freunden im deutschen Sprachraum anbieten zu können. Es handelt sich um ein Buch, das die Art und Weise, wie du dich selbst und die Welt betrachtest, verändern wird. Es wird deinem Geist und deinem Körper tiefe innere Ruhe und Wohlbefinden bringen und deine Beziehungen interessanter und angenehmer machen. In diesem Buch wirst du eine einfache Veränderung beim Gebrauch des Geistes vorfinden, die mentale und emotionale Stabilität, Erkenntnis, Mitgefühl und herausragende Fähigkeiten zur Lebensführung hervorruft. Als junge Frau begann ich, diese einfache Veränderung in meinem Leben anzuwenden. Sie hat mir ein Leben voller Freude und Freundschaft bereitet und die Fähigkeit gegeben, der Welt von Nutzen zu sein. Ich möchte euch gerne erzählen, wie es zu diesem Buch kam. Als Kind hat mich die Tatsache verwundert, dass alles miteinander vernetzt schien. Wenn ich mir dieser tiefgreifenden Vernetzung bewusst war, fühlte ich mich sorgenfrei und froh und liebte die Welt und jeden in ihr! Ich konnte sehen, dass es unmöglich war, die Gesamtheit des Daseins in voneinander getrennte Dinge zu unterteilen. Diese Erkenntnis faszinierte mich schon früh. Sie hatte eine tiefe Bedeutung für mich, und ich wünschte mir, diese Erkenntnis auf einfache Weise beschreiben zu können; doch wann immer ich es versuchte, konnte ich keine passenden Worte finden. Ich hatte das Wort „unteilbar‖ gehört und fühlte, dass der Begriff der Unteilbarkeit meiner Erfahrung von der Welt entsprach. Ich fragte meine Mutter, was „unteilbar‖ bedeutet, und sie zeigte mir, wie man das Wort im Wörterbuch findet. Die Definition lautete: „Etwas, das nicht geteilt werden kann.‖ Ich fand es sehr aufregend, dass es ein Wort für meine Erkenntnis gab, und dass die Definition dieses Wortes für jeden, der in einem Wörterbuch nachschaute, leicht zugänglich war. Ich begann mich für alle Arten von Schriften zu interessieren, welche die Unteilbarkeit aller Dinge beschrieben. Die Wörter in den Büchern, die versuchten die Unteilbarkeit zu beschreiben, riefen in mir die instinktive Erkenntnis dieser besonderen Sicht der Dinge hervor. Ich wünschte mir Beständigkeit in dieser Erfahrung, und ich wollte in der Lage sein, anderen diese Erfahrung zu vermitteln. Ich suchte ein Buch, dessen gesamter Inhalt diese Erfahrung hervorrufen konnte – doch ich fand keines. Ich wusste, dass ein solches Buch für jeden ein großes Glück bedeuten würde. Es schien mir, dass wirklich großartige Kommunikation und ein Gefühl der Freundschaft zwischen allen auf der Welt möglich wären, wenn Menschen untereinander auf diese besondere Weise in Beziehung treten würden! Als ich heranwuchs, wurden mir viele Dinge beigebracht, von denen mir gesagt wurde, dass sie glücklich machen würden. Doch sie schienen alle schwer

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erlernbar, wenn man sie mit dem instinktiven Gefühl des Glücks vergleicht, welches mit der Unteilbarkeit aller Dinge einhergeht. Ich probierte viele Aktivitäten aus, die angeblich helfen sollten, Wohlbefinden und Selbstrespekt herbeizuführen, wie beispielsweise eine gute Ausbildung, religiöse Aktivitäten, gemeinnützige Arbeit, mitfühlendes Handeln, Arbeit, Familienleben, Freunde, intime Beziehungen, Essen, Geld, Freizeitaktivitäten und so weiter. Bei dem Versuch, meine Gedanken und Emotionen in bessere Gedanken und Emotionen zu verwandeln, gebrauchte ich psychologische, spirituelle, medizinische und mentale Methoden. Ich suchte nach den richtigen Leuten und richtigen Situationen, um Glück herbeizuführen. Ganz gleich, wie sehr ich mich auch bemühte, mit diesen Mitteln glücklich zu werden, das Glück blieb immer etwas außerhalb der Reichweite. Das Resultat all dieser Aktivitäten und Situationen war nie mit der wohltuenden Energie des tiefempfundenen Verständnisses vergleichbar, die von dem Wissen herrührte, dass alles unteilbar ist. Ich wusste, dass es etwas Unerschlossenes in mir gab, doch ich wusste nicht, wie ich diese mir eigene Quelle finden konnte. Dann ereignete sich etwas Erstaunliches – mein Leben geriet völlig aus den Fugen! Ich bemühte mich verzweifelt, die Bedeutung der unerwarteten und gewaltsamen Ereignisse zu verstehen, denen ich ausgesetzt war, aber ich konnte meine alte Lebensweise nicht wieder auf Kurs bringen. Meine besten Einfälle versagten. Ich war voller heftiger Emotionen, Gedanken und Empfindungen und spürte, dass ich das Leben mit den Methoden, die ich bisher angewendet hatte, nicht bewältigen konnte. Althergebrachte Ideen halfen mir nichts. Ich konnte mich einfach auf keine der externen oder internen Strategien verlassen, die ich früher gebraucht hatte; ich konnte die durch meinen Geist rasenden Gedanken und Emotionen nicht aufhalten. Ich war voller Angst vor der Zukunft, verwirrt durch vergangene Geschehnisse und zum gegenwärtigen Zeitpunkt verzweifelt; da erkannte ich plötzlich, dass all diese Turbulenzen – die Gedanken, Emotionen, Empfindungen und andere Erfahrungen – innerhalb eines offenen, wohltuenden und unteilbaren Raumes der Erleichterung erschienen. Indem ich immer wieder für kurze Momente als diese Erleichterung ruhte, stellte ich fest, dass ich mich allmählich nicht mehr mit den Turbulenzen, sondern mit der innewohnenden Erleichterung und Gelassenheit zu identifizieren begann. Ich erkannte in zunehmendem Maße, dass die Turbulenzen in Wirklichkeit die dynamische Energie einer unermesslich unteilbaren Weite,einer offenen Intelligenz waren, die sich nicht auf mich oder meine Erlebnisse beschränkten. In Wirklichkeit war einfach alles die unbegrenzte Kreativität dieser unteilbaren Intelligenz. Indem ich mit meiner einfachen Übung fortfuhr, entdeckte ich, wie in meinen Gedanken, Emotionen und Handlungen eine Quelle der natürlichen Herzlichkeit, Verbundenheit und des Mitgefühl entsprang, samt tiefer Erkenntnisse über das Wesen der Existenz. Im Laufe der Zeit wurde das Leben immer besser und meine Fähigkeit, zum Wohl aller beizutragen, gedieh. All dies

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kam aufgrund der einfachen Übung zustande, für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, bis siekontinuierlich wurde. Als ich begann, meine Erfahrungen dieser kurzen Momente, viele Male wiederholt, mit anderen Menschen zuteilen, begann sich auch deren Leben auf dramatische Weise zum Besseren zu wenden. Mein Leben wurde von der Absicht erfüllt, diese einfache Veränderung beim Gebrauch des Geistes mit anderen Menschen zu teilen. Diese Veränderung ist die Grundlage zur Lösung aller Probleme. Viele Menschen, die ähnliche Resultate in ihrem Leben erfahren haben, schlossen sich mit mir zusammen, um die Balanced View Bewegung zu gründen, welche sich gegenwärtig wie die warmen Strahlen der allzeit scheinenden Sonne über den gesamten Globus ausbreitet! Meine jugendliche Vision von Freundschaft und guter Kommunikation zwischen den Menschen dieser Welt wird zur Realität! Und schließlich werden wir nicht bloß ein Buch, sondern viele Bücher haben, die auf wunderbare Weise die Unteilbarkeit aller Dinge beschreiben, und dieses ist eines von ihnen! Zuletzt möchte ich noch Folgendes sagen: Für den Fall, dass du große Träume träumst, lass dir gesagt sein, dass du sie verwirklichen kannst! Alle Kraft, die du benötigst, um deine Vision zu erfüllen, ist in diesen kurzen, viele Male wiederholten Momenten zu finden, bis diese schließlich jederzeit offensichtlich werden. Ich bin Scott M. für seine Liebenswürdigkeit und sein Können sehr dankbar. Er hat ein erfahrenes und engagiertes Team aus der ganzen Welt geleitet, welches die Reden in diesem Buch ins Schriftliche übertrug, zusammenstellte und überarbeitete. Im Besonderen möchte ich auch einem Freund, der anonym zu bleiben wünscht, Robin G., Simon H., Matt L., Keith R. und Swami S. danken, die neben vielen anderen viel zur Vorbereitung dieses Buches für die Veröffentlichung beigetragen haben. Heather B., Mia C., Kathy R. und Jochen R. bin ich für ihre liebevolle Freundschaft und förderliche Lehrtätigkeit und Managementtätigkeiten stets dankbar; sie sind mir Tag für Tag eine große Hilfe. Die Balanced View Trainer und Teilnehmer verbreiten die Botschaft dieser einfachen Veränderung in der Welt und dank ihnen sind die freundlichen Gesichter von Balanced View überall zu finden.

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EINE EINFACHE VERÄNDERUNG ERLEICHTERT DAS LEBEN KAPITEL EINS

Wir laden dich zu einer wunderbaren Reise an die unermesslichen Quellen des Friedens, des Glücks und der herausragenden Fähigkeiten ein, die bereits in dir vorhanden sind. Es handelt sich um eine Reise, die nur du unternehmen kannst. Niemand anders kann dies für dich tun. Dieses Buch wird dir jedoch ein fester Freund und Führer auf dem Weg sein, und dir genaue Wegbeschreibungen und Anleitungen sowie eine globale Gemeinschaft zur Unterstützung bieten, um dir diese einfache Veränderung anzueignen, die das Leben erleichtert. Wenn du dieses Buch liest und dessen Kernaussagen in die Praxis umsetzt, wird dir ein Leben geschenkt, wie du es dir nie zu erträumen gewagt hast, ganz gleich wie gut dein Leben bereits ist! Wenn man eine Reise beginnt, ist es wichtig, die Sprache zu kennen, die in dem Land gebräuchlich ist, welches man besuchen wird. Um den Zweck dieses Buches zu erfüllen, wird durchgehend eine einfache Sprache verwendet, und diese Sprache wird in diesem Kapitel definiert. Wenn du erst einmal mit der Sprache vertraut bist, wird es dir sehr leicht fallen, dich auf unserer gemeinsamen Reise zurechtzufinden. Ich möchte dir noch einen weiteren Reisetipp geben: Versuche beim Lesen dieses Buches nicht dessen Inhalt zu verstehen oder ihn dir einzuprägen. Setze nur diese einfache Veränderung auf unbeschwerte Weise in die Praxis um. Wenn du am Ende des Buches anlangst, wirst du höchstwahrscheinlich feststellen, dass du allein durch das Lesen des Buches in der Lage sein wirst, seinen Anleitungen zu folgen. Entspanne dich also einfach und genieße die Reise! Lass uns nun einen Blick auf die Sprache werfen, die wir auf unserer Reise verwenden werden, indem wir über die Wörter und Ausdrücke „Geist,‖ „offene Intelligenz,‖ „Vertrauen auf offene Intelligenz,‖ „empowern,‖ „ruhen,‖ sowie „Datum‖ und „Daten‖ sprechen. Wir werden uns anschauen, wie diese Wörter in diesem Buch verwendet werden und in welcher Beziehung sie zu der einfachen Veränderung stehen, die wir herbeiführen. Wir können zuerst einmal sagen, dass der menschliche Geist grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten verwendet werden kann. Bei der ersten Methode wird der Fokus der Geistesaktivität auf dessen Inhalt gelenkt. Ein anderer Ausdruck für „Geistesinhalt‖ ist „Daten.‖Daten (ein Datum oder mehrere Daten)sind all das, was im Geist vor sich geht. Das kann ein Gedanke sein, eine Emotion, eine Empfindung oder eine Intuition, und kann sich auf innere oder äußere Ereignisse beziehen. Es ist alles, was gesehen, gefühlt, intuitiv erfasst oder erfahren wird, oder auf irgendeine andere Weise erlebt wird. Offene Intelligenz ist entweder in Daten verstrickt, oder sie ist auf natürliche Weise entspannt. Wenn offene

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Intelligenz in Daten verstrickt ist, vergessen wir, wie man sich entspannt und auf offene Intelligenz vertraut. Bei der zweiten Methode zur Verwendung des Geistes wird der Fokus auf eine einfache Veränderung gelenkt – den Geist zu entspannen, statt ihn auf all die Datenströme zu richten. Bei dieser Methode werden alle Daten als Erscheinungen offener Intelligenz gesehen, welche die Grundlage des Geistes ist. Falls du dich fragst, was offene Intelligenz ist, höre einfach für einen Moment auf zu denken. Diese Abwesenheit von Gedanken ist offene Intelligenz! Sie ist wie der klare Himmel! Obwohl kein Denken stattfindet, bist du weiterhin aufmerksam, bewusst und nimmst wahr. Ob nun viele Gedanken oder keine Gedanken vorherrschen, offene Intelligenz ist erforderlich, um beides wahrzunehmen. Dieselbe offene Intelligenz, die präsent ist, wenn du aufhörst zu denken, ist also auch in jedem Gedanken präsent. Mit der Zeit wird Vertrauen in offene Intelligenz genährt, indem man offene Intelligenz für kurze Momente, viele Male wiederholt, aufrechterhält, bis sie jederzeit und in allen Situationen dauerhaft und kontinuierlich wird – inklusive der Phasen, in denen viele Gedanken auftauchen. Wenn der Fokus des Geistes auf dessen Inhalt gelenkt wird, dann werden unsere Gedanken, Emotionen, unsere Sprache und Aktivitäten auf unsere eigenen Bedürfnisse und unser Bestreben gelenkt, gut, sorgenfrei, erfolgreich, liebenswürdig und glücklich zu sein. Selbst wenn wir Dinge für andere tun, mag uns das mühevoll erscheinen; es ist vielleicht schwierig, eine großzügige Haltung da-bei zu bewahren, ohne gereizt zu werden oder eine Gegenleistung zu erwarten. Keiner von uns mag dieses Gefühl! Allgemein wird angenommen, der Geist sei im Gehirn angesiedelt und werde durch die Tätigkeit des Gehirns gesteuert. Diese Auffassung unterstellt, dass das, was wir Geist nennen, eine Ansammlung der persönlichen Anschauungen, der Psychologie, der Umwelt und der Biochemie einer Person ist. Innerhalb dieses Glaubenssatzes wird der Geist als etwas angesehen, das manchmal fähig ist, Glück zu verschaffen und manchmal nicht. Wenn wir den Geist auf diese Weise betrachten, fühlen wir uns vielleicht oft seinen Launen ausgesetzt; wir wollen ihn kontrollieren, erkennen aber, dass wir das nicht können. Manchmal mag der Geist wie ein Feind erscheinen, den wir bezwingen müssen. Wenn der Geist dazu verwendet wird, sich auf Daten zu richten, ist unser Feldoffener Intelligenz auf diese Daten begrenzt. Wir nehmen an, dass sie unsere Identität ausmachen; mit anderen Worten, wir glauben, dass unsere Identität aus der Summe aller Gedanken, Emotionen und Erfahrungen im Lauf unseres Lebens besteht. Wahrscheinlich dachten wir, wir hätten keine andere Wahl, als uns auf unsere Daten zu konzentrieren und waren uns wohl anderer Alternativen nicht bewusst. Wir haben vielleicht nicht gewusst, dass das grundlegende Wesen unseres

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Geistes offene Intelligenz ist, und dass wir uns darauf verlassen können, um eine ausgeglichene Sicht aller Daten zu entwickeln, die sich darin ereignen. Wenn wir uns entschließen, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten, statt Daten nachzugehen oder sie zu blockieren, erfahren wir Erleichterung von unseren herkömmlichen Gedankenprozessen. Wenn wir immer wieder für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, nehmen wir die Präsenz offener Intelligenz immer mehr wahr. Wir verspüren in zunehmen-dem Maße Herzlichkeit, Leichtigkeit, Mitgefühl, eine ausgeglichene Betrachtungsweise, innovationsfreudiges Denken, Kreativität und eine außergewöhnliche Fähigkeit, gute Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Ein einfacher Ausdruck dafür ist „Weisheit.‖ Unsere Gedanken, Emotionen, Sprache und Handlungen beginnen sich spontan auf das Wohlergehen und den Benefit aller zu richten und nicht nur auf uns selbst. Wir entdecken diese uns innewohnende Fähigkeit, entspannt, weise, ausgeglichen und mitfühlend zu sein, wenn wir den Fokus des Geistes auf Daten entspannen. Wenn sich der Geist in offene Intelligenz entspannt, werden Daten als die dynamische Energie offener Intelligenz erkannt. Ein anderer Aus-druck dafür ist das ebenfalls in diesem Text verwendete „ruhen.‖ Daten und offene Intelligenz können mit einer Brise verglichen werden, die durch die Luft weht. Die Brise und die Luft sind untrennbar und beide sind Luft. Wenn eine Brise weht, ist das die dynamische Energie der Luft. Wenn Daten auftauchen, sind sie die dynamische Energie offener Intelligenz. Daten sind genauso untrennbar von offener Intelligenz wie die Farbe Blau untrennbar vom Himmel ist. Wir gelangen zu der Erkenntnis, dass kein Datum einen von offener Intelligenz unabhängigen Ursprung hat. Offene Intelligenz ist heiß, rein und leuchtend klar. Weil sie heiß ist, bringt sie Daten zum Vorschein und überstrahlt sie, alles auf einmal. Weil sie heiß ist, verbrennt sie alle Daten und Blickpunkte. Auf ähnliche Weiseerstrahlt die heiße Sonne im reinen leeren Raum, sendet strahlende Energie aus und überstrahlt sie zugleich –rein, heiß und überstrahlend, während purer Benefit jeden Augenblick zum Verglühen bringt. Wenn wir nach dem Geist suchen, ist aufgrund unserer eigenen, direkten Erfahrung des Geistes erstaunlicherweise nur eine klare Aussage möglich: Wir sind uns der Daten bewusst. Wenn wir den Geist auf diese Weise untersuchen, entdecken wir, dass offene Intelligenz die Konstante in allen Daten ist, einschließlich des Datums Geist. Jede Erscheinung im Geist ist deutlich und klar; dennoch ist kein anderer Ursprung oder Kern als offene Intelligenz auffindbar. Wenn wir den Geist auf diese Weise betrachten, erkennen wir, dass der Geist kein Speichermedium für Wahrnehmungen ist, sondern vielmehr nichts anderes als offene Intelligenz, was alle Daten mit einschließt. Alle Erscheinungen in offener Intelligenz gleichen einer Fata Morgana oder einem Hologramm – in sich lebhaft, doch ohne einen Ursprung, der sich von offener Intelligenz unterscheidet. Daten haben zwei Aspekte: Der eine Aspekt ist

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die Beschreibung oder Bezeichnung und der andere ist der ewig leere, stets ruhende und empowernde Aspekt, der in dieser offenen Intelligenz, der Grundlage aller Daten, inbegriffen ist. Wenn wir diese zwei Aspekte nicht begreifen, werden wir Datenströmen eine weit größere Bedeutung beimessen als sie tatsächlich haben. Wenn unsere herkömmlichen Glaubenssätze und Annahmen im Spiel sind, unterteilen wir unsere Daten in positive, negative und neutrale Kategorien. Wir versuchen andauernd unsere Gedanken, Emotionen, Sprache und Handlungen zu verbessern, um sie positiver zu gestalten. Wir glauben ein guter Mensch zu sein, wenn wir uns bemühen, unsere Daten auf eine Weise zu organisieren, die von den meisten Menschen oder von unserem Freundeskreis für gut befunden wird. Es ist sicherlich erstrebenswert, ein guter und liebenswürdiger Mensch zu sein, doch die eigentliche Grundlage für absolute menschliche Güte ist die dem Geist innewohnende Eigenschaft der Weisheit—offene Intelligenz. „Innewohnend‖ bedeutet, dass dazu kein Denken oder anderweitige Bemühungen erforderlich sind; es ist bereits von Naturausin uns präsent. Wir entdecken, dass höchste Weisheit und herausragende Fähigkeiten bereits in offener Intelligenz präsent sind. Dies mag für uns anfangs nur sehr schwer verständlich sein, doch Verständnis wird sich mit wachsendem Vertrauen in die direkte Erfahrung von offener Intelligenz einstellen. Wir haben Daten vom Moment unserer Geburt an von anderen Menschen erlernt und wir neigen dazu, unsere Wahrnehmungen von Menschen und Umständen auf diese Datensätze zu reduzieren. Dieses Reduzieren geht so schnell vonstatten, dass es schwierig ist zu erkennen, was vor sich geht. Die Daten, die wir für real halten, werden nahezu unverzüglich oder sicherlich mit der Zeit zum ganzen Fokus unserer Aufmerksamkeit – zur Realität, die wir zu kennen scheinen. Sie schränken unsere Möglichkeiten im Leben ein und berauben uns der Möglichkeit, dauerhaft Glück, Freude, Befriedigung, Freundlichkeit, Kreativität, Produktivität, Kooperationsvermögen und Effektivität zu realisieren. Alle Daten stehen in der gleichen Beziehung zu offener Intelligenz wie eine Fata Morgana oder ein Hologramm zu leerem Raum. Auch wenn eine Fata Morgana oder ein Hologramm sehr real und lebendig erscheinen, sind sie doch ohne ein von offener Intelligenz unabhängiges, eigenständiges Wesen oder Kraft. Um offene Intelligenz vollkommen offensichtlich werden lassen, müssen wir uns da-zu entschließen, Daten als ohne eigenständige Natur zu sehen. Offene Intelligenz beinhaltet alle Daten. Genau so wie Farben untrennbar von einem Regenbogens sind, sind Datenuntrennbar von offener Intelligenz. Wenn Datenströme erscheinen, lass sie da sein und halte nicht an ihnen fest! Sie gleichen der Flugbahn eines Vogels am Himmel. Die Flugbahn des Vogels verschwindet ohne eine Spur zu hinterlassen und jedes vorherige Datum verschwindet ohne Auswirkung. Versuche nicht die Dauer eines Datums zu verlängern, indem du ihm folgst, es vermeidest oder ersetzt. Die zukünftige

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Flugbahn des Vogels existiert noch nicht – du musst also nicht auf das nächste Datum warten. Die gegenwärtige Flugbahn des Vogels ist unteilbar vom weiten Himmel, und die gegenwärtigen Daten besitzen eine offene natürliche Präsenz, die unteilbar von offener Intelligenz ist. Lass sie in Ruhe und unterlasse es, sie auf irgendeine Weise verändern zu wollen. Wenn Daten erscheinen, vertraue als offene Intelligenz! Das ist die wesentliche Übung im Alltag. Wenn man einem Datum nicht folgt und keine Geschichtendarüber entwickelt, wird das Datum auf natürliche Weise in offener Intelligenz befreit. Wir werden nun die wichtigste Entscheidung in Augenschein nehmen, die wir in jedem einzelnen Moment des Lebens treffen müssen: Die Entscheidung, wie wir offene Intelligenzverwenden. Falls wir uns entscheiden, unsere offene Intelligenz zu verwenden, um alles zu beschreiben, verlieren wir uns in Beschreibungen und befinden uns auf einer Achterbahnfahrt von Gedanken, Emotionen und anderen Erfahrungen. Falls wir uns stattdessen entscheiden, offene Intelligenz für kurze Momente einfach da sein zu lassen, werden wir uns in zunehmendem Maße wohltuender Energie und einer ausgeglichenen Sicht erfreuen. Einfach ausgedrückt ist Vertrauenauf offene Intelligenz Erkennen von offener Intelligenz, und die ständige Ablenkung durch Daten ist gleichbedeutend mit Nichterkennen von offener Intelligenz. Auf unserer gemeinsamen Reise wird das Entwickeln offener Intelligenz als „auf offene Intelligenz vertrauen‖, „als offene Intelligenz ruhen‖ oder als „offene Intelligenz empowern‖ bezeichnet. Auf offene Intelligenz zu vertrauen oder offene Intelligenz zu empowern, bedeutet viele Momente offener Intelligenz zu entwickeln, bis sieoffensichtlich und kontinuierlich wird. Wenn wir aufhören, ständig über Datennachzudenken, und einfach auf offene Intelligenz vertrauen, stellt sich kraftvolle Weisheit ein. Wir erkennen, dass alle Daten ihren Ursprung in offener Intelligenz haben, und dass Daten keine eigenständige Existenz nachgewiesen werden kann. Ruhen ist Trumpf, denn wir erfahren unmittelbar Freiheit von innerer Unruhe und Sorge. Wir können besser uns selbst, unserer Familie, Gemeinschaft und der Welt von Benefit sein. Wenn wir auf natürliche Weise auf offene Intelligenzvertrauen, haben wir Zugang zu unseren angeborenen Stärken, Begabungen und Talenten und tragen sie zum Benefitaller bei. Auf offene Intelligenz vertrauen oder nicht: Das ist hier die Frage! Hier ist eine ganz praktische Anregung: Lass deine offene Intelligenz genau im Moment des Bildens von Daten offen und erlaube deiner Wahrnehmung gelassen und weit offen zu sein. Das ist offene Intelligenz; das ist eine Sichtweise, die keinen Blickwinkel hat, von dem aus sie wahrnimmt. Durch die Kraft bloßen Vertrauens auf offene Intelligenz wird die Erfahrung zunehmend offensichtlich und Daten verschwinden auf natürliche Weise.

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Aufgrund der lange beibehaltenen Gewohnheit des Nichterkennens von offener Intelligenz kann es sein, dass die kurzen Momente offener Intelligenzanfangs nicht von Dauer sind. Mit anderen Worten, die kurzen Momente offener Intelligenz entgleiten uns möglicherweise nahezu unverzüglich. Es kann sein, dass noch keine Stabilität herrscht. Aus diesem Grund ist es wichtig, für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, bis sie jederzeit offensichtlich wird. Anstatt nur einige Male am Tag für lange Zeit ruhig da zu sitzen, ist es besser, den ganzen Tag hin-durch immer wieder von Neuem für kurze Momente auf offene Intelligenz zu vertrauen. Indem wir das Erkennen offener Intelligenz wiederholen, gewöhnen wir uns daran. „Viele Male‖ bedeutet, dass wir immer vertrauter mit alltäglicher offener Intelligenz werden müssen. Das ist der Schlüssel, um für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wenn wir beim Verwenden des Geistes an dieser einen einfachen Veränderung festhalten, sehen wir von Anfang an Benefits. Wenn wir uns zum ersten Mal entschließen, auf offene Intelligenz zu vertrauen, statt uns in Gedanken über unsere mentalen, physischen und emotionalen Zustände zu verlieren, verspüren wir die vollständige Erleichterung, die beim Vertrauen auf die Kraft offener Intelligenz gefunden wird. Es macht keinen Unterschied, welche Daten erscheinen. Es ist unmöglich, dass sich im Moment des Vertrauens auf offene Intelligenz keine wohltuende Offenheit einstellt, in der die Daten ganz natürlich wie eine im Wasser gezogene Linie verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Identifiziere offene Intelligenz, entspannt und enorm kraftvoll, unmittelbar nachdem sie verschwinden. Indem man Daten durch Vertrauen auf offene Intelligenz da sein lässt, werden mentale und emotionale Stabilität, Erkenntnisvermögen, herausragende Fähigkeiten und Aktivitäten in zunehmendem Maße offensichtlich. Was als kurze Momente offener Intelligenz beginnt, beginnt allmählich für längere Zeiträume anzuhalten. Kraft des Vertrauens auf offene Intelligenz weiten sie sich auf einen vollen Tag aus, dann auf Wochen, Monate, Jahre und schließlich auf das gesamte Leben. Der allererste Moment offene Intelligenz hat bereits voll entfaltete Erleichterung, Mitgefühl und persönlichen Benefit zur Folge. Indem wir offene Intelligenz wieder und wieder erkennen, nehmen die Höhen und Tiefen und störenden Zustände ab und verschwinden schließlich völlig. Wenn wir uns ernsthaft dem Vertrauen auf offene Intelligenz widmen, kommt der Punkt, an dem wir vollkommene mentale und emotionale Stabilität vorfinden. Wenn wir diese Erfahrung machen, wird das Leben auf einmal viel leichter. Wir erkennen, dass diese erstaunliche offene Intelligenz durchaus nicht außerhalb unserer Reichweite liegt. Lass einfach offene Intelligenz dauerhaft zu. Wenn es ganz einfach und leicht ist, die Kraft offener Intelligenz in allen täglichen Aktivitäten zu erkennen, erlangen wir Vertrauen in offene Intelligenz, und schließlich bleibt sie stabil.

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Für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, bis siekontinuierlich wird, bedeutet, immer wie-der kurz zu offener Intelligenz zurückzukehren, dennes ist gerade dieses Nicht abgelenkt sein, das uns vollkommene Weisheit, Liebe und enorme nutzbringende Energie beschert. Wenn wir uns beim Verwenden des Geistes nur auf diese einfache Veränderung verlassen, die in Vertrauen auf offene Intelligenz gefunden wird, beweisen wir uns selbst, dass sie über alle Maßen kraftvoll ist. Das ist die vorrangige Fähigkeit, die wir im Leben benötigen, um unser Wohlergehen in allen Situationen zu garantieren. Wenn die Sonne bei Tagesanbruch aufgeht, brauchen wir nicht darauf zu warten bis sie warm und hell wird. Die Mittagssonne mag stärker sein als die Sonne am frühen Morgen, doch all ihre wärmenden und erhellenden Eigenschaften sind vom allerersten Moment an präsent, auch wenn sie noch nicht völlig ersichtlich sein mögen. Beim Vertrauen auf offene Intelligenz ist es das Gleiche. Ihre Weisheitskraft ist von Anfang an auf natürliche Weise präsent. Was entscheidend ist, ist offene Intelligenz aufrechtzuerhalten, um Stabilität zu erreichen. Es ist von wesentlicher Bedeutung zu verstehen, dass offene Intelligenz mit perfekten Eigenschaften ausgestattet ist. Durch die alleinige Kraft des Vertrauens auf offene Intelligenz werden alle Mängel abgebaut und alle guten Eigenschaften auf natürliche Weise vervollkommnet. Da das Nichterkennen von offener Intelligenz vorübergehend ist, kann es durch die einfache Kraft des Vertrauens auf offene Intelligenz aus dem Weg geräumt und durchschaut werden. Dann werden Weisheit und eine geschickte Lebensweise jederzeit offensichtlich. Es ist sehr wichtig, dies zu verstehen. Halte offene Intelligenz einfach aufrecht. Halte Momente offener Intelligenz aufrecht, die so offen und unendlich wie der Himmel sind, solange bis offene Intelligenz jederzeit vollkommen offensichtlich ist. Nun möchte ich euch kurz etwas über die globale Struktur zur Unterstützung mitteilen, die Menschen, die auf offene Intelligenz vertrauen, zur Verfügung steht. Balanced View ist eine weltweite Bewegung von Menschen, die rund um die Uhr gegenseitige Unterstützung beim Vertrauen auf offene Intelligenz bietet. Diese Unterstützung wird durch persönliche Treffen vor Ort, via Email, im Internet und über Telefon angeboten. Wir sind nicht allein. Wenn wir Vertrauen in die Vier Mainstays von Balanced View entwickeln – 1) Vertrauen auf offene Intelligenz, 2) die Trainerin oder den Trainer, 3) das Training, und 4) die Gemeinschaft von Menschen in aller Welt, die auf offene Intelligenz vertrauen – dann können wir sicher sein, dass wir in zunehmendem Maße die wohltuende Energie offener Intelligenz erleben werden, und dass wir weder im Verlauf unseres Lebens noch zum Zeitpunkt unseres Todes jemals durch aufkommende Daten in die Irre geleitet werden.

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Das wär’s dann also! Wir haben die Sprache gelernt, die auf unserer Reise verwendet wird, und wir sind somit bereit loszulegen!

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GEHE BEHUTSAM MIT DIR UM KAPITEL ZWEI

„Die Essenz deines eigenen Wesens benötigt keinerlei Stütze – sie ist einfach; also entspanne dich und genieße! Sei bitte nicht mehr lieblos zu dir selbst. Ich bitte dich wirklich von ganzem Herzen darum.”

Mächtige Triebe und Emotionen kommen in uns auf; sie kommen und sie gehen. Auch wenn sie oft auf lebhafte, eindeutige und kraftvolle Weise erscheinen, haben sie keine unabhängige Existenz außerhalb offener Intelligenz. Diese Dinge erscheinen so real und unwiderstehlich und scheinen der Grund zu sein, weshalb wir Scham, Erniedrigung, Schuld und Angst empfinden. Doch in Wirklichkeit können wir wählen, wie wir mit ihnen umgehen. Wir können uns entweder in sie verstricken und uns durch ihre Bezeichnungen eingeschränkt fühlen, oder wir können einfach auf offene Intelligenz vertrauen, während sie erscheinen und verschwinden. Viele von uns verbringen ihr gesamtes Leben als stünden wir für unsere Datenströme vor Gericht. Es ist als säßen wir im Zeugenstand und sähen von dort, dass wir auch der Staatsanwalt, der Verteidiger, der Richter und die Geschworenen sind! Es ist jedoch nicht nötig, uns selbst ständig über alles, was wir gesagt und getan haben, zu verhören. Wir haben mit den Jahren gelernt, unsere Aufmerksamkeit auf diese Datenströme zu richten und uns mit ihnen zu identifizieren und haben uns dadurch selbst in Gefangenschaft gehalten. Dennoch wir müssen uns keine Sorgen machen. Wir waren immer vollkommen entlastet, da keinedieser Daten, über die wir uns selbst verhört haben, ein unabhängiges Wesen besitzt. Wenn wir einfach für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, wird dies offensichtlich. In Wahrheit brauchen wir gar nichts zu verändern. Es gibt Menschen im Todestrakt, die auf offene Intelligenz vertrauen und sie sind fähig, mit allem, was in ihrem Leben vorgefallen war, völlig ins Reine zu kommen. Sie haben einen Weg gefunden, um in diesem Kloster namens Gefängnis ein Leben in völliger Freiheit und Stabilität zu führen. Falls wir meinen, dass zum Erkennen unserer Identität unsere Gedanken, Emotionen, Erfahrungen und Umstände verändert werden müssten, oder falls wir meinen, dass die Projektionen unseres eigenen Geistes verändert werden müssten, dann sind wir gebunden. Nichts muss verändert werden. Der natürliche Zustand, die Leichtigkeit unserer eigenen Natur, ist bereits jedem garantiert. Indem wir alles so belassen, wie es ist, öffnen wir uns der tiefen Weisheit, die uns unbekannt gewesen ist. Diese Weisheit agiert in allen Situationen auf kraftvolle Weise. Es ist die Weisheit einer ausgewogenen Sicht, die nicht von Beschreibungen abhängig ist.

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Ich bitte euch alle der Sucht, jedes einzelne Vorkommnis zu beschreiben, ein endgültiges Ende zu setzen. Wenn wir darauf beharren, uns und andere zu etikettieren, lassen wir uns auf einen roboterähnlichen Krieg mit uns selbst ein. Dabei beurteilen wir bestimmte unserer Erscheinungen als gut und andere als schlecht, und wir werden wie Roboter, die Gedanken aussortieren: „Dies sind gute, dies sind schlechte; ich muss mehr gute haben und die schlechten loswerden. Ich muss allen zeigen, welches meine guten sind, damit sie mich akzeptieren, und dann kann ich mich vielleicht auch akzeptieren.‖ Jenseits aller Extreme, jenseits aller Bezeichnungen von Gut und Böse, liegt Weisheit. Weisheit benötigt nichts, um gut zu sein; sie ist bereits von sich aus vollkommen positiv. Beende das ein für alle Mal und bereichere dich und die ganze Welt mit der offenen Intelligenz, dieallenDingenzugrunde liegt. Niemand ist von irgendeiner Bezeichnung abhängig, um zu existieren. Sein ist, ungeachtet von Bezeichnungen. Der alleinige Kern einer jeden Bezeichnung ist allzeit makelloseoffene Intelligenz. Warum also nicht lieber alles aus der Sicht offener Intelligenz betrachten, statt durch die trüben Filter von Bezeichnungen? Die Essenz deines eigenen Wesens benötigt keinerlei Stütze – sie ist einfach; also entspanne und freue dich! Sei bitte nicht mehr lieblos zu dir selbst. Ich bitte dich wirklich von ganzem Herzen darum. Wir haben wohl alle schon Gedanken gehabt wie: „Werde ich jemals glücklich sein? Werde ich jemals fähig sein, die Dinge zu überwinden, die mich beunruhigt haben? Werde ich jemals fähig sein, über die Dinge hinwegzukommen, die mir andere angetan haben?‖ Lass dir gesagt sein, dass es möglich ist, auf offene Intelligenz zu vertrauen, ganz gleich was erscheint. Finde dich nie mit irgendwelchen Etiketten ab. Wenn wir an einer Vorstellung festhalten wie: „So ist es immer schon gewesen und so wird es fortan immer sein,‖ist so total einschränkend. Wenn wir auf die natürliche Leichtigkeit des Seins vertrauen, entdecken wir, dass jeder einzelne Augenblick der entscheidende Moment vollkommener Offenheit ist, der niemals an irgendetwas gebunden war. Er ist vollkommen rein, völlig entspannt und von einer Energie erfüllt, die über alles hinausgeht, was jemals durchDaten zurechtgebastelt werden kann. Wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten, entdecken wir, dass wir unser Leben auf eine glückliche und freundliche Weise führen können und uns gut um uns und andere kümmern. Wir machen uns nicht wegen unserer Gedanken und Gefühle fertig, und wenn wir uns das selbst nicht mehr antun, tun wir es anderen auch nicht mehr an. Selbst wenn eine Person etwas Abscheuliches getan hat, schauen wir sie an und erkennen in erster Linie, dass sie genau so aus ihrenDatenströmen heraus gehandelt hat, wie wir es unser ganzes Leben lang getan haben. Wir können nachvollziehen, dass wir uns mit denselben Daten genauso verhalten hättenwie sie. Wenn wir uns entscheiden, in unseren Beziehungen herumzuschreien und Leute zu beschämen und zu beschuldigen, nun, dann ist das eine Möglichkeit,

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mit den Dingen umzugehen, doch es ist nicht die einzige Möglichkeit. Wenn wir tiefenentspannt sind, entdecken wir eine enorme Stärke und Kraft in uns, die uns ein Handeln ermöglicht, das frei von derartigenAusdrucksformen ist. Diese Art des Handelns hat Durchschlagskraft, ist präzise und schneidet durch alles. Wer weiß, was für eine Handlung das sein mag? Vielleicht ein freundliches Wort, eine liebevolle Geste oder irgendein einfacher Ausdruck der Liebe, oder vielleicht die Problemlösung für den Hunger auf der Welt oder sauberes Wasser für alle Menschen. Was es auch sein mag, es wird mit einer lasergleichen Klarheit getan, die vollkommen frei von Bewertungen und einschränkenden Daten ist. Die Emotionen können machen, was sie wollen; sie sind nicht die Quelle unserer Erwiderung – Weisheit ist die Quelle. All dies geschieht natürlich und spontan ohne irgendwelche Tricks oder Kniffe. Wenn wir es zu unserer Aufgabe machen, naturgemäß zu handeln, dann beginnen wir die wahrhaft natürliche Ordnung der Dinge zu erkennen, und wir sind imstande, entsprechend zu leben und auf unsere eigenen, individuellen Lebensumstände und die aller anderen angemessen einzugehen. Ich möchte euch nochmals bitten, liebenswürdig mit euch und anderen umzugehen. Wenn wir Menschen auf diese liebenswürdige Weise anschauen können, wissen wir, was sie antreibt, denn wir haben erkannt, was uns antreibt. Bedeutet das, dass wir uns einfach zurücklehnen und es zulassen, dass Menschen morden und verstümmeln und tun, was immer sie wollen? Nein, das bedeutet es ganz und gar nicht. Offene Intelligenz überwindet alles Negative mit der ausgewogenen Sicht der Weisheit. Das bedeutet, dass unsere primäre Beziehung mit jedem Menschen aus unserer von sich aus vollkommenen Natur offener Intelligenz kommt, da wir durch Vertrauen auf offene Intelligenz zu der Erkenntnis gekommen sind, dass wir alle Teil der natürlichen Ordnung der Dinge sind. Dies zu realisieren, bedarf keiner Anstrengung. Alles, ganz gleich was, ist vollkommen entspannt. Wenn die Leichtigkeit unseres Seins immer offensichtlicher wird, wissen wir was Liebe ist. Liebe und Leichtigkeit sind das Gleiche; sie sind synonym. Liebe ist unsere wahre Natur. Wir sind dazu bestimmt, andere und uns selbst zu lieben, ohne irgendetwas auszuschließen. Nichts muss manipuliert werden, auf eine andere Ebene gebracht oder verändert werden. Vielen von uns wurde beigebracht, dass wir uns unser ganzes Leben lang verbessern und hart daran arbeiten müssen, weil unser grundlegendes Wesen mit Fehlern behaftet ist. Auch ich habe solche Dinge gelernt, doch ich stieß letztlich auf eine ganz andere Wahrheit: Ich entdeckte, dass offene Intelligenz niemals auf irgendeine Weise fehlerhaft gewesen ist, und dass kurze Momente offener Intelligenz, viele Male wiederholt, kontinuierlich werden. Die ursprüngliche Reinheit aller Dinge ersetzt alle anderen Vorstellungen, wie die Dinge sind. Niemand ist durch irgendeine Form von Erbsünde oder Karma gezeichnet. Begib dich für einen kurzen Moment auf den Grund deines eigenen

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Wesens – zur vollkommenen Entspanntheit, die der gesamte elementare Raum eines jeden Gedankens, jeder Emotion und jederErfahrung ist – und du wirst erkennen, dass alle diese Ideen, wie Erbsünde oder Karma, nicht für deinegrundlegendste Naturgelten und nie gegolten haben. Die reine Intelligenz aller Dinge, so wie sie ist, ist vollkommen rein wie unendlicher Raum. Ruhe darin und deine Intelligenz wird scharf, vollkommen positiv und unbeschreiblich nutzbringend sein. Wenn wir uns mit einer persönlichen Identität identifizieren und nicht mit der authentischen Quelle offener Intelligenz vertraut sind, entsteht Zwietracht und starkes Unbehagen. Wenn wir uns selbst eine begrenzte Identität verleihen, verleihen wir auch allen anderen eine begrenzte Identität; wir befinden uns mit uns selbst und mit anderen im Kriegszustand. Es kann niemals Frieden auf der Welt geben, solange es keinen inneren Frieden gibt. Nur wenn wir uns als Menschen dazu entschließen, in Frieden mit unseren mentalen und emotionalen Erscheinungen zu leben und den inneren Krieg zu beenden, können wir als Menschheit in Frieden leben. Das wäre natürlich wunderbar, und wir würden das alle gerne erleben, doch wo soll man beginnen? Es beginnt nicht mit zwischenstaatlicher Diplomatie und es kann genauso wenig mittels politischer Ideologie vollbracht werden. Es beginnt mit einem Menschen, der sagt: „Das bin ich in Wirklichkeit, und ich werde die Verantwortung dafür übernehmen, als das zu leben. Ich werde diesen Frieden in mir selbstfinden, indem ich auf offene Intelligenz vertraue und mich selbst zur Rechenschaft ziehen, um diesen Frieden tagtäglich zu verkörpern.‖ Ich kann garantieren, dass sich aus diesem Entschluss heraus etwas wahrhaft Erstaunliches entwickeln wird. Wenn wir als die Weisheit ruhen, welche die Grundlage aller Dinge ist, beenden wir den Krieg in uns, und wir werden auf natürliche und ungezwungene Weise anderen gegenüber mitfühlend – eine Verhaltensweise, die wir nicht kultivieren müssen, und die sich ganz natürlich auf jeden ausbreitet. Wir blicken jeden zusehends mit freundlichen Augen an. Eine andere Art dies zu beschreiben ist die Aussage: Wenn wir ruhen, ruhen wir als Liebe. Liebe ist bereits in uns; sie ist das, was wir wirklich sind, und das ist es, was uns mit allen Wesen und Dingen verbindet. In der Liebe gibt es keine Trennung, und in dieser Liebe haben wir einen Zufluchtsort vollkommener Sicherheit und enormen Wohlbefindens. Vom Anbeginn unseres Lebens haben wir bei unseren Eltern, Zuhause und in äußeren Umständen nach Sicherheit, Wohlergehen und Liebe gesucht, doch wir waren niemals wirklich imstande, die Art von Sicherheit oder Wohlbefinden zu finden, auf die wir uns letztlich verlassen konnten. Es dauerte nicht lange, und wir begannen anderswo zu suchen – in Dingen wie romantischen Beziehungen, Essen, Geld, Arbeit und so weiter – doch Sicherheit und Wohlbefinden blieben immer irgendwie außerhalb unserer Reichweite. Durch Vertrauen auf offene Intelligenz entdecken wir, dass das Wesen unserer eigenen Natur die absolute Sicherheit und Liebe ist, die wir gesucht haben. Das Leben wird solange voller Unsicherheit sein, bis wir in dieser Basis ruhen. 12

Was immer wir anderswo suchen, es existiert bereits in uns. Nur durch wiederholtes Vertrauen auf offene Intelligenz, immer und immer wieder, können wir Vertrautheit damit erlangen und die wahre Sicherheit und das wahre Wohlergehen finden, nach denen wir uns immer gesehnt haben. Solange wir diese zugrundeliegende Basis nicht kennen, die den absolut sicheren Hafen der Ruhe bildet, können wir einfach nirgends einen wirklich sicheren Ort finden, ganz gleich wo wir suchen. Frage: Ich finde, dass so viele Organisationen, Regierungen und politische Führer mein Vertrauen missbraucht haben, so dass es mir schwerfällt, nicht laut aufzuschreien wegen der Dinge, die sie getan haben. Es scheint mir, dass beim Umgang mit ungerechten und korrupten Leuten und Organisationen eine behutsame und wohlwollende Haltung, wie du sie befürwortest, niemals funktionieren wird. Könntest du dich dazu äußern? Antwort: Woran wir glauben, wird für uns zur Realität. Die Glaubenssätze und Auffassungen, die wir über das Leben haben, können uns sehr einschränken. Wir bewerten die Welt und alle Wesen in ihr als Objekte, die für uns entweder nützlich oder schädlich sind, und wir sind überzeugt, dass diese Objekte die Macht besitzen, unser Denken und Fühlen zu beeinflussen. Wenn eine Organisation oder eine Regierung auf eine bestimmte Weise handelt, dann wird diese Handlung, basierend auf dieser Überzeugung, scheinbar die Macht haben, unser Denken und Fühlen zu beeinflussen. Wir mögen entweder voller Hoffnung sein oder Angst haben, je nach dem was die Regierung tut und was unsere Glaubenssätze und Auffassungen über diese Regierung sind. Falls es nur diese eine Möglichkeit gibt, die Dinge zu sehen, dann wird unsere Erfahrung sehr frustrierend sein; wir werden den Ereignissen hilflos ausgeliefert sein. In dem soeben beschriebenen Szenario haben unsere Gedanken unsere Wahrnehmung der Welt kreiert. Wir wissen, dass unterschiedliche Menschen, die dieselbe Situation erleben, abhängig von ihren eigenen Gedanken und Emotionen, eine Vielzahl von Reaktionen zeigen. Der eine kann sich in einem Konzentrationslager befinden, schreckliche Angst haben, völlig überfordert sein und nicht damit zurechtkommen, während ein anderer in derselben Situation großes Mitgefühl entwickeln und für jeden von großem Benefit sein kann. Der eine sieht eine schreckliche Situation als großes Übel, während der andere in ihr sogar eine Art von Nutzen findet. Angenommen, zwei Menschen besitzen große Reichtümer. Die eine Person ist völlig paranoid und zieht sich aus der Welt zurück und versucht ihren Besitz zu schützen und zu horten. Eine andere mag in der gleichen Situation sehr zufrieden sein und immer nach Wegen suchen, ihre Ressourcen zum Wohl anderer einzusetzen. Diese unterschiedlichen Reaktionen basieren auf den Gedanken und Gefühlen, die, den meisten Menschen zufolge, den Geist bilden. Dieser eng begrenzte Filter aus Gedanken und Gefühlen ist wie ein leistungsschwaches Fernrohr, durch das man nur vage erkennt, was in einem

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bestimmten Teil des Himmels vor sich geht. Mit einem leistungsstarken Teleskop, das auf dieselbe Gegend gerichtet ist, kann man hingegen das gesamte Panorama in aller Deutlichkeit erkennen. Anstatt die Fähigkeit zu würdigen, alles zu beschreiben, zu erläutern und zu erfahren – gewissermaßen das kleine Fernrohr – beginnen wir in der heutigen Welt das Erscheinen von Menschen zu beobachten, deren Augenmerk mehr darauf gerichtet ist, den eigentlichen Grund des Daseins kennenzulernen. Sie interessiert vielmehr, wie die Dinge durch das viel leistungsstärkere Teleskop offener Intelligenz aussehen, anstatt Dinge nur zu erklären, zu beschreiben und zu kategorisieren. Das ist ein radikaler und revolutionärer Schritt für die Menschheit. Wenn wir über solche Dinge wie Leben, Sein, Erklärungen, Beschreibungen oder Erfahrungen sprechen, was ist sich eigentlich all dieser Dinge bewusst? Das, was bewusst ist, ist der elementare Raum aller Dinge. Er ist sich aller Daten, aller Glaubenssätze und Auffassungen bewusst und ist dennoch völlig unbeeinflusst von ihnen. Das ist es, was vielmehr in Erfahrung gebracht und erfahren werden sollte, anstatt in einem Sumpf aus Gedanken und Emotionen zu versinken. Frage: Letztendlich hat es den Anschein, als könnte nichts wirklich gegen die Angst getan werden, die ich so oft empfinde, da sie einfach kommt, wann sie will. Antwort: Angst besitzt keinerlei Macht, uns zu verwirren, da sie kein unabhängiges Wesen hat. Sie ist in Wirklichkeit nichts als die dynamische Energie offener Intelligenz. Sie ist wie eine Sternschnuppe, die durch den leeren Himmel schießt und keine Spur hinterlässt. Wenn wir näher auf die Angst eingehen und ihr Macht verleihen, dann wird sie Macht haben. Wenn wir nicht ruhen und stattdessen versuchen, etwas gegen die Angst zu unternehmen, dann verleiht das der Angst mehr Macht. Umgekehrt wird die Angst von selbst verschwinden, wenn wir bei ihrem Erscheinen ruhen; auf diese Weise wissen wir, dass Angst keine wirkliche Macht besitzt. Die Angst hat im Endeffekt keine wirkliche Bedeutung. Eines der Erkennungsmerkmale der Realisation ist Furchtlosigkeit. Das bedeutet nicht, dass in offener Intelligenz niemals Angst auftaucht. Es bedeutet ohne Furcht zu sein, wenn Angst oder irgendetwas anderes erscheint. Angst und Freiheit von Angst sind in Wirklichkeit nicht zwei unterschiedliche Dinge. Frage: Ich sehe immer mehr, wie eines der grundlegenden Themen im Leben von Menschen eine weitere Form der Angst ist—die Angst vor Zurückweisung. Sie scheint auf äußerst vehemente Weise aufzutreten, und ich frage mich, ob die Angst vor Zurückweisung durch Vertrauen auf offene Intelligenz aufgelöst werden kann. Antwort: Wenn wir meinen eine persönliche Identität zu haben, verleihen wir uns mit unseren Daten eine feste Identität, so dass wir als etwas Solides und Stabiles erscheinen. Wir halten uns für ein Individuum, das durch seine Daten

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definiert ist. Wenn wir uns in dieser Hinsicht erst einmal als jemand etabliert haben, dann werden wir auch jeden anderen als einen „Anderen‖ in Bezug auf dieses Selbst etablieren. Ist diese Struktur erst einmal angelegt, beginnen wir zu fürchten, dass andere unsere Daten ablehnen werden, denn unsere Daten sind das, wofür wir uns halten. Ich würde sagen, dass dies auf jeden zutrifft. Wir fürchten, dass die Daten von anderen nicht zu den unseren passen, und dass sie uns deshalb zurückweisen werden. Freilich werden wir niemals jemanden finden, dessen Daten exakt zu den unseren passen. Menschen sind Herdentiere, so dass Isolierung von der Gruppe die schlimmste Form der Zurückweisung bedeutet. Diese Form der Angst wird so lange andauern, wie wir uns für jemanden halten. Das ist aber eigentlich kein großes Problem. Wenn sie erscheint, vertrauen wir auf offene Intelligenz und werden so über das nötige Wissen verfügen. Angst vor Zurückweisung ist definitiv etwas, das überwunden werden kann. Es ist eine große Beeinträchtigung, andauernd zu hoffen, dass uns Leute nicht ablehnen werden und zu fürchten, dass sie es tun werden oder zu hoffen, dass wir uns anpassen werden und zu fürchten, dass wir das nicht können. Worauf wir wirklich hoffen ist, dass die Zeit pubertärer Cliquenbildung nie wieder stattfinden wird! Wir wollen niemals wieder die Art der Zurückweisung erleben, die wir von außer Kontrolle geratenen Jugendlichen erfuhren, welche sich zu Cliquen zusammenschlossen und sagten, dass wir nicht zu ihrer Gruppe gehörten und dann die verschiedensten gemeinen Dinge über uns und zu uns sagten. Das war eine grauenhaft schmerzliche Zeit, und wir hoffen immerzu, dass sie nie wieder stattfinden wird; doch unterschwellig haben wir Angst davor, dass es wieder geschehen wird. All dies ist Teil unserer Identifikation mit unseren Daten und dem Umstand, dass wir auch andere für deren Daten halten. Der Akt des Ablehnens und Akzeptierens von Menschen ist eine durch und durch dualistische Verhaltensweise. Menschen haben viele Institutionen gegründet, in denen es keine Offenheit gibt und wo beängstigende Situationen erzeugt werden. Egal welcher Organisation wir beitreten, es gibt immer die unterschwellige Vermutung, dass wir rausgeworfen werden können, falls wir uns nicht einfügen. Es ist Menschen, die wahrhaftig in offener Intelligenz leben, nicht möglich, diese Art von Institutionen fortzusetzen. Wir sind voll und ganz in der Lage Institutionen zu gründen, von denen ein jeder weiß, dass er ein Leben lang willkommen ist. Diese Art vonInstitutionen sind völlig demokratisch, nichthierarchisch und benötigen wenige Regeln. Ihre Richtlinien dienen bloß der Einheit und dem Zweck der Gruppe. In solchen Organisationen werden gegenseitige Hilfe und Erfolg in jedem gefördert. Das ist es, was wir in Balanced View tun. Wenn ich mir Gedanken darüber machen würde, ob mich Leute ablehnen oder nicht, könnte ich niemals diese Reden halten, da es alle möglichen Ansichten über mich und die Aussagen desBalanced View Trainings gibt. Doch offene Intelligenz geht über alle Formen konventioneller Anhaftungen hinaus. Ich denke

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nicht über persönliche Dinge nach, wie Ablehnung oder Akzeptanz durch andere Leute oder Institutionen. Es gibt nur diese glühende Leidenschaft, eine Welt zu schaffen, in der es durch zunehmendes Vertrauen in offene Intelligenz unmittelbaren Benefit für alle gibt. Denke daran: Kurze Momente, viele Male wiederholt, werden kontinuierlich.

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HINGABE AN DAS UNBESCHREIBLICHE KAPITEL DREI

„Hingabe an das Unbeschreibliche wird in offener Intelligenz gefunden. Es bedeutet in Einklang mit dem Nicht-Agieren müheloser Weisheit zu handeln, daseindeutigund auf jede erdenkliche Art und Weise zumBenefitaller ist.”

Es muss rein gar nichts getan werden, um bewusst und weise zu sein. Erfreue dich der Leichtigkeit deines Seins, so wie es ist, in der nichts getan oder verändert werden muss. Wie auch immer du dein Leben lebst und wie auch immer deine Lebensumstände sein mögen, es sind ideale Umstände, um Vertraueninoffene Intelligenz zu gewinnen. Wie auch immer du deine Situationwahrnehmen magst, sie ist untrennbar von offener Intelligenz. In der Intelligenz, welche die Grundlage aller Dinge ist, wird alles deutlich und unmittelbar erkannt. Die Wahrnehmung „Du‖ ist ein Datum, das untrennbar von offener Intelligenz ist, genau so wie das Erscheinen aller anderen Dinge ein Datum ist, das untrennbar von offener Intelligenz ist. Es gibt kein Wesen und keine Kraft, die irgendjemanden in irgendeiner Weise von offener Intelligenz fernhalten kann. Es ist schlicht und einfach unwahr, dass zwischen dir und offener Intelligenzirgendwelche Barrieren bestehen. Mache dir bitte keine Gedanken über all die Auffassungen und komplizierten Methoden, die du dir vielleicht aus Hingabe an die eine oder andere Philosophie angeeignet hast. Wenn du Hingabe praktizieren willst, gib dich dem Unbeschreiblichen hin! Sich dem Unbeschreiblichen hinzugeben, ist die höchste und allerbeste Form der Hingabe und die einzige wahre Hingabe, die es gibt. Anderenfalls geben wir uns nur dem Versuch hin, alle unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse zu sortieren und neu zu ordnen. Wenn wir unser Leben damit verbringen, alles neu zu ordnen, um glücklich zu sein, entspricht das dem Versuch, ein aus einer Billion Einzelteilen bestehendes Puzzle des wolkenlosen Himmels zusammenzusetzen. Mit anderen Worten, es wird nichts dabei herauskommen. Es wird dich bloß ermüden und frustrieren und niemals irgendwo hin führen. Viele von uns haben sich in Wirklichkeit dem Beschreibbaren hingegeben und sind überzeugt, dass unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse auf die eine oder andere Weise unser Befinden beeinflussen können. Sich dem Beschreibbaren hinzugeben bedeutet, dass wir unseren Gedanken und Emotionen entsprechend ihrer jeweiligen Bezeichnungen gehorchen. Ich werde euch dazu ein persönliches Beispiel geben: Mir wurde gesagt, dass mein Name Candice ist und dass ich ein Mädchen bin, und so begann ich auf diesen Namen zu hören und mich mit diesem Geschlecht zu identifizieren. Mit der Zeit wurden

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andere Merkmale und Eigenschaften hinzugefügt, um mich zu beschreiben, und diese wurden ebenfalls zu meinen Glaubenssätzen. Ich wurde in eine katholische Familie geboren, also begann ich mich der Idee hinzugeben, dass ich katholisch bin, und dass es einen Gott gibt, den man fürchten sollte. Ich lernte, dass dieses absolute Wesen Buch führte, und dass darin alle meine guten und schlechten Eigenschaften aufgeführt waren. Ich war überzeugt, dass die Liste der schlechten Eigenschaften natürlich viel länger war, weil ich die negative Seite, die immer da zu sein schien, niemals loswerden konnte! Ich lernte auch, mich anderen Dingen hinzugeben, beispielsweise einer bestimmten Rasse anzugehören, eine Amerikanerin zu sein und einen bestimmten Intelligenztyp und eine gewisse emotionale Struktur zu besitzen. Als ich älter wurde, kamen immer mehr Glaubenssätze hinzu: politische Ansichten, Psychologie, Philosophie und vieles mehr. Ich gab mich all diesen Dingen mit großem Eifer hin, bis ich Ende zwanzig war; an diesem Punkt schaute ich mich um und wusste einfach nicht, wohin ich mich wenden sollte. Ich hatte beim Erschaffen meiner Identität so viele Glaubenssätze angesammelt, dass mir davon schwindlig wurde. Schließlich begann sich mein Leben in eine Richtung zu bewegen, die ich nicht erwartet hatte, und ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Die Hingabe, die ich zu all diesen Glaubenssätzen hatte, half mir in keiner Weise. Ich konnte in diesen Daten nichts finden, was mir Unterstützung oder Kraft geben konnte. Ich wandte mich EinemDatum zu, doch es half nichts; ich wandte mich einem anderen zu, doch es half auch nichts. Wenn ich Entlastung benötigte, fügte ich zusätzlich zu den Glaubenssätzen sogar noch einige andere Gegenmittel zur Linderung hinzu. Ich genehmigte mir einen Drink oder rauchte Marihuana oder begab mich unter Leute oder stürzte mich Hals über Kopf in die Arbeit, um etwas Linderung zu finden, doch nichts von all dem half mir. Ganz gleich wo ich auch Trost suchte, an diesem Punkt meines Lebens verschaffte mir keines der Gegenmittel, auf die ich mich zuvor verlassen hatte, irgendeine Form der Erleichterung. Als ich erkannte, dass in keinem dieser Glaubenssätze Linderung zu finden war, erlebte ich einen Zusammenbruch. Auf einmal sah mein Leben völlig trostlos aus und es hatte nicht den Anschein, dass die vor mir liegenden Jahre in irgendeiner Weise besser sein würden. Ich verfiel in einen Zustand völliger Hoffnungslosigkeit. Doch inmitten dieser völligen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung erkannte ich, dass all diese intensiven Emotionen und beunruhigenden Zustände in Wirklichkeit dieselbe zugrundeliegende Basis hatten, eine Basis, die durch diese Emotionen unbeeinflusst blieb. Ich hatte damals eigentlich keine klare Vorstellung, wie ich diese Basis beschreiben sollte, aber ich wusste, dass ich wirkliche Erleichterung verspürte, wenn ich meinen Geist immer wieder für kurze Momente entspannte. Wenn irgendeine dieser aufwühlenden Erscheinungen auftauchte, vertraute ich auf die offene Intelligenz,welche die Grundlage ist, von der sie entsprangen. Mit der Zeit wurde das Vertrauen auf offene Intelligenz immer kontinuierlicher, bis es jederzeit 18

dauerhaft wurde, ohne Trennung zwischen dem, was erschien, und der offenen Intelligenz, in dem es erschienen war. Jeder, der auf die hier beschriebene Weise völlig vertraut mit offener Intelligenz wird, sagt genau dasselbe, nämlich dass offene Intelligenz einfach ist. Sie wird nicht durch irgendetwas geschaffen. Sie ist ungeschaffen; sie ist ungeboren; sie ist unbeschreiblich; dennoch ist sie auf natürliche Weise präsent. Mit dieser Erkenntnis geht wahre Demut einher, die Hingabe an das Unbeschreibliche ist, Hingabe an die Liebe, die in jedem Herzen weilt. Das ist kein Nihilismus; Nihilismus besagt, dass alles von nichts kommt und zu nichts führt, und deshalb können wir tun und lassen, was wir wollen. So ist das ganz und gar nicht. Wir müssen uns so verhalten, als stünde unser Verhalten vor dem höchsten Richter offener Intelligenz. Dies ist sehr wichtig. Sich so zu verhalten „als stünde man vor dem höchsten Richter‖ ist ein anderer Ausdruck für Hingabe an das Unbeschreibliche. Alle Erscheinungen sind gleichwertig, doch das bedeutet nicht, dass wir unser Verhalten nur nach den Erscheinungen richten; wir richten unser Verhalten nach dem zugrundeliegenden Prinzip der Einheit. Wir verhalten uns in Einklang mit müheloser Weisheit, und das ist für alle auf jede erdenkliche Weise von Benefit. Frage: Du sagst, dass wir uns so verhalten sollten, als stünden wir vor dem höchsten Richter, doch ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich in der Vergangenheit oftmals nicht so gehandelt habe. Was ist für mich angesichts deiner Schilderung der beste Weg, um das Leid, das ich anderen zugefügt habe, wieder gut zu machen? Antwort: Wenn wir uns wegen des Leids, das wir anderen zugefügt haben, schuldig fühlen, dann können wir durch Vertrauen auf offene Intelligenz eine sehr kraftvolle Veränderung herbeiführen. Statt auf all die Geschichten über Schuldgefühle und Schuldzuweisungen einzugehen, vertrauen wir auf offene Intelligenz. Falls wir anderen geschadet haben, werden wir durch Vertrauen auf offene Intelligenz wissen, welche Art der Wiedergutmachung angebracht ist. Es gibt einige gute Ansätze zur Wiedergutmachung bei Menschen, denen wir durch unser Handeln Leid zugefügt haben. Wir können uns zuerst einmal selbst eingestehen, dass wir Leid zufügt haben und dass wir das bedauern und es nicht wiederholen wollen. Wir können dem anderen Menschen ganz schlicht und einfach sagen: „Es tut mir leid, dass das geschehen ist, und ich verspreche, dass es nicht wieder vorkommen wird.‖ Vielleicht haben wir früher oft gesagt, dass es uns Leid tut, doch dann haben wir dieselben Dinge immer wieder getan. Wir haben uns beispielsweise immer verspätet und uns jedes Mal entschuldigt und sind dann doch weiterhin zu spät gekommen! Anstatt mit einem Verhalten fortzufahren, für das wir uns andauernd entschuldigen müssen, sollten wir uns entscheiden, eine direkte Veränderung herbeizuführen: Wenn wir uns zu einem bestimmten Zeitpunkt verabreden, kommen wir zur verabredeten Zeit oder kurz davor.

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Der Wandel, den wir herbeizuführen versuchen, mag ein sehr hohes Maß an Engagement erfordern. Wenn wir es wirklich ernst meinen, können wir sogar sagen: „Ich gelobe, dass ich das nie wieder tun werde, selbst wenn mein Leben davon abhängt.‖ Warum werden wir es niemals wieder tun? Weil wir uns und anderen durch Vertrauen in offene Intelligenz auf natürliche Weise von Benefit sein wollen. Das ist es, was unser Schwur bedeutet: Unbeirrbar auf offene Intelligenz zu vertrauen, damit wir anderen kein Leid zufügen. Wenn wir dann mit der anderen Person sprechen, können wir dies in der Gewissheit tun, uns wirklich eingehend mit der Angelegenheit befasst zu haben. Wir können mit allergrößter Aufrichtigkeit sagen, dass uns der Vorfall wirklich Leid tut und versprechen, dass es nicht wieder geschehen wird. Wir haben uns bereits insgeheim entschieden, dass es nicht wieder vorkommen wird; aus diesem Grund können wir mit voller Überzeugung versprechen, dass es nicht wieder vorkommen wird. Das ist wirklich sehr wirkungsvoll. Auf offene Intelligenz zu vertrauen, bedeutet nämlich, voll und ganz in Beziehung zu sein. Es gibt nichts zu verteidigen oder zu beschützen, so dass sich diese Gesinnung ganz natürlich einstellt. Wir können unseren Entschluss problemlos und natürlich umsetzen und brauchen nichts zu erzwingen. Wenn wir lernen, direkte Veränderungen herbeizuführen, müssen wir uns nie wieder mit Schuldgefühlen und Schuldzuweisungen herumplagen. Frage: Ich habe mit einigen negativen Verhaltensweisen zu kämpfen, die aus meiner Vergangenheit herrühren. Ich stelle fest, dass ich zuweilen immer noch unangemessen handele und mir selbst und anderen Menschen Leid zufüge. Antwort: Wenn du auf offene Intelligenz zu vertrauen beginnst, wird dieses unangemessene Verhalten allmählich ausgebügelt und die Kanten werden allmählich abgerundet; Fortschritte treten allgemeinhin nach und nach auf. Die Töpferscheibe ist eine der traditionellen Metaphern, um dies zu veranschaulichen. Wenn man ein Gefäß aus Ton herstellt, betätigt man ein Pedal mit dem Fuß, welches die Töpferscheibe zum Drehen bringt und selbst nachdem man mit Treten aufgehört hat, dreht sich die Scheibe noch eine Weile, bevor sie zur Ruhe kommt. Ruhe und empowere dich einfach immer wieder für kurze Momente,indem du alles so belässt, wie es ist. Die Entscheidung, deine Wahrnehmungen zu entspannen, sollte dich mit Freude und Dankbarkeit erfüllen. Auf offene Intelligenz zu vertrauen ist solch eine Erleichterung und ein Segen für dein Leben. Das ist so, als fändest du einen riesigen Schatz in deinem Haus! Stell dir vor, du hast einen riesigen Haufen Gold und bist nicht imstande, ihn als solchen zu erkennen, weil du nicht weißt, was Gold ist. Du hast angenommen, du wärest arm, doch plötzlich warst du imstande, Gold zu identifizieren und erkennst: „Wow, ich bin ja richtig reich!‖ Der Schatz offener Intelligenz hat sich nie woanders befunden; er ist immer genau hier, völlig präsent in allen Erscheinungen.

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Frage: Schuldgefühle und Schuldzuweisungen wegen Dingen, die passiert sind, spielen in meinem Leben eine große Rolle. Könntest du etwas dazu sagen? Antwort: Lasst uns einmal eine kleine Umfrage zum Thema Leid durchführen. Wie viele Leute hier haben sich schon einmal schuldig gefühlt? (Alle im Saal heben ihre Hände.) Wie viele Leute haben anderen oder sich selbst die Schuld für ihre Probleme gegeben? (Alle Hände gehen nach oben.) Gut, du siehst also, wir sitzen alle im selben Boot! Ist es nicht tröstlich zu wissen, dass du nicht die einzige bist? Wenn wir bloß in unserem eigenen Leid herum paddeln, dann scheint es, als wären wir die einzigen, die sich schuldig gefühlt oder die sich und anderen die Schuld gegeben haben. Es ist wichtig für uns zusammenzukommen und anzuerkennen, wie viel wir gemeinsam haben. Wir können entsetzlich unter unseren Schuldgefühlen leiden. Wir können uns sogar für die Dinge schuldig fühlen, die andere Menschen uns angetan haben und diesen unsäglich schmerzlichen Schuldkomplex ein ganzes Leben lang mit uns herumtragen. Wir meinen, dass sie uns Schaden zufügen, weil wir etwas falsch gemacht haben. Die Vorstellung, Verantwortung für das Leid zu tragen, das von einer anderen Person zugefügt wurde, bildet bei vielen Menschen den Ursprung verborgener Schuldgefühle. Was können wir tun, wenn wir beginnen all diese Daten zu erkennen? Wir können einfach auf offene Intelligenz vertrauen, ohne näher auf die Daten einzugehen. Möglicherweise fühlen wir uns für etwas schuldig, was wir anderen Menschen angetan haben. Doch die ganze Zeit darüber nachzudenken oder deswegen intensive Gefühle zu hegen, ist auch keine Lösung. Wir können diese Schuldgefühle und Schuldzuweisungen nur überwinden, wenn wir beim Auftauchen dieser Gefühle auf offene Intelligenz vertrauen; anderenfalls wird unser gesamtes Leben auf Schuldgefühlen und Schuldzuweisungen basieren. Offene Intelligenz ist die Essenz unseres Wesens. Doch der einzige Weg, um dies zu erkennen, ist ausschließlich darauf zu vertrauen, wenndiese Daten auftauchen. Bei vielen unserer Verhaltensweisen im Leben kann es sich um ein eigentümliches Ausagieren von Schuldgefühlen und Schuldzuweisungen handeln, das wir nicht einmal wahrnehmen, weil wir demgegenüber völlig blind sind. Dies ist ein wichtiger Aspekt des ZwölfEmpowerments Trainings,das uns ermöglicht, vertraut genug mit unseren eigenen Daten zu werden, um nicht länger von ihnen überrascht zu werden. Wenn sie auftauchen, können wir auf offene Intelligenz vertrauen, und die Schuldgefühle und Schuldzuweisungen bekommen allmählich eine amüsante Note. Sie erdrücken uns nicht länger, so als läge ein Mount Everest auf unserer Brust. Eine lebenslange Last aus Schuldgefühlen und Schuldzuweisungen wird von uns genommen. Frage: Als ich sehr jung war, wurde mir etwas sehr Schlimmes angetan, und ich finde es extrem schwierig zu vergeben. Ich will nicht länger die Bürde der

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Schuldzuweisung tragen, doch ich kann mich nicht dazu bringen, der Person zu vergeben. Antwort: Oftmals haben wir einen Gedanken oder eine Erinnerung, einhergehend mit einem schmerzlichen Bild von etwas, das uns zugestoßen ist oder das uns angetan wurde, und dann kommt womöglich der nächste Gedanke: „Oh, das war schrecklich, aber ich muss vergeben.‖All dies sind nur Daten. Wahre Vergebung kommt einzig und allein durch Vertrauen auf offene Intelligenz zustande. Ich kann das Wort „Vergebung‖ jetzt kaum noch aussprechen; denn es hat nie jemanden gegeben, dem man vergeben muss, und es gibt niemanden, der vergibt. Alles ist bereits vergeben, was es auch sei. Aber wir können nur über die scheinbare Stichhaltigkeit all unserer Vorstellungen hinausgehen, indem wir auf offene Intelligenz vertrauen und erkennen, dass sie bereits ungeschehen sind. Sie können sicherlich nicht ungeschehen gemacht werden, indem wir mit ihnen herumspielen. Es ist völlig abwegig zu glauben, dass wir unsere Gedanken über eine andere Person ändern müssen, um zu einer Lösung der Situation zu kommen. Wir haben all diese Dinge längst ausprobiert: Verhandlungen, Vergebung, Rationalisierungen, Rechtfertigungen, Analysen und so weiter. Warum sich nicht stattdessen für die allerbeste Verhandlungsmethode entscheiden, bei der es keine Parteien gibt, die verhandeln! Das ist die ungeteilte, nonduale Weite friedfertiger Intelligenz und Freiheit—und sie befindet sich genau hier! Im Morast von Verhandlungen und Rechtfertigungen herumzuspielen ist das Gleiche wie sich zu betrinken oder zu kiffen; das ist lediglich eine weitere künstliche Methode, um Dinge zu bereinigen, und sie meidet die absolute Vollkommenheit offener Intelligenz. Ruhe einfach in der Essenz deiner eigenen Natur und belasse alles so, wie es ist, und du wirst alles in Erfahrung bringen, was man in Erfahrung bringen muss. Willst du über einen Haufen konventioneller Ideen Bescheid wissen oder willst du imstande sein, die Dinge so zu sehen, wie der makellos Wissende sie sieht? Wenn wir uns in die natürlich ruhenden Realität unserer eigenen Natur entspannen, bleiben wir trotz aller auftauchenden Erscheinungen empowert. Durch das Empowerment, das sich durch Ruhen mit all diesen Erscheinungen einstellt, kommt vollkommenes Mitgefühl für andere und für uns selbst zustande. Wir sehen das Durcheinander, in das wir uns verstrickt haben, indem wir so ein großes Trara um unser Denken und Fühlen gemacht haben. Im Mitgefühl für uns selbst finden wir Mitgefühl für andere Menschen. Wahres Mitgefühl kann auf keine andere Weise zustande kommen. Wenn wir mit vollkommener Weisheit und Liebe bei einer anderen Person Wiedergutmachung leisten oder direkte Veränderungen machen wollen, wissen wir, was zu tun ist und wie wir uns verhalten müssen. Ein solches Vorgehen ist weit besser als sich auf Populärpsychologie, Psychiatrie, Bücher zur Selbsthilfe, die Entwicklung von positivem Verhalten oder sonst irgendetwas zu verlassen.

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Frage: In meinem Leben haben sich derart viele negative Dinge ereignet, die ich als außerhalb meiner Kontrolle betrachte. Ich habe mich in eine Denkweise hineinmanövriert, bei der ich diese negativen Dinge sozusagen erwarte, und ich finde es sehr schwierig, diese Denkweise aufzugeben. Antwort: Wenn wir denken: „Mir sind gewisse Dinge widerfahren und solche Dinge werden mir auch weiterhin widerfahren,‖ dann machen wir uns zum Opfer all dieser Daten, die wir über uns selbst haben. Erstens glauben wir eine persönliche Identität zu besitzen, und zweitens, dass das Wohlbefinden dieser Identität von gewissen Dingen abhängig ist. Wir meinen beispielsweise darauf angewiesen zu sein, ob wir nachts gut schlafen und gute Träume und keine Albträume haben, ob unser Tag voller angenehmer Gedanken, Gefühle und Aktivitäten ist oder ob andere Leute uns gut oder schlecht behandeln. Wir machen unser Wohlbefinden insgeheim oder unverhohlen von all diesen Dingen abhängig. Ich empfehle Menschen immer ihr Recht aufzugeben, ein Opfer ihrer Daten zu sein. Wir können uns in jedem Augenblick unseres Lebens entscheiden, ob wir unseren Daten folgen oder durch sie empowert sein wollen. Statt anderen Leuten, Eltern, Ehepartnern oder negativen Vorkommnissen die Schuld zu geben, können wir einfach sagen: „Meine Daten sind meine Daten.‖ Dann brauchen wir niemandem die Schuld zu geben. Es liegt an uns, wie wir auf den Inhalt unseres Geistes reagieren. Doch wenn wir diese Entscheidung nicht treffen wollen und mit unseren schmerzlichen Geschichten fortfahren wollen, dann ist das unsere Entscheidung. Dann entscheiden wir uns, ein Opfer unserer schmerzlichen Geschichten zu sein. Ganz gleich in welcher Situation wir uns befinden, solange wir Datenfolgen, wird es Dinge geben, die wir verändern wollen und Menschen, die wir mögen oder nicht mögen. Wir werden Menschen um uns scharen wollen, die wir mögen und diejenigenauszugrenzenversuchen, die wir nicht mögen. Das ist wie ein Leben im Gefängnis. Wer hat unser Leben in ein Gefängnis verwandelt? Wir haben das getan! Kein anderer hat je unser Leben zu einem Gefängnis gemacht. Es liegt an uns ob wir ein Opfer unserer Gedanken, Emotionen und Ansichten werden. Wenn wir unsere Gedanken und Emotionen wie Feinde behandeln, bekämpfen wir uns selbst und ich denke, wir sind uns alle einig, dass das keine schöne Situation ist. Wenn wir imstande sind zu ruhen und nicht mit unseren Gedanken und Emotionen auf Kriegsfuß zu stehen, verfallen wir nicht länger der Vorstellung, ein Opfer des Leids zu sein. In offener Intelligenz erkennen wir, dass wir selbst beim Auftauchen von Leid, in Wirklichkeit frei von der Wahrnehmung des Leidens sind. Das geht völlig über alles hinaus, was durch dualistisches Denken erfasst werden kann. Die dualistische Denkweise basiert auf der Idee, dass wir entweder leiden oder nicht leiden und dass Leid mittels verschiedener Strategien beendet werden kann. Wenn wir hingegen auf offene Intelligenz vertrauen, entdecken wir etwas 23

ganz anderes. Wir entdecken zunächst einmal, dass wir völlig frei von unseren geistigen Qualen sein können, selbst wenn sie weiterhin erscheinen. Wir erkennen, dass wir viel gelassener mit unseren geistigen und physischen Qualen umgehen können, die uns zuvor so viele Probleme bereitet haben. Was verstörend war, ist nicht länger verstörend. Ich sage nicht, dass verstörende Dinge verschwinden oder dass wir sie loswerden. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, sehen wir störende Zustände jedoch nicht länger als etwas, das unser Wohlbefinden verändern kann. Das ist wahre Freiheit. Indem wir auf offene Intelligenz vertrauen, wird uns immer deutlicher, dass das, was in offener Intelligenz erscheint, offene Intelligenz nicht verändern kann, da es nichts als offene Intelligenz ist. Egal was erscheint, es ist eine lebhafte Erscheinung offener Intelligenz, ganz gleich ob es sich um einen Gedanken, eine Emotion, eine Empfindung, eine ernsthafte körperliche Erkrankung oder Verletzung oder selbst um den Tod handelt. Was immer es ist, wir wissen, dass es uns nichts anhaben kann. Frage: Ich finde es ausgesprochen schwierig mit meinen Alltagsproblemen fertig zu werden. Ich werde frustriert und verärgert, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es will. Kannst du etwas dazu sagen? Antwort: Ja, ich kann dir dazu ein extremes Beispiel geben. Wenn wir uns trainiert haben, angespannt und verkrampft zu sein und jemand unser Auto anfährt und eine obszöne Geste in unsere Richtung macht, na ja, falls wir eine Waffe im Auto haben, holen wir sie vielleicht heraus und beginnen zu schießen! Es muss nicht unbedingt so krass sein; es gibt eine Vielzahl von Reaktionen auf Frustration und Ärger. Vielleicht machen wir dem anderen Fahrer gegenüber dieselbe obszöne Geste oder drohen ihm oder rammen im Gegenzug sein Auto. Das andere Extrem wäre, dass wir völlig überfordert sind und weinend zusammenbrechen und an den Straßenrand fahren. „Oh nein, nicht schon wieder! Jetzt ist mein Wagen beschädigt worden und ich kann nicht weiterfahren. Warum muss mir immer so etwas passieren?‖ Es gibt eine Vielzahl von Reaktionen, die alle von deinem jeweiligen Temperament und deiner Gemütslage abhängen. Wir können von einem Extrem zum anderen springen: von der totalen Opferrolle hin zum Angreifer und Gewalttäter. Einem der beiden Extreme nachzugeben, bedeutet uns selbst und möglicherweise anderen Gewalt anzutun. Wenn wir uns trainieren, all diese Reaktionen zu haben, werden wir angespannt und verkrampft. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, müssen wir kein Opfer oder Angreifer sein. Wir geben alle unsere Beschreibungen über das auf, wofür wir uns gehalten haben, und erlangen Vertrautheit mit dem, was die Grundlage aller Dinge ist. Auf diese Weise haben wir eine viel ausgewogenere Sichtweise und wir können sagen: „Schau nur, was ich mir den Großteil meines Leben so alles angetan habe. Ich dachte, ich bräuchte alle diese Daten, um zu belegen, wer ich bin. Aber jetzt erkenne ich, dass ich viel lieber entspannt bin!‖

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Das wird uns immer deutlicher. Mit der Zeit sehen wir, was sich andere Menschen aufgrund ihres Glaubens an all ihre Daten antun. Wir blicken auf unsere Familie und Freunde und erkennen, wie viel besser sie dran wären, wenn sie auf offene Intelligenz vertrauen würden. Wir kritisieren nicht, aber es ist traurig zu sehen, wie Menschen sich selbst schaden, wenn sie ihre persönliche Identität mit Daten zu untermauern suchen. Sie hören vielleicht nicht auf das, was wir über Vertrauen auf offene Intelligenz zu sagen haben; doch das macht nichts. So ist das nun einmal. Sie treffen ihre Entscheidung und wir treffen unsere. Es geht nicht darum, eine Position zu beziehen und zu sagen: „Ich vertraue auf offene Intelligenz und du nicht!‖ Wir wissen, dass wir offene Intelligenz aufrechterhalten, wenn wir jeden mit mitfühlenden Augen anschauen können und keinem unsere Ansichten aufzuzwingen brauchen. Das ist Hingabe an das Unbeschreibliche.

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LIEBE UND BEZIEHUNGEN KAPITEL VIER

„Wenn wir mit anderen Menschen zusammen sein können ohne von unseren Daten beherrscht zu werden, entsteht wahre Beziehung. Es bedeutet in der Einheit zu leben, die wir alle teilen, der offenen Intelligenz, die alle Unterschiede einschließt und überwindet und jede Person als ihr eigenes Selbst sieht.”

Unser natürlicher Zustand ist zu lieben und geliebt zu werden. Um jedoch wahrhaftig lieben zu können, müssen wir in die vollkommene Liebe des eigenen, reinen Seins eintreten und in ihr leben. Diese Liebe ermöglicht es, uns so zu akzeptieren, wie wir sind, und die innewohnende Vollkommenheit in allen Erscheinungen zu sehen ohne irgendetwas verändern zu müssen. Wenn wir im Einklang mit der Vollkommenheit unseres eigenen Wesens leben, sehen wir überall dieselbe Vollkommenheit, und bedingungslose Liebe beginnt ganz natürlich zu fließen. Auf diese Weise sind wir imstande, uns wahrhaft selbst zu lieben und folglich andere zu lieben. Bis es soweit ist, ist das ganze Gerede über Liebe bloß ein Märchen. Auf unserer Suche nach Liebe versuchen wir oft etwas zu erschaffen, das wie Liebe aussieht, indem wir ein liebevolles Erscheinungsbild präsentieren, doch das führt selten zu wahrer Liebe. Wie können wir wissen, was wahre Liebe ist, wenn wir nicht mit unserer eigenen offenen Intelligenz vertraut sind, welche die Quelle wahrer Liebe ist? Solange wir kein Vertrauen in unsere eigene wahre Natur haben, werden wir Beschreibungen oder gewisse Vorstellungen von Liebe haben, aber wir werden niemals wissen, was Liebe wirklich ist. Oft suchen wir nach Liebe, indem wir unsere Vorstellung von Liebe zu imitieren versuchen. Wir tun gewisse Dinge, von denen wir hoffen, dass sie uns Liebe bringen werden. Wir hoffen insgeheim, dass andere uns lieben werden und befürchten, dass sie uns nicht lieben werden. Eine derartige Beziehung basiert auf Hoffnung und Angst: Wir hoffen Liebe zu erfahren und befürchten, dass wir sie nicht erleben werden. Wir haben das Gefühl, dass es uns an Liebe mangelt und dass wir eine andere Person brauchen, um die Liebe zu bekommen, die wir uns wünschen. Wir machen zudem unsere Liebe von ihrer Liebe abhängig. Wir meinen, dass wir andere nicht lieben können, wenn sie uns nicht lieben und ihre Liebe auf ganz bestimmte Art zeigen. Dies ist eine völlig falsche Auffassung von wahrer Liebe. Wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz zu erlangen beginnen, ändern sich unsere Beziehungen zu anderen Menschen, denn unsere Beziehungen nicht länger an Bedingungen geknüpft. Wir haben Ganzheit in uns gefunden und suchen daher nicht länger nach einer anderen Person, um die innere Leere zu

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füllen. Aus dieser Ganzheit entspringt eine Liebe, die keine Gegenleistung erwartet. Wenn wir fortfahren, uns selbst zu empowern, entdecken wir auf ganz natürliche Weise, dass unsere Beziehungen nicht mehr so sind, wie sie einmal waren. Vielleicht haben wir in unserem Elternhaus vieles psychologisch analysiert, zum Beispiel wer wem was angetan hat und warum wir so geworden sind, wie wir sind, da die anderen dies und jenes getan haben. Wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, entdecken wir den Teil von uns, der niemals durch irgendeine Person oder irgendein Erlebnis Schaden genommen hat. Dann beginnen wir dieselben Menschen mit anderen Augen zu sehen: „Sieh mal einer an, sie sind ja genau wie ich!‖ Wenn wir anderen nicht länger die Schuld zu geben brauchen, empfinden wir großes Mitgefühl und eine nie gekannte Verbundenheit. Früher haben wir vielleicht geglaubt, dass wir etwas von anderen benötigen; doch jetzt wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Vielleicht meinten wir, andere seien uns etwas schuldig, doch jetzt wissen wir, dass dem nicht soist. Genau genommen benötigen wir von niemandem etwas, um ganz zu werden, weil wir bereits ganz sind. Dieses Prinzip gilt für alle Beziehungen, ganz gleich ob es sich um eine langfristige Partnerschaft handelt oder um eine flüchtige Begegnungen auf der Straße. Wir benötigen von niemandem etwas; niemand muss unsere Vorstellungen erfüllen oder ihnen entsprechen. Folglich können wir alles und jeden auf ihre eigene Art als gleichwertig und vollkommen sehen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns unklug verhalten; unser Verhalten entspringt vielmehr vollkommener Weisheit. Wir lassen uns auf gewisse Dinge ein, aber nicht auf andere. Dies geschieht mühelos. Wir halten nicht an fixen Ideen fest, wie beispielsweise: „Das ist ein schlechter Mensch‖ oder „Das ist ein guter Mensch‖ oder „Ich tue das immer‖ oder „Das könnte ich nie tun.‖ Wir sehen die Dinge einfach so, wie sie sind. Ganz gleich was passiert, wir ruhen und aus diesem Ruhen heraus wissen wir, was zu tun ist. Das ist das Meistern der Datenillusion, wobei alle Datendurch offene Intelligenz überstrahlt werden. Dies führt zu einem freudvollen und enormenBenefit bringenden Leben. Solange wir gewisse Beziehungen, Lebensweisen und Einstellungen aufrechterhalten, um uns behaglich und sicher zu fühlen, ist unser Leben voller Ungewissheit. Erst wenn Behaglichkeit und Sicherheit völlig über Bord geworfen werden und alles wild durcheinander gehen darf, wird die natürliche Ordnung der Dinge erkannt und alles als zeitlos frei gesehen. Erst dann ist wahre Stabilität erreicht. Wenn wir als Liebe ruhen, erkennen wir, wie alles in uns gleichmäßig und vollkommen von Liebe durchdrungen ist. Alle unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse spiegeln die Gleichmäßigkeit dieser Liebe wider. Wenn das auf uns zutrifft, dann trifft es automatisch auch auf andere Menschen zu. Wir wissen, dass sie dieselben Erfahrungen machen und aus derselben Essenz wie wir

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gemacht sind. Diese Erkenntnis ist sehr, sehr wichtig, weil sie uns ermöglicht, auf ungemein kraftvolle Weise bedingungslos zu lieben. Wenn wir uns selbst und andere auf diese Weise lieben, dann drehen sich unsere Beziehungen einzig und allein darum, unsgegenseitigBenefit zu bringen. Wir entdecken, dass es eine freie und natürliche Art der Beziehung gibt, die voller Freude, erfüllt von Liebe und immer taufrisch ist. Wenn in einer Beziehung diese Art der Freiheit herrscht, ist das eine wahre Freude. Sobald wir in offener Intelligenz etabliert werden, erkennen wir, wie man auf eine leichte und natürliche Weise mit allem und jedem in Beziehung tritt. Wirruhen mit allen situationsbedingten Erscheinungen in unserem Geist und kommen so zu einem vollkommenen Verständnis von uns selbst und anderen. Ein unmittelbares und sofortiges Resultat dieses Verständnisses ist ein intuitives Wissen über andere. Wir sehen, dass sich die Menschen, von denen wir glaubten, sie seien im Unrecht oder seien schlechter oder besser als wir, in Wirklichkeit überhaupt nicht von uns unterscheiden. Wir verstehen andere Menschen auf tiefgehende und mitfühlende Weise und erkennen, dass sie sich, genau wie wir, für all ihre Daten gehalten haben; und wir wissen, wie schmerzlich das ist. Wir lernen natürlich und spontan mit uns selbst auf völlig entspannte und gutmütige Weise umzugehen, und demzufolge behandeln wir auch andere auf diese Art. Je öfter wir immer wieder für kurze Momente auf offene Intelligenz vertrauen, desto wahrscheinlicher wird es, in unseren Beziehungen positive Veränderungen herbeizuführen, die zuvor unmöglich erschienen. Manche von uns mögen jahrzehntelange, sehr bittere Beziehungen mit anderen gehabt haben. Doch wenn wir ruhen, stellen wir fest, dass wir genau dieselbe Person anschauen, die genau die gleichen Dinge tut, die immer so irritierend, ärgerlich und einfach falsch waren—und nun ist das alles unerheblich. Wir können mit ihr auf entspannte Weise zusammen sein und gleichzeitig genau wissen, was zu tun ist und wie wir uns zu verhalten haben. Wenn wir erkennen, wer wir sind, dann erkennen wir, wer alle anderen sind, und wir fühlen uns jeder Person auf natürliche Weise verbunden. Wir möchten mit anderen auf gefühlsmäßiger Ebene vertraut sein, nicht auf künstlich bemühte Weise, sondern ganz natürlich. Wenn nicht länger die Notwendigkeit besteht, uns selbst zu verändern, dann müssen wir andere auch nicht mehr verändern, selbst wenn wir vielleicht unser ganzes Leben lang versucht haben, die Welt zu verbessern, indem wir andere Menschen verändern. Einige von uns haben das wirklich versucht, nicht wahr? Wenn wir jedoch Menschen nicht mehr zu verändern brauchen, dann können wir uns voll und ganz an ihnen erfreuen, ganz gleich wer sie sind. Es kann sein, dass wir früher Beziehungen mit Partnern, Ehemännern, Ehefrauen, Freunden und Kollegen hatten, die ganz und gar auf zueinander passenden Datensätzen beruhten. Wir meinen: „Dies sind meine Daten; lass mich wissen, was deine Daten sind, und falls deine und meine Daten zueinander

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passen, dann können wir uns entscheiden, ob wir eine Beziehung eingehen wollen.‖ Typischerweise wollen wir nur Leute als unsere Freunde haben, die mit unseren Daten einverstanden sind. Falls wir uns entschließen, jemanden zu heiraten oder eine feste Beziehung einzugehen, wollen wir nicht nur eine Person, die mit unseren Daten einverstanden ist; wir wollen jemanden, der unsere Datensätzewunderbar findet! Doch gewöhnlich dauert das Vernarrtsein in die gegenseitigen Daten nur kurze Zeit. Ist euch das schon aufgefallen? Nach einiger Zeit wollen wir ihre Daten ändern und sie unsere. Die meisten von uns haben diese Entwicklung in romantischen Beziehungen erlebt, und viele Menschen haben das über die Jahre mehrere Male durchgemacht! Am Anfang einer romantischen Beziehung ist alles fantastisch. Es fühlt sich so gut an. Wir glauben, es wird niemals etwas Besseres geben. Wir fühlen uns wie der glücklichste Mensch auf Erden und wollen die ganze Zeit mit der geliebten Person verbringen und keinen Moment getrennt sein. Wir sehen die geliebte Person an und sind uns absolut sicher, dass siedie Richtige ist. Nie hat es einen so wundervollen Menschen gegeben! Wir empfinden die unglaublichsten Gefühle und meinen, dass sie durch die andere Person hervorgerufen werden; doch genau hier liegen wir falsch. Wir sind überzeugt, dass diese intensive Liebe auf das Objekt unserer Liebe zurückzuführen ist, anstatt ihren Ursprung in uns selbst zu erkennen. Dann laufen wir zum Objekt unserer Liebe, klammern uns daran und sagen: „Bleib für immer bei mir, so dass ich diese Liebe ewig fühlen kann!‖ Doch was passiert? Die Liebe beginnt nach einiger Zeit zu schwinden, da wir ihren wahren Ursprung nicht erkannt und das Erscheinen der Liebe einer anderen Person zugeschrieben haben; daher machen wir die andere Person für ihr Verschwinden verantwortlich und verlangen, dass sie sich irgendwie ändert. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die andere Person mit Schuldzuweisungen reagieren und uns ihrerseits auffordern, uns zu ändern. Das ist alles sehr schwer zu ertragen. Gewöhnlich probieren wir, das ursprüngliche Liebeserlebnis irgendwie zurückzuholen, doch wir finden bald heraus, dass es unmöglich ist, diese anfänglichen intensiven Gefühle wiederzuerlangen, ganz gleich was wir tun. Dies sind sehr schmerzliche Daten, bei denen wir allen Geschehnissen äußere Ursachen und Resultate zuschreiben. Wir sagen zu der anderen Person: „Ich glaube, du musst dich ändern.‖ Was allerdings wirklich dahintersteckt, ist der Wunsch nach der Rückkehr der Liebe, und wir meinen, dass das Verhalten des Anderen ein Hindernis darstellt. Auf ambivalente und verworrene Weise sagen wir: „Wenn du dich ändern würdest, würde die Liebe zurückkehren. Die Liebe würde zurückkehren, wenn du bloß aufhören würdest, so mit mir zu reden; oder wenn du nur ein Handtuch hinlegen würdest, wenn du aus der Dusche kommst, so dass ich nicht jedes Mal durch die Pfütze gehen muss; oder wenn du nur die Kartoffeln auf meine Art schälen würdest, anstatt auf deine.‖ Wir wissen alle, wie das ist, weil wir das alles selbst durchgemacht haben. Solches Verhalten ist wie eine Epidemie, nicht wahr?

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Wenn wir das mit solcher Klarheit betrachten, bekommt es eine humorvolle Note, doch wenn wir darin verfangen sind, ist es überhaupt nicht komisch. Die Erwartungshaltung, dass Beziehungen die unsterbliche Liebe bieten, die wir suchen, ist in Wirklichkeit eine Sackgasse—ganz gleich ob es eine Beziehung mit einem intimen Partner oder einem Kind oder mit sonst irgendjemandem ist. Die Liebe, die wir suchen, befindet sich bereits in uns; sie ist unser eigentlicher ursprünglicher Zustand. Wenn wir in der reinen offenen Intelligenz leben, die stets in uns präsent ist, werden wir fähig, bedingungslos zu lieben, ganz gleich wie unser Partner oder andere sich verhalten. Wir alle wollen diese Liebe erfahren und wissen irgendwie, dass sie unser Geburtsrecht ist. Wenn wir sie jedoch nicht in uns spüren, dann werden wir immerzu nach ihr suchen. Wir suchen nach ihr in unseren persönlichen Beziehungen, in den Organisationen, denen wir beitreten und in den Verbindungen, die wir mit der Welt um uns haben. Doch da wir außerhalb von uns suchen, werden unsere Hoffnungen, sie zu finden, immer wieder zunichte gemacht. Wenn wir uns verlieben, öffnen wir uns völlig. Diese Liebe wird jedoch nicht durch ein Objekt außerhalb von uns erzeugt. Sie ist unser wahres Wesen und ist immer in uns. Liebe ist eine sehr kraftvolle Erfahrung, weil sie uns direkt in die wahre Natur unseres eigenen Wesens einführt. Das ist der Zauber der Liebe: Wir lernen unsere wahre Natur kennen. Wenn wir uns verlieben, ist alles phantastisch und jeder Mensch sieht wunderbar aus! Wisst ihr was? Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, können wir dieses Gefühl die ganze Zeit erleben! Wenn wir vollständig auf offene Intelligenz vertrauen, dann beginnt unsere klare Sicht alles zu durchdringen, und wir sehen, dass Liebe nicht durch etwas außerhalb von uns erzeugt wird; sie ist unser eigentliches Wesen. Für immer freie offene Intelligenz ist niemals zu irgendetwas gemacht worden und beinhaltet doch alles. Wenn wir uns entspannen, werden die völlige Unteilbarkeit aller Dinge und die darin innewohnende Liebe immer offensichtlicher. Es gibt nichts Schöneres als mühelos als Liebe zu ruhen, diese Liebe in allen Menschen und in jedem Erlebnis zu sehen und die vollkommene Liebe durch uns alle fließen zu lassen. Der Weg des Ruhens bietet uns allen diese Erfahrung. Frage: Ich habe jede Menge Schwierigkeiten in der Beziehung mit meinem Partner, der oft unglaublich unzuverlässig und rücksichtslos ist. Er ist beispielsweise dreimal hintereinander nicht zu einer Verabredung mit mir erschienen. Manchmal möchte ich einfach zu ihm sagen „Hau doch ab!” und die ganze Sache beenden! Wie kann ich mit derart starken, gegen meinen Partner gerichteten Emotionen umgehen? Antwort: Wenn du über deinen Partner einen Gedanken wie „Hau doch ab!‖ hast, rufe dir zuerst einmal in Erinnerung, dass das nur ein Datum ist. Es ist keine wirklich sinnvolle Aussage über jemanden oder etwas; es ist ein

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vorübergehendesDatum, das gleichwertig mit allen anderen Daten ist. Es ist kein in Stein gemeißeltes Urteil; es ist etwas, das vorübergeht. Es wird von selbst verschwinden wie eine im Wasser gezogene Linie, und offene Intelligenz, die sowohl deine Realität wie auch die deines Partners ist, bleibt unberührt. Du brauchst dich also wegen dieses Gedankens nicht zu quälen. Oft meinen Menschen, sie würden nie wieder einen Gedanken wie „Hau doch ab!‖ haben, wenn sie auf offene Intelligenz vertrauen, und nie wieder solche Sachen sagen. Sie meinen, ihre Worte und Gedanken werden immerzu rosig und süß sein. Doch das würde bedeuten, alles nur noch mehr zu zersplittern und zu fragmentieren. Alle Worte, ganz gleich welcher Art, sind völlig gleichwertig. Wenn du mehr und mehr auf offene Intelligenz zu vertrauen beginnst, gibt es vielleicht irgendwann Momente, wo dein Geist mit allem überkocht, was du jemals loswerden wolltest: „Du blöder Vollidiot! Ich halte es nicht mehr mit dir aus! Ich werde noch völlig wahnsinnig wegen all der Dinge, die du mir angetan hast!‖ Oder plötzlich überkommen dich alle deine früheren Gewaltphantasien, in denen du anderen Menschen Leid zufügst; oder du hast sexuelle Phantasien, die du immer im Zaum halten und über die du nie nachdenken wolltest. All diese Gedanken könnten wie ein Blitz durch deinen Geist schießen, doch je mehr du in offener Intelligenz verankert bist, desto mehr wirst du darüber lachen, denn du erkennst, dass sie allesamt völlig gleichwertig sind. Du magst versucht haben, all diese schrecklichen Dinge auszusondern und von „der makellosen Nettigkeit offener Intelligenz‖ fernzuhalten. Dochdu erkennst, dass sie allesamt gleichwertig sind und letztendlich weder dir noch jemand anderem Schaden oder Schmerz zufügen können. Das ist die Geburtsstunde von Mitgefühl. Die Erkenntnis, dass alle Daten und alle Verhaltensweisen gleichwertig sind, öffnet die Schleusen der Liebe, Weisheit und Energie. Dieses Verständnis garantiert, dass wir eine Lebensweise hinter uns lassen können, die von kleinkarierter, emotionaler Reaktivität geprägt ist. Viele unter uns fühlen sich nicht nur als Opfer anderer Menschen, sondern auch von Umständen im Allgemeinen. Wir erwarten, dass uns gewisse Dinge widerfahren werden, die uns Leid verursachen, und fügen uns somit selbst oft täglich Leid zu. Wenn wir meinen, uns würde etwas widerfahren, das uns Leid verursacht, dann sind wir in der Tat ein Opfer—ein Opfer unserer eigenen Gedanken! Wir haben uns zum Opfer aller dieser Daten gemacht. Zuerst glauben wir ein persönliches Ich zu haben; dann glauben wir, dass das Wohlbefinden dieses Ichs von anderen Umständen abhängt: Ob Menschen uns gut und respektvoll behandeln, ob sie zu ihren Verabredungen mit uns erscheinen oder ob Ereignisse unseren Wünschen entsprechend verlaufen. Wir machen unser Wohlbefinden insgeheim oder unverhohlen von diesen Umständen abhängig. Wenn wir jedoch das allumfassendeEmpowerment außerordentlichen Benefits zu genießen beginnen und das damit einhergehende wundervolle Gefühl der Erleichterung, dann beginnen wir zu erkennen, dass wir nichtsund niemandem ausgeliefert sind.

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Wir erlangen großes inneres Selbstvertrauen. Wir wissen, dass uns nichts umwerfen kann. Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen Gedanken handelt, eine Emotion, eine Empfindung, eine ernsthafte Erkrankung, Verletzung oder selbst den Tod. Was immer es ist, wir wissen, dass wir okay sein werden; wir wissen, dass unsere wahre Natur unveränderlich, zeitlos und für immer frei ist. Wir erfahren, dass alle Daten, die in offener Intelligenz erscheinen, spurlos und ohne Schaden anzurichten, ganz natürlich von selbst verschwinden—auch das Datum Tod. Daten lösen sich von selbst auf und sind von Natur aus frei. Dazu gibt es nichts zu sagen, zu tun oder zu bemerken. Tatsache ist, dass niemand da ist, um sie zu bemerken! Es gibt einzig und allein offene Intelligenz und ihre ureigenen Erscheinungen. In einem Augenblick ist es die Wahrnehmung, jemand zu sein; im nächsten Augenblick der Prozess des Bemerkens und im übernächsten das Objekt, das bemerkt wird. All das sind nur Gedanken inmitten offener Intelligenz. Wenn wir damit vertraut werden, stellt sich innewohnendes Vertrauen und Gewissheit ein, und wir sind in der Lage, in allen Umständenunbeeinträchtigt zu sein. Wir entdecken, dass wir Beziehungen mit anderen nicht länger vermeiden müssen, da wir alle Menschen als gleich ansehen. Wir sind in der vollkommenen Liebe verankert, die uns mit jedem Menschen verbindet. Frage: Du hast die Vermeidung von Beziehungen erwähnt; das interessiert mich, denn ich habe das Gefühl, dies die meiste Zeit über zu tun. Kannst du noch etwas mehr darüber sagen? Antwort: Wahre Beziehung kommt zustande, wenn wir mit anderen sein können, ohne dabei von unseren Daten beherrscht zu werden. Es bedeutet in der Einheit zu leben, an der wir alle teilhaben—an derIntelligenz, die alle Unterschiede einbezieht und überwindet, und jedes Wesen als sich selbst ansieht. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, ergeben sichbedingungslose Liebe und unbegrenzter Respekt für alle Wesenvon selbst. Das ist wahre Beziehung. Wenn wir Menschen herabsetzen und erniedrigen, ignorieren, kritisieren oder hassen, über sie tratschen, sie bevormunden oder ausschließen—dann kann jede dieser Handlungen als ein Vermeiden von Beziehung angesehen werden. Unsere Daten für real zu halten, schränkt unser Erkennungsvermögen von offener Intelligenz ein, und dieses eingeschränkte Erkennen offener Intelligenz kann unsere Beziehungen mit anderen Menschen beeinflussen. Wenn wir an einigen Daten festhalten und andere ablehnen, grenzen wir letztlich andere Menschen aus und beurteilen sie. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, brauchen wir das nicht länger zu tun. Jeder ist in den grenzenlosen Kreis unserer Liebe einbezogen. Wir haben vielleicht in der Vergangenheit anderenLeid zugefügt, sei es unseren Eltern, Geschwistern, Freunden, Verwandten oder Kollegen, weil wir an Daten festgehalten haben. ImZwölfEmpowerments Training bietet sich eine wunderbare Gelegenheit zu untersuchen, wie wir Leid verursacht haben und wie wir direkte Veränderungen in Beziehungen vornehmen können,

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so dass wir uns und anderen nicht länger schaden. Wir erkennen direkt, wie wir unsere Daten dazu benutzt haben, Beziehungen mit anderen zu meiden. Anschließend entschließen wir uns, positive Veränderungen in diesen Beziehungen vorzunehmen. Die Zwölf Empowerments sind dabei eine ungemeine Hilfe. Frage: Ich weiß, dass man heutzutage viel über die Einheit der Menschheit und das Zusammenkommen aller Völker spricht, und ich würde gerne wissen, was deine Ansichten über die Möglichkeit wahrer Einheit zwischen Nationen und den verschiedenen Völkern der Erde sind. Antwort: Diese Idee von der Einheit aller Menschen ist etwas, dass uns allen heutzutage sehr am Herzen liegt. „Wir sind alle Eins‖ gehört dieser Tage zum allgemeinen Sprachgebrauch und das ist gut so. Viele Songtexte handeln davon, und viele Leute reden darüber. Diese Idee ist oft mit dem Glauben verbunden, dass es einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft gibt, an dem sich etwas Dramatisches auf der Welt ereignet und alle vereint sein werden. Wir sehnen uns alle nach dieser Einheit und nach Weltfrieden. Wir sehnen uns so sehr danach und wollen nicht bloß darüber reden, sondern es verwirklicht sehen. Wir wissen, dass es stimmt: Wir sind Eins. Aber wir wollen diese Einheit in unserer eigenen Erfahrung auf dauerhafte und entscheidende Weise verwirklicht sehen und nicht nur als gelegentliche Gedanken, Liedzeilen oder herzerwärmende Gefühle über Einheit, die kurzfristig erscheinen und dann rasch nachlassen und verschwinden. Wir wollen die wirkliche Einheit, die Einheit von vollkommener, grenzenloser Weisheit und Mitgefühl. Wir möchten das selbst direkt erfahren und erleben. Diese Einheit kann nur zustande kommen, indem wir den Geist für kurze Momente, viele Male wiederholt,mit offener Intelligenz empowern, bis siekontinuierlich und offensichtlich wird. Das ermöglicht uns, die grundlegende Gleichheit aller Dinge zu erkennen, die in unserem eigenen Geist erscheinen. Das ist die wahre Einheit, die wir suchen und die einzige Wahrheit, die es gibt. Eine andere Art von Einheit ist nicht möglich. Da die wahre Natur unseres Geistes allumfassendeoffene Intelligenz ist, existieren alle Phänomene, alle Begebenheiten und alle Menschen auf der Welt in Wirklichkeit nur in unserem Geist. Wenn wir also in der Wahrheit verankert sind, dass alle Erscheinungen aus derselben unteilbaren Essenz bestehen, dann ist das wahre Einheit. Dann ist es gleich, wer wir sind, wo wir sind oder mit wem wir zusammen sind. Wo wir auch sind, es besteht absolute Gleichheit. Es gibt Menschen im Gefängnis, die vor ihrer Hinrichtung stehen oder gefoltert werden, und trotzdem imstande sind, selbst unter diesen extremen Bedingungen vollkommenen Gleichmut zu bewahren. Ich habe das selbst in einer sehr traumatischen Situation erlebt. Obwohl die Situation derart war, dass mich die das Ereignis betreffenden Gedanken und Emotionen mein gesamtes Lebens

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hätten quälen können, war ich doch vollkommen gleichmütig, weil ich ruhen konnte. Selbst im Fall eines Angriffs auf Leib und Leben sind letztendlich der Angreifer, das Opfer und die Tat alle Eins, da es nirgendwo eine Trennung gibt. Das einheitliche Feld offener Intelligenz, das unsere wahre Identität und das wahre Wesen aller Phänomene ist, bleibt von jedem Ereignis unberührt, ganz gleich wie entsetzlich es sein mag. Wenn du im Einklang mit dieser Einheit bist, können dich Leute attackieren und dir wüste Beschimpfungen an den Kopf werfen, und du lässt das alles mit einem Herzen voller Mitgefühl über dich ergehen; du bist imstande zu lächeln und kannst die Situation meistern,ohne voller Emotionendarauf zu reagieren. Manchmal tust du vielleicht gar nichts. Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird; doch wenn es soweit ist, wirst du wissen, was zu tun ist. Was immer du tun wirst, es wird eine angemessene Antwort sein. Alle Erscheinungen werden vom klaren Licht offener Intelligenz überstrahlt. Die Verankerung in offener Intelligenz verleiht einem Menschen optimale Stärke. Es ist dieses klare Licht offener Intelligenz, dasunter allen Umständen alles als Einheit sieht, als gleichwertig und einheitlich. Dann entsteht ein freier Fluss von Handlungen, die kein eigentliches Handeln darstellen; sie strömen ganz natürlich aus Weisheit hervor und manifestieren sich als wahres Mitgefühl für alle Wesen. Wenn mehr Menschen auf der Welt die Fähigkeit erlangen, auf offene Intelligenz zu vertrauen, wird die Menschheit in zunehmendem Maße imstande sein, die Einheit aller Nationen und Völker zu verwirklichen, nach der wir uns alle sehnen. Doch wir brauchen nicht auf diese Einheit zu warten. Sie ist hier und jetzt. Kurze Momente offener Intelligenz, viele Male wiederholt, werden kontinuierlich.

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SEXUALITÄT UND VERLANGEN KAPITEL FÜNF

„Ob wir nun sexuell aktiv sind oder nicht, wir befinden uns in der perfekten Lebenslage, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Vertrauen auf offene Intelligenz ist niemals durchirgendwelche konventionellen Bezeichnungen gebunden gewesen, daoffene Intelligenz die Wurzel aller Bezeichnungen ist.”

Ein grundlegender Aspekt des Balanced View Trainings ist eine völlige Akzeptanz der Sexualität und des gesamten Bereichs der Sinne. Sexuelles Verlangen unterscheidet sich nicht von dem, was vollkommen rein ist. In allzeit reineroffener Intelligenz hat es nie etwas Unreines gegeben, und es gibt kein Körperteil, das unrein ist. Alles, was es auch sei, ist ursprünglich rein. Sei es eine Regung sexuellen Verlangens im Körper oder irgendwelche damit verbundenen Gedanken oder Emotionen—sie sind allesamt ursprünglich rein. Sie haben sich niemals einen Augenblick lang vom grundlegenden Raum offener Intelligenz, in dem sie erscheinen, entfernt. Gleichwohl ist es für Menschen wichtig, weise Entscheidungen bezüglich Sexualität und Beziehungen zu treffen. Wenn wir unsere Gedanken, Emotionen und Empfindungen einfach miteinander vermengen und das als Grundlage für Entscheidung nehmen, wird es kein klares Verständnis geben. Wenn wir uns mit offener Intelligenz empowern, erkennen wir Gedanken, Emotionen und Empfindungen als das, was sie wirklich sind, und werden imstande sein, auf eine Art und Weise zu handeln, die allen Wesen Benefit bringt. Falls wir uns entscheiden, sexuell aktiv zu sein, dann kann alles, was mit dieser Aktivität zu tun hat—sehen, schmecken, berühren, hören und riechen—als ursprünglich rein und angenehm wahrgenommen werden. Man kann jede Aktivität genießen, bei der man sich als das freie Spiel vollkommener Reinheit, totalen Vergnügens und bedingungsloser Liebe betätigt, ohne irgendetwas verändern oder zensieren zu müssen. Das macht ein intimes Erlebnis so besonders und außergewöhnlich. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, lernen wir unseren Körper intuitiv kennen und finden heraus, wie man ihn gut behandelt. Wir kennen unsere emotionale Befindlichkeit und lernen auch auf sie gut achtzugeben. Darüber hinaus wissen wir, wie wir mit den emotionalen Befindlichkeiten anderer umgehen müssen. Es ist ganz unglaublich,auf offene Intelligenz zu vertrauen und alle unsere Daten über Verlangen kennenzulernen, sei es sexuelles Begehren oder irgendeine andere Form des Verlangens. Alle Ausdrucksformen von Verlangen sind lebhafte Erscheinungen allzeit leereroffener Intelligenz. Wenn wir sie jedoch als etwas Eigenständiges ansehen, dann erschaffen wir am Ende alle möglichen Geschichten über sie und werden auf die eine oder andere Weise ganz besessen

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davon. Wenn wir auf die Kraft offener Intelligenz vertrauen, haben wir eine Wahl, was wir in unserem Leben machen. Wir haben nicht länger das Gefühl, wir würden von all unseren Daten beherrscht werden. Wenn wir in Ganzheit und zeitloser Freiheit verankert sind, sind wir jenseits des Glaubenssystems von Ursache und Wirkung. Wir schenken dieser herkömmlichen Auffassung keinen Glauben mehr, denn wir erkennen, dass die Realität dessen, was wir sind, von Ursache und Wirkung unberührt bleibt. Es ist wirklich sehr beeindruckend, uns auf diese Weise kennenzulernen. Erst dann verstehen wir wie nie zuvordie Kraft der Entscheidung. Ich habe sexuelles Verlangen als Beispiel genommen, weil ich nie jemanden ohne sexuelles Verlangen getroffen habe. Doch dieser Aspekt der Entscheidung ist auf alle Formen des Verlangens anwendbar. Wir alle verspüren Verlangen in unserem Leben: Nach Sex, Gemeinschaft, Geld, Nahrung, Unterkunft, Erfolg, Respekt und so vielen anderen Dingen. In der Vergangenheit ist vielleicht schon einmal ein starkes Verlangen in uns aufgekommen, beispielsweise der Wunsch nach Geld, und wir spürten, dass wir uns nicht mehr unter Kontrolle hatten. Es drängte uns einfach, eine Menge Geld machen, und selbst wenn es uns gelang, wollten wir immer noch mehr haben. Dasselbe trifft oftmals auf sexuelles Verlangen zu. Wir haben nach mehr und mehr sexuellen Erfahrungen gesucht und doch niemals die Erfüllung gefunden, die wir in sexueller Befriedigung gesucht haben. Unser starkes sexuelles Verlangen hat vielleicht dazu geführt, dass wir uns selbst und anderen durch unser Verhalten geschadet haben, und trotzdem haben wir an diesem Verhalten festgehalten. Essen, Geld, Sex, Arbeit, Freizeit und Beziehungen—wir scheinen nie genug zu haben und ganz gleich wie viel wir davon haben, unser Verlangen nach mehr ist nie gestillt. Schließlich erkennen wir, dass diese Dinge niemals zu höchster Erfüllung führen werden. Ich spreche aus gemeinsamer menschlicher Erfahrung, denn wir alle suchen ein gewisses Maß an Vergnügen und Befriedigung, aber wir können es meistens nicht finden. Die meisten von uns haben gelernt, dass sexuelles Verlangen etwas Eigenständiges ist und dass es Macht über uns besitzt. Wir glauben an diese Macht, und die Menschheit unterwirft sich größtenteils dieser Macht, die wir sexuellem Verlangen beimessen. Für das Problem der Überbevölkerung wurden beispielsweise viele Lösungen vorgeschlagen, und doch nimmt die Weltbevölkerung weiter zu. Es gibt viele Arten der Geburtenkontrolle – Antibabypillen, Kondome, Abstinenz und so viele andere Dinge—doch sind sie jemals vollkommen effektiv gewesen? Nein. Und warum nicht? Weil wir gerne Sex miteinander haben! Das ist ein ganz natürlicher Trieb, und keine Methode zur Stabilisierung des Bevölkerungswachstums kann vollkommen erfolgreich sein, solange es nur darum geht, einDatum durch ein anderes Datum zu kontrollieren. Die Menschheit hat noch nicht ihre innewohnende Fähigkeit entdeckt, diesem Verlangen Herr zu werden. Für das Überleben der Menschheit ist es jetzt von

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größter Bedeutung, dass wir begreifen, dass dieser starke biologische Trieb kein unabhängiges Wesen besitzt, sondern dass er lediglich ein weiteresDatum ist, das in der unendlichen Weite reinerIntelligenz erscheint und verschwindet. Das soll nicht heißen, dass wir nicht sexuell aktiv sein sollen. Aber die Ausdrucksform unseres sexuellen Naturells muss von Weisheit und nicht von Verlangen getragen sein. Es ist nicht nötig, Vorschriften zu machen oder Ermahnungen zu erteilen, die jeder befolgen muss. Offene Intelligenz hat ihren eigenen innewohnenden Moralkodex, denn offene Intelligenz erkennt sich selbst in allem wieder. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, wissen wir, was wir benötigen und was richtig für uns ist, und dann wird rechtes Handeln die natürliche Folge sein. Ohne nachzudenken wissen wir auf unfehlbare Weise, was zu tun ist. Was immer wir dann entscheiden mit unserer Sexualität zu tun wird von Nutzen sein. Wenn starkes Verlangen in irgendeiner Form aufkommt, ist die weise Vorgehensweise,auf offene Intelligenz zu vertrauen, das Verlangen als offene Intelligenz zu sehen, bis das Verlangen unmittelbar alsoffene Intelligenz wahrgenommen wird. Wenn wir imstande sind, das zu tun, wird diese sehr mächtige Kraft des Verlangens direkt in das Wohlbefinden umgewandelt, das die Essenz offener Intelligenz ist. Wir brauchen unsere Gedanken, unser Verlangen oder die belastenden Zustände nicht zu verändern. Wir brauchen sie nicht zu verdrängen oder abzulehnen, müssen nichts in ihnen suchen oder sie ausleben. Wir müssen nur auf offene Intelligenz vertrauen, und die Gedanken und Emotionen werden sich allmählich von selbst auflösen. In dieser Auflösung offenbart sich vollkommenes Wohlbefinden. Nur auf diese Weise können wir alle Aspekte unseres Daseins verstehen. Dies ist keine Methode, um sexuelles Verlangen auszumerzen und kein Weg, um „rein‖ zu werden, da alles an uns bereits ursprünglich rein ist. Sexuelles Verlangen neutralisieren oder aus unsererNatur entfernen zu wollen, würde bedeuten, uns selbstzu schwächen und die enorme Energie einer mächtigen, heilsamen Kraft zu schmälern. Wir können uns entscheiden, keusch oder in Abgeschiedenheit zu leben. Doch das sollte kein Gegenmittel für sexuelles Verlangen sein und auch kein Weg, um Verlangen zu unterdrücken. Falls wir uns entscheiden, keusch oder in Abgeschiedenheit zu leben, um sexuelles Verlangen zu meiden oder zu neutralisieren, dann ist es hilfreich, als das Verlangen zu ruhen und die von Natur aus reine und mächtige nutzbringende Energie von Verlangen zu entdecken. Falls wir dann das Zölibat wählen, ist das in Ordnung— das ist ein völlig zulässiger Lebensstil. Es wäre dagegen nicht weise, die Neutralisation von Verlangen als etwas anzusehen, das reiner als sexuelles Verlangen ist. Ob wir nun sexuell aktiv sind oder nicht, wir sind in der perfekten Lebenslage, um auf offene Intelligenz zu vertrauen. Vertrauen auf offene Intelligenz ist niemals durch irgendwelche konventionellen Bezeichnungen gebunden gewesen, da offene Intelligenz die Wurzel aller Bezeichnungen ist. Wenn wir ungeachtet

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der Umstände auf offene Intelligenz vertrauen, dann beginnen wir definitiv zu erkennen, dass wir von nichts abhängig sind. Wenn wir meinen, wir bräuchten gewisse Umstände, um auf offene Intelligenz zu vertrauen, dann haben wir augenblicklich mehr Dualität geschaffen. Und wenn wir meinen, wir seien nur dann ein hinreichend guter Mensch, um offene Intelligenz zu erkennen, wenn wir keusch sind, dann ist das nur eine weitere konventionelle Bezeichnung. Wenn wir mit uns selbst als offene Intelligenzvertraut werden, dann sehen wir alles deutlich. Wir sind vielleicht zum ersten Mal imstande, mit anderen Menschen wirklich auf natürliche Weise beisammen zu sein, auf eine Weise, die vollends auf Fürsorglichkeit, Anteilnahme und Liebe beruht. Je mehr Menschen auf offene Intelligenz vertrauen, desto mehr wird diese Liebe und Fürsorglichkeit alles menschliche Leben auf der Erde prägen, sei es in Beziehungen, Familien, Institutionen oder in der Gesellschaft, in der wir leben. Frage: Ich möchte dich etwas über unverbindlichen Sex fragen. Bis jetzt war es gewöhnlich so, dass ich einfach aufgrund irgendeines Verlangens handelte, bloß um etwas Spaß zu haben. Jetzt kann ich immer mehr erkennen, dass das nicht der richtige Weg für mich ist. Könntest du mir einen Rat geben, wie ich diese Lust auf sexuelle Abenteuer in den Griff bekommen kann? Antwort: Das ist eine gute Frage. Sex interessiert praktisch jeden, weil wir nun mal sexuelle Wesen sind. Heutzutage stehen uns alle möglichen Informationen zur Verfügung—über unsere sexuelleNatur und die Art und Weise, wie wir uns sexuell verhalten sollten und welche Gedanken und Emotionen wir vor, während und nach dem Geschlechtsakt haben sollten. Wir haben Daten, die Teil unseres Zeitgeistes sind, und es gibt moralisierende Daten und gesellschaftliche Regeln, die sich von Kultur zu Kultur unterscheiden, und diese beherrschen unsere Ansichten über unsere sexuelleNatur. Uns wird gesagt, welches sexuelle Verlangen angebracht ist und welches nicht und wie wir es mit uns und anderen Menschen ausleben oder nicht ausleben sollten. Leider gelangen viele Menschen niemals wirklich zu einem Verständnis ihres sexuellen Naturells, das über bloße Konventionen hinausgeht. Im westlichen Kulturkreis liegt das Hauptaugenmerk insbesondere auf dem Drang zu handeln. Dieser Drang zu handeln ist über mehrere Generationen hinweg von strengen moralischen Auflagen befreit worden, und ist sehr viel liberaler geworden. Heutzutage haben Menschen im westlichen Kulturkreis viel früher sexuelle Beziehungen und mit viel mehr Personen im Laufe ihres Lebens. Als ich zehn oder elf Jahre alt war, gab es noch kein MTV und kein Internet. Ich dachte noch nicht darüber nach, Sex mit anderen zu haben, doch ich hatte schon Gedanken über Sex mit mir selbst. Selbstverständlich redete niemand darüber. Heutzutage sind sehr junge Menschen viel mehr sexuellen Anschauungen ausgesetzt als ich es in meinem Alter war. Allerdings gibt es kein vernünftiges Forum, wo man Rat suchen könnte, und keine Plattform, um offen

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über die turbulenten Gedanken und Emotionen zu sprechen, die mit diesen Anschauungen einhergehen. Unser sexuelles Naturell erwacht im Säuglingsalter, und wenn wir unschuldig mit unseren Genitalien zu spielenbeginnen, werden wir oft auf unmissverständliche Weise angehalten, dies zu unterlassen. Später als Teenager, wenn diese intensiven Gefühle vollends lebendig werden, wird uns gesagt, dass diese Gefühle und die damit verbundenen Handlungen zu meiden sind. Wir erleben also diese intensiven, erotischen Wallungen in unserem Körper, und den meisten von uns wird gesagt, diese nicht mit uns selbst und anderen zu erforschen. Diese Empfindungen, Gedanken und Fantasien werden zudem von einem ungeheuren Maß an Schamgefühl, Verdrängung und Vermeidung begleitet. Die starken Wallungen sexueller Energie, die bei jungen Menschen auftreten, sind lediglich die Energie, die uns in das Erwachsenwerden einführt. Diese starke, latente Energie in unserem Körper kann für uns und andere von großem Nutzen sein, sofern sie in Einklang mit unserem wahren Wesen gebracht wird. Diese Energie ist in diesem Lebensabschnitt am auffälligsten, da sie sich zeigt, wenn junge Menschen sich von der Enge des Elternhauses befreien. Diese ungeheure Energie, die sich selbst kennenlernen und ausdrücken will, ist Teil dieser Trennung. Sie tritt spontan im Kontext allumfassenderVollkommenheit und Weisheit auf.Wenn dies jedoch nicht richtig verstanden wird, wird es auch nicht als solches erkannt. Oftmals entwickeln wir ambivalente Glaubenssätze über unser sexuelles Naturell. Das bedeutet, dass wir es lieben, doch gleichzeitig haben wir all diese Zweifel, Sorgen und Schuldgefühle deswegen. Wir mögen gelernt haben, lediglich gewisse Formen sexueller Betätigung seien angebracht. Wir mögen gelernt haben, wir müssten verheiratet sein, um eine sexuelle Beziehung einzugehen, und dass wir heiraten und dann für immer mit der Person zusammenbleiben sollten, und dass Sex unter diesen Umständen—und nur unter diesen Umständen—in Ordnung sei. Viele von uns denken, dass eine sexuelle Beziehung auf eine bestimmte Art ablaufen muss, beispielsweise dass es einen Orgasmus geben muss, oder dass es wünschenswert sei, dass beide gleichzeitig einen Orgasmus haben, und wenn das nicht der Fall ist, dann stimmt etwas nicht. Wir mögen gelernt haben, dass wir uns Sorgen wegen unserer sexuellen Fantasien machen müssten, und dass sie von einer bestimmten Art sein müssten.Anderenfalls meinen wir über das akzeptierte Maß hinausgegangen zu sein. Wir hören vielleicht auch etwas über unverbindlichem Sex und denken: „Oh, das klingt gut, das werde ich ausprobieren!‖ Doch das löst den Konflikt auch nicht wirklich. Wir empfinden immer noch jede Menge Ambivalenz, und nun haben wir dem Durcheinander auch noch unverbindlichen Sex hinzugefügt. Unser sexuelles Verlangen ist nicht verschwunden; es kreist immerzu um die

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gleichen ambivalenten Glaubenssätze, lässt uns unbefriedigt und nach mehr suchend zurück. Das ist für viele Menschen heutzutage ein großes Problem. Wenn wir lernen, auf die Kraft offener Intelligenz zu vertrauen, öffnet sich eine große Weite in uns, die uns freien Raum zum Atmen lässt. Indem wir uns selbst mit offener Intelligenz empowern, finden wir Freiheit von dem Zwang, jedes Verlangen ausleben zu müssen. Wenn wir die Gleichheit und ursprüngliche Reinheit aller Erscheinungen erkennen, beginnen sich die moralischen Werturteile, starren Vorstellungen und Glaubenssätze, die wir gegebenenfalls über Sex hatten, aufzulösen. Je mehr wir von diesen strikten Glaubenssätzen ablassen, desto mehr können wir die innewohnende Vollkommenheit in unserer Sexualität entdecken, und unser sexuelles Naturell so genießen, dass es uns näher an unsere wahrhaft Benefit bringende Natur heranbringt. Anstatt Sex als etwas anzusehen, das im Widerspruch zu dem steht, was wir heilig nennen, können wir Sex selbst als etwas Heiliges entdecken—als ein Tor zu unserer eigenen, absolut vollkommenen Ganzheit. Dann sind wir empowert, weise Entscheidungen zu treffen. Wir können uns auf ganz gelassene und natürliche Weise entscheiden, in welcher Weise irgendeine Form sexueller Aktivität uns und anderenBenefit bringt. So können wir entspannter mit jeder Form sexueller Aktivität umgehen, für die wir uns entscheiden. Das wird uns und unserem Partner ein höheres Maß an Genuss, Intimität und Befriedigung verschaffen. Wenn wir uns selbst nicht völlig empowern, können wir eigentlich keine weisen Entscheidungen treffen, weder über Sex, Essen, Geld, Arbeit, Beziehungen oder sonst irgendetwas. Je mehr wir offene Intelligenz aufrechterhalten, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir sexuelle und anderweitige Beziehungen auf sehr umsichtige und weise Art eingehen. Wenn wir ruhen, ist der Wunsch, von Nutzen zu sein, untrennbarvon diesem Ruhen. Dies ist ein naturgegebener Aspekt der natürlichen Funktionsweise unseres Körpers und Geistes. Anstatt uns Hals über Kopf in Situationen zu stürzen, entspannen wir uns, nehmen uns Zeit und sind viel umsichtiger. Bevor wir handeln, stellen wir uns höchstwahrscheinlich die Frage: „Welche Auswirkungen wird das auf mich und die andere Person haben?” Wenn wir uns diese Frage in jedem kritischen Augenblick unseres Lebens stellen, dann können wir sicher sein, dass wir uns wirklich auf dem richtigen Weg befinden. Du bist ein junger Mann, und ich selbst bin nie ein junger Mann gewesen, aber ich habe gehört, dass junge Männer eine starke sexuelle Triebkraft haben. Und weist du was? Frauen auch! Doch es ist wichtig zu begreifen, dass diese Triebe nur Triebe sind—sie sind kein Befehl, irgendetwas zu tun. Sexuelles Verlangen besitzt kein unabhängiges Wesen, das jemanden zum Handeln zwingen könnte. Vielleicht ist das für manche etwas Neues, aber sexuelles Verlangen ist ohne eigenständige Realität. Wie alle anderen Phänomene besitzt es keine Macht über

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uns. Es sind bloß Daten, die in der unermesslichen Weite offener Intelligenz erscheinen. Wir lernen, dass sexuelles Verlangen Macht über uns hat, und dass wir entweder danach handeln oder es stoppen müssen. Ob es sich nun um den Sexualtrieb selbst handelt oder um den Zwang, dem Sexualtrieb nachzugeben oder den Drang, den Trieb zu stoppen, all diese Daten sind gleichwertig, und keine davon besitzt eine eigene Macht. Wir brauchen nur auf die offene Intelligenz zu vertrauen, in der diese Daten erscheinen und verschwinden, und unsere wahre Handlungskraft darin finden. Falls wir weiterhin jeden sexuellen Impuls ausleben oder diese Impulse auf irgendeine Art zu kontrollieren oder unterdrückenversuchen, dann können wir weder unsere Sexualität noch uns selbst jemals wirklich kennenlernen. Je vertrauter wir mit der empowernden Essenz aller Daten sind, desto mehr werden wir sie als Erscheinungen offener Intelligenz erkennen. Falls wir meinen, gewisse Erscheinungen modifizieren zu müssenoder darauf eingehen zu müssen, dann können wir die Essenz aller Phänomene, also offene Intelligenz selbst, niemals kennenlernen. Unsere Daten so zu belassen, wie sie sind, ohne sie zu modifizieren oder ihnen zu folgen, ist ein wirklich faszinierender Aspekt des Abenteuers offene Intelligenz. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, können alle Arten sexueller Beziehungen auf eine höhere Ebene gebracht werden. Ich meine nicht erhöht auf eine kitschige, überspiritualisierte Weise, sondern auf ganz natürliche, sehr tiefgreifende und leichte Art und Weise. Sex sollte etwas völlig natürliches und Freude bringendes sein. Wenn wir Vertrautheit mit und Vertrauen in offener Intelligenzgewinnen, dann werden wir wissen, was zu tun ist. Wir werden weise, liebevoll und umsichtig, und unsere sexuellen Beziehungen werden diese Weisheit und Umsicht reflektieren. Alle Daten so zu belassen, wie sie sind, ist so unglaublich befreiend. Vertrauen auf offene Intelligenz schränkt die Ausdrucksform unseres sexuellen Naturells nicht ein, sondern verleiht ihr vielmehr eine Dimension, die jenseits aller Vorstellungskraft ist. Wenn unser Vertrauen in offene Intelligenz tiefgreifend ist, empfinden wir für jeden, einschließlich uns selbst, große Hochachtung und Respekt. Lerne diese wunderbaren Ausdrucksformen menschlichen Lebens kennen, so wie sie sind. Sie sind Ausdrucksformen offener Intelligenz; sie sind nicht etwas, worüber wir ambivalente Gefühle oder sogar Schuldgefühle haben müssen. Alle Erscheinungen offener Intelligenz sind ursprünglich rein. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, während wir unser sexuelles Naturell erforschen, erfahren wir aus erster Hand, dass es wirklich keine Trennung zwischen Erscheinungen und offener Intelligenz gibt. Wenn wir mit jemandem Sex haben, dann vertrauen wir dabei auf offene Intelligenz. Ob wir nun Sex mit uns selbst oder jemand anderem haben, wir kommen zu der Erkenntnis, dass alle diese Gedanken,

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Emotionen und Körperempfindungen wahrlich untrennbar von der unbegrenzten, ursprünglich reinen offenen Intelligenz sind, die unsere wahre Natur ist. Frage: Ich habe mich gefragt, welche Rolle das Setzen angemessener Grenzen spielt, und wie ich am besten meine sexuelle Energie einsetzen sollte, wenn ich mehr und mehr auf offene Intelligenz vertraue. Antwort: Es ist wichtig zu wissen, wie man sich auf ganz natürliche und ungezwungene Weise verhält. Das kann nur durch Vertrauen in offene Intelligenz und ihre Weisheitskraft geschehen. Wenn du erst einmal versuchst, Grenzen zu setzen, dann hast du einen kompletten Glaubenssatz über das Setzen von Grenzen. Wenn du jedoch auf die in allem innewohnende offene Intelligenzvertraust, brauchst du kein System aufzustellen, um sie zu beschreiben. Du fährst fort, auf offene Intelligenz zu vertrauen, siehst alles als offene Intelligenz, und lässt von diesem Ort der Weisheit aus alles geschehen, was geschieht. Das macht die Sache sehr leicht. Wenn du aber ein Sprachmodel errichtest, um zu beschreiben, was geschieht, dann wirst du Bücher über Grenzsetzungen lesen, mit Leuten bloggen, die auf das Setzen von Grenzen stehen und darüber meditieren. Und wo wird das hinführen? Zu Grenzsetzungen! Wenn du auf offene Intelligenz vertraust, wirst du wissen, was zu tun ist. Bevor ich vor siebenundzwanzig Jahren diesen Wandel durchmachte, wusste ich auch nicht, was ich mit meiner sexuellen Energie anfangen sollte. Doch als ich vertrauter mit offener Intelligenz wurde, ergab sich ganz von selbst eine tiefgreifende Veränderung in meiner Beziehung zu Sex. Dieser Wandel war völlig organisch und ungezwungen; Grenzsetzungen hatten nichts damit zu tun. Wenn du auf offene Intelligenz vertraust, dann vertraust du auf Weisheit, ganz gleich was passiert. Eins wirst du sehr bald erkennen: Es gibt gewisse Erscheinungen, die dich aus heiterem Himmel treffen können. Das heißt, dass du dich völlig in eine Erscheinung verstricken kannst, ohne auch nur ein einziges Mal daran gedacht zu haben, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Das geschieht so schnell, dass du keine Ahnung hast, was geschieht, und wenn du nicht vorsichtig bist, kannst du zu zwanghaften Handlungen verleitet werden, die nicht in Weisheit verwurzelt sind. Das kommt sehr oft vor und bereitet vielen Menschen Probleme. Das Balanced View Training bietet rund um die Uhr Unterstützung für den Fall, dass so etwas passiert, und diese Hilfe kommt in Formder Vier Mainstays: Vertrauen auf offene Intelligenz, der Trainer bzw. die Trainerin, das Training und die Gemeinschaft. Die Zwölf Empowerments von Balanced View sind ein zwölftägiger Kurs, der gezielt entwickelt wurde, um dir detailliert aufzuzeigen, welche Daten du hast, damit du leichter erkennen kannst, wo sie dich leicht überraschen können. Sex, Essen, Geld, Beziehungen, Freizeitaktivitäten, Macht und Beruf sind einige dieser Bereiche. Das sind ganz normale Bereiche menschlichen Lebens. Wenn wir klar erkennen, wie sich diesesVerlangenin uns auswirkt, und wenn wir die Weisheit finden, die unzerstörbar und unbeeinflusst

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von Verlangen oder anderen Blickpunkten ist, dann ist es viel leichter, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wenn du deine Daten sorgfältig untersucht und Rückhalt im Vertrauen auf offene Intelligenzgefunden hast, dann kannst du, statt überrascht zu werden, sogar ohne es zu beabsichtigen, einfach entspannt undklarbleiben. Das ist ausgesprochen hilfreich.

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EINE AUSGEWOGENE SICHT KAPITEL SECHS

„Allerlei scheinbar gegensätzliche Dinge können auftreten – Krankheit, Tod, Katastrophen, Terrorismus, Lob, Erfolg und Freude. Aber großer Gleichmut bedeutet, angesichts all dieser Erscheinungen entspannt zu bleiben. Wenn nichts unser Wohlbefinden beeinträchtigen kann, dann haben wir wirklichen Entscheidungsfreiraum im Leben.”

Aus der Perspektive des Vertrauens auf offene Intelligenz haben wir eine allumfassende Sicht. Damit können wir die Dinge so erkennen, wie sie wirklich sind. Von einem Flugzeug in 10.000 Meter Höhe haben wir eine vollkommene Sicht, die von der Erde aus nicht möglich ist. Von der allumfassende Sicht offener Intelligenzhaben wir gleichermaßen einen viel weitreichenderen Ausblick auf alle Vorkommnisse. Wir erkennen, dass es nicht nötig ist, an irgendeinem Datum festzuhalten, weil alle Daten völlig gleichwertig sind. Die Fähigkeit, Dinge auf diese Weise zu sehen, nennt man„die ausgewogene Sicht.‖ Offene Intelligenz und alle darin enthaltenen Daten sind eine nahtlose Weite. Obwohl Daten in offener Intelligenz erscheinen, verbleibt offene Intelligenz so, wie sie ist—durch Erscheinungen unverändert und niemals zu irgendetwas gemacht. Die ausgewogene Sicht wird in jedem Moment durch klares Sehen erfahren, das vollkommen offen, grenzenlos und unbeschwert ist. Diese Sicht verleiht uns die Fähigkeit, zwischen den vielen verschiedenen verfügbaren Optionen zu wählen und zu erkennen, welche für alle Wesen den größten Benefitbringt. Ganz gleich wie eine Erscheinung beschrieben wird, sie ist zeitlos und uneingeschränkt frei. Wenn wir immer wieder zu offener Intelligenz als die Grundlage aller Erscheinungen zurückkehren, haben wir, ungeachtet dessen, was geschieht, mehr und mehr vollkommenen Gleichmut. Mit der Freiheit vollkommen offener Wahrnehmung in der direkten Begegnung mit einer Erscheinung erkennen wir, dass Erscheinungennie etwas Festgefügtes sind. Wenn etwas besonders Heftiges auftaucht—wie beispielsweise Panik—erkennen wir, dass Panik und völlige Gelassenheit sind, genau so wieGedanken und keine Gedanken Nicht-Zwei sind. Wenn wir mehr und mehr auf offene Intelligenz vertrauen, sehen wir immer weniger irgendwo Zwei. Indem wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, wird Gleichmut Tag und Nacht allgegenwärtig. Allerlei scheinbar gegensätzliche Dinge können auftreten— Krankheit, Tod, Katastrophen, Terrorismus, Lob, Erfolg und Freude. Doch „großer Gleichmut‖ bedeutet, angesichts all dieser Erscheinungen entspannt zu sein. Wenn nichts unser

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Wohlbefinden beeinträchtigen Entscheidungsfreiraum im Leben.

kann,

dann

haben

wir

wirklichen

Anstatt unseren Verstand zu trainieren, immer Stellung zu beziehen oder eine Meinung über alles zu haben, empowern wir uns mit der großen Gleichheit aller Dinge. Je mehr wir das tun, desto stärker wird das natürlich auftretende, warme Gefühl des Wohlbefindens sein, das alles durchdringt. Dinge, die uns früher aus der Ruhe brachten, bringen uns jetzt nicht mehr aus der Ruhe. Das ist nicht bloß eine abstrakte Philosophie, über die wir in einem Buch nachlesen und sie dann auswendig lernen. Es ist vielmehr eine maßgebliche Erfahrung, die sich auf praktische Weise in unserem Leben ausdrückt. Ganz gleich wie die Beschreibungen lauten, sie haben allesamt ihre Grundlage in der ursprünglichen Reinheit aller Dinge, so wie sie ist. Falls wir nach einer Beschreibung suchen, warum dann nicht diese? Es ist für uns als Menschen sehr wichtig, auf diese entspannte Weise zusammenzukommen und uns gegenseitig direkt in die Augen zu blicken, ohne dabei all unsere Beschreibungen von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem heranziehen zu müssen. Was wollen wir wirklich? Wollen wir einen großen Haufen Ansichten oder wollen wir die Erleichterung, die allem zugrunde liegt? Ganz gleichwer wir sind und wie negativ unsere Umstände sein mögen, ganz gleich ob wir schreckliche Dinge oder großartige Dinge in unserem Leben getan haben, wir können die grundlegende Natur der Realität kennenlernen und immer wieder dahin zurückkehren. Und wenn wir dann erfahren, dass unser Liebhaber nicht mehr mit uns zusammen sein will, oder dass wir eine tödliche Krankheit haben und sterben werden, oder dass wir plötzlich einer anderen, sehr schwierigen Situation gegenüberstehen—dann können uns diese Dinge nichts anhaben, wenn wir begriffen haben, dass die entspannte Natürlichkeit unseres eigenen Wesens die Grundlage aller Erscheinungen ist. Frage: Gilt dieser große Gleichmut auch in einer extremen Situation? Wäre beispielsweise für dich die Geburt deines Kindes das Gleiche wie sein Tod? Antwort: Im Grunde ja, auf tiefster Ebene. „Großer Gleichmut‖ bedeutet nicht, dass man keine Gedanken oder Gefühle hat. Es bedeutet, dass alle Erscheinungen als gleichwertig erkannt werden, und dass die Grundlage von Erscheinungen Gleichmut ist. Es ist nicht so, als würde man ein Pflaster des Gleichmutes nehmen und es auflegen, wenn eine schwierige Situation auftritt. Das Wesen offener Intelligenz ist vollkommener Gleichmut. Was immer also erscheint, ist als dieser Gleichmut präsent. Die Kraft allgegenwärtiger offener Intelligenz ist ohne Ablenkung in und als diese Erscheinung präsent. Offene Intelligenz bedeutet nicht, etwas anderes zu beobachten. Sie durchdringt die singuläre nonduale Weite der Gleichheit.

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Frage: Könnte dieser Gleichmut also die Emotion der Freude bei der Geburt und den Kummer über den Tod mit einbeziehen? Antwort: Auf jeden Fall. Frage: Es schließt Gefühle von Kummer und Leid nicht aus? Antwort: Genau so ist es. Es umfasst und umschließt alles gleichermaßen und gewährt allem eine freie Hand. Frage: Das ist für mich schwer zu verstehen. Antwort: Ja, das kann man nicht intellektuell begreifen. Es liegt völlig jenseits unseres Begriffsvermögens und wir können nichts tun, um dieses Verständnis herbeizuführen. Wenn wir auf das vertrauen, was die Quelle von Freude und Kummer, Geburt und Tod ist, dann sind wir vollkommen frei. Frage: Wie kann ich weiter auf offene Intelligenz vertrauen, wenn ich Schmerzen habe? Antwort: Das Wesen aller Dinge, auch Schmerz, ist offene Intelligenz. Anstatt alle auftretenden Ereignisse zu beschreiben und sich dann Gedanken darüber zu machen, was geschehen wird oder ob die Behandlungsmethode die richtige ist, fahre fort als das Wesen dieses Schmerzes zu ruhen—auch wenn es dir schwerfallen mag. Das ist deine größte Chance, dich selbst zu heilen. Wenn du das bereits geheilte Wohlbefinden empowerst, das Wesen von Schmerz undKrankheit, ist das die beste Medizin! Wenn wir die Schmerzerfahrung auf praktische Weise betrachten, können wir beim Auftreten von akutem Schmerz, beispielsweise bei starken Kopfschmerzen, sehen, dass die Schmerzempfindungen normalerweise eigentlich von kurzer Dauer sind. Es mag uns so erscheinen, als hätten wir den ganzen Tag lang schlimme Kopfschmerzen gehabt. Aber wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, beginnen wir zu erkennen, dass viele unterschiedliche Empfindungen mit dem Kopfschmerz einhergehen, und dass sie kommen und gehen. Ein Kopfschmerz tritt nicht ununterbrochen auf. Es gibt auch schmerzfreie Phasen und man kann den Schmerz zudem als schwach, mittelschwer oder stark beschreiben. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, werden wir uns viel bewusster, wie diese Beschreibungen zustandekommen, und wir entdecken zudem, dass sie uns nicht länger so beherrschen wie zuvor. Wenn wir älter werden, passieren wahrscheinlich noch viel mehr beunruhigende Dinge mit unserem Körper. Viele von euch sind jung, doch hört gut zu, da ich ein bisschen älter bin! Sitzt nur mal eine Minute lang hier und nehmt jeden kleinen Schmerz wahr, den ihr habt. Wenn ihr erst einmal in meinem Alter seid, werden diese Schmerzen um ein Vielfaches größer sein! Wenn ihr bis dahin kein Vertrauen in den großen Gleichmut offener Intelligenzerlangt habt, dann werden alle eure gesundheitlichen

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Beeinträchtigungen, die ihr jetzt habt, noch viel schlimmer sein. Wahrscheinlich denkt ihr nicht über das Ende eures Lebens oder über euren Tod nach, weil ihr noch so jung seid. Doch wenn ihr so Ende fünfzig seid, kommt der Horizont näher und du weißt, dass der Körper langsam zerfallen wird. Beschreibt diese Vorkommnisse nicht, gebt ihnen keinen Namen, und ihr werdet in der Lage sein, die Probleme zu lösen, die entweder jetzt oder später im Leben, wenn ihr älter werdet, auftreten können. Frage: Ich bin zur Zeit dabei, eine Gemeinschaft zu verlassen, mit der ich lange verbunden war, und ich werdevon den Leuten wegen meiner Entscheidung heftig kritisiert. Als ich anfänglich nicht auf ihre Kritik einging, begannen sie mich noch heftiger zu verurteilen. Wahrscheinlich hat mich diese Kritik nicht so sehr berührt wie zuvor, weil ich angefangen habe,auf offene Intelligenz zu vertrauen. Antwort: Wenn wir uns längere Zeit in einer Gruppe aufgehalten haben, haben sich diese Menschen manchmal daran gewöhnt, dass wir auf bestimmte Weise reagieren. Sie haben eine gewisse Erwartungshaltung, was unsere Reaktionen angeht, wenn sie uns kritisieren. Doch wenn wir dann nicht so reagieren, wie sie es erwartet haben, meinen sie vielleicht, sie müssten noch deutlicher werden. „Wenn wir sie nicht auf dieseWeiseaus der Reserve locken können, dann lasst uns ein schwereres Geschütz auffahren!‖ Manche Menschen werden uns lieben und jede Menge nette Dinge sagen, und andere Menschen werden uns nicht leiden können und allerhand grausame, hässliche und gemeine Dinge sagen. Wie dem auch sei, es ist, wie es ist. Alles ist zeitlos frei. Was nun die von dir beschriebene Situation betrifft, so ist das wirklich erstaunlich. Wenn früher negative Dinge über dich gesagt wurden, hast du das nur sehr schwer ertragen und warst vielleicht völlig am Boden zerstört. Doch jetzt sitzt du hier und fühlst dich bei der ganzen Sache recht entspannt! Es ist nicht nötig, auf irgendeine Art und Weise zu reagieren oder zu antworten. Du kümmerst dich um deine eigenen Angelegenheiten. Was auch geschieht, lass es zu. Lass alles geschehen und vertraue einfach auf offene Intelligenz. Gleichmut ist die Fähigkeit, sich ungehindert in allen Lebenslagen zu entspannen. Das schließt Situationen mit ein, in denen du zu Unrecht kritisiert wirst! Frage: Es finde es sehr beunruhigend, die Nachrichten im Fernsehen zu schauen, weil die Dinge, die dort gezeigt werden, so schrecklich sein können. Auch wenn ich es vermeide, Fernsehen zu schauen oder Zeitung zu lesen, bin ich trotzdem von Leuten umgeben, die sich damit beschäftigen, und sie reden die ganze Zeit über diese schrecklichen Dinge, und mein Geist wird von großer Unruhe erfasst. Kann ich irgendetwas dagegen tun? Antwort: Entspanne dich einfach und gib auf dich Acht, so wie du bist. Kümmere dich nicht darum, worüber sich die Leute aufregen. Worüber sich die Zeitungen, das Fernsehen oder Kinofilme auch laut aufregen mögen, all das ist nur eine Phantasiewelt. Sie kann uns nichts anhaben, es sei denn, wir lassen

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dies zu. Wenn wir Fernsehnachrichten schauen und uns von der dort so weitverbreiteten Negativität mitreißen lassen, dann ist das unsere Entscheidung. Wenn wir uns jedoch einfach alles anschauen, was uns vorgesetzt wird, und wir entspannen uns vollkommen, ohne an diesen Beschreibungen festhalten zu müssen, dann bringen wir in Erfahrung, wer wir wirklich sind. Nichts kann den innewohnenden Frieden unserer wahren Natur stören. Ich wohne in Kalifornien in einer kleinen Stadt am Meer, und einmal im Jahr kommt jemand bei Ebbe an den Strand und baut eine unglaublich kunstvolle Skulptur aus Sand. Sie ist genau so detailliert und nuanciert wie die berühmtesten Statuen der Welt, denn sie wird mit der größten Sorgfalt gemacht. Und dann kommt langsam und unaufhaltsam die Flut und spült dieses wundervolle Kunstwerk fort. Alles verändert sich und verschwindet schließlich auf natürliche Weise. Das Gesetz der Unbeständigkeit gilt für alles. Was noch nicht erschienen ist, wird erscheinen und was erscheint, wird verschwinden. Die Dinge, die es einmal gab, sind alle verschwunden, und jetzt erscheinen andere Dinge. Die ganze Welt könnte sich in einem Augenblick selbst in die Luft jagen, doch unzerstörbareoffene Intelligenz besteht weiter. Also machen wir uns besser damit vertraut! Wenn man das weiß, macht es keinen Sinn, sich noch länger zu ängstigen. Frage: Ich habe ständig große Angst wegen all der Dinge, diepassieren, besonders seit 9/11. Ich habe gehört, dass man sich mit Unsicherheit entspannen kann, doch was würdest du vorschlagen, wenn man sehr große Angst wegen der Dingeempfindet, die passieren könnten? Antwort: Die unvorhersehbare, prachtvolle Entfaltung wird einfach tun, was sie will, und deshalb können wir uns genauso gut entspannen und die Reise genießen, denn wir wissen wirklich nie, was als nächstes kommt! Ganz gleich für wie sicher wir unser Land halten, wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Eine Bedrohung kann viele Formen annehmen—ein Angriff eines Feindes, politische oder religiöse Verfolgung, soziale Ungerechtigkeit, ein Erdbeben, Bürgerkrieg, unser eigener Tod oder der Tod von jemand anderem. Es kommt, wie es kommt. Doch wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, können wir es einfach geschehen lassen! Wir brauchen nicht zu denken: „Oh nein, ich will nicht, dass das geschieht. Ich will, dass mein Leben anders verläuft!‖ Wenn Raketen um uns herum einschlagen und andere Staaten bei uns einfallen, werden wir außerstande sein, das zu ändern. Wir sollten besser lernen, wie man auf offene Intelligenz vertraut, denn dann haben wir inneren Frieden, ganz gleich was draußen vor sich geht. Dann wissen wir, was in jeder Situation zu tun ist, und wir werden weise handeln können, statt auszuflippen und uns in unseren Emotionen zu verstricken. Glaube mir, alles Mögliche kann und wird auch passieren. Falls wir unser Leben nach Daten richten, dann wird es für uns sehr schwierig und schmerzlich

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werden, wenn solche unerwarteten Dinge passieren. Wenn wir jedoch auf offene Intelligenz vertrauen, können wir alles als ein unglaubliches Schauspiel betrachten. Dann sehen wir alle Vorkommnisse im Leben als Verbündete und nicht als etwas, das gegen uns gerichtet ist und vor dem man Angst haben muss. Erscheinungen als Unterstützungbeim Erlangen von Vertrauen in offene Intelligenz zu erkennen, ist ein Weg, um sich ganz für offene Intelligenz zu entscheiden. Es bedeutet, dass wir uns sagen: „Ich werde offene Intelligenz als meinen ursprünglichen Daseinsgrund erkennen.Darum geht es in meinemLeben, und ich werde niemals aufgeben!‖ Was genau bedeutet „niemals aufzugeben?‖ Es bedeutet, dass wir den Schwerpunkt auf offene Intelligenz legen und nicht auf Erscheinungen, ganz gleich was passiert. Frage: Ich habe dich in einem Vortrag im Internet sagen hören, dass beim Praktizieren alles irgendwann gleichsam explodieren kann, und dass wir eine äußerst turbulente Zeit haben können, wenn all unsere Gedanken verrückt spielen. Könntest du näher darauf eingehen, was genau damit gemeint ist? Antwort: Wenn wir uns schon längere Zeit intensiv spirituellen Übungen gewidmet haben, sind wir vielleicht der Ansicht, dass wir uns von allen negativen Gedanken und Emotionen losgesagt und sie hinter uns gelassen haben. Wir glauben über ihnen zu stehen und dass es ein Rückschritt für unssei, wenn solche Dinge in unserem Geist erscheinen würden. Solange wir jedoch diese Auffassung vertreten, vermeiden wir die zeitlose Freiheit offener Intelligenz. Irgendwann müssen wir an den Punkt kommen können, alle Standpunkte aufzugeben und unser Meditationskissen und alle philosophischen Anschauungen wegzuwerfen, einschließlich unsere eigenen! Dann stellt sich großer Gleichmut ein. Wenn wir imstande sind, alles als absolut gleichwertig zu sehen und die Angewohnheit aufgeben, unseren Geistesinhalt zu unterdrücken und zu kontrollieren, ist das der Moment, wenn es richtig kracht und alles über uns hereinbricht, was wir versucht haben, im Zaum zu halten. Es kann einen Punkt geben, wo alles komplett auseinanderfällt, ganz gleich wie viel wir praktiziert haben! Alle großen Wesen, die jemals die mächtigen Kräfte des klaren Lichts der Weisheit erlangt haben, sagen dasselbe: Ganz gleich wie lange wir auf unserem Kissen in meditativer Vertiefung sitzen, irgendwann wird alles auseinanderfallen. Wir bekommen das heutzutage in aller Öffentlichkeit bei vielen bedeutenden Persönlichkeiten der spirituellen Welt zu sehen. Auf einmal traten all diese inneren Turbulenzen auf, und viele von ihnen waren nicht darauf vorbereitet. Es kann sein, dass uns das verrückteste Zeug in den Sinn kommt, und wir können es nicht fassen, dass wir solche Gedanken haben. All die Dinge, die wir von uns gewiesen haben—beispielsweise sexuelle Phantasien, die unserer Ansicht nach doch gewiss keinen Platz in der Spiritualität haben können—werden über uns hereinbrechen. Selbst wenn wir uns in irgendeinen extremen Zustand wie Leere, Ichlosigkeit, Abwesenheit von Gedanken, Objektivität oder Neutralität

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versetzt haben und imstande sind, diesen für eine lange Zeit aufrechtzuerhalten, fangen diese Gedanken doch auf einmal an, uns zu bombardieren und der Zustand, an dem wir festgehalten haben, ist verschwunden. Das ist doch eine sehr anschauliche Darstellung, nicht wahr? All unseren Bestrebungen zum Trotz, den Inhalt unseres Geistes durch die Neutralisation negativer Zustände zu kontrollieren, gibt es plötzlich keinerlei Kontrolle mehr. Alles gerät außer Kontrolle! Und was nun? Wenn wir in dem Moment darauf vorbereit sind, damit umzugehen, auf offene Intelligenz zu vertrauen und die Erscheinungen kommen und gehen zu lassen, dann wird es großes Gelächter geben. Das wird in allen großen Traditionen beschrieben: Das unverwüstliche, unveränderliche Gelächter, das aus der Erkenntnis herrührt, dass alles so ist, wie es ist. Wir erkennen, dass alles gleichwertig ist, und dass wir uns vor keiner Erscheinung zu fürchten brauchen. Dieoffene Intelligenz, die frommen, lüsternen und hasserfüllten Gedanken zugrundeliegt, ist identisch. Mit dem Erkennen der großen Gleichheit aller Erscheinungen wird die wahre Herzlichkeit ungekünstelten Mitgefühls entfacht. Sie bleibt solange im Verborgenen, bis die Gleichheit aller Erscheinungen realisiert ist. Du wirst nicht vorhersagen können, was während dieser Turbulenzen geschehen wird, doch wenn es passiert, wirst du entweder wissen, was zu tun ist oder nicht. Falls du zuverlässige Anleitungen erhalten hast, wirst du vorbereitet sein, und du kannst sie einfach befolgen und lachen. Falls du nicht weißt, was du tun sollst, dann ist das der Zeitpunkt, dich auf deinen Trainerzu verlassen, denn dazu sind Trainer da. Sie sind dazu da, dich in diesen Furchterregenden Momenten zu unterstützen, wenn das gesamte mentale Gebäude einzustürzen droht. Sie wissen, was vor sich geht, wenn alle Konzepte völlig zerschmettert werden. Viele von uns haben vom Aufgeben aller Glaubenssätze und Auffassungen und vom Zerschmettern aller Konzepte gehört. Nun, das ist es, was das Zerschmettern aller Konzepte bedeutet. Es bedeutet nicht einen klitzekleinen Hammer zu nehmen und das Wort „Konzepte‖ zu zerschlagen. Es ist wild, voller Energie, frei und jenseits aller Vorstellungskraft. Falls es bei dir noch nicht eingetreten ist, dann bereite dich darauf vor, indem du Vertrauen in offene Intelligenz erlangst!

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HERAUSRAGENDE FÄHIGKEITEN KAPITEL SIEBEN

„Ich habe aus meiner eigenen Erfahrung unwiderlegbar gelernt, dass Liebe immer die fruchtbarsten Ergebnisse liefert. Liebe benötigt keine anderen Hilfsmittel—Liebe allein ist die größteund höchste aller herausragenden Fähigkeiten. Man könnte sagen, dass Liebe die allerhöchste herausragende Fähigkeit ist, um Frieden und Wohlbefinden in unserem Leben, in unseren Gemeinschaften und in der gesamten Welt zu schaffen.”

Ich bin an einer pragmatischen Ausdrucksform von offener Intelligenz interessiert, die den Menschen echten Nutzen bringt. Ich bin weder an reiner Philosophie interessiert, die keine praktische Anwendung findet, noch bin ich daran interessiert, großartige Abhandlungen zu schreiben, die niemand verstehen kann. Ich möchte das, was im Leben am wesentlichsten und wertvollsten ist,auf eine direkte und praktische Weise teilen, so dass allen Menschen auf der Welt geholfen wird. Mich interessiert das tägliche Leben, so wie es von Menschen überall mit pochenden Herzen und atmenden Lungen gelebt wird. Lehrer können nur auf maßgebende und überzeugende Weise lehren, wenn sie aus eigener, gelebter Erfahrung sprechen; bloßes theoretisches oder hypothetisches Wissen besitzt nicht die Kraft zur Transformation. Es ist sehr, sehr wichtig, den Unterschied zwischen Anleitungen, die auf den direkten Erfahrungen des Lehrers beruhen und bloßen theoretischen Anleitungen, zu erkennen. Wenn die Weisheit eines Lehrers klar und direkt vermittelt wird, können Menschen, die offen gegenüber dieser Weisheit sind, diese rasch in sich selbst erkennen und entdecken. Ein Lehrer, der direkte Erfahrung im unerschütterlichen Ruhen besitzt, wird imstande sein, die in offener Intelligenz innewohnenden herausragenden Fähigkeiten anzuwenden, um einen Schüler in eine direkte Erfahrungoffener Intelligenz einzuführen. Es gibt weltweit viele Lehrer und Lehrmethoden, und die Verwendung herausragender Fähigkeiten kann viele unterschiedliche Formen annehmen. Herausragende Fähigkeiten können unter gewissen Umständen hart und streng und unter anderen gütig und liebenswürdig erscheinen. Doch wenn ihr Einsatz völlig in offener Intelligenz verankert ist, wird ihre Verwendung in jeder Situation unfehlbar sein. Ein Lehrer, der die grundlegende Güte offener Intelligenz realisiert hat, kann mühelos die Daten derer erkennen, die Anleitungen bei ihmsuchen—selbst die subtilsten Daten, die ihnen selber vielleicht nicht bewusst sind. Wenn Lehrer Menschen helfen, diese Daten hinter sich zu lassen, agieren manche auf eine Art und Weise, die zuweilen sehr streng erscheint. Doch bei Balanced View ist dies

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nicht der Fall. Wir haben einen anderen Weg gefunden, der unglaublich gut funktioniert, und das ist der Weg der Liebe. NatürlichkannLiebe viele Formen annehmen. Selbst wenn die Sprache des Lehrers feurig ist, wird sie in Liebe dargeboten, und kann als Liebe angenommen werden, wenn derjenige dazu bereit ist. Falls eine direkte Botschaft vermittelt werden muss, die eine gewisse Schärfe enthält, kann die Liebe derart offenkundig sein, dass die Schärfe nicht einmal bemerkt wird. Die Botschaft wird unbestreitbar liebevoll sein, selbst wenn sie wie ein Feuerball erscheint! Solche Liebe ist immer auf leidenschaftliche Weise mitfühlend, und sie steht immer und überall mit allem und jedem in heilsamer Verbindung. Liebe überwindet alles. Das wusste ich schon, bevor ich vor siebenundzwanzig Jahren diese unglaubliche Transformation durchmachte. Als Mutter von drei Kindern kam es für michnie infrage, sie jemals zu erniedrigen oder ihnen den Hintern zu versohlen. Ich wollte sie einzig und allein bedingungslos lieben. Als ihre Mutter konnte ich natürlich sehen, wo sie ihr Verhältnis zu ihren Daten ändern mussten, doch es gab einen Weg, dies zu tun, ohne auf verletzendes Verhalten zurückzugreifen. Ich habe aus meiner eigenen Erfahrung unwiderlegbar gelernt, dass Liebe immer die fruchtbarsten Ergebnisse liefert. Liebe benötigt keine anderen Hilfsmittel—Liebe allein ist die größte und höchste aller herausragenden Fähigkeiten. Man könnte sagen, dass Liebe die allerhöchste herausragende Fähigkeit ist, um Frieden und Wohlbefinden in unserem Leben, in unseren Gemeinschaften und in der gesamten Welt zu schaffen. Bei Lehrmethoden und Gemeinschaften, die auf Liebe basieren und in denen Menschen wirken, die der Realisierung ihres wahren Wesens treu ergeben sind, sind immer echte Herzenswärme und Fürsorglichkeit offensichtlich. Wenn fremde Menschen in eine solche Gemeinschaft kommen, werden sie liebenswürdig und warmherzig empfangen. Es gibt keine falschen Hierarchien oder Versuche, jemanden auszuschließen oder zu isolieren. In einer derartigen menschlichen Gemeinschaft treten diese Eigenschaften auch in Form der ungemeinen Liebe auf, die der Lehrer und die Mitglieder der Gemeinschaft manifestieren. Diese Eigenschaften sind das Ergebnis einer festen Entschlossenheit, Liebe zu verkörpern und in Liebe zu leben und niemals von diesem Ideal abzuweichen. Diese Liebe ist die vorrangige herausragende Fähigkeit des Lehrers. Wenn Menschen heranwachsen, erlangen sie durch die Einwirkung der Daten ihrer Familie und Gemeinde eine bestimmte Selbstidentität. Wir alle haben tiefverwurzelte Lebensweisen, die wir für gewöhnlich von anderen Menschen übernommen haben. Wir halten uns für unsere Daten, und wir halten andere für deren Daten. Das schafft Dualität, Voreingenommenheit und Leid. Wenn wir jedoch Menschen treffen, die auf offene Intelligenz vertrauen, ohne von Daten abgelenkt zu werden, erkennen wir plötzlich: „Wow! Sie richten ihre Aufmerksamkeit gar nicht auf ihre Daten, und ich brauche das auch nicht zu tun!‖ Dies ist ein Beispiel dafür, was es bedeutet, in offene Intelligenz eingeführt zu werden. Das kann im direkten Kontakt mit dem Lehrer oder einer

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Gemeinschaft geschehen, offensichtlich ist.

wo

kraftvolle

offene

Intelligenz

vollkommen

Durch Vertrauen auf offene Intelligenz gelangen wir zu der Einsicht, dass die herkömmliche Identität, für die wir uns gehalten haben, nicht unsere wahre Identität ist. Wir erlangen größere Vertrautheit mit der Weisheitsidentität, die von Natur aus präsent und in sich vollkommen ist. Wenn die herausragenden Fähigkeiten und die Weisheit des Lehrers vollständig präsent sind, kann diese Weisheitsidentität anderen mühelos und fachmännisch offenbart werden. Wenn wir diese völlig neue Lebensweise zu entdecken beginnen, können wir uns anfänglich zuweilen ein wenig orientierungslos fühlen, und wissen vielleicht nicht immer, wie wir uns verhalten sollen. Doch wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt,auf offene Intelligenz vertrauen, beginnt sich Weisheit samt ihrer herausragenden Fähigkeiten,in allen Situationen völlig entspannt und kompetentzu sein, nach und nach zu manifestieren. Wir sind in allen Lebenslagen geistig und körperlich völlig entspannt, ganz gleich ob Gedanken da sind oder nicht. In einem Leben, das auf dem ständigen Erkennen alltäglicher offener Intelligenz beruht, herrscht in jedem Moment eine ausgesprochene Kühnheit. Es gibt kein Drehbuch, in dem steht, wie wir mit unserem Leben umgehen sollen. Wir sprechen und handeln ohne vorherige Planung und ohne uns Gedanken zu machen. Wir verschwenden unsere mentale und emotionale Energie nicht länger an solche Gedanken wie „Was werden sie über mich denken? Welchen Eindruck werde ich hinterlassen?‖, da wir uns nicht länger auf eine persönliche Identität beziehen. Es herrscht einfach eine mühelos entspannte, natürliche Präsenz und die ausgesprochene Kühnheit authentischer Ausdrucksweise. Da wir nicht länger eine auf Furcht basierende ängstliche Erwartungshaltung haben, können wir spontan und mühelos auf alles eine Antwort finden. Viele Menschen entdecken, dass ihre Ängste einfach verschwinden. Es wird ganz klar gesehen, dass Angst nichts weiter als ein vorübergehendesDatumin offener Intelligenz ist und als solches kein unabhängiges Wesen und keine eigenständige Bedeutung besitzt. Angst ist in Wirklichkeit nur eine Form reiner offener Intelligenz selbst—eine flüchtige, lebhafte Erscheinung innerhalb der zeitlosen Weisheit, die unsere eigentliche Natur ist. Alles, was erscheint, wird als vollkommen gesehen, so wie es ist, und die passende Antwort ergibt sich von selbst, ganz gleich wie schwierig die Situation sein mag. Wervollständigauf offene Intelligenz vertraut, braucht keine Verdienste oder Tugenden anzuhäufen, denn weder das Eine noch das Andere fehlt in dem, was bereits absolut vollkommen ist. Ein authentisches und reinesTeaching weicht niemals von dieser Schlussfolgerung ab und fügt niemals etwas hinzu, das die Verbesserung eines fehlerhaften Selbst voraussetzt. Es besteht darauf, dass es nur ein Selbst gibt und dass dieses unbegrenzt, unteilbar, zeitlos frei und von Natur aus vollkommen ist. Es sagt nicht, dass wir Verdienste oder Tugenden entwickeln oder verschiedenen Tätigkeiten nachgehen müssen, damit wir rein

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genug werden, um unsere wahre Natur zu verstehen und zu erkennen. Es sagt vielmehr, dass unsere wahre Natur bereits realisiert ist! Darüber hinaus sagen authentische und direkte Teachings, dass es nur eine Methode gibt, nämlich auf völlig ungezwungene Weise auf offene Intelligenz zu vertrauen, bis siekontinuierlich wird. Das kann in mehr als nur einer Weise dargelegt werden, doch die Essenz des Teachings ist immer dieselbe. Werauf offene Intelligenz vertrauen möchte, sollte idealerweise einfach offen genug dafür sein, sich die Teachings anzuhören und ständig Vertrauen auf offene Intelligenz zu praktizieren. Das ist alles, mehr ist nicht nötig. Viele Lehrmethoden empfehlen vorbereitende Übungen, um Verdienste und Tugenden zu entwickeln und eine körperliche, mentale und verbale Läuterung zu bewirken. Es ist jedoch wichtig zu wissen, was der genaue Zweck dieser Übungen ist, denn ohne ein korrektes Verständnis können solche Praktiken ein Umweg sein. Der eigentliche Zweck jeder Übung ist, makellose Weisheit offenzulegen. Sobald dies geschieht, sind Weisheitskörper, Weisheitssprache, Weisheitsgeist, Weisheitseigenschaften und Weisheitsaktivitäten allesamt natürlich präsent. Es gibt nichts zu läutern. Der eigentliche Zweck der vorbereitenden Übungen ist aufzuzeigen, dass Körper, Sprache, Geist, Eigenschaften und Aktivitäten bereits jederzeit makellos rein sind. Wenn der Lehrer derart herausragende Fähigkeiten und Weisheit besitzt, dass dies eindeutig und direktvermittelt werden kann, wird jedem, der interessiert und offen ist, die innewohnende Reinheit aller Dinge sehr schnell deutlich. Manche meinen vielleicht, sie müssten nach Indien, Tibet oder an irgendeinen heiligen Ort gehen, um die passenden Bedingungen für Frieden zu finden. Doch wohin wir auch gehen, da finden wir uns wieder! Wir nehmen unsere Daten mit uns mit, und sie werden unsere Erfahrung gestalten, ganz gleich wo wir uns aufhalten. Es bedarf vollkommen offener Wahrnehmung in allenErfahrungen, und das kann man überall finden. Die Behauptung, gewisse Erfahrungen oder Orte seien besser als andere, versperrt uns den Wegzu wahren herausragenden Fähigkeiten und Weisheit. Die Behauptung, gewisse Dinge seien besser und andere schlechter, ist bloß eine herkömmliche Auffassung, und solche herkömmlichen Auffassungen über das Leben müssen genau unter die Lupe genommen werden, da sie wohl kaum zu wirklicher Freiheit und Frieden führen. Die absolute Einfachheit aller Dinge, so wie sie sind, wird durch irgendwelche philosophischen Gedankengebäude und Bezugssysteme nicht voll erfasst. Wenn wir vernehmen, wie großartig und herausragend wir als Menschen sind, öffnet sich ein Tor, und wenn wir durch dieses Tor treten, gibt es kein Zurück. Wir können nirgendwohin zurück und es ist niemand da, der zurückgehen könnte. Wir sind erstaunt darüber, was wir in uns finden. Wir wollen unsere neu entdeckte Leichtigkeit und unser Wohlbefinden naturgemäß mit allen teilen. Diese im Vertrauen auf offene Intelligenz innewohnende völlige Leichtigkeit des Seins bringt unsere Haut zum Leuchten und zaubert ein Lächeln auf unser Gesicht. Wir sind guten Mutes!

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Wenn wir mit unfehlbaren, präzisen und spezifischen Anleitungen in Berührung kommen und auch nur eine Spur Aufgeschlossenheit und Engagement haben, zu offener Intelligenz zurückzukehren, erkennen wir die vollkommen offensichtliche Natur unseres eigenen Wesens. Es ist sehr wichtig, unfehlbare Anleitungen zu erhalten, welche die maßgebliche Erfahrung der wahren Natur unseres eigenen Wesens rasch herbeiführen. Unfehlbare Anleitungen führen zur raschen Realisierung zeitlosoffener Intelligenz und zum Erwachen außerordentlichen Benefit bringender Kräfte. Bei den Anleitungen, von denen ich hier spreche, handelt es sich nicht um herkömmliche Lebensweisheiten. Ich spreche von der offenen Intelligenz, die zu gewissen Zeiten im Bewusstseinsstrom gewisser Individuen erscheint und die einTeaching bietet, das für die Menschen des jeweiligen Zeitalters absolut perfekt ist. Dieses Teaching führt zum raschen Erwachen von offener Intelligenz und wird stets in einer Sprache übermittelt, die für die Menschen des jeweiligen Zeitalters leicht verständlich ist. Bei diesem Teaching braucht man sich nicht anzustrengen und keine Tricks oder Kniffe anzuwenden. Man muss nur immer wieder für kurze Momente, viele Male wiederholt,auf offene Intelligenz vertrauen, bis sie jederzeit offensichtlich wird. Das ist alles. Es ist nicht notwendig, irgendetwas anderes zu tun oder auf etwas anderes zu bauen. Im Vertrauen auf offene Intelligenz finden wir endlich das, was wir durch all die Übungen, die wir jemals praktiziert haben, zu erreichen suchten. Ganz gleich was wir durch die verschiedenen Übungspraktiken oder durch weltliche Aktivitäten gesucht haben, wir werden das ersehnte wahre Glück und Wohlbefinden im Vertrauen auf offene Intelligenz finden. Frage: Ich weiß, dass in vielen Traditionen die Gnade des Gurus eine der wichtigsten Segnungen ist, die einem Schüler dargeboten werden kann. Hältst du die Suche oder den Wunsch nach der Gnade des Gurus für wichtig? Antwort: Wenn wir vollständig auf offene Intelligenz vertrauen, verweilen wir als Gnade. Das Wichtigste ist eine direkte Erfahrung von der Gnade der vollkommenenLeichtigkeit des Seins. Eine der Bedeutungen von „Guru‖ ist „der Verbanner von Dunkelheit.‖ Ein Guru oder Lehrer ist von größtem Nutzen, wenn du das klare Licht offener Intelligenz empowerst, in dem sowohl du als auch der Lehrer erscheint. Offene Intelligenz ist die wahre Gestalt des Gurus. Falls wir uns dem Guru oder Lehrer vollends hingeben und nicht einen Augenblick von ihr oder ihm getrennt sein wollen, so können wir das tun. Das ist allerdings nicht notwendig, und nicht jeder wird das tun wollen. Es gibt viele Anschauungen und Praktiken, die in der Vergangenheit einmal sehr erfolgreich gewesen sein mögen, doch jetzt einfach nicht mehr auf die gleiche Weise funktionieren. Es ist an uns, neue Wege zu gehen, die Essenz aus diesen traditionellen Praktiken zu entnehmen, und diese Essenz dann in einer Form anzuwenden, die in der modernen Welt funktioniert. Wenn wir einen Ausdruck wie „die Gnade des Gurus‖ hören, bedeutet das für jeden Menschen, abhängig 55

von seinen Daten, etwas anderes. Wenn Menschen heutzutage das Wort „Guru‖ hören, oder erfahren, dass man einen Guru hat oder dass man sich auf die Gnade des Gurus verlässt, werden sie sofort in die entgegengesetzte Richtung laufen! Wenn manjedoch sagt, dass man kontinuierliche Unterstützung durch einen Balanced View Trainer und das Training erhält, können das Menschen besser verstehen. Sich auf die Unterstützung des Lehrers zu verlassen, ist eigentlich dasselbe wie Zuflucht in der Gnade des Gurus zu nehmen. Doch es mag für Menschen heutzutage akzeptabeler sein, es „auf die Unterstützung des Lehrers vertrauen‖zu nennen. Was auch immer angeboten wird, es ist entscheidend, dass es für alle zugänglich ist. Die wirkliche Gnade des Gurus ist universell und berührt jeden ohne Unterschied. Was wichtiger ist als alles andere,ist dass diese Gnade alle Menschen auf der Welt erreichen kann. Es zeugt von Weisheit und herausragenden Fähigkeiten, wenn eine Sprache verwendet wird,welche die Mehrheit der Menschen leicht nachempfinden kann. Frage: Ich weiß, dass ich Mitgefühl für Menschen haben sollte, die sich selbst und anderen schaden, doch gleichzeitig finde ich, dass ich sie wenigstens darauf hinweisen sollte, welchen Einfluss ihr Verhalten auf andere hat. Wie kann man das am besten tun? Antwort: Wenn wir erkennen, dass all unsere Erscheinungen nichts als offene Intelligenz sind, dann empfinden wir naturgemäß Mitgefühl für uns und andere. Mitgefühl braucht niemals kultiviert oder entwickelt zu werden; es ist von Natur aus in offener Intelligenz vorhanden und kann nur in offener Intelligenz gefunden werden. Wenn es kultiviert wurde, ist es wahrscheinlich nicht echt. Wenn wir wahres Mitgefühl in uns entdecken, sehen wir, dass es auf natürliche Weise in uns erscheint; wir müssen es also nicht irgendwie herbeiführen. Diese Entdeckung befähigt uns, eindeutig zu erkennen, was andere Menschen denken und fühlen. Wir können erkennen, wo sie an Daten festhalten, und wir wissen, wie schmerzlich das ist. In der von dir beschriebenen Situation wäre eine Möglichkeit, der Person ihre Fehler klar vor Augen zu führen. Doch ungebetener Ratschlag ist meist nicht sehr hilfreich. Du könntest auf sie zugehen und sagen: „Ich sehe genau, was mit dir los ist, und ich werde es dir sagen!‖Bei Balanced View haben wir allerdings herausgefunden, dass das keine besonders effektive Methode ist. Wenn mich Menschen um Hilfe ersuchen und mich bitten, gemeinsam mit ihnen ihre Daten zu überprüfen, dann tue ich das; doch anderenfalls dränge ich mich nie auf diese Weise auf. Es gibt viel leichtere und bessere Methoden, Menschen zu helfen, als sie ungefragt auf etwas hinzuweisen. Wenn wir bei allen Dingen Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, ergeben sich daraus viele geschickteMittel und Wege, um Menschen empfänglich zu machen. Wir können beispielsweise auf geduldige und liebevolle Weise mit Menschen zusammen sein und sie so akzeptieren, wie sie sind. Das ist oft hilfreich, um sie etwas aufzulockern; dann kann Empowerment an die Stelle von Daten treten. Wenn

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das geschieht, sind sie natürlicherweise eher dazu bereit, einen objektiven und unvoreingenommenen Blick auf sich selbst und ihr Verhalten zu werfen. Wenn ich jemandem sehe, der in meinen Augen Hilfe bei etwas benötigt, dann spreche ich gegebenenfalls das Problem bei einer Gruppenansprache an. Die anwesende Person kann also hören, was ich zu sagen habe, ohne dass ich sie direkt ansprechen muss. Anschließend kann ich erkennen, ob die Person das Gesagte richtig verstanden und in sich aufgenommen hat. Auf diese Weise profitieren alle Zuhörer von den Anleitungen, da wir alle viele gemeinsame Daten haben. Bei dieser besonderen Herangehensweise sind wir alle unteilbar, aber keiner ist unsichtbar! Es gibt viele Menschen, die bereit sind,auf offene Intelligenz zu vertrauen, und die dabei unterstützt werden wollen.Diese Menschen werden wahrscheinlich offen dafür sein, was du zu sagen hast. Wenn du hingegen mit denen sprichst, die anderer Meinung oder uninteressiert sind, dann triffst du möglicherweise nur auf Widerstand, und wahrscheinlich werden weder du noch sie von der Unterredung profitieren. Genau zu wissen, wen man wie anspricht, macht alles so viel leichter. Ruhen ist Trumpf. Entspanne dich einfach!

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EINE NEUE FORM DES SEINS KAPITEL ACHT

„Wenn wir Vertrautheit mit dem erlangen, was sich all dieser Anschauungen bewusst ist—und dennoch unbeeinflusst von jeglichen Anschauungen bleibt—dann sind wir fest im Dasein verankert. Dies ist keine festgelegtePosition; Dasein hat weder Adresse noch Standort.”

In jedem Zeitalter der Menschheit hat es Menschen gegeben, die sich danach gesehnt haben, das Leben auf tiefgründige Weise zu verstehen. Solange man jedoch versucht, das Leben allein durch Denken zu verstehen, wird man niemals die unergründliche Essenz erfassen können, die über bloßes Denken hinausgeht. Wenn Menschen ihr Leben nur durch verschiedene Denkweisen erfahren, wird das Unergründliche immer außerhalb ihrer Reichweite bleiben. Es ist wirklich sehr primitiv zu glauben, unsere Intelligenz bestünde nur aus unseren Gedanken und Emotionen. Diese Auffassung schränkt das Verständnis unserer Intelligenz ein. Wenn wir glauben, unsere Intelligenz sei ein Nebenprodukt der biologischen Schöpfung des Menschen, dann wird uns dieser Glaubenssatz einschränken. Diese Auffassung sagt Folgendes: „Ich besitze Intelligenz, weil ich einen menschlichen Körper habe; ich werde diese Intelligenz so lange haben, wie ich lebe, und im Moment des Todes wird diese Intelligenz nicht länger existieren.‖ Wenn wir in diesen mentalen Strukturen gefangen sind, beziehen wir alle Geschehnisse stets auf unser individuelles Ich. Alles wird als etwas erlebt, das einem „Ich‖ widerfährt, dem Subjekt in einer Subjekt-Objekt Beziehung. Selbst wenn wir mit anderen sogenannten Subjekten zu tun haben, sehen wir sie in Wirklichkeit als Objekte an. Die anderen Menschen auf der Welt werden vergegenständlicht und entsprechend ihrem größeren oder geringeren Wert eingeschätzt, den sie für uns besitzen. Wir sehen alles als etwas, das in irgendeiner Form die Macht besitzt, unsere Gedanken und Emotionen zu beeinflussen. Warum sollten wir uns durch ein Szenario einschränken lassen, das behauptet, wir seien separate, individuelle Subjekte? Warum sollten wir die Auffassung vertreten, dass die Subjekt-Objekt Beziehung eine absolute Existenz besitzt, und dass die Realität aus Materie besteht und durch Wahrnehmungen beschrieben werden kann? Alles als solide und eigenständig existent zu betrachten, ist eine Art die Dinge zu sehen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass dadurch unsere wahre Natur zum Vorschein kommt. Das wäre so, als würde man sich nur ein winziges Teil eines gigantischen Puzzles anschauen und versuchen, das gesamte Puzzle aufgrund dieses einen Stückes zu erfassen.

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Wenn wir die Essenz des Lebens und der Intelligenz kennenlernen wollen, müssen wir uns mit dem vertraut machen, was sich aller Dinge auf makellose Weise bewusst ist. Wenn wir Vertrautheit mit dem erlangen, was sich all dieser Anschauungen bewusst ist—und dennoch unbeeinflusst von jeglichen Anschauungen bleibt—dann sind wir fest im Dasein verankert. Dies ist keine festgelegtePosition. Dasein hat weder Adresse noch Standort. Offene Intelligenz kann immenschlichen Körper erfahren werden, aber der menschliche Körper ist nicht der Ursprung von offener Intelligenz. Offene Intelligenz ist universell—und geht sogar über das Universum hinaus. Sie ist der Elementarraum, in dem das gesamte Universum erscheint. Wenn wir über irgendetwas sprechen—Leben, Intelligenz, Erfahrung, Dasein— müssen wir wissen, was sich all dieser Dinge eigentlich bewusst ist. Es ist offene Intelligenz, die sich all dieser Dinge auf makellose Weise bewusst ist.Sie ist untrennbar von der Grundintelligenz aller Dinge. Dieser Daseinsgrund ist sich aller Daten, aller Glaubenssätze und Auffassungen bewusst und sieht sich selbst in allen Daten. Dieser Daseinsgrund ist das, was sieht, weiß, erklärt, beschreibt, erlebt und ist. Einer unserer Glaubenssätze besagt zum Beispiel, dass wir ein Subjekt sind, welches Objekte wahrnimmt. Doch wenn wir uns einfach entspannen und untersuchen, was wahrnimmt, dann erkennen wir, dass da einzig und alleinoffene Intelligenz ist, in die alle diese Dateneingebunden sind. Dieseoffene Intelligenz ist die Grundlage dessen, wofür wir uns halten. Wenn wir mit dem Daseinsgrund vertraut werden, sehen wir allesso, wie es ist. Wir sehen das gesamte Ausmaß der Realität, wie es ist, und versuchen es nicht auf irgendetwas Bestimmtes zu reduzieren. Wir sehen jede Erscheinung als vorübergehend und vergänglich, und die Dinge verlieren zusehends anBeständigkeit. Wenn wir mit offener Intelligenz als dem Ursprung aller Dinge vertraut werden, ändert sich die Bandbreite unserer Erfahrungen radikal. Wenn wir unseren Gedanken und Emotionen immer und immer wieder eine eigenständige Bedeutung bescheinigen, ignorieren wir die Grundlage dieser Gedanken—offene Intelligenz—den Daseinsgrund. Sie ist allzeit präsent, doch wir bemerken sie nicht. Doch wenn wir auf das Gleichgewicht dessen bauen, was wahrnimmt, können wir alle diese unvorhersehbaren Gedanken und Emotionen so belassen, wie sie sind, ohne von ihrer scheinbaren Bedeutung überwältigt zu werden. Wir zehren unsere eigene Lebensenergie auf, wenn wir darauf bestehen, an der Bedeutung von etwas festzuhalten, das kein unabhängiges Wesen besitzt. Ganz gleich ob wir Bewusstseinseindrücke als „Wut‖ oder „Freude,‖ „gut‖ oder „schlecht‖ bezeichnen—sie erscheinen allesamt im selben Elementarraum offener Intelligenz und haben ihren Ursprung einzig und allein in dieser unendlichen Weite. Wir sollten direkt zur Quelle dessen gehen, was wahrnimmt, statt nach etwas außerhalb von uns zu suchen. Solange wir immerzu auf der Suche nach Weisheit

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sind—anstatt uns auf das zu verlassen, was wahrnimmt—werden wir sie nicht finden, denn das, was weise ist, ist das, was wahrnimmt. Viele von uns waren ihr Leben lang auf der Suche. Wir haben Antworten, Linderung von Leid oder eine Art geistiger Freiheitgesucht. Wir haben es vielleicht nicht einmal als „Suche‖ bezeichnet, doch irgendwie haben wir gespürt, dass es noch etwas anderes zu erreichen oder zu wissen gibt. Ganz gleich welche Form diese Suche annimmt, es geht letztendlich immer um den Drang nach Freiheit. Genau genommen ist jeder einzelne Augenblick unseres Lebens ein Ausdruck dieses Freiheitsdrangs. Wir verspüren bei allem, was wir denken, fühlen und tun, eine große Dringlichkeit. Diese Dringlichkeit ist nichts anderes als der Drang nach absoluter Freiheit. Doch wenn wir nicht wissen, wie man seinen Geist richtig entspannt, werden wir in unserem Leben nie mehr als ein paar vergängliche Augenblicke der Freiheit erleben. Selbst die abscheulichsten Gewalttaten sind in Wirklichkeit ein Ausdruck dieses Freiheitsdrangs. Alle Menschen suchen bei allem, was sie tun und denken, nach Mitteln und Wegen, um ihre Angst zu lindern. Wir haben durch langes Antrainieren gelernt, unsere Gedanken, Emotionen und Erfahrungen für wirklich und real zu halten. Und deshalb versuchen wir Gedanken, Emotionen und Erfahrungen zu finden, die uns Linderung verschaffen können,wie verworren dieses Bestreben oft auch sein mag. Die meisten Menschen schaffen es allerdings nie wirklich, auf diese Weise ihre Angst zu lindern. Daten werden durch dieses Bestreben bestenfalls neutralisiert, doch es verleiht kein anhaltendes Gefühl der Freiheit oder Linderung. Das ist der Grund, warum sich letztlich so viele Menschen frustriert und verwirrt fühlen. Selbst die spirituelle Suche ist größtenteils in den Versuch verstrickt, einDatum durch eine anderes zu ersetzen, mit dem Resultat, dass der Suchende bei der Suche keine wirkliche Freiheit finden kann. Doch wenn auf offene Intelligenz vertraut wird, wird über alle herkömmlichen Bezugspunkte hinausgegangen. Das Balanced View Teaching offenbart, dass an unseren Daten nichts verändert werden muss. Es gibt einzig und allein den elementaren Raum offener Intelligenz, die natürliche Ordnung der Dinge, die alle herkömmlichen Bezugspunkte durchschaut. Wir haben versucht, unsere negativen Gedanken loszuwerden und positive Gedanken zu haben. Wir haben versucht, unsere negativen Emotionen loszuwerden und positive Emotionen zu haben. Wir haben versucht, unsere negativen Erfahrungen loszuwerden und positive Erfahrungen zu haben. Wir haben versucht, unsere negativen Beziehungen loszuwerden und positive Beziehungen zu haben. Bei der sogenannten spirituellen Suche wird gewöhnlich beabsichtigt, sich in irgendeinen Zustand zu versetzen und aus einem entgegengesetzten Zustand herauszukommen. Doch solange wir versuchen, uns in einen bestimmten Zustand zu versetzen und aus einem anderen Zustand herauszukommen—ganz gleich ob wir das nun spirituelle Suche oder sonst etwas nennen—treten wir auf der Stelle.

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Der Hauptunterschied zwischen diesem Ansatz und dem Balanced View Training ist, dass das, wonach wir suchen, durch Vertrauen auf offene Intelligenz augenblicklich offenbart wird. Mit anderen Worten, entspanne alle Vorstellungen und Anschauungen über das, wofür du dich hältst, und (sie schnippt mit den Fingern) es ist da. Das Wesen dieser reinen offenen Intelligenz, die ohne Gegenpol ist, kann nur in dieser vollkommenen Entspannung erfahren werden. Das kann man Bewusstsein, Klarheit, universeller Grund, bewusste Intelligenz, reine Intelligenz oder offene Intelligenz nennen. Es ist das Wesen von allem, das existiert,und es ist ohne Gegenpol. Wenn wir uns als das entspannen, erkennen wir, dass es sich selbst erkennt. Wir entdecken, dass der Daseinsgrund sich seiner selbst bewusst ist. Alle Phänomene sind in Wirklichkeit der sich selbst erkennende Grund, der ohne Gegenpol ist. Wir können dieses Verständnis auf ganz praktische Weise zu unserer eigenen Erfahrung machen, indem wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, bis siekontinuierlichwird. Und was heißt das? Dasheißt, dass wir uns immer wieder für kurze Momente entspannen, ganz gleich welche Gedanken wir haben, ganz gleich ob sie nun Emotionen, Empfindungen, Erfahrungen, Menschen, Orte, Dinge oder sonst etwas beschreiben. Das tun wir solange, bis dieser entspannte Daseinsgrund jederzeit offensichtlich ist. So einfach ist das. Zur Unterstützung haben wir die Vier Mainstays: 1. Vertrauen in offene Intelligenz, 2. den Trainer oder die Trainerin, 3. die Trainingsmedien und 4. die Gemeinschaft. Zusammengenommen ist dies die kraftvollste Anleitung zum Leben, die jemals praktiziert werden kann. Wenn ein Gedanke erscheint, entspanne dich einfach und versuche nicht, das Erscheinende zu korrigieren. Auf diese Weise wirst du bald erkennen, dass alle Erscheinungen nur in offener Intelligenz existieren. Ich meine nichtoffene Intelligenz lediglich als menschliches Phänomen, sondern offene Intelligenz als Zentrum und Matrix des Universums. Offene Intelligenz ist makellos, unendlich weit und klar wie der wolkenlose Himmel, und demzufolge ist das Wesen aller Gedanken, Emotionen und Erfahrungen ebenfalls klar und grenzenlos wie der Himmel, denn sie erscheinen in offener Intelligenz und bestehen einzig und allein aus offener Intelligenz. Wenn wir offener Intelligenz vertrauen, wird uns das klar. In der unermesslichen Weite des Daseinsgrundes ist alles vollkommen entspannt. Alle Erscheinungen kommen aus Entspanntheit und kehren zu Entspanntheit zurück, und auch das Kommen und Gehen ist vollkommen entspannt. Wenn wir uns entspannen, erfreuen wir dieser natürlichen Leichtigkeit offener Intelligenz, die identisch mit dem ist, was wir sind. Es spielt keine Rolle welche Hautfarbe wir haben, welches Geschlecht oder welchen Intelligenzgrad—diese Leichtigkeit steht allen gleichermaßen zur Verfügung und

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ist allen gleichermaßen zugänglich. Es spielt keine Rolle wer wir als Mensch sind; jeder kann unter allen Umständen in den Genuss der vollkommenen Leichtigkeit des Seins kommen. Wenn alle Erfahrungen als offene Intelligenz wahrgenommen werden, wird erkannt, was reichhaltige und lebendige Offenheit bedeutet. Die offene Intelligenz, von der ich spreche, bewegt sich weder in irgendeine Richtung noch verändert sie sich in irgendeiner Weise. Halte jetzt einen Moment inne und entspanne dich als das wahre Wesen deines eigenen Geistes, als die offene Intelligenz, die unveränderlich und unbeweglich ist. Sie hat keine Farbe, keine Form und keinen Kern. Wenn du bei dieseroffenen Intelligenz angelangt bist, die weder Farbe noch Form hat, suche nach einer Mitte oder nach einem Umfang. Hat dieseIntelligenz eine Mitte oder einen Umfang, oder ist sie so grenzenlos und weit offen wie das Weltall? Jetzt schau dich ein wenig um. Bewegt sich das, was wahrnimmt? Es verändern sich vielleicht die Dinge, die du siehst, aber verändert sich das, was wahrnimmt? Gibt es ein Innen und ein Außen, das durch die Begrenzung der Haut getrennt ist? Gibt es viele Objekte außerhalb deiner selbst, oder sind all diese Dinge in Wirklichkeit Erscheinungen innerhalb offener Intelligenz? Wenn du keinen Unterschied zwischen innen und außen findest, dann bist du bei offener Intelligenz angelangt, die so unermesslich ist wie der Himmel. Du erlangst auch das, was offene Intelligenz mit sich bringt, nämlich die Fähigkeit, dich auf eine Art und Weise am Leben zu beteiligen, die für dich und andere durch und durch wohltuend ist und Benefit bringt. Falls du dich jemals gefragt hast, was offene Intelligenz ist: das ist es. Du erkennst offene Intelligenz, wenn du alles, was erscheint, so belässt, wie esist. Du entdeckst, dass offene Intelligenz kein Innen oder Außen, keine Dimension und keine nachweisbaren Eigenschaften hat. Um dieses Verständnis zu erleichtern, frage dich zuerst einmal Folgendes: Wo kommen Erscheinungen her, wo sind sie jetzt und wohin gehen sie? Das Erscheinen, das Verbleiben und das Verschwinden—auch all das ist offene Intelligenz. Es gibt keinen Wandel und keine Veränderung. Im Verlauf deiner Untersuchung wirst du erkennen, dass Erscheinungen die magische Entfaltung offener Intelligenz sind,wie ein Nebel, der sich in der Atmosphäre bildet und sich wieder darin auflöst. Sie bilden sich in offener Intelligenz und lösen sich wieder darin auf. Sie sind nichts anderes als das Aufleuchtenoffener Intelligenz. Erscheinungen und offene Intelligenz sind ein und dasselbe. Gestern Abend hatte ich eine interessante Unterhaltung. Ich sprach mit einem indischen Mönch, der seit Langem in Rishikesh lebt, und der sich über die Veränderungen in der Gegend beklagte. Er sagte: „Als ich vor langer Zeit nach Rishikesh kam, war es nur ein kleiner Ort mit einer ungemein spirituellen Atmosphäre, und jeder hier war entweder ein Heiliger oder auf der Suche. Jetzt ist alles anders und die Leute, die hierher kommen, haben überhaupt kein

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Interesse an spiritueller Suche. Sie wollen sich nur amüsieren und Spaß haben. Findest du nicht auch, dass der Ganges und dieser heilige Ort etwas ganz Besonderes sind und dass es schrecklich ist, was heutzutage hier vor sich geht?‖ Ich entgegnete: „Weißt du, jeder Ort ist etwas Besonderes. Und ganz gleich, was hier geschieht, das Gesetz der Unbeständigkeit gilt überall. Was erschienen ist, wird verschwinden, und was noch nicht ist, wird erscheinen. Alle Dinge hier verschwinden und andere Dinge erscheinen. Wenn die Dinge sich auf so dramatische Weise verändern wie heutzutage, ist das nur ein weiterer Ausdruck des ewigen Gesetzes von Wandel und Unbeständigkeit.‖ Die Unterhaltung brachte mich auf den Gedanken eines neuen heiligen Flusses, an dem sich die spirituell Suchenden heutzutage versammeln. Wisst ihr, welcher Fluss das ist? Das Internet! Der heilige Fluss des Internets ist eine unglaubliche Manifestation, der die Menschen überall miteinander verbinden kann, denn er fließt durch die ganze Welt. Die Technologie hat viel zur Gründung einer globalen Einheit beigetragen. Heutzutage können wir in abgelegenen Gebieten in Tibet auf Mönche mit Handys treffen! Ein fabelhaftes Kommunikationsnetz ist entstanden, und es ist Teil des heiligen Flusses, an dem sich die Menschheit versammeln kann. Es war sehr lange Zeit äußerst schwierig, direkte Teachings wie von Balanced View zu erhalten. Sie wurden nur sehr wenigen Menschen gegeben und viele Lehrer waren oft sehr schwer erreichbar. Man musste lange nach einem Lehrer suchen und dann auch noch oftmals irgendeinen Beweis erbringen, um diese Teachings zu erhalten. Doch in der modernen Welt haben sich die Dinge geändert. Die Tradition, wo Heilige und Suchende zusammenkommen, ist von großer Bedeutung, aber wir brauchen nicht an irgendwelchen überlieferten Vorstellungen festzuhalten, wie die Dinge sein oder aussehen müssen. Weisheit ist niemals irgendwo stehengeblieben. Sie verharrt nicht in historischen Umständen, bei historischen Persönlichkeiten oder in Traditionen. Wir müssen an keinem unserer Glaubenssätze festhalten, ganz gleich wie erhaben sie sein mögen oder wie viele Leute daran glauben. Wir brauchen uns nur in allzeit präsenter offener Intelligenz zu entspannen. Sie geht über alle althergebrachten Vorstellungen hinaus, dies oder das zu sein, und ist immer präsent. Frage: Mich fasziniert der Bezug, den du zum Internet hergestellt hast. Ich weiß, dass das Internet für viele Dinge steht, aber ich habe es noch nie als einen „heiligen Fluss” betrachtet! Könntest du vielleicht noch etwas mehr darüber sagen? Antwort: Nun, zuerst einmal sind Internet und Computer eine großartige Metapher für das Erscheinen und Verschwinden von DatenimElementarraumoffener Intelligenz. Digitale Information wird beispielsweise in der Form von Einsen und Nullen übertragen, und diese Einsen

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und Nullen formen auf dem Computerbildschirm ein Bild, das real zu sein scheint. Ich bin sicher, dass viele von uns auf eine Webseite gegangen sind, die dann stundenlang unsere Aufmerksamkeit gefesselt hat. Und doch ist dieses Ding, das uns so in seinen Bann zieht, nichts als eine Ansammlung von Einsen und Nullen, die auf dem Computerbildschirm erscheinen und verschwinden! Ein weiteres Beispiel für diesen Effekt ist ein pointillistisches Gemälde. Pointillismus ist eine Art der Malerei, bei der der Maler eine Szene nicht mit Pinselstrichen malt, sondern indem er Tausende und Abertausende von winzigen Farbtupfern mit der Spitze seines Pinsels aufträgt. Wenn man sich das Gemälde von Weitem anschaut, sieht man eine wunderschöne Landschaft oder ein menschliches Gesicht, doch bei nähererBetrachtung erkennt man, dass das Gemälde nur ein Haufen Farbtupfer ist, die zusammen das Bild erzeugen. Ob wir nun auf ein pointillistisches Gemälde oder die Bits und Bytes computerisierter Darstellung blicken, wir schauen auf einen Haufen Punkte, die mit Daten in offener Intelligenz vergleichbar sind. Falls wir darauf pochen, dass das Bild, welches wir sehen, eine eigenständige Realität besitzt, haben wir nur ein sehr eingeschränktes Verständnis. Falls wir jedoch imstande sind zu erkennen, dass das Bild auf dem Computerbildschirm, das pointillistische Gemälde und unsere Sinneswahrnehmungen nur aus Daten bestehen, dann haben wir unser Erkennungsvermögen von offener Intelligenz—die Grundlage aller Daten—verbessert. Wir haben unsere Fähigkeit verbessert, die wahre Grundlage von Wahrnehmungen zu erkennen. Wenn wir bei dieser Metapher bleiben, müssen wir auch die völlige Offenheit des Internets und die Art und Weise in Betracht ziehen, wie es durch radikal unkonventionelle Denkweisen entstand. Das rasante Wachstum des Internets zu einem gigantischen, globalen Phänomen ist nicht durch die Bemühungen einer Regierung oder einer großen Organisation zustande gekommen. Es war eine Basisbewegung, die von vielen Menschen mit der Fähigkeit ausging, einen Sprung in eine neue Denkweise zu machen. Das Netz wurde von Benutzern an der Basis entwickelt, die den freien Zugang zu Informationen sicherstellen wollten. Es entstanden Open Source Anwendungen wie das Linux Betriebssystem und die Internetenzyklopädie Wikipedia, die von ihren Benutzern verändert werden können. Das war eine ungeheure Herausforderung für die lange Zeit vertretene Auffassung, eine Anwendung müsse innerhalb einer autoritären Struktur streng kontrolliert werden. Die ersten Pioniere des Internets sagten voraus, dass Hunderte von Millionen von Menschen einen eigenen Computer haben würden und dass das Internet sich über die gesamte Welt verbreiten würde. Die meisten Leute machten sich darüber lustig und sagten, dass das nie geschehen würde. Die althergebrachte Denkweise besagte, dass die meisten Menschen keinen Computer kaufen und nicht für das Internet bezahlen würden. Und jetzt schaut euch einmal an, was passiert ist! Fünfzehn Jahre nach dieser Prognose besitzen weit mehr als die

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prophezeite Anzahl von Menschen einen Computer oder Computergeräte, und Zugang zum Internet ist auf der ganzen Welt möglich. Die heutige Situation ist ähnlich: mehr und mehr Menschen werden Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen. Balanced View ist eine Basisinitiative wie das Web, Linux und Wikipedia. Diese Bewegung ermöglicht allen den Zugang zu den herausragendenFähigkeitenoffener Intelligenz. Wir müssen dies für uns als Einzelpersonen tun, aber auch für die Menschheit, denn falls wir das nicht tun, überlebt die Menschheit möglicherweise nicht mehr lange. Um zu überleben, müssen wir eine ausgewogene Sichtweise entwickeln. Ein Szenario wäre meiner Ansicht nach, dass nur ein Bruchteil der Menschheit—sagen wir ungefähr eine Milliarde—Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen wird. Das optimale Szenario wäre, dass alle dazu in der Lagewären, da die direkten Anleitungen, wie man Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangt, jetzt ganz unmittelbar zugänglich sind. Man könntemeinen, das sei eine ungeheuerliche Prognose. Doch hat es nicht auch ungeheuerlich geklungen, als vor fünfzehn Jahren einige wenige Leute vorhersagten, dass das Internet hunderten von Millionen von Menschen zugänglich sein würde? Wir sind jetzt eine globale menschliche Gesellschaft mit der Fähigkeit, Informationen auf der ganzen Welt frei auszutauschen. Infolgedessen entwickeln wir eine standardisierte Kommunikationsform. Wir besitzen Kommunikationsformen, die immer mehr miteinander verschmelzen und gemeinsame kulturelle Ausdrucksformen, die für alle immer gebräuchlicher werden. Wir sehen nach und nach auch ein gewisses Maß an Standardisierung in unserem Sprachgebrauch und in unseren Auffassungen beim Erforschen der Realität. Das ist vergleichbar mit Millionen von Menschen, die dieselbe Webseite benutzen, wie zum Beispiel Google. Jeder, der Google benutzt, besitzt das grundsätzliche Verständnis, dass es gemeinsam mit anderen benutzt wird. Teachings, die früher einmal auf einen bestimmten Kulturkreis oder eine bestimmte Tradition beschränkt waren, werden teilweise aufgrund der Standardisierung der globalen Gesellschaft dem Großteil der Menschheit zugänglich gemacht. Direkte Anleitungen, wie man Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangt, sind jetzt für jeden mit Internetzugang erhältlich. Das Balanced View Training ist so konzipiert, dass es für den modernen Menschen einfach zu anzuwenden ist. Es bezieht sich auf die Erfahrungen eines breiten Spektrums von Menschen und ist nicht auf einen bestimmten Kulturkreis oder eine Tradition bezogen. Das Training kann sich jetzt problemlos über die ganze Welt verbreiten, nicht nur wegen des Internets, sondern auch weil es in einer modernen Sprache kommuniziert wird und die Bedürfnisse der Menschen dieses Zeitalters direkt anspricht.

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BELASTENDE ZUSTÄNDE KAPITEL NEUN

„Wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten, entdecken wir, dass zwischen Glück und Leid keine Trennung besteht. Praktischgesehen bedeutet das, dass wirvöllig entspannt und gelassen sein können, ganz gleich ob Glück oder Leid vorherrscht.”

Der Ausdruck „belastende Zustände‖ bezieht sich auf Gedanken, Emotionen und Empfindungen, die als beunruhigend empfunden werden. Viele von uns haben sichbisweilen von äußerst schmerzlichen Zuständen überwältigt gefühlt. Wir halten den Schmerz und das Leid nicht länger aus und suchen einen Ausweg aus den Qualen dieser belastenden Zustände. Doch wahrscheinlich wurde uns ein solcher Ausweg nie auf verständliche Weise dargelegt. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, finden wir diesen Ausweg. Wir entdecken unsere eigentliche Natur, die von jeglichen emotionalen Zuständen unberührt ist. Wenn wir genau hinsehen, können wir erkennen, dass offene Intelligenz durch nichtsgeändert oder verändert werden kann, ganz gleich was in unserem Leben geschieht, nicht einmal durch etwas, das momentan wie eine schreckliche Tragödie erscheint. Offene Intelligenz ist absolut konstant; sie verändert sich nie. In dieser Entdeckung finden wir wahre Freiheit und enormes Mitgefühl für uns und andere. In müheloser Weisheit erkennen wir, wie wir auf uns selbst und den Planeten, auf dem wir leben, achtgeben können.Wir entdecken unsere grundlegende menschliche Güte. Das ist es, was das Balanced View Training anbietet. Belastende Zustände meistern zu können, kommt nicht dadurch zustande, dass man positive Zustände entwickelt oder negative Zustände in positive umwandelt. Wir können sie wirklich meistern, indem wir unseren Geist in offener Intelligenz entspannen, in seiner eigentlichen Natur, und alle Erscheinungen als eine Form dieseroffenen Intelligenz erkennen. Unser Geist ist von Natur aus weise und hilfsbereit, und ist untrennbar von grenzenloser, zeitloser, reineroffener Intelligenz. Wenn wir unseren Geist bis ins Detail zu kontrollierenversuchen, indem wir das, was darin erscheint, zu modifizieren oder zu zensieren versuchen, kapseln wir uns von unserer naturgegebenen friedlichen, glücklichen und Benefit bringenden Natur ab. Alle Erscheinungen, ganz gleich ob wir sie als belastend, negativ oder positiv beschreiben, sind immer nur die dynamische Energie offener Intelligenz und nichts anderes. Da alle Erscheinungen aus derselben offenen Intelligenz bestehen, sind sie gleichwertig, und da flüchtige, trügerische Erscheinungen keine eigenständige Realität besitzen, kann man durch sie nichts gewinnen oder verlieren. Statt uns diesen Erscheinungen zu widersetzen, sie zu begehren oder zu versuchen, sie

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auf irgendeine Weise zu verändern, entspannen wir uns bei ihrem Auftauchen einfach und erkennen in jeder Erscheinung die reine offene Intelligenz, welche die eigentliche Natur unseres eigenen Wesens ist. Wenn offene Intelligenz aufrechterhalten wird, werden alle Datengeklärt—aber nicht, wenn wir negative Daten zupositiven Daten machen. Nichts an uns muss verändert werden! Wenn wir nun zum ersten Mal hören, dass wir unsere negativen Gedanken und Emotionen nicht loswerden müssen, denken viele: „Wie ist das möglich? Wenn ich meinen Gedanken und Emotionen einfach freien Lauf lasse, werde ich zum Barbaren!‖ Doch wenn wir Vertrauen in offene Intelligenz zu entwickeln beginnen, entdecken wir mitnichten einen Barbaren, sondern eine tiefe Ruhe, die unser innewohnendes Naturell ist. Und wenn wir uns immer weiterentspannen und uns nicht von Erscheinungen ablenken lassen, beginnt sich tiefe Weisheit zu manifestieren. Alle Gedanken und Emotionen werden weiterhin sein, was sie sind, doch sie werden uns nicht länger aus der Ruhe bringen. Wenn ich über diese äußerst belastenden Zustände spreche, spreche ich nicht als Philosoph, sondern als jemand, der selbst sehr schwierige und belastende Emotionen erlebt hat. Ich habe jahrelang versucht, meine belastenden Gedanken und Emotionen auf vielerlei Weise zu bewältigen: Durch das Erbringen großer Leistungen, das Studium von Philosophie und Psychologie, durch intellektuelles Verständnis, Gebet, gesellschaftlichen Umgang, Sex, Alkohol und Marihuana, um nur die wichtigsten zu nennen. Als ich jedoch vor siebenundzwanzig Jahren in eine besonders schwierige Situation geriet, haben all diese Ansätze nicht mehr funktioniert. Ich befand mich in einem Zustand furchtbarer Angst und konnte keinen Trost in den Glaubenssätzen oder Gegenmitteln finden, auf die ich mich bislang verlassen hatte. Nichts, was ich je gelernt hatte, verschaffte mir Erleichterung—keine Selbsthilfemethoden und keine mir bekannte Person. Inmitten dieser Krise entdeckte ich irgendwie, dass all diesen schmerzlichen emotionalen Zuständen ein unermesslicher, unendlich reiner Raum zugrunde lag, der vollkommen frei von Leid ist. Zu der Zeit wusste ich nicht genau, wie ich diese Erkenntnis beschreiben sollte. Ich wusste nur, dass das Ruhen in dieser Weite eine sofortige Linderung des Schmerzes brachte. Je mehr ich darin ruhte, desto mehr sah ich, dass mir dies tatsächlich bei allen Erfahrungen, seien sie positiv oder negativ, dieselbe Linderung verschaffte. Die Erleichterung war nicht getrennt von dem, was auftauchte; sie war derUrsprungdessen, was auftauchte, und schloss dieses mit ein. Je mehr ich als diese Erleichterung ruhte, desto mehr begann ein warmes Gefühl des Wohlbefindens alles zu durchdringen. Nach und nach entdeckte ich die Fähigkeit, in allen Situationen unbeeinträchtigt und völlig entspannt zu sein, ganz gleich was sich ereignete. Das war der Samen, der sich jetzt zum Balanced View Training entwickelt hat. Balanced View lehrt uns, dass Gedanken und Emotionen keine unabhängige Existenz haben; sie sind nichts als flüchtige Erscheinungen in offener Intelligenz

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und haben keine eigene Macht. Die meisten von uns haben gelernt, ihren Geist auf sehr eingeschränkte Weise zu verwenden, um sich selbst und die Geschehnisse auf der Welt zu beschreiben. Wenn wir den Geist allerdings nur auf diese eingeschränkte Weise verwenden, werden wir nicht den Elan und die Energie haben, die wunderbaren Dinge für die Welt und uns selbst beizusteuern, zu denen wir fähig sind. Selbst wenn wir äußerlich den Anschein eines äußerst versierten Menschen machen, ist unser Leben fruchtlos—verglichen mit dem, was wir sein könnten, wenn wir nicht versuchen würden, alle unsere Gedanken und Emotionen bis ins Detail zu kontrollieren. Wenn wir unser Leben damit verbringen, unsere Gedanken und Emotionen zu bekämpfen, so als hätten sie ein unabhängiges Wesen, dann werden wir sie nie als das erkennen, was sie wirklich sind. Beim Boxen versuchen zwei Kämpfer sich gegenseitig bewusstlos zu schlagen. Wenn wir uns ein Leben lang dabei zermürben, unsere belastenden Zustände loszuwerden, dann kommt dies einem Boxkampf mit unserem Geist gleich! Wir betrachten unsere Gedanken und Emotionen als Feinde, vor denen wir Angst haben und sind der Auffassung, dass wir sie gefügig machen müssen. Wir fürchten jedoch, dass uns dies nicht gelingt, und dass sie uns tagein, tagaus mit ihren Schlägen zermürben und uns schließlich ganz K.O. schlagen! Gedanken und Emotionen zu analysieren, abzulehnen oder sie mittels verschiedener Ansätze zu verbessern, führt nur dazu, ihre scheinbare Realität zu stärken. Wir boxen eigentlich nur mit Schatten, und doch verleiht jeder Versuch, unsere Gedanken zu verändern oder zu verbessern, den Schatten mehr scheinbare Realität. Wir sind immerzu auf der Suche nach etwas, das uns ein besseres Gefühl geben kann. Wir nehmen uns vor, uns zu bessern: „Morgen werde ich gut sein. Ich werde nicht ausrasten und keinen Tobsuchtsanfall bekommen!‖ Dann kommt der morgige Tag, und wir kriegen unsere Gedanken und Emotionen einfach nicht unter Kontrolle und flippen dann ausgerechnet in Gegenwart unseres Chefs aus! Wir möchten Freiheit von negativen Gedanken und Emotionen erlangen, indem wir sie in positive Gedanken und Emotionen umwandeln, doch das ist auf Dauer nicht möglich. Gedanken und Emotionen sind von Natur aus spontan und unvorhersehbar. Sie kontrollieren zu wollen, ist wie der Versuch, die Spiegelbild des Mondes in einem Teich festhalten zu wollen. Es gibt nichts zum Festhalten— und es gibt kein „Ich,‖ das festhält! Sowohl Subjekt als auch Objekt sind wie eine Fata Morgana. Vielleicht kaufen wir ein Selbsthilfebuch, das uns sagt, wie man mit Depressionen und geringem Selbstwertgefühl umgeht. Wir sind eine Zeit lang glücklich und hoffnungsvoll, aber was geschieht, wenn wir das Buch beiseitelegen? Die alten negativen Gedanken überfluten uns einfach wieder. Also greifen wir zu einem anderen Selbsthilfebuch, und dasselbe passiert wieder, denn wir verwenden lediglich einDatum, um ein anderes zu verändern. Das ist ein sinnloses Unterfangen, und es wird niemals wirklich funktionieren.

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Wir sollten uns bewusst sein, dass nicht nur negative Gedanken und Emotionen beunruhigend sind—alle Gedanken und Emotionen sind in gewissem Sinne beunruhigend, solange wir nicht erkennen, dass sie grundsätzlich nur lebhafte Erscheinungen offener Intelligenz sind. Wir versuchen diejenigen, die wir mögen, zu behalten, doch das gelingt uns nicht. Und wir versuchen diejenigen, die wir nicht mögen, loszuwerden, doch das können wir genauso wenig. Folglich sind beide Alternativen schmerzlich! Wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten, entdecken wir, dass zwischen Glück und Leid keine Trennung besteht. Wir erkennen, dass wir völlig entspannt und gelassen sein können, ganz gleich ob Glück oder Leid vorherrscht. Wie wir das können? Wir vertrauen auf offene Intelligenz, auf die ursprüngliche Natur sowohl von Glück als auch von Leid, und dort entdecken wir wahren Frieden. Wir finden die Leichtigkeit des Seins, die völlig unbeeinflusst von Emotionen ist. Das bedeutet, dass wir viele neue Optionen im Leben haben. Wir brauchen uns nicht an althergebrachte Auffassungen über Glück und Leid zu klammern. Wir besitzen ein viel tiefgehendes Verständnis dafür, dass die zugrundeliegende Basis dieselbe ist, ganz gleich wie unsere eigenen Freuden und Sorgen aussehen mögen. Den meisten Menschenfällt es anfangs leichter, beim Auftauchen positiver und neutraler Daten einen Moment lang auf offene Intelligenz zu vertrauen, und in Gegenwart negativerDatenfällt ihnen das schwerer. Wenn wir uns darin üben, bei positiven und neutralen Zuständen auf offene Intelligenz zu vertrauen, werden wir besser darin. Schließlich sind wir imstande, auch bei negativen Zuständen immer mehr auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wenn negative Zustände auftreten, kann es anfänglich sehr schwierig sein, uns an der Leichtigkeit unseres Seins zu erfreuen, weil alles in uns aufschreit: „Nein, nein, das kann unmöglich offene Intelligenz sein!‖ Es mag völlig unmöglich erscheinen, bei Zuständen wie Panik, Wut, Hass, Verwirrung und Eifersucht auf offene Intelligenz zu vertrauen, doch das bedeutet nicht, dass es unmöglich ist. Wir haben uns bloß in dem Glauben trainiert, dass diese Emotionen eine Bedrohung seien. Doch wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, können wir die unbedrohliche Natur belastender Emotionen nachvollziehen. Indem wir immer wieder für kurze Momente auf Klarheit vertrauen, unterstützen wir uns dabei, offene Intelligenzselbst beim Auftauchen belastender Zustände aufrechtzuerhalten. Wir haben häufig nach Wegen gesucht, um unsere belastenden Zustände durch Gegenmittel loszuwerden. Doch selbst wenn wir einen Weg finden, um unsere belastenden Zustände für eine Weile mit einer Flasche Wodka zu betäuben, oder indem wir einen Joint rauchen oder eine Ecstasypille nehmen— was passiert, wenn die Wirkung nachlässt? Die belastenden Zustände kehren zurück. Vielleicht sind die von uns verwendeten Gegenmittel nicht so extrem wie die, die ich gerade erwähnt habe. Statt Drogen zu nehmen oder sich zu betrinken, sitzen wir vielleicht den ganzen Tag vor dem Fernseher, schauen uns Pornos an, spielen endlos elektronische Spiele, schlafen oder essen zu viel. Oder 69

wir rufen Freunde an und schwatzen, machen extra lange Überstunden oder beschäftigen uns mit anderen Dingen, die uns von unserem Schmerz ablenken. Welche Form der Flucht es auch sein mag, es sind alles Gegenmittel, und keines von ihnen vermag unsere negativen Gedanken und Emotionen völlig aufzulösen. Ganz gleich wie sehr ihr in einem dieser belastenden Zustände feststeckt, ich möchte euch dringend bitten, den Gebrauch von Gegenmitteln zu meiden und euch stattdessen einfach zu entspannen und auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wenn ihr den Eindruck habt, dass euch etwas richtig im Griff hat, dann bittet um Unterstützung durch die Vier Mainstays, und dann vertraut so gut ihr könnt auf offene Intelligenz und lernt das kennen, was ihr eigentlich seid. Empowert die Entspanntheit eures eigenen Wesens und erkennt alles als einen Ausdruck dieses reinen Wesens. Dann wird sich alles, was auftaucht, auf natürliche Weise von selbst auflösen. Man könnte endlos damit fortfahren, seinen Geschichten Sinn und Bedeutung beizumessen. Doch warum sollte man sich die Mühe machen? Eine Geschichte führt zur nächsten. So werden bloß all die Geschichten über unsere scheinbaren Mängel angeheizt: „Ich bin nicht gut genug,‖ oder „Ich will mich nicht verlieben, weil ich dann doch nur wieder verlassen werde,‖ oder „Ich bin unfähig, die Arbeit zu finden, die ich ausüben möchte, weil ich nicht kompetent genug bin,‖ oder „Ich kann nicht das tun, was ich wirklich möchte, weil ich nicht genug Geld habe.‖ Je mehr wir uns mit solchen Geschichten einschränken, desto mehr Leid erzeugen sie. Wir können auch versuchen, durch unsereGeschichtengrößeren inneren Frieden zu erlangen, doch das macht unsere mentale Rastlosigkeit nur noch schlimmer. Den Geist durch Geschichten beruhigen zu wollen, ist wie der Versuch, die Luftblasen in einem Schaumbad zu verringern, indem man das Wasser mit einem Mixer aufwühlt! Viele Menschen meinen, sie seien abhängig von ihren Stimmungen undglauben, dass Stimmungen durch Denken hervorgerufen würden, und dass Gedanken demzufolge eine furchtbare Macht über ihr Leben ausüben würden. Diese unterschiedlichen Stimmungen ziehen in unserem Geist auf wie eine Schlechtwetterfront, und darunter leidet unser Wohlbefinden. Und dann sorgen wir dafür, dass andere ebenfalls leiden, nicht wahr? Wir wachen morgens mit dem Gedanken auf: „Ich bin so ein fürchterlicher Mensch, dass ich sicherlich einen miesen Tag haben werde!‖ Wir reagieren auf diesen Gedanken, als hätte er totale Macht über uns, und siehe da, er wird zur Realität! Und dann bürden wir unsere miese Laune jedem auf, der uns über den Weg läuft! In einem Leben, das auf Stimmungen basiert, ist jeder Tag wie eine Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen. Auf dem höchsten Punkt der Achterbahn haben wir einen glücklichen Gedanken, doch plötzlich erscheint ein trauriger Gedanke und die Achterbahn donnert abwärts! Wenn wir auf dieser Berg-undTal-Bahn bleiben und glauben, dass jede Veränderung in unserer Stimmung widerspiegelt, wer wir sind, dann sind wir blind gegenüber unserer höchsten Realität, die niemals durch irgendwelche Stimmungen, Gedanken oder

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Emotionen beeinflusst wird. Wir sind eingekapselt in Angst und Schmerz und stumpfen unserem eigenen Leid und dem Leid anderer gegenüber ab. In Wahrheit haben Gedanken und Emotionen niemals die Macht, über uns zu bestimmen. Was ihnen Macht zu verleihen scheint, ist die Art und Weise, wie wir auf sie reagieren. Die zugrundeliegende Basis aller Gedanken und Emotionen ist das klare Licht offener Intelligenz, die stets gelassene, vollkommene Entspanntheitdes Geistes. Offene Intelligenz ist gleichbedeutend mit Weisheit, Liebe und Energie. Indem wir unsere eigentliche Natur empowern, wird unser Leben mit diesen Eigenschaften durchtränkt, und wir wissen stets, was getan und wie gehandelt werden muss. Wir können wählen, wie wir unseren Verstand verwenden wollen: Entweder wir versuchen im Bewusstsein erscheinende Gedanken und Emotionen zu verändern, oder wir empowernpures Sein, den elementaren Raum dieses Verstandes—unsere eigene, ursprünglicheSuperintelligenz. Es ist sehr wichtig, dies zu verstehen, denn der erste Weg endet in Verwirrung und Leid, während der zweite Weg zu wahrer Freiheit führt. Wenn wir auf offene Intelligenzvertrauen,lassen wir einLeben hinter uns, dasauf Stimmungsparametern basiert, und entdeckendie unendliche offene Intelligenz, die unser wahres Wesen ist. Wenn wir unser gesamtes Leben damit verbringen, unseren Gedanken und Emotionen Bedeutung beizumessen, wird sich unser Gesichtsausdruck verfinstern und alles Licht aus unseren Augen verschwinden. Es wird nicht lange dauern, und wir werden im Speisesaal eines Altersheims sitzen und uns über unsere Arthritis und unseren schlechten Stuhlgang beklagen und jedermanns Fehler hervorheben: „Schau dir bloß die mit den blauen Haaren an! Und die Frau da drüben! Das ist die, die beim Bingo spielen betrügt!‖ Nichts hat sich geändert, außer dass wir jetzt 80 Jahre alt sind und der Körper zerfällt; aber wir verlieren uns weiterhin in all diesen Geschichten. Wahres Wohlbefinden ist nicht das Resultat einer Auslese, bei der wir bestimmen: „Das an mir ist gut und das ist schlecht.‖ Wir sind nicht in einen Teilgespalten, der von Grund auf fehlerhaft und mit Sünde behaftet ist und einen anderen Teil namens „offene Intelligenz,‖ der wundervoll und rein ist. Viele von uns sind in dem Glauben erzogen worden, wir seien Sünder und von Natur aus mit Fehlern behaftet. Doch irgendwann müssen wir erkennen, dass diese Anschauungen völlig unwahr sind und keine Macht besitzen. Anderenfalls werden wir unser gesamtes Leben gefangen sein, ganz gleich ob wir unser Leben als Mönch, Hausfrau, Manager in einem Unternehmen oder als Gefangener im Gefängnis von San Quentin verbringen. Die eigentlichen Gefängnismauern sind mentaler Natur! Wir erlangen Befreiung aus dieser Gefangenschaft, wenn wir erkennen, dass die belastenden Zustände bereits frei sind, denn ihr alleinigesWesenist offene Intelligenz. Da wir uns für eine persönliche Identität halten, die mit dem Tod vernichtet wird, fühlen wir uns durch alles, was unsere persönliche Identität zu bedrohen

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scheint, sehr verwundbar. Wir fürchten uns vor Erdbeben, Wirbelstürmen, politischem Chaos, Gewalt und Terrorismus, weil diese Dinge unsere physische Existenz bedrohen. Der einzige Weg, diese Umklammerung aus Angst zu lösen, ist die Erkenntnis, dass unsere Existenz letztendlich von nichts abhängig ist— nicht einmal vom Überleben unseres Körpers. Viele Menschen haben Angst vor schwerer Krankheit, Altern, Sterben, Geldmangel oder den negativen Meinungen anderer. Alle diese Ängste fallen weg, wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten, denn offene Intelligenz bleibt in allen Situationen völlig unbeschadet. Wenn wir erkennen, dass nichts—nicht einmal der Tod—unser Wohlbefinden beeinträchtigen kann, haben wir wirklich eine Alternative im Leben. Wir reduzieren uns nicht länger auf die Vorstellung, ein Opfer zu sein, das leidet. Wir sind frei, als die grenzenlosen, zeitlosen Wesen zu leben, die wir in Wirklichkeit sind. Ob man schreckliche Taten in seinem Leben begangen hat oder der Inbegriff heiliger Tugendhaftigkeit gewesen ist, der jetzige Augenblick ist für alle gleich. Ein Raum mag für sehr lange Zeit dunkel gewesen sein, doch in dem Augenblick, wenn das Licht angeschaltet wird, verschwindet die Dunkelheit sofort. Deshalb entspanne dich einfach, lächle und sei voller Freude. Das ist deine eigentliche Natur. Wenn diese heftigen, belastenden Zustände auftauchen, entspanne dich einfach vollkommen. Es muss nichts dagegen unternommen werden. Sie verziehen sich von selbst, wie die Flugbahn eines Vogels am Himmel, und sind niemals auch nur einen Moment lang von reiner offener Intelligenz getrennt. Wenn du für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenzvertraust, wirst du sehen, dass es so ist. Frage: Den Ausdruck „belastende Zustände”habe ich heute zum ersten Mal gehört, und ich bin mir nicht sicher, was damit genau gemeint ist. Könntest du einige spezifische Beispiele von Emotionen oder Zuständen geben, die du als belastend betrachtest? Antwort: Aber sicher, das stelle ich gerne klar. Der Ausdruck „belastender Zustand‖ bezieht sich auf Gedanken, Emotionen und Empfindungen, die als beunruhigend wahrgenommen werden. Die erste Kategorie dieser belastenden Zustände umfasst alle Gedanken und Emotionen, die mit Verlangen zu tun haben. Wir müssen verstehen, welche Bedeutung Verlangen inder menschlichen Erfahrung hat. Es spricht nichts dagegen, Dinge zu wollen, denn unser größter Wunsch ist, uns selbst als offene Intelligenz kennenzulernen. Mit Wollen oder Sehnsucht ist normalerweise das Verlangen nach Dingen wie guter Gesundheit, ewiger Jugend, Essen, Geld, Sex, Arbeit, Beziehungen, Freizeit und vielem mehrgemeint. Verlangen ist mit dem Glauben verbunden, dass wir einen Zustand des Wohlbefindens erlangen, wenn wir bekommen, was wir uns wünschen. Das Festhalten an diesem Glauben führt zu einem endlosen Teufelskreis ständigen Verlangens—aber nie zu wahrem Wohlbefinden. Obwohl wir immer und immer wieder erleben, dass unser Verlangen nicht zum erhofften Resultat führt,

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machen wir trotzdem so weiter. Man könnte behaupten, dass blindes, immer wieder erneutes Begehren eine Form des Irrsinns ist, denn wir tun immer und immer wieder ein und dasselbe, und erwarten dennoch ein anderes Resultat. Der zweite primäre belastende Zustand ist Aggressivität, auch Wut oder Hass genannt. Wut oder Hass auf andere Menschen, Orte oder Dinge ist eine Form der Aggressivität, deren Auswirkungen wir in Familien, Gemeinden, Nationen und auf der ganzen Welt beobachten können. Oftmals ist diese Aggressivität nicht nur auf externe Objektegerichtet, sondern auch nach innen auf uns selbst. Wir verwickeln uns in Wut und Hass, indem wir unsere eigenen Gedanken, Emotionen und Empfindungen hassen und der Ansicht sind, wir müssten sie ändern. Das führt dazu,dasswir wütend auf uns selbst werden und dann unsere Wut gegen andere richten. Der dritte primäre belastende Zustand beinhaltet Eingebildetheit, Selbstgefälligkeit, Stolz und Arroganz—allesamt Charakterzüge, die dazu führen, dass Menschen sich selbst und ihre Ansichten überbewerten. Wenn wir von Stolz und Arroganz überwältigt sind, meinen wir genau zu wissen, was richtig ist, und wenn jemand anderer Meinung ist, sind wir überzeugt, dass sie im Unrecht sind. Diese sehr festen Überzeugungen werden von uns auf eine Weise zum Ausdruck gebracht und verteidigt, welche die Meinungen anderer nicht würdigt und nicht gelten lässt. Engstirnigkeit, traditionell auch Unwissenheit genannt, ist der vierte primäre belastende Zustand. Wenn wir engstirnig sind, sind wir von der Möglichkeit abgeschnitten, offene Intelligenz zu erkennen. Wir sagen „Mag ein, dass esoffene Intelligenz gibt, aber das interessiert mich nicht. Ich will weiterhin all meinen angenehmen Gedanken, Emotionen und Empfindungen nachgehen und die unangenehmen vermeiden.‖ Solange wir bei Eingebildetheit, Stolz oder Arroganz nicht auf offene Intelligenz vertrauen können, werden wir niemals imstande sein, die Vorschläge und Anregungen des Trainers, des Trainings und der Gemeinschaft anzunehmen, mit denen wir verbunden sind. Die Vorschläge des Trainers anzunehmen, bedeutet zu akzeptieren, dass es jemanden gibt, der so wie wir ist und der bereits voll und ganz auf offene Intelligenz vertraut. Da der Traineroffene Intelligenz bereits erschlossen hat, kann er uns auf geschickte Weise vermitteln, wie man, so wie sie, auf offene Intelligenz vertraut. Der letzte belastende Zustand ist Neid und Eifersucht. Neid kann man als Gehässigkeit und Missgunst gegenüber den Erfolgen eines Anderen bezeichnen, und Eifersucht als mentales Unbehagen aus Argwohn oder Angst vor einem Konkurrenten. Immerzu mit unseren Gedanken, Emotionen und Erlebnissen um diese Zustände herumzukreisen, sie als real anzusehen und zu versuchen, etwas gegen sie zu tun, ist wirklich die Hölle. Wenn wir andauernd Gedanken und Emotionen nachhängen, sie vermeiden oder durch etwas scheinbar Besseres ersetzen, kommen wir nie aus diesem Teufelskreis heraus. Diese belastenden Zustände sehen ganz schön trostlos aus, nicht wahr?

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Der springende Punkt bei diesen belastenden Zuständen ist, das, was auftaucht, nicht zurückzuweisen. Das ist äußerst wichtig. Das bedeutet, wenn belastende Zustände auftauchen, vertrauen wir auf offene Intelligenz, statt aus ihnen heraus zu handeln oder sie weghaben zu wollen. Auf offene Intelligenz zu vertrauen, ist keine Vermeidung, Zurückweisung, Unterdrückung oder Verdrängung. Belastende Zustände und die Kraft der Weisheit sind ein und dasselbe. Selbst wenn dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt undenkbar erscheint, durch Vertrauen auf offene Intelligenz beweisen wir es uns selbst. Wir erkennen in unserer eigenen Erfahrung, dass diese überaus schwierigen Zustände wie Angst, Wut, Aggressivität, Neid, Eifersucht, Eingebildetheit, Stolz oder Verlangen eigentlich substanzlos sind – so substanzlos wie eine Fata Morgana. Doch solange wir dem, was auftaucht, nachgehen, es vermeiden oder zurückweisen, werden wir das niemals erkennen. Wenn wir als diese belastenden Zustände ruhen und sie nicht zurückweisen, lösen sie sich in sich selbst auf und verwandeln sich nicht in etwas Schreckliches, sondern in etwas Wundervolles. Gleich einer Lotusblüte, die völlig unbefleckt aus dem Morast erblüht, geht auch aus diesen äußerst belastenden Zuständen die wunderbare Kraft der Weisheit hervor, völlig unbefleckt von diesen scheinbar belastenden Zuständen. Wenn wir belastende Zustände nicht zurückweisen, werden sie durchlässig und offen, denn das Wesen offener Intelligenz ist vollkommen offen und unbeschränkt. Wenn wir bei ihrem Auftauchen auf offene Intelligenz vertrauen, kann sich die den beunruhigenden Emotionen innewohnende Offenheit offenbaren. Ist es nicht besser für uns, anderen gegenüber Offenheit, Heiterkeit und Warmherzigkeit zu empfinden, als das Gefühl zu haben, von belastenden Zuständen gequält zu werden? Indem wir auf offene Intelligenz vertrauen, statt uns in belastende Zustände zu verwickeln, beginnen wir immer mehr Mitgefühl zu empfinden, bis wir schließlich jederzeit mitfühlend sind. Statt belastenden Zuständen nachzugehen, empowern wir uns bei ihrem Erscheinen mit offener Intelligenz, und aus ihnen heraus kommt liebevolle Güte zum Vorschein. Unser Geist wird vollkommen klar und alles, was wir zu Gesicht bekommen, wird leuchtend und strahlend. Wenn wir diese beunruhigenden Zustände nicht zurückweisen, lösen sie sich in sich selbst auf, und aus diesen Zuständen geht eine ausgewogene Sichthervor,die uns erkennen lässt, wie wir mit allen Situationen geschickt umgehen können. Wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, lösen sich all diese Zustände in sich selbst auf, und aus ihnen heraus gehen Glückseligkeit, Mitgefühl, liebevolle Güte, Klarheit und eine ausgewogene Sicht hervor. Das ist einfach erstaunlich! Das ist die wahre Bedeutung von Nondualität. Die grundsätzliche Beschaffenheit aller belastenden Zustände ist Glückseligkeit, Mitgefühl, liebevolle Güte, Klarheit und eine ausgewogene Sicht.

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EIN SCHÖNER TOD KAPITEL ZEHN

„Wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, haben wir nichts zu befürchten. Selbst eine unheilbare Krankheit kann uns nicht in Angst und Schrecken versetzen. Nichts kann uns beeinträchtigen.”

Welches Phänomen könnte uns mehr abverlangen als der Tod? Der Tod ist unausweichlich und er trifft jeden. Wir wissen unser ganzes Leben lang, dass wir letztendlich sterben werden. Das ist ein grundlegendes menschliches Dilemma. Indem wir diese universelle Voraussetzunganerkennen, entwickeln wir große Sensibilität und Mitgefühl für uns und andere, da wir uns bewusst sind, dass nicht nur wir selbst, sondern dass wir alle sterblich sind. Trotzdem sollten wir uns auf tiefgehende Weise im Klaren sein, dass Geburt, Leben und Tod allesamt zeitlos freie Phänomene einer grundlegenderen Realität sind. Wenn wir mit der Realität vertraut werden, dass alle Phänomene, einschließlich des Todes, weit offen sind und niemals ein unabhängigesWesenbesessen haben, dann sind wir bereit für den Tod, wenn er eintritt, und er wird uns keine Schwierigkeiten bereiten. Dann kann der Tod ein unbeschwerter und sorgenfreier Augenblick sein, der vollkommen und identisch mit jedem anderen Augenblick ist. Wenn wir zu Lebzeiten offene Intelligenz beim direkten Wahrnehmen von Umständen aufrechterhalten, sind wir auf unsere letzte Erfahrung, den Tod, vorbereitet. Wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten, ohne das Erscheinende zu korrigieren, sind alle Erfahrungen, die uns im Leben widerfahren, eine Übung für dieses allerletzte Erlebnis. Wenn wir nicht wissen, dass das Sterben nur ein Teil des Lebensprozesses ist, kann uns das beim Eintritt des Todes ausgesprochen alarmieren und verwirren. Falls wir über unseren herannahenden Tod wütend und aufgebracht sind und auf diese Gefühle eingehen, werden wir versuchen, uns ans Leben zu klammern. Falls wir den Tod und alle mit dem Sterbeprozess einhergehenden Gefühle zu vermeiden suchen, werden wir uns absolut elend fühlen. Wenn wir beim Sterben nicht mit offener Intelligenz vertraut sind, bekommen wir es vielleicht mit der Angst zu tun und halten am Datum Leben fest, statt zu erkennen, dass wir unserer allerletzten Erfahrung nahe sind—dem Tod. Wenn wir uns jedoch zu Lebzeiten mit unmittelbarer offener Intelligenz vertraut gemacht haben, wird diese offensichtliche und empowernde offene Intelligenz, wenn sie dann beim Sterben auf so wundervolle und offensichtliche Weise präsent ist, als das erkannt, was sie ist. Vor einigen Jahren starb meine geliebte jüngere Schwester an Krebs. Ihre Ärzte teilten ihr mit, dass sie nur noch zwei Monate zu leben hätte, und sie 75

setzte die ganze Familie davon in Kenntnis. Wenn eine Familie eine derartige Botschaft erhält, reagiert jeder auf seine Weise darauf. Die Neuigkeiten können alle in gewisser Weise dazu zwingen, eingehender ihre eigene Identität oder das, wofür sie sich selbst und das sterbende Familienmitglied halten, zu hinterfragen. Das traf auch auf meine Familie und meine Schwester zu. Glücklicherweise konnte meine Schwester sich bei der Vorbereitung auf ihren Tod auf ihre Praxis des Vertrauens auf offene Intelligenz verlassen. Sie fand sich wirklich mit der Tatsache ab, dass dies das Ende ihres Lebens war und dass sie im Sterben lag. Als klar wurde, dass das Ende nahte, rief sie uns alle zu sich. Als sie starb, war die Familie um ihr Bett versammelt. Ich hielt ihre Hand, und als sie ihren letzten Atemzug nahm, konnte ich ihren letzten Puls fühlen. Sie hatte still gelitten, doch ihr Leiden wurde gleichzeitig von einem Gefühl großer Erleichterung und tiefen inneren Friedens begleitet. Bei ihrem letzten Atemzug wandelte sich ihr Gesichtsausdruck von stiller, unbewegter Gemütsruhe zu dem unglaublichsten Lächeln, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. Sie lächelte, als hätte sie die wundervollste Vision, die man sich nur vorstellen kann. Einige Stunden nach ihrem Tod war dieses Lächeln immer noch zu sehen. Sie befand sich in einem Zustand höchster Klarheit und inneren Friedens, eine natürliche Klarheit, die völlig unabhängig vom Körper ist. Wenn wir zuvor unsere wahre Identität erkannt haben, gleiten wir beim Sterben mühelos in diesen natürlichen Zustand äußerster Klarheit hinüber. Diese Klarheit war so eindeutig in ihr, weil sie sich bereits zu Lebzeiten darin geübt hatte, Vertrauen in offene Intelligenz zu erlangen, und daher ihren Tod würdevoll akzeptieren konnte. Sie war derart gut vorbereitet, dass der Tod ihr vollkommene Erleichterung und die Auflösung aller Daten brachte, inklusive der Daten über ihren eigenen Tod. Die Schlichtheit und Schönheit ihres Todes besaß eine enorme Kraft und wirkte sich auf wunderbare Weise auf die gesamte Familie aus. Die Art und Weise ihres Todes war eigentlich eine Form liebevoller Kommunikation und hatte auf uns alle einen beträchtlichen und dauerhaften Effekt. Die Folge davon war, dass alle unsere Blickpunkte sich auflösten, die wir übereinander hatten—alle Werturteile und Meinungen und alles, wofür wir einander aufgrund unserer vergangenen Lebensgeschichten gehalten hatten. Wir identifizieren Menschen oft mit ihrer Vergangenheit und nehmen diese als Maßstab, um sie zu definieren. Wir fühlen uns besser, wenn wir andere einordnen können. Doch das hält uns davon ab, sie so zu sehen, wie sie wirklich sind. Als meine Schwester starb, waren wir so tief berührt, ihren Tod mitzuerleben, dass all diese Werturteile in uns getilgt wurden. Die unterschwelligen und offenkundigen Spannungen, die negativen Verhaltensmuster, Meinungsverschiedenheiten und kritischen Beurteilungen lösten sich auf, und unsere Beziehungen änderten sich grundlegend.

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Wenn wir über die Bedeutung des Todes sprechen, ist es unentbehrlich, dass wir den Tod als etwas erkennen, womit wir zu Lebzeiten vertraut werden können und sollten. Meine Schwester hatte sich selbst auf sehr tiefgehende Weise kennengelernt, indem sie sich im Vertrauen auf offene Intelligenz übte. Im Balanced View Training lernen wir uns selbst durch eine ganz ähnliche Übung nach und nach als offene Intelligenz kennen. Wir lernen in zunehmendem Maße unsere eigentliche Identität kennen—den von Grund auf vollkommenen Zustand, der das Wesen aller Dinge ist. Diese offene Intelligenz ist die Grundlage und Essenz all unserer Daten, inklusive unserer Daten über den Tod. Beim Sterben herrscht unmittelbare, allzeit präsente offene Intelligenz. Die Erinnerung an unser Leben schwindet völlig und es besteht kein Verlangen, zurückzukehren. Wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, haben wir nichts zu befürchten. Selbst eine unheilbare Krankheit kann uns nicht in Angst und Schrecken versetzen. Nichts kann uns beeinträchtigen. Diese zunehmende Vertrautheit mit offener Intelligenz wird uns bei all unseren Arztterminen begleiten und uns über alle Sorgen und Befürchtungen hinweghelfen, die mit den durch Krankheit und Altern verursachten Veränderungen in unserem Leben und mit dem Tod zu tun haben. Unsere Einstellung zum Tod verleiht unserem Leben entweder Freiheit oder Unfreiheit. Wenn wir der Auffassung sind, dass der Tod unser Ende bedeutet, dann betrachten wir den Tod als einen Feind und haben eine Heidenangst davor! Wir wollen nicht sterben, denn wir glauben, das wäre unser Ende. Die Auffassung, dass der Tod unser Ende bedeutet, ist allerdings bloß eine Mutmaßung. Beim Sterben ändern sich lediglich die Daten. Sonst gibt es keine Veränderung. Falls wir wissen wollen, wie es ist zu sterben, brauchen wir uns nur schlafen zu legen. Beim Einschlafen verändert sich unser konzeptioneller Bezugsrahmen: Was im Wachzustand einigermaßen kontrollierbar erscheint, wird beim Träumen zu etwas Surrealen, in dem alle möglichen Bilder erscheinen. Beim Sterben verlieren wir auf ähnliche Weise die Herrschaft über uns und haben keinerlei geordnete Kontrolle mehr über all unsere Erlebnisse. Aber wenn wir uns bereits zu Lebzeiten darin geübt haben, unsere Gedanken, Emotionen und Erfahrungen nicht zu sortieren, dann werden wir beim Sterben nicht über das Chaos bestürzt sein, das wir unter Umständen erleben werden. Im Verlauf unseres Lebens haben wir gewisse Gedanken und Emotionen, doch diese verändern sich beim Sterben radikal. Beim Sterben ereignen sich unvorhersehbare Dinge, die wir so noch nie zuvor erlebt haben. Die verschiedenen Sinnesmechanismen unseres Körpers beginnen zu versagen. Wir können nicht mehr sehen, fühlen, riechen, hören oder reagieren—alle diese Fähigkeiten versagen eine nach der anderen. Schlussendlich kommen auch Atmung und Herzschlag zum Erliegen.

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Völlig neue, mit der Todeserfahrung zusammenhängende, Emotionen und Gedanken suchen uns heim. Wir haben Gedanken wie: „Ich habe meine letzte Mahlzeit zu mir genommen! Ich werde meine Liebsten nie wieder sehen! Ich begebe mich an einen unbekannten Ort und niemand begleitet mich!‖ Falls wir unser Leben lang unseren Daten gefolgt sind, uns von ihnen distanziert oder sie ersetzt haben, um uns besser zu fühlen, dann werden wir nicht die mentale Energie haben, um dies noch länger zu tun. Unsere vermeintliche Fähigkeit, uns in unser Wohlbefinden hineinzudenken oder unsere Gedanken zu kontrollieren, wird verschwinden. Sofern wir nicht gelernt haben, auf offene Intelligenz zu vertrauen, wird uns beim Sterben keine der im Laufe unseres Lebens entwickelten Strategien im Umgang mit beunruhigenden Gedanken und Emotionen helfen. Es ist durchaus möglich, dass wir sehr heftige Gedanken, Emotionen und Erlebnisse haben werden, die weit verstörender sind als alles zuvor Erlebte. Doch wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, ist es wahrscheinlich, dass wir diese Dinge so belassen können, wie sie sind. Wir werden nur abgelenkt, wenn wir meinen, etwas gegen die Erscheinungen tun zu müssen. Wir können all die Gedanken, Emotionen und Empfindungen, die zum Zeitpunkt des Todes erscheinen, wirklich so belassen, wie sie sind. Jeder Gedanke und jede Emotion wird von sich aus wie eine im Wasser gezogene Linie verschwinden. Die Erscheinungen haben keinerlei Macht über uns, es sei denn, wir geben ihnen Macht. Wenn wir nicht auf offene Intelligenz vertraut haben, kann der Sterbeprozess sehr beängstigend sein, da es den Anschein hat, es ginge mit uns zu Ende. Es kann einen verzweifelten Kampf geben, am Leben festzuhalten. Andererseits sind wir vielleicht erleichtert zu wissen, dass unser Leiden ein Ende findet. Wenn wir jedoch auf offene Intelligenz vertrauen, statt uns in Daten zu verlieren, können wir all unsere Erlebnisse und Reaktionen leicht loslassen. Wir empowerndie Friedlichkeit aller Dinge, genau so wie sie ist. Offene Intelligenz verändert sich nie und ist immer als das präsent, was all diese Dinge kennt, die sich zutragen—nicht nur beim Sterben, sondern auch zu Lebzeiten. Offene Intelligenz ist das, was den Tod kennt; weder Tod noch Geburt haben irgendeinen Einfluss auf offene Intelligenz. Wir glauben vielleicht, die Präsenz offene Intelligenz sei abhängig von Erde, Sonne, Zeit, Raum oder dem Leben. Doch offene Intelligenz ist von nichts abhängig, um natürlich präsent zu sein—weder vom Herzschlag, der Atmung, der Körperwärme und nicht einmal vom Universum. Wenn Herzschlag, Atmung und Körperwärme verschwinden und es das Universum nicht mehr gibt, ist offene Intelligenz unverändert präsent. Je mehr wir offene Intelligenz vollkommen empowern, desto deutlicher erfahren wir die ursprüngliche Natur offener Intelligenz, die über alle begrifflichen und intellektuellen Kategorien hinausgeht. Wenn wir uns durch Vertrauen auf offene Intelligenz mit dem Sterbeprozess vertraut gemacht haben, werden wir im gegebenen Moment vollkommen friedlich sein. Offene Intelligenz

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wird so hell leuchten, dass sie alles andere überstrahlt—Leben und Tod unseres physischen Körpers eingeschlossen. Wir können uns völlig entspannen und unseren wahren Körper—den offenen Intelligenz-Körper—vollends genießen. Als offene Intelligenz zu ruhen, ist nicht irgendein fremdartiger Zustand, den nur einige Menschen erfahren. Es ist der natürliche Zustand aller Menschen, und je vertrauter wir damit sind, desto wohler fühlen wir uns in allen Situationen. Das schließt den Moment des Todes mit ein. Frage: Heutzutage sprechen viele spirituelle Lehrmethoden davon, dass wir „ungeboren” seien. Was genau bedeutet das in Bezug auf das, was du sagst? Antwort: Die meisten von uns halten sich für ein vergängliches Wesen—und zwar für den Körper—und sind der Ansicht, dass dieses Gebilde offene Intelligenz erzeugt. Wir glauben, dass wir geboren wurden und sterben werden. Die Idee, geboren zu sein, wird uns von klein auf eingetrichtert. Die meisten Eltern sagen nach der Geburt ihres Kindes: „Hier ist unser Baby! Wir sind so froh, dass es geboren wurde!‖ Die Idee, geboren worden zu sein, wird ständig bekräftigt. Und im Hintergrund lauert der Tod, da die Ideen, geboren zu sein und sterben zu müssen, zwangsläufig miteinander verbunden sind. Haben wir erst einmal gelernt, dieser vergängliche Körper zu sein, dann meinen wir auch, dass wir in der Endgültigkeit des Todes vernichtet werden. Doch gleichzeitig haben wir auch einige Daten, derer wir uns nicht bewusst sind und die diese Endgültigkeit auf subtile Weise vermeiden, wie beispielsweise: „Alle werden sterben, nur ich nicht. Irgendwie werde ich dem entkommen. Andere mögen ernsthaft krank werden, nur ich nicht. Ich werde nicht altern und sterben.‖ Viele spirituelle Lehrmethoden sagen, wir seien „ungeboren.‖ Diese Aussage widerspricht allem, was wir soweit gehört haben. Zuerst heißt es, wir wurden geboren, und plötzlich heißt es, wir seien ungeboren! Was soll man davon halten? In Wahrheit ist „geboren zu sein‖ genauso eine extreme Sichtweise wie „ungeboren zu sein. ―Im Balanced View Training legen wir Wert darauf, dass ungeboren und geboren Nicht-Zwei sind. Was ist sich bewusst, sowohl geboren als auch ungeboren zu sein? Das, was wir als geboren und ungeboren betrachten, ist nie getrennt gewesen. Beide Auffassungen haben ihren Ursprung in offener Intelligenz. Zu dieser Einsicht können wir nicht durch intellektuelle Spekulation gelangen, sondern einzig und allein durch die praktische Erfahrung, Körper und Geist in allen Situationen zu entspannen. Wenn wir vollständiges Vertrauen in offene Intelligenz erlangen, werden vollkommene mentale Stabilität und Klarheit offensichtlich. Ich sage nicht, dass man die ganze Zeit nur in einem bequemen Sessel herumsitzen sollte, sondern vielmehr, dass wir uns physisch und mental in allen Situationen komplett entspannen, ganz gleich was auftaucht. Das kann man nur verstehen, wenn man umfassend im Grundzustand ruht.

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Viele von uns haben ihr ganzes Leben lang Angst vor dem Tod, weil wir glauben, dass wir geboren wurden und sterben müssen und der Ansicht sind, etwas Festes, Stabiles und Endliches zu sein, das im Tod sein Ende findet. Was wir indessen „Ich‖ nennen, hat kein unabhängiges Wesen—sein alleiniges Wesen ist der Grundzustand, der allen Dingen zugrunde liegt. Frage: Ich bin in einem religiösen Milieu aufgewachsen, das entsetzliche Auffassungen über die Dinge vertritt, die nach dem Tod passieren können. Es fällt mir sehr schwer, mit diesen alten Vorstellungen zu ruhen, von denen ich frei sein möchte und die mich dennoch nicht loszulassen scheinen. Antwort: Einige Traditionen geben äußerst detaillierte Beschreibungen über die Ereignisse nach dem Tod. Doch wie auch immer diese Beschreibungen aussehen mögen, die zentrale Anleitung lautet, in der direkten Begegnung mit allem, was auftaucht, einfach auf offene Intelligenz zu vertrauen. Sei dir bewusst, dass es bloß Erscheinungen in offener Intelligenz sind. Ganz gleich, was erscheint, entspanne dich einfach. Wie ich bereits erwähnt habe, können und werden beim Eintreten des physischen Todes des Körpers alle Arten von Erscheinungen auftreten, die wir noch nie zuvor zu Gesicht bekommen haben. Viele dieser Erscheinungen haben mit unseren Glaubenssätzen zu tun. Wenn wir fest daran glauben, dass nach dem Tod schreckliche Dinge passieren, besteht die Möglichkeit, dass wir beim Sterben derartige Daten haben werden. Ich sage nicht, dass jedem diese Dinge widerfahren werden, doch viele Menschen haben extrem starre Ansichten über derartige Dinge, so dass im Moment ihres Todes all diese Glaubenssätze, die sie gehabt haben, deutlich sichtbar sein können. Wenn wir unser ganzes Leben lang das Augenmerk auf Ansichten über das richten, wofür wir uns halten, versuchen wir stets, all das, woran wir nicht denken wollen—all die negativen Daten, Gedanken und Emotionen—unter Verschluss zu halten. Was geschieht, wenn wir auf offene Intelligenz zu vertrauen beginnen? Dann sind sie nicht länger unter Verschluss! Sobald sie nicht länger unter Verschluss sind, beginnen all dieseDatenüberall ungehemmt hervorzubrechen. Doch wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangt haben, wird das kein Problem für uns sein. Wenn alle diese negativen Daten auftauchen, können wir immer wieder für kurze Momente auf offene Intelligenz vertrauen, bis siekontinuierlich wird. Das ist die zentrale Anleitung. Frage: Es mag ja sein, dass die meisten Menschen entweder eine angstbesetzte Beziehung zum Tod haben oder sich dazu entschließen, ihn zu ignorieren, so gut sie können. Aber ich für meinen Teil möchte gerne verstehen, wie der Tod Teil des Lebens sein kann. Kannst du mir einige praktische Beispiele geben, damit ich nachvollziehen kann, was du meinst? Antwort: Dazu könnte ich viele Beispiele anführen. Zum Beispiel erstaunt es mich immer, wie viele Leute hierher an die Küste kommen und sich genau am

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Rand einer erodierenden Klippe ein Haus kaufen! Sehen sie denn nicht, dass die Klippe immer mehr abgetragen wird und ihr Haus irgendwann ins Meer stürzen wird? Sie scheinen zu glauben, dass sie irgendwie über den Naturgesetzen stehen. Wenn wir innerlich völlig entspannt sind, wissen wir, dass wir Teil der Natur sind. Wir können ein Haus am Rand einer erodierende Klippe betrachten und bemerken: „Aha, diese erodierende Klippe ist wie ich; ich erodiere ebenfalls unaufhörlich. Weder ich noch das Haus auf der Klippe werden noch lange hier sein!‖ Wenn wir all die undenkbaren Dinge wie Tod oder Vernichtung entspannt willkommen heißen können, empfinden wir völlige Unbeschwertheit und Entspanntheit mit uns selbst und auch mit anderen. Wir fügen uns in die Natur und die Einheit aller Dinge ein und fühlen uns von nichts getrennt. Oder nehmen wir die Blumen im Garten als Beispiel. Wir lieben Blumen, weil sie auf wunderbare Weise das widerspiegeln, was wir sind. Wir sind wie Samen, die aus einer reichhaltigen, vitalen Leerheit aufkeimen, durch ihre Wachstumsstadien und herrliche Blütenpracht gehen und dann allmählich verwelken, vermodern, zu Kompost werden und schließlich wieder in der Erde verschwinden. Das ist es, was unser Interesse an Blumen weckt—sie sind eine exakte Reflexion von uns selbst. Wir klammern uns nicht an die Rose und flehen sie an: „Bitte verwelke nicht, ich halte es ohne dich nicht aus!‖ Wir wissen, dass die Rose verwelken und absterben wird. Das trifft sowohl auf die Rose als auch auf uns zu. Alle aufkommenden Gedanken und Ereignisse sind so natürlich wie die Blumen im Garten. Sie sind wie eine Sternschnuppe am nächtlichen Himmel und verschwinden von selbst. Wir können sie weder herbeizaubern noch verhindern. Selbst Menschen, die wir sehr lieben, müssen wir eines Tages zurücklassen— entweder sterben wir oder sie. Wenn wir völlig entspannt sind, wird das vollkommen entspannte Wesen unseres eigenen Daseins bei allem, was geschieht, natürlich präsent sein—bei allem, was wir lieben, seien es Menschen, Tieren oder Blumen. Ich habe noch eine letzte Geschichte, die uns eine ganz andere Sichtweise eröffnen kann. Es gab einmal einen ganz großartigen Lehrer, der unter anderem lehrte, dass man alles Weltliche hinter sich lassen und viele Jahre in meditativer Vertiefung in einer Höhle verbringen müsste, um das Absolute zu realisieren. Irgendwann aber sagte er sich: „Das stimmt so nicht.‖ Dieser weise Mann sah, dass man sich das Absolute nicht aneignen kann, sondern dass es stets präsent ist und dass es kein Ziel gibt und niemanden, der es anstrebt. Er war imstande, weit über das hinauszugehen, was er zuvor gelehrt hatte, und entkam so dem Käfig seiner Philosophie. Als er im Sterben lag, war er vollkommen entspannt und sagte: „Meine Freude über den Tod ist weit größer als die Freude von Kaufleuten, die durch den Seehandel unermessliche Reichtümer anhäufen, oder als die Freude von

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Kriegern, die stolz auf ihren Sieg in der Schlacht sind, oder als die Freude jener Weisen, die sich in die Verzückung perfekter, meditativer Vertiefung begeben haben. Gleich einem Reisenden, der sich auf den Weg macht, wenn es soweit ist, werde ich nicht länger in dieser Welt bleiben, sondern werde mich aufmachen, um in der Hochburg der großen glückseligen Unsterblichkeit zu weilen.‖ Das ist doch eine wundervolle und tröstliche Perspektive über den Tod!

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PRAKTIKEN KAPITEL ELF

„Es gibt unterschiedliche Praktiken, die für unterschiedliche Menschen geeignet sind. In diesem Sinne gibt es also keine Übung, die an und für sich richtig oder falsch ist. Wir haben das rechte Verständnis, dass alles zugleich vollkommen ist, genau so wie es ist. Das ist das Wesen der heilsamen Herzensgüte offener Intelligenz, die vollkommen ausgewogene Sicht.”

Die einfachste und direkteste aller Praktiken ist, auf offene Intelligenz zu vertrauen, und immer wieder dahin zurückzukehren. Auf offene Intelligenz zu vertrauen, ist etwas, das jeder tun kann.Es steht jedem zur Verfügung und ist nicht von besonderen Umständen abhängig. Ganz gleich was passiert, wir können uns mit allen Erscheinungen entspannen und sie als vorübergehende Ausdrucksformen offener Intelligenz sehen. Indem wir nichts als Hindernis betrachten, überwinden wir alle potenziellen Hindernisse. Nichts braucht ein Hindernis zu sein oder eine Gefahr darzustellen. Wir setzen alle Hebel in Bewegung und geben Vollgas! Mit dieser Art der Begeisterung sind wir entspannt mit allem, was auftaucht. Entspannt zu sein, bedeutet aber nicht, dass wir nur unter einem Baum sitzen und nichts anderes zu tun brauchen. Ganz gleich ob wir still dasitzen, ganz hart arbeiten oder uns intensiv mit allem Möglichen beschäftigen, wir halten offene Intelligenz aufrecht, während wir all diese Dinge tun. Wie auch immer wir unser Leben führen, wir ruhen unerschütterlich. Mag sein, dass wir jahrelang unablässig meditiert haben oder unser ganzes Leben hindurch praktiziert haben oder vollauf mit unserem Geschäft, unserer Karriere oder Familie beschäftigt waren. All dies sind perfekte Gelegenheiten, um uns selbst zu empowern, und deshalb können wir auch damit fortfahren, während wir auf offene Intelligenz vertrauen. Nichts braucht ausgeschlossen zu werden. Das Aufrechterhalten offener Intelligenz hat größere Effizienz, mehr Güte, inneren Frieden und Benefit bringende Aktivitäten zur Folge, und wird schlussendlich zu vollkommener mentaler Stabilität führen. Falls wir uns dazu hingezogen fühlen, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten, dann ist dies das Richtige für uns. Falls wir uns nicht dazu hingezogen fühlen, dann ist es zu diesem Zeitpunkt vielleicht nicht das Richtige für uns. Viele Menschen verbringen ihr gesamtes Leben, ohne jemals von offener Intelligenz gehört zu haben. Es ist also an sich schon sehr erstaunlich, überhaupt die Gelegenheit zu haben, davon zu wissen. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Aufrechterhalten offener Intelligenz der richtig Weg ist und dass andere Wege falsch sind. Meine Empfehlung lautet, was immer du tust, wähle eine Übungspraxis und verschreibe dich ihr dann hundertprozentig. Nur du kannst

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entscheiden, was zu dir passt. Für was immer du dich auch entscheidest—um das noch einmal zu betonen—verschreibe dich dem ein hundertprozentig. Es gibt unterschiedliche Praktiken, die für unterschiedliche Menschen geeignet sind. In diesem Sinne gibt es also keine Übung, die an und für sich richtig oder falsch ist. Ein wunderbarer Aspekt vollkommen positiver, alles vereinender Intelligenz ist der Umstand, dass die Methode, die man sich wünscht oder benötigt, sich in der einen oder anderen Form manifestieren wird. Es gibt so viele Übungen, religiöse Bräuche und Lebensweisen, und alle haben ihren Platz. Sie alle sind perfekte Ausdrucksformen für diejenigen, die sie ausüben. Wir haben das rechte Verständnis, dass alles zugleich vollkommen ist, genau so wie es ist. Das ist das Wesen der heilsamen Herzensgüte offener Intelligenz, die vollkommen ausgewogene Sicht. Wenn wir allerdings offene Intelligenz aufrechterhalten und mit einer Methode kombinieren, die davon ausgeht, dass es ein Subjekt gibt, welches auf ein Ziel— offene Intelligenz—hinarbeitet, dann vermischen wir zwei Dinge miteinander, die nicht zusammenpassen, wie beispielsweise Öl und Wasser. Beim Vertrauen auf offene Intelligenz gibt es kein Ziel und niemanden, der darauf zusteuert. Zeitlos freie, reineoffene Intelligenz ist bereits gegenwärtig, und wir sind niemals davon getrennt. Es gibt nichts zu realisieren oder zu erreichen, und es bedarf keiner Methode, um uns dahin zu bringen, wo wir bereits sind. Wenn wir völlig entspannt sind, erlangen wir Vertrautheit mit dem, was immer ist. Wir können uns in Mantrawiederholung, selbstlosem Dienen, Meditation, Sprechgesang, Hingabe oder anderen Methoden üben, solange wir nicht meinen, dass dies irgendwo hinführt. Wenn wir meinen, wir seien jemand, der auf der Suche ist und der sich Übungen widmet, um an ein Ziel zu gelangen, dann übersehen wir die reine offene Intelligenz, die bereits hier und bereits frei ist. Wenn wir diese Übungen machen und meinen, sie führten zu einem Ziel, dann stärken wir in Wirklichkeit unsere Identifizierung mit einer begrenzten persönlichen Identität. Es ist ganz gleich, wie viele Übungen wir mit dieser Einstellung machen, das vollkommene Wohlbefinden offener Intelligenz wird immer außerhalb unserer Reichweite bleiben. Frage: Heutzutage gibt es viele Menschen, die andere zu ihrem Glauben bekehren wollen. Sie sind sehr von ihrem Glauben überzeugt und meinen andere konvertieren zu müssen. Ich persönlich halte nichts vom Missionieren, aber gleichzeitig kenne ich Menschen wie meine Eltern, die leiden und die von diesem Training profitieren würden. Was soll ich in diesem Fall tun? Antwort: Wenn wir unser eigenes Leid gesehen haben, dann sehen wir auch das Leid der anderen, nicht nur intellektuell, sondern auf ganz eindeutige und tiefempfundene Weise. Wir wollen unbedingt etwas für andere tun, und es gibt keine Regeln, die besagen, was zu tun oder zu sagen wäre. Es geschieht einfach ganz spontan. Wir können einen Moment der Offenheit bei jemandem abwarten

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und die Person dann auf angemessene Weise ansprechen. Doch noch besser ist die Überzeugungskraft des eigenen guten Beispiels. Wenn Menschen eine Veränderung an dir feststellen, sagen sie vielleicht zu dir: „Was ist passiert? Ich stelle eine Veränderung an dir fest. Du scheinst viel entspannter zu sein.‖ Es ist nicht nötig, anderen Menschen eine Botschaft aufzudrängen oder Dinge zu sagen, die unerbeten und unerwünscht sind. Das würde sie wahrscheinlich eher abschrecken. Aber wenn sie eine Veränderung an dir bemerken und wissen wollen, wie diese Veränderung zustande kam, dann werden sie von selbst auf dich zukommen. Das wäre dann Anziehung statt Anwerbung. Frage: Bringt es etwas, mitMenschen zusammen zu sein, die auf offene Intelligenz vertrauen, oder ist das mehr oder weniger eine individuelle Sache? Antwort: Zunächst einmal ist offene Intelligenz überall und bei jedem gleich, und sie lässt sich nicht dadurch steigern, dass man sich an bestimmten Orten aufhält. Gleichzeitig ist es für uns als Menschen ganz natürlich und von Vorteil, mit anderen zusammenzukommen, die sich für dieselben Dinge einsetzen wie wir. Bei Balanced View gibt es die Vier Mainstays, die absolute und unfehlbare Unterstützung für das instinktive Erkennen offener Intelligenz in der eigenen unmittelbaren Erfahrung bieten. Die Vier Mainstays sind: die einfache Übung kurzer Momente offener Intelligenz, das Training, die Trainer und die weltweite Gemeinschaft. Die Vier Mainstays sind wie die vier Beine eines Stuhls. Der Stuhl muss vier Beine haben, anderenfalls ist er untauglich. Wenn ein Stuhl weniger als vier Beine hat, beansprucht es viel Energie, darauf zu sitzen, und er wird uns keinen wirklichen Rückhalt geben. Auf solch einem Stuhl zu sitzen, wird mehr Mühe kosten als es wert ist. Wenn der Stuhl alle vier Beine hat, können wir uns ohne jede Mühe auf ihn stützen, ohne irgendetwas tun zu müssen. Der Stuhl steht zur Verfügung, und wir können uns auf ihn verlassen. Für das radikale Empowerment des Einzelnen und der gesamten Gesellschaft sind alle Vier Mainstays erforderlich. Die Vier Mainstays rufen die äußerst kraftvolle offene Intelligenz der menschlichen Gesellschaft hervor. Das ist einfach praktisch und menschlich. Es ist viel leichter, wenn unsere Freunde in ähnlicher Weise leben wie wir, weil sie uns dann verstehen und unterstützen können. Die Gemeinschaft von Menschen, die auf offene Intelligenz vertrauen, bestärkt und bestätigt unsere Entscheidung, als offene Intelligenz zu leben. Wir nutzen die offene Intelligenz, die den Vier Mainstays innewohnt, zum Empowern unserer Aktivitäten, um revolutionäre Veränderungen in der menschlichen Gesellschaft herbeizuführen.

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Frage: Es klingt großartig, einfach so auf offene Intelligenz zu vertrauen. Doch was ist, wenn ich fünf Kinder zu ernähren habe? Ich kann nicht bloß dasitzen und mich mit meiner eigenen individuellen Situationbegnügen. Antwort: Sprichst du von dir selbst oder gibst du ein hypothetisches Beispiel? Warum reden wir nicht über eine wirkliche Person? Ich habe einen Ehemann, drei Kinder und acht Enkelkinder! Meine Empfehlung ist genau dieselbe, ob du nun fünf Kinder zu ernähren hast oder nicht: Vertraue immer und immer wieder auf offene Intelligenz, ganz gleichwie die situationsgebundenen Daten deines Lebens sein mögen. Was immer du tust und was immer sich in deinem Leben ereignet, ist eine perfekte Gelegenheit, um Vertrauen in offene Intelligenz zu gewinnen. Kurze Momente, viele Male wiederholt, werden kontinuierlich und offensichtlich. Frage: In meinem LebenspieltHingabe eine große Rolle, doch ich höre nie, dass du dieses Wort verwendest. Könntest du etwas über Hingabe sagen,besonders über die Hingabe des Herzens und ob man diese Art der Hingabe entwickeln muss? Antwort: Beim Vertrauen auf offene Intelligenz entsteht Hingabe ganz von selbst. Ich selbst habe niemals Hingabe kultiviert, und daher kann ich auch nichts darüber sagen. Ich kann jedoch etwas darüber sagen, was sich bei mir ereignet hat. Ich erkannte, dass die zugrundeliegende Basis all meiner unzähligen Datenströme zeitlosfrei ist. Ich erkannte, dass diese Freiheit untrennbar von diesen Daten ist und dass alle meine Daten gleichwertig sind. Dem widmete ich mich mit absoluter und äußerster Hingabe. Daraus entsprang Hingabe an alle Wesen. Darum geht es in meinem Leben: Hingabe an alle Wesen. Ich habe also eine sehr große Familie! Falls du Hingabe empfindest, dann kannst du dich sehr glücklich schätzen und Gebrauch davon machen. Denn durch Hingabe kannst du die reine Freude wahrhaftiger Verbundenheit genießen. Wenn von der Hingabe des Herzens die Rede ist, dann ist mit „Herz‖ nicht eine Region im Körper gemeint. Das Herz ist das Wesen aller Dinge, so wie sie sind. Das Herz ist untrennbar von offener Intelligenz, Liebe ist untrennbar von offener Intelligenz und Gott ist untrennbar von offener Intelligenz. In diesem Training verwenden wir statt „Gott‖ oder „Bewusstsein‖ den Begriff „offene Intelligenz, ―da dies ein Begriff ist, der für alle Menschen leicht verständlich ist. Wenn sich Menschen mit offener Intelligenz vertraut machen, kennen sie das, wodurch alles erkannt wird. Wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, ruhen wir als Liebe, ruhen wir als das Herz, ruhen wir als Weisheit und ruhen wir als Hingabe an alles, so wie es ist. Wenn wir Worte wie Herz oder Hingabe hören, müssen wir verstehen, was sie wirklich bedeuten. Hingabe im absoluten Sinne ist die vollkommene Hingabe des Herzens an unser eigenes Wesen—die vollständige und unermüdliche Hingabe des Herzens, die nicht anoder abgeschaltet werden kann. Sie ist uns von Natur aus zu Eigen, und wir

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erkennen sie, wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen. Das ist einfach wunderschön. Frage: Ist es notwendig, zu beten? Antwort: Diese Frage wird von Zeit zu Zeit gestellt und ist etwas, worüber ich mein ganzes Leben sehr viel nachgedacht habe. Das Wort „Gebet‖ bedeutet „Bittgesuch,‖ und wenn du beten möchtest, solltest du wissen, was das ultimative Bittgesuch ist: zu beten, man möge sich selbst als offene Intelligenzerkennen. Das ist ein lohnenswertes Gebet. Mit diesem Gebet betest du in Wirklichkeit zu dir selbst! Für die meisten Menschen ist die Vorstellung, zu sich selbst zu beten, ein wenig beunruhigend! Wir betrachten unser Leben und denken: „Sie hat gesagt, dass ich beim Beten zu mir selbst bete. Das ist angesichts meiner Vergangenheit ein wenig beunruhigend! ―Doch wir beten nicht zu unserer selbst fabrizierten persönlichen Identität. Wir beten zu uns selbst als die naturgegebene Ordnung aller Dinge—die Superintelligenz, die jedem einzelnen unserer Gedanken und jeder Handlung zugrunde liegt. Wir beten zu dem, was eine Blume erblühen lässt. Ist das nicht eine schöne und inspirierende Vorstellung? Ist diese bloße Vorstellung nicht einfach hinreißend? Es ist ganz gleich, wie du dir Gott oder ein göttliches Wesen vorstellst. Vergiss allerdings nicht, dass alles, was du dir vorstellen kannst, ein Datum ist, das in offener Intelligenz erscheint. Wenn wir offene Intelligenzerkennen, kennen wir das, was der Ursprung aller Dinge ist. Sie ist die alles kreierende Monarchin, die alle Vorstellungen über Göttlichkeit und deren Gegensatz kreiert. Alle diese Konzepte sind gleichwertig und werden durch die tiefgründige Weisheit überragt, die jeder Erscheinung innewohnt. Frage: Was ist deine Ansicht über vegetarische Lebensweise? Muss man Vegetarier werden, um offene Intelligenz besser erkennen zu können? Antwort: Als junge Frau hatte ich wohl schon von vegetarischer Lebensweise gehört, doch ich war keine Vegetarierin. Ich hatte auch von Meditation gehört, doch ich habe nie meditiert. Ich mag auch von Gurus gehört haben, doch es kam mir nie in den Sinn, dass ich jemals einen treffen würde. Ich mag etwas über Nondualität gelesen haben, doch auch das war nicht etwas, was ich weiter erforschen wollte. Ich wusste jedoch aus eigener Erfahrung, dass es in allen Dingen einen unteilbaren Urgrund der Liebe gibt und dass Menschen von Natur aus vollkommen sind. Das wusste ich seit meiner Kindheit und brauchte daher weder wissenschaftliche Erklärungen noch philosophische Bücher, um mir dies zu bestätigen. Die massive Veränderung, die ich vor siebenundzwanzig Jahren erlebte, war eine Öffnung oder Verfeinerung meiner Wahrnehmung, die mich in die Lage

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versetzte, alles als vollkommen unteilbar zu sehen. Seitdem erscheinen alle Bemühungen, um etwas zu erreichen, völlig unnötig—wie beispielsweise Vegetarier zu werden, um eine verfeinerte Wahrnehmung von offener Intelligenz zu bekommen. Es war offensichtlich, dass das einfach nicht entscheidend ist. Genauso wenig machte es für mich viel Sinn, auf einem Kissen zu sitzen und das Entstehen und Verschwinden von Gedanken, Emotionen und Empfindungen zu beobachten, um so an ein Ziel zu gelangen. Wenn die zeitlose Freiheit offener Intelligenz inmitten aller Geschehnisse im Hier und Jetzt derart mühelos zugänglich ist, warum sollte man dann viele andere Dinge hinzufügen, um sie herbeizuführen? Wir atmen, und jeder einzelne Atemzug ist von ursprünglich reiner offener Intelligenz erfüllt. Dieselbe offene Intelligenz bildet die Essenz von dem Gemüse oder Fleisch, das wir essen, und in diesem Sinne ist alles gleich. Sobald wir entscheiden, dass Dinge nicht gleich sind oder dass gewisse Dinge besser sind als andere, entfernen wir uns von wahrer Weisheit. Ein weiser Geist erkennt alles als gleichwertig. Seine Weisheit rührt daher, dass er alles umfasst und Erscheinungen nicht kategorisiert. Er geht ganz und gar über alle Gegensätze hinaus und umfasst sie dennoch alle. Diese Weisheit ist ein Urgrund völliger Gleichheit und Gleichmäßigkeit, der stets ungeteilt, ungetrennt und ungespalten ist. Es ist solch eine Erleichterung, nicht alles als gut oder schlecht beurteilen zu müssen! Das Unmachbare wird machbar, indem wir alles so belassen, wie es ist. Das mag all unseren Auffassungen zuwiderlaufen. Doch wenn wir beginnen, Vertrauen in offene Intelligenz zu gewinnen, erkennen wir, dass es wirklich so ist. Frage: Ich habe den Eindruck, dass in allen alten Traditionen diejenigen, die am aufrichtigsten und ernsthaftesten suchten, ihre hochgradige Verwirklichung durch Entbehrungen oder zumindest durch ernsthafte Disziplin erlangt haben. Befürwortest du das Praktizieren von Entbehrungen und Disziplin? Antwort: Weisheit kann nicht durch Entbehrungen oder sonst irgendetwas geformt werden, da alles bereits Weisheit ist. Durch Entbehrungen zu Weisheit zu gelangen, würde bedeuten, dass es jemanden gibt, der sich irgendwo hinbegibt. Wir haben ein Subjekt, das auf das Objekt eines Zieles zusteuert. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, erkennen wir, dass es vom ursprungslosen Ursprung an weder Subjekt noch Objekt gibt und alles im perfekten Gleichgewicht ist. Wir können eine historische Persönlichkeit wie Buddha als Beispiel nehmen. Er wanderte suchend umher und vernahm eine Lehre, die erklärte, er müsse keusch und in Abgeschiedenheit leben. Also versuchte er es. Nach einiger Zeit erkannte er jedoch, dass das nicht ausreichte, und er fand einen anderen Lehrer, der ihm weitere Anleitungen gab, wie er seine Gedanken und Emotionen unter Kontrolle bringen konnte. Doch auch das brachte ihn nicht weiter. Daraufhin widmete er sich einer Praxis totaler körperlicher und mentaler Entbehrungen. Er

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sonderte sich völlig von allem ab, mutete sich verschiedene Formen der Selbstkasteiung zu und fastete sich beinahe zu Tode. Nachdem er alles versucht hatte, setzte er sich schließlich hin und entspannte sich, mit dem Ergebnis, dass alles in ihm aufloderte—sein Verlangen, sein Ärger, seine Eifersucht, sein tiefes Bedauern, dass er seine Frau, seinen Sohn und seine Eltern im Stich gelassen hatte—alles, was er mit diesen Praktiken zu neutralisieren versuchte. Als er sich entspannte und alles einfach zuließ, ohne dabei zu versuchen, irgendeine dieser Daten zu verändern oder zu verdrängen, wurde er fähig, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten. Da realisierte er die wahre Natur der Daseins. Im Anschluss an diese Realisation lehrte er andere nicht einfach, sich hinzusetzen und die Augen zu schließen, und dass etwas geschehen würde, wenn man nur lange genug dasitzt. Er lehrte, dass man in keiner Weise versuchen sollte, belastende Zustände zu vermeiden, zu ersetzen oder zu verändern, ganz gleich was auftaucht, sondern sie einfach so belassen sollte, wie sie sind. Ich weiß aus meiner eigenen und der Erfahrung anderer, dass diese Leitlinie richtig ist. Ganz gleich wie beunruhigt wir uns durch die Dinge fühlen, die in uns oder um uns herum passieren, wir müssen uns vollkommen entspannen, und in dieser Entspannung entdecken wir die zeitlose Freiheit, welche die unveränderliche Grundlage aller Daten ist. Körperliche und mentale Entspannung kann überall und jederzeit stattfinden, selbst wenn sich viele Gedanken regen und es ein hohes Maß an physischer Aktivität gibt. Versuche nicht, die Dinge zu verstehen und an irgendwelchen Ansichten festzuhalten, die du aus Büchern gelernt hast. Alles ist in deiner eigenen Erfahrung zu finden. Vertraue deiner eigenen Erfahrung und der vollkommenen Freiheit, welche die Grundlage jeder einzelnen Wahrnehmung ist. Frage: So viele Traditionen aus Ost und West verlangen von ihren Mönchen und Priestern das Zölibat. Ist das Zölibat eine Voraussetzung für die höchste Verwirklichung in diesem Leben? Antwort: Nun, falls du im Zölibat leben willst, ist das in Ordnung, aber es ist nicht notwendig. Nichts muss getan werden, um das zu sein, was wir sind, weil wir bereits sind, was wir sind! Wenn wir sagen, dass etwas getan werden muss, dann entfernen wir uns von dem, was wir sind. Gleichwohl ist nichts ausgeschlossen. Wenn sich also jemand von Natur aus zum Zölibat hingezogen fühlt, dann ist das völlig in Ordnung. Wenn das Zölibat allerdings wie der goldene Schlüssel für unser Ziel gesehen wird, ist das ein Umweg. Falls wir uns für das Zölibat entscheiden, weil wir so leben wollen, dann ist das etwas anderes. Das Zölibat ist ein sehr spezifischer Aspekt des viel umfassenderen Themas der Sexualität, mit dem sich alle auseinandersetzen müssen. Das Zölibat

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neutralisiert sexuelles Verlangen, aber es ist keine vollständige Lösung für das Phänomen des sexuellen Verlangens. Der gesamte Bereich sexuellen Verlangens kann nur durch die Kraft offener Intelligenz verstanden werden. Eines der großen Probleme, das beträchtlich zu allen anderen Problemen in der Welt beiträgt, ist das Bevölkerungswachstum. Unsere einzige Hoffnung, um die menschliche Population wirklich einzudämmen, liegt im instinktiven Erkennen offener Intelligenz durch immer mehr Menschen. Nur durch die Kraft offener Intelligenz haben wir eine klare und hilfreiche Sichtweiseüber sexuelles Verlangen. Frage: Sollte man nicht die Abgeschiedenheit suchen, um alle Ablenkungen der Welt zu vermeiden? Antwort: Je mehr du dich entspannst, umso subtiler werden deine Wahrnehmungen. Zuvor haben sich deine Wahrnehmungen wahrscheinlich um die Welt und das Zusammensein mit anderen gedreht. Doch je mehr du dich entspannst, umso mehr verändern sich deine Wahrnehmungen. Das könnte der Wunsch nach Abgeschiedenheit sein, doch das ist bloß eine weitere Wahrnehmung. Wenn das wahre Wesen aller Phänomene erkannt wird, wird Abgeschiedenheit überflüssig. Es besteht keinerlei Notwendigkeit für Abgeschiedenheit oder irgendein anderes Extrem. Wenn du dich für ein Leben in Abgeschiedenheit entscheidest und das nicht als etwas ansiehst, das irgendwo hinführt, dann ist das in Ordnung. Doch wenn du es als etwas betrachtest, was für deine Freiheit notwendig ist, dann wird es zum Gefängnis. Man kann dieses Thema der persönlichen Abgeschiedenheit auch anders betrachten. Als ich anfing, auf offene Intelligenz zu vertrauen, wurde Abgeschiedenheit zu einem Thema für mich. Doch der Kontext, in dem alle diese Neigungen in mir erschienen, war: Was bringt Allem den größten Nutzen, und wie kann ich meine Begabungen, Stärken und Talente am besten zum Wohl aller einsetzen? Die Menschheit befindet sich an einem derart kritischen Punkt, dass wir möglichst viele Menschen benötigen, die auf markante Weise so viel wie möglich zum Wohl des Ganzen beitragen. Das ist von allergrößter Wichtigkeit.

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MEDITATION KAPITEL ZWÖLF

„Ein Augenblick unmittelbarer offener Intelligenz macht uns mit dem an uns bekannt, was sich niemals ändert. In diesem Sinne ist jeder Augenblick die höchste Meditation, ganz gleich was dieser Augenblick beinhalten mag.”

Das Ziel von Meditation wird oft als Tag und Nacht andauernde mentale Stabilität und vollkommener Gleichmut in allen Situationen beschrieben, ungeachtet dessen, was im Bewusstsein erscheint. Das Balanced View Training ist frei von dogmatischen Ansichten über alle Formen der Meditation, die mentale Veränderungen erfordern, um sich irgendeinem Glauben anzupassen. Es ist am besten, nicht weiter zu versuchen, Bewusstsein in irgendeiner Form zu verändern, sondern sich einfach in seiner unveränderlichen Basis zu entspannen. Überall auf der Welt entdecken Menschen, dass sich eine zugrundeliegende Intelligenz offenbart, wenn der Geist in seinem natürlichen Zustand belassen wird. Wir müssen den Fluss mentaler Ereignisse nicht korrigieren. Wenn man mentale Veränderungen herbeiführt, bleibt diese Intelligenz—offene Intelligenz— verborgen und außerhalb unseres Erfahrungsbereiches. In offener Intelligenz finden wir vollkommene mentale Stabilität, Mitgefühl, herausragende Fähigkeiten und Ideen, die zum Wohl aller sind. Wir sind auf ganz natürliche Weise herzlicher, freundlicher und kooperativer. Einfach ausgedrückt: Durch meditative Fortschritte kann man nicht zur eigenen offenen Intelligenz gelangen. Es ist absurd und unlogisch, nach etwas zu suchen, das bereits präsent ist, und es lenkt uns von einfacher offener Intelligenz ab. In offener Intelligenz erscheint Meditation bloß als ein weiteres Datum, das identisch mit allen anderen Daten ist. Er hat keine besonderen Rechte oder Privilegien. In offener Intelligenz sind alle Daten gleich. Das ist es, was wir verstehen und erkennen müssen. Den Geist den ganzen Tag über unerschütterlich zu entspannen, ohne dessen Inhalte auf irgendeine Weise zu verändern, garantiert einen sehr raschen Zugang zu offener Intelligenz. Es wird immer wieder für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraut, bis sie spontan und kontinuierlich ist. Auf diese Weise wird offene Intelligenz jederzeit vorherrschend. Wir brauchen keine speziellen Zeiten festzulegen, wie für eine Meditationssitzung, um mental zu ruhen. Wenn wir uns auf bestimmte Zeiten festlegen, dann machen wir einen Unterschied zwischen dieser Zeit und anderen Zeiten. Dies kann ein Hindernis beim Entdecken von offener Intelligenz sein, die in jedem Moment präsent ist. Wir brauchen meditative Vertiefung nicht zu einer speziellen Zeit oder an einem

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speziellen Ort zu suchen, denn sie kann nicht gefunden werden, indem man sich auf einen Punkt fixiert und dabei alles andere ausblendet. Bei sogenannter „künstlicher‖ Meditation wird die Konzentration auf einen bestimmten Punkt gelenkt. Beispielsweise auf ein Mantra, das wiederholt wird, den Atem, eine Kerzenflamme oder auf die Beobachtung der eigenen Gedanken. Dabei kann es sich um die Konzentration auf eine Form oder auf etwas Formloses handeln, doch sowohl die Konzentration auf eine Form als auch die Konzentration auf etwas Formloses, ist Konzentration auf ein Objekt! Wenn beim Meditieren konzentrierte Aufmerksamkeit angewendet wird, wird dadurch in Wirklichkeit ein neuesDatumgeschaffen, das auf subtile Weise sowohl die persönliche Identität als auch die Zweiteilung von Subjekt und Objekt verstärkt: Es gibt ein Subjekt, das sich auf ein Objekt der meditativen Vertiefung richtet. Sich auf den Atem zu konzentrieren oder die Augen zu schließen, sind Versuche, etwas Spezielles zu tun, um mentale Veränderungen herbeizuführen. Offene Intelligenz ist ohne Grundlage und von nichts abhängig. Daher ist es überflüssig, bestimmte Haltungen einzunehmen. Ohne die Zuversicht, die sich beim Vertrauen auf von Natur aus weite und unbegrenzte offene Intelligenz ergibt, unterliegen wir falschen Hoffnungen über die Resultate unserer Meditationspraxis. Wenn wir solchen Ansätzen folgen, sind wir blindgegenüber dem, was bereits präsent ist, indem wir glauben, Meditation bewirke offene Intelligenz. Offene Intelligenz ist bereits allzeit präsent und vollkommen. Daher ist es ein Fehler zu erwarten, sie irgendwann in der Zukunft zu erlangen. In ungezwungener offener Intelligenz brauchen wir uns weder auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren, noch brauchen wir einen speziellen Zeitpunkt oder Ort, um eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen, oder irgendwelche fest vorgegebenen Bezugspunkte. Wir brauchen nur auf offene Intelligenz zu vertrauen, die allen Erscheinungen zugrunde liegt. Offene Intelligenz ist eine nahtlose Weite, die überall natürlich präsent ist. Sie ist in allem und schließt alles mit ein. Es gibt keine „Person‖, die „irgendein Objekt‖ betrachtet, denn in offener Intelligenz wurde nie irgendetwas geformt. Betrachter, Betrachten und Betrachtetes erscheinen und verschwinden allesamt in offener Intelligenz—imunwandelbarenWesen aller Dinge, die erscheinen und vergehen. Der ungezwungene Moment des Vertrauens auf offene Intelligenz schließt alles ein und umfasst das gesamte Leben. Alle Gedanken, einschließlich des Gedankens „Ich‖, erscheinen und verschwinden in offener Intelligenz, doch offene Intelligenz bleibt unbeeinflusst von ihrem Erscheinen und Verschwinden. Offene Intelligenz ist weder Subjekt noch Objekt. Sie ist ohne Bezugspunkte.Dahermüssen wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf irgendetwas Bestimmtes lenken. Der einfache Weg ist, makelloseoffene Intelligenz in allen Situationen aufrechtzuerhalten, ohne uns auf irgendetwas Spezielles zu konzentrieren oder mentale Geschehnisse zu korrigieren. Der entscheidende Punkt ist, sich nicht durch Gedanken ablenken zu lassen. Wir halten

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makelloseoffene Intelligenz aufrecht, während wir alle Wahrnehmungen völlig ungehindert, unbeeinträchtigt und unverändert zulassen. Wir versuchen nicht, die Dinge auf irgendeine Weise zu neutralisieren, sondern lassen der vollen Wucht von Gedanken, Emotionen und Erlebnisse freien Lauf, während wir ihr zugrundeliegendesWesenempowern. Wir brauchen unsere Gedanken und Emotionen nicht irgendwo zu verstecken—wir stellen uns allem und entspannen uns einfach. Wir können Meditation neu definieren als „die Befreiung des Geistes von all seinen Restriktionen‖. Alles, was erscheint, wird als eine Form reiner offener Intelligenz gesehen. Daher gibt es keine Probleme, und Restriktionen sind unnötig. Nichts wird als festgelegt wahrgenommen. Das klare Licht offener Intelligenz strahlt völlig ungehindert. In offener Intelligenz—genauso wie im makellosen, unbefleckten Himmel—kann man an nichts festhalten. Ein Augenblick unmittelbarer offener Intelligenz macht uns mit dem an uns bekannt, was sich niemals ändert. In diesem Sinne ist jeder Augenblick die höchste Form der Meditation, ganz gleich was dieser Augenblick beinhalten mag. Viele von uns sind mit unterschiedlichen Meditationsformen vertraut und haben jahrelang meditiert. Wir kennen Begriffe wie „die Auslöschung des Geistes‖ oder „die Auflösung aller Erscheinungen‖, die mit Meditation verbunden werden. Wir interpretieren diese Begriffe dahingehend, dass wir keine Gedanken oder Emotionen mehr hätten. Das ist ein grundlegendes Missverständnis. Das Entscheidende ist nicht, keine Gedanken oder Emotionen zu haben, sondern von Gedanken und Emotionen nicht abgelenkt zu werden. Beim Meditieren können wir uns in alle möglichen außergewöhnlichen Zustände versetzen, doch diese sind nicht völlig frei—es sind nur Zustände, und Zustände sind vorübergehend. Alles, was durch Bemühungen erlangt wurde, kann letztendlich verloren gehen. Nur unsere wahre Natur ist jetzt und in Zukunft immer bei uns. All die subtilen, vergeistigten Zustände, die mit spirituellen Praktiken in Zusammenhang gebracht werden—formlose Zustände, Glückseligkeit, Leerheit, Neutralität und vieles mehr—sind bloß Daten. Es besteht kein Anlass, an irgendwelchen Bezugspunkten festzuhalten, nicht einmal an außergewöhnlichen meditativen Erlebnissen. Es würde unseren Zugang zu offener Intelligenz beträchtlich erschweren. Glückseligkeit und Leid sind gleichwertig. Dies kann nur aus der Perspektive offener Intelligenz erkannt werden. Macht nicht den Versuch, Glückseligkeit zu erlangen oder Leid zurückzuweisen. Indem wir offene Intelligenz aufrechterhalten, ist alles vollbracht. An Glückseligkeit oder anderen meditativen Erfahrungen festzuhalten, bedeutet Leid. Lasst euch bitte nicht von der Krankheit anstecken, nach meditativen Erlebnissen zu streben! Der konventionelle Geist und alle wissenschaftlichen Aussagen darüber sind bloß Daten. Es gibt keinen „Geist‖, der ein Speicher für Daten ist und der ein Wesen hat, das unabhängig von offener Intelligenz ist. Eine einfache Art und

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Weise, mit dem Geist umzugehen, ist, ihn als Datum zu betrachten, und auf offene Intelligenz zu vertrauen, wenn Gedanken über diesen Geist auftauchen. Selbst wenn es Daten über das Nichterkennen von offener Intelligenz gibt, Ablenkung durch Gedanken oder Gedanken ausgiebig nachgegangen wird, wird im zunehmenden Maße erkannt, dass all dies einzig und allein aufgrund offener Intelligenz geschieht. Die einzige Freiheit ist Freiheit in unmittelbarer Wahrnehmung, und das kann nicht durch Nachdenken, Philosophieren oder Meditieren erreicht werden. Alles, was wir tun müssen, ist auf offene Intelligenz zu vertrauen. So werden alle mentalen Beeinträchtigungen abflauen. Selbst wenn man jahrzehntelang meditiert, ist die vollkommene Offensichtlichkeit von offener Intelligenz im Alltag nicht die Folge von Meditation. Offene Intelligenz ist bereits präsent und muss daher nicht herbeigeführt werden. Es geht nur darum zu bemerken, dass offene Intelligenz in jeder Wahrnehmung präsent ist. Viele erklären nach jahrelangem Meditieren, Meditation sei letztendlich überflüssig, da nichts nötig ist, um das zu etablieren, was bereits ist. Sie kommen letztendlich zu dem Schluss, dass alles Nachdenken und Meditieren über die Natur des Geistes unnötig ist, weil die Grundlage des Geistes der absolute Grund aller Dinge ist, und es deshalb keine Trennung gibt. Es ist bereits hier und bereits realisiert. Alles, was innerhalb des Urgrundes aller Dinge erscheint, ist der Urgrund aller Dinge. Ich sage nicht, dass du Meditation aufgeben sollst, wenn du gerne meditierst. Falls du Meditation als eine deiner Übungen praktizieren willst, muss sich das nicht ändern. Doch du solltest wissen, dass Meditation kein Mittel ist, um dich an ein Ziel zu bringen. Wenn du meinst, sie sei ein Mittel zu einem Ziel, dann denkst du, dass das Ziel der Freiheit sich immer irgendwie außerhalb deiner Reichweite befindet und erst in ferner Zukunft erreicht werden kann. Dabei ist diese Freiheit genau hier in diesem Augenblick bereits vorhanden. Betrachtet es doch einmal folgendermaßen: Jede Erscheinung in offener Intelligenz ist eine Meditation—eine Massage zu bekommen, einen Berg zu besteigen, Liebe zu machen, den Darm zu entleeren—alles ist Meditation und alles ist gleichwertig. Kraft des Vertrauens auf offene Intelligenz für kurze Momente, viele Male wiederholt, wird jedes Erlebnis zur Meditationssitzung. Durch diese einfache Übung ist man natürlich und völlig organisch in allem beteiligt. Eine neuartige Verbundenheit mit dem gesamten Leben kommt auf, die frei fließt und voller Freude ist. Frage: Worauf sollte der Geist beim Meditieren gerichtet werden? Antwort: Auf gar nichts. Vertraue einfach auf offene Intelligenz. Frage: Kann Mantrameditation mit der Übung des Vertrauens auf offene Intelligenz kombiniert werden?

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Antwort: Lass es mich so sagen: Das allerbeste Mantra ist völliges Vertrauen auf offene Intelligenz. Eine der Bedeutungen des Wortes „Mantra‖ ist „das, was den Geist beruhigt‖. Wenn wir also etwas suchen, was den Geist absolut beruhigt, dann finden wir es im Vertrauen auf offene Intelligenz. Wenn man das begriffen hat, kann Mantrawiederholung einfach eine angenehme Beschäftigung wie jede andere auch sein und keine Übung, die zu einem Ziel führt. Denn durch Vertrauen auf offene Intelligenz haben wir herausgefunden, dass das Ziel sich hier und jetzt befindet. Frage: Ich habe jahrelang meditiert, aber nun versuche ich, diese Praxis mit Vertrauen auf offene Intelligenz zu kombinieren. Das Problem ist, dass ich jetzt beim Meditieren das Gefühl habe, mich dazu zu zwingen, auf offene Intelligenz zu vertrauen, und das lässt mich zweifeln, ob ich überhaupt meditieren sollte. Antwort: Jeder, der meditiert, möchte letztendlich den ganzen Tag in allen Lebenslagen im meditativen Zustand sein, und nicht bloß unter speziellen Umständen, wie beispielsweise auf einem Meditationskissen sitzend. Wir reden hier von völlig ungezwungener Meditation, die den Wachzustand, Träumen und Schlaf durchdringt. Durch die Einführung in offene Intelligenz und die Übung kurzer Momente offener Intelligenz, viele Male wiederholt, wird offene Intelligenz Tag und Nacht hindurch kontinuierlich. Das kann sich rasch oder nach und nach ergeben. Das höchste Ziel der Meditation ist, mit völligem Gleichmut auf offene Intelligenz zu vertrauen, ganz gleich was auftaucht. Selbstverständlich möchten die meisten von uns auf die einfachste Weise dahin kommen! Meditation sollte auf einfache und mühelose Weise ein Ausdruck alles durchdringender offener Intelligenz sein. Falls wir meinen, wir können nur auf einem Kissen sitzend oder an einem speziellen Ort meditieren, dann stimmt das nicht unbedingt—wir glauben das bloß. Ich selbst habe nie eine Meditationspraxis gehabt, bei der man täglich auf einem Kissen sitzt. Doch ich habe auf meine Weise meditiert, indem ich unter allen Umständen und Bedingungen unerschütterlich für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraut habe. Auf diese Weise durchdrang Meditation rasch den Wachzustand, Träume und Schlaf. Ich sage nicht, dass man nicht meditieren soll. Du kannst tun, was du willst. Aber lass beim Meditieren alles so, wie es ist—genau so, wie in jedem anderen Moment. Erzwinge nichts, entspanne dich einfach. Welche Art von Gedanken, Emotionen und Empfindungen auch kommen mögen, sie sind die unbegrenzte Kapazität und Kreativität offener Intelligenz. Sie sind untrennbar von offener Intelligenz, genau so wie der Glanz eines Diamanten untrennbar vom Diamanten selbst ist. Anfänglich mag es den Anschein haben, als sei sich offene Intelligenz ablenkender Daten bewusst ist—so ähnlich wie eine Katze, die eine Maus beobachtet. Doch je mehr man sich selbst in offener Intelligenz empowert, desto mehr erkennt man, dass offene Intelligenz und Daten untrennbar sind. Selbst

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wenn wir sagen: „Ich vertraue auf offene Intelligenz, und ein Gedanke erscheint in offener Intelligenz‖, sind beides Daten, die einzig und allein offene Intelligenz als deren Grundlage haben. Es ist nicht nötig, sich auf irgendwelche Meditationsobjekte zu konzentrieren, wie dem Atem zu folgen, an bestimmte Dinge zu denken, eine Gottheit zu visualisieren, in eine Kerzenflamme zu blicken oder sonst irgendetwas zu tun. Vertraue einfach auf offene Intelligenz! Dann wird sich alles mehr und mehr klären, und es wird deutlicher, dass in Wirklichkeit alles von Natur aus nondual ist. Falls wir meinen, dass gewisse Voraussetzungen notwendig seien und offene Intelligenz von Bedingungen abhängig sei, ist es sehr schwierig zu erkennen, dass alles eine ungeteilte, nonduale Weite ist. Denn wir stellen Bedingungen und sagen, offene Intelligenz sei von etwas abhängig. Aber offene Intelligenz ist die Grundlage aller Dinge und somit von nichts abhängig. Frage: Können wir demnach sagen, dass das Ziel der Meditation erreicht ist, wenn sie sich selbst überflüssig macht? Antwort: Oh, das finde ich wundervoll. Das ist Musik in meinen Ohren! Was für ein tiefgründiger Ausdruck von Weisheit! Ich sage nichts Neues zu diesem Thema. Die allerhöchste Meditationsform— unerschütterliches Ruhen—ist durch alle Zeiten hindurch von Generation zu Generation weitergegeben worden und zieht sich durch alle Zeitalter wie eine Kette goldener Berge. Die Abstammungslinie von alltäglicher offener Intelligenz ist derart rein, dass sie ohne Linien ist. Offene Intelligenz ist von sich aus über alle Maßen vollkommen. Es braucht keine Glaubenslehren, Traditionen, Methoden, spezielle Kostüme oder Orte, da sie die Grundlage von all dem und auch von allem anderen ist. Diese Übungspraxis ist für jeden Menschen geeignet. Sie ist nicht von Voraussetzungen wie Alter, Intellekt, Bildung, Geschlecht oder Lokalität abhängig. Wir sind bereits das, was wir sind. Warum sollten wir uns also jahrzehntelang solchen Torturen unterziehen, um das zu werden, was wir sind? Vertrauen auf offene Intelligenz ist alles, was wir brauchen. Das ist rasch und zuverlässig! Frage: In einigen Traditionen wird gelehrt, Tiefschlaf sei ähnlich wie Meditation, doch meiner Erfahrung nach ist Schlaf und Meditation, und Schlaf hat nichts mit Meditation zu tun. Könntest du das etwas näher erläutern? Antwort: Schlaf und Meditation sind Phänomene, die allen anderen Phänomenen ebenbürtig sind, und alle Phänomene haben offene Intelligenz als deren Wurzel. Ganz gleich was ist—es gibt nicht „Zwei‖.Die Bedeutung von nondual lautet: Es hat niemals zwei gegeben. Meditation bedeutet, auf offene Intelligenz zu vertrauen, und wenn wir einfach in diesem natürlichen Zustand ruhen, wird er immer vertrauter. Während er immer vertrauter wird, erkennen wir, dass offene Intelligenz untrennbar von allen Dingen ist. Sie ist untrennbar

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von Träumen, Wachzustand und Schlaf und untrennbar von Geburt, Leben und Tod. Wenn wir dies erkennen, gehen wir über alle Bezeichnungen hinaus, mithilfe derer wir uns beschrieben haben. Wenn wir jahrelang meditiert und uns in einem formlosen Zustand wie Ichlosigkeit, Glückseligkeit oder Leerheit verirrt haben, dann können wir jahrelang in diesem Zustand bleiben, falls wir das wollen. Manche haben sich darin geschult, in allen möglichen Zuständen zu verweilen. Wenn wir jedoch erkennen, dass Zustände nichts anderes als offene Intelligenz sind, dann überwinden wir das Verharren in Zuständen. Das klare Licht der Weisheit geht über diese festgefahrenen Zustände hinaus. Das erfordert keinen Zustand. Es macht sich nie irgendwelche Extreme zu Eigen und ist von enormem Benefit. Wenn wir in solchen Zuständen gefangen sind, wird es sehr schwierig, die Probleme dieser Welt anzugehen, weil uns dieser Zustand wahrscheinlich suggeriert, dass es keine Welt gibt. Ein solcher Zustand ist in Wirklichkeit ein Hindernis fürdas Erkennen offener Intelligenz, obwohl er sich viel angenehmer anfühlen mag als unsere herkömmlichen Daten. Wir haben uns eine extreme Position zu Eigen gemacht, und offene Intelligenz hat keine Extreme. Offene Intelligenz vertritt keine Standpunkte wie „die Welt existiert‖ oder „die Welt existiert nicht‖. Aus der Sicht offener Intelligenz werden solche Standpunkte nicht eingenommen. Es gibt einzig und allein die totale Präsenz offener Intelligenz im Hier und Jetzt. Wenn wir die Beschaffenheit von Phänomenen untersuchen, ohne sie zu beschreiben, erkennen wir, dass diese Aussage völlig zutreffend ist. Ein Zustand ist bloß eine weitere Illusion—ein weiteres Trugbild oder ein weiterer Traum. Sich in irgendeiner Art von Zustand zu befinden, mag für uns persönlich von Vorteil sein, und wir können uns vielleicht sogar einreden, er diene dem Wohl aller. Doch wie viel Nutzen kann er wirklich bringen, wenn Millionen von Menschen auf der Welt keine ausgewogene Ernährung, sauberes Wasser oder anständige Abfallbeseitigung haben? Große Weisheit geht über all diese Zustände hinaus und ist nicht an konzeptionelle Bezugsrahmen gebunden. Diese Weisheit kann tun und lassen, was sie will. Sie kann sich überall einbringen, kann mühelos sehr viel Gutes bewirken, ist ungebunden und unbegrenzt. Frage: Ich praktiziere seit vielen Jahren eine bestimmte Meditationsform und habe sehr davon profitiert und sehe keinerlei Veranlassung, sie aufzugeben. Kannst du mir vielleicht sagen, was man da tun kann? Antwort: Menschen, die seit Langem meditieren, sind oftmals bereits körperlich und mental entspannter. Wenn sie dann das Glück haben, mit dem Training des Vertrauens auf offene Intelligenz in Kontakt zu kommen, können sie ganz präsent sein, ohne über das Gesagte lange nachdenken zu müssen. Manche haben jahrelang verschiedene Formen der Meditation praktiziert, während sich andere mit dreißig Jahren Gefangenschaft auseinandersetzen

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mussten. Doch all dies sind Übungspraktiken. Bei den meisten Übungen haben wir uns trainiert, den Inhalt unseres Geistes zu betrachten und einiges als gut und anderes als schlecht anzusehen. Ganz gleich ob wir nun eifrig spirituelle Übungen oder fortdauerndes Fehlverhalten praktiziert haben, wir gründen unsere Handlungen immer auf unserem Denken und Fühlen. Deshalb suchen wir oft nach einer Lehrmethode, die mit unserer festgelegten Anschauung übereinstimmt, gewisse Dinge seien gut und andere schlecht. Das ist nicht der beste Ansatz, wenn wir Vertrauen in offene Intelligenz erlangen wollen, denn offene Intelligenz geht über solche gedanklichen Bezüge hinaus. Manche von uns verstricken sich tief in die in ihrem Geist erscheinenden Daten und sagen: „Ich muss diese negativen Daten unbedingt loswerden. Ich muss rein sein, um Buddha-Natur zu erlangen.‖ Buddha-Natur ist nichts weiter als eine Bezeichnung für perfekte offene Intelligenz und außergewöhnliche Aktivitäten. Vom ursprungslosen Ursprung der großen Gleichheit aller Dinge an hat es nie etwas gegeben, das verändert werden muss. Es hat nie irgendwo eine Unreinheit gegeben. Es gibt einzig und allein vollkommene Offenheit, und in dieser grenzenlosen Intelligenz ist alles durch die Weisheit geprägt, die natürlich präsent und ursprünglich rein ist. Wir halten offene Intelligenz aufrecht, ohne zu versuchen, schlechte mentale Ereignisse in gute zu verwandeln. Auf diese Weise finden wir diese vollkommen nutzbringende Intelligenz im Kern aller Dinge. Wenn wir meinen, es gäbe etwas Unreines oder Böses in uns, das nicht geändert werden kann, dann ist es an der Zeit, uns als offene Intelligenz zu entspannen und die Auflösung dieses Datums zuzulassen. Zu dieser Schlussfolgerung kam auch Buddha. Er hatte viele Methoden ausprobiert, doch schließlich hörte er auf zu suchen und setzte sich unter den Bodhibaum. Und was geschah? Er gab all seine früheren Praktiken auf und vertraute einfach auf offene Intelligenz. Er tat das nicht in irgendeiner besonderen Art und Weise. Zuweilen stand er auf, zuweilen setzte er sich nieder und manchmal machte er ein kleines Nickerchen. Doch ganz gleich, was auftauchte, er ließ einfach all seinen Gedanken und Emotionen freien Lauf, anstatt zu versuchen, sie durch intensive Übungen von ihnen abzulassen, sie zu vermeidenoder zu verändern, wie er es früher getan hatte. Als er so dasaß, stiegen all die Ängste, Zweifel, sexuellen Fantasien und andere Dinge in ihm auf. Die alten buddhistischen Schriften bezeichnen sie als Dämonen, doch sie kamen nicht von außen. Es waren innere Dämonen. Wir wissen alle, wie das ist, nicht wahr? Habt ihr auch schon einmal das Gefühl gehabt, die großartigste Meditationserfahrung zu erleben, doch plötzlich sind sie alle da: Das Playboy Magazin, Fantasien über wunderschöne Filmstars oder die Person auf der anderen Seite des Raumes und das rasende Verlangen, das mit solchen Fantasien einhergeht. Als Nächstes denkst du über den Diamantring oder das Auto nach, das du haben willst, oder wo du leben möchtest, oder den Job, den du haben möchtest, oder welche Fächer du in der Schule hättest

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belegen sollen, oder dass einschreiben willst!

du dich für den nächsten Meditationsretreat

Etwas ganz Ähnliches ist Buddha unter dem Bodhibaum widerfahren, doch er saß einfach da und ließ alles geschehen. Er versuchte nicht, es in Schach zu halten, zu kontrollieren oder zu verändern. Er hörte ganz und gar damit auf, etwas zu erzwingen, und ließ alles so sein, wie es war. Er war empowert von großem Gleichmut, der die Grundlage aller Erscheinungen bildet. Als er dann auf makelloseoffene Intelligenz vertraute, sah er alles als makelloseoffene Intelligenz, bis alles makelloseoffene Intelligenz war. Nachdem er unmittelbar realisiert hatte, dass die reine offene Intelligenz, welche die Grundlage aller Phänomene ist, seine eigene wahre Natur ist, berührte er die Erde und sagte: „Das ist es. Ich realisiere, dass alles, was ich versucht habe anzuhäufen, zu verändern oder zu vermeiden einfach Manifestationen von Weisheit sind, untrennbar vom Grund allen Seins.‖ Die einfachste aller Übungen ist auf ungezwungene Weise auf offene Intelligenz zu vertrauen, weil es alles ohne Ausnahme integriert. Du musst deinen Lebensstil nicht von Grund auf ändern. Beginne einfach, den ganzen Tag hindurch auf offene Intelligenz zu vertrauen, und du wirst rasch herausfinden, dass offene Intelligenz in zunehmendem Maße in deinem Leben offensichtlich wird. Mühelose und alles einbeziehende offeneIntelligenzistder allerbeste Ansatz—es wirkt sich auf das gesamte Leben aus. Wenn du einfach auf offene Intelligenz vertraust, wirst du mehr und mehr davon überzeugt sein. Darauf kannst du dich unbedingt verlassen.

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VOLLKOMMENES WOHLBEFINDEN KAPITEL DREIZEHN

„Die meisten von uns wissen nicht, dass wir in Wirklichkeit jeden Moment, Tag und Nacht hindurch, in vollkommenem Wohlbefinden ruhen. Es gibt keinen einzigen Moment, in dem wir davon getrennt sind, ganz gleich was wir denken, fühlen oder erleben.”

Selbst als ich recht jung war, war ich völlig davon überzeugt, dass es etwas sehr Kostbares im Leben gibt. Obwohl niemand darüber sprach, war für mich diese Kostbarkeit klar ersichtlich. Ich hatte das intuitive Gefühl, dass das Leben wundervoll sein würde, falls ich diese Kostbarkeit vollständig entdecken könnte. Ich würde realisieren, dass ich in diese Kostbarkeit eingehüllt bin und als diese kostbare Essenz leben kann. Dann könnte ich mit allen Menschen in liebevoller Warmherzigkeit leben. Mein Geist wäre immer friedlich, und meine Interaktionen mit anderen wären kraftvoll, angenehm, mühelos und liebevoll. Irgendwie wusste ich, dass das möglich ist. Als Erwachsener entdeckte ich, dass das, was ich als Kind für wahr erachtet hatte, absolutder Wahrheit entspricht! Diese Lebensweise ist möglich, nicht nur für mich, sondern für jeden einzelnen Menschen auf der Welt. Wir alle sehnen uns nach vollkommener Liebe und Frieden. Wir wünschen uns, dass das wahr ist, ganz gleich wie viele Glaubenssätze wir in unserem Leben angenommen haben. Wir sehnen uns jeden Moment unseres Lebens nach dem magischen Herzschlag von Warmherzigkeit und Wohlbefinden. Nun, das ist nicht nur eine Möglichkeit, es ist bereits in uns präsent. Ganz gleich wie die Dinge erscheinen—positiv oder negativ, spirituell oder nicht spirituell, belastend oder beglückend—jede Erscheinung hat als Kern dasselbe Wohlbefinden. Wohlbefinden bedeutet nicht, dass wir nur angenehme Gedanken und Emotionen haben. Wir werden unser ganzes Leben lang weiterhin eine große Bandbreite an Gedanken, Emotionen und Empfindungen haben. Doch wahres Wohlbefinden rührt von der Tatsache her, dass wir nicht länger von ihnen beherrscht werden. Sie definieren und beeinflussen uns nicht länger, denn wir wissen, dass sie in offener Intelligenz erscheinen, die sich nie in irgendetwas verstrickt hat. Wenn wir in der Praxis des Vertrauens auf offene Intelligenz etabliert sind, bleibt sie für uns offensichtlich, ganz gleich was vor sich geht. Wir brauchen nicht länger zu versuchen, sie aufrechtzuerhalten. Statt die ganze Zeit in herkömmlichem Denken gefangen zu sein, öffnen sich unser Herz und Geist, und wir erkennen, dass alles in unwandelbarer und allzeit frei bleibender offener Intelligenz inbegriffen ist, ganz gleich was erscheint. Wenn wir uns einfach in die unendliche Weite entspannen, welche die Essenz unseres Wesens ist, dann entdecken wir etwas an uns, das wir vielleicht nie 100

zuvor erkannt haben. Die meisten von uns wissen nicht, dass wir in Wirklichkeit jeden Moment, Tag und Nacht hindurch, in vollkommenem Wohlbefinden ruhen. Es gibt keinen einzigen Moment, in dem wir davon getrennt sind, ganz gleich was wir denken, fühlen oder erleben. Doch wir werden uns dieses allzeit präsenten Wohlbefindens in dem Maße nicht bewusst sein, wie wir glauben, dass unsere Gedanken und Emotionen Macht über uns haben. Wenn wir uns also als von Wohlbefinden getrennt und durch jeden auftretenden Gedanken und jede Emotion beeinträchtigt betrachten, dann werden wir das auch so erleben. Das mit Weisheit verbundene Wohlbefinden ist nicht wie der Glückszustand, der durch gewöhnliche Denkweisen angestrebt wird. Gedanken, Emotionen und Erfahrungen zu folgen, um Glück zu finden, ist überhaupt kein Wohlbefinden. Wir folgen Gedanken, wenn wir uns Wohlbefinden erhoffen, doch das ist ein schmerzlicher Zustand, weil das Hoffen nie ein Ende findet und letztendlich nicht zu erfüllen ist. Wir müssen das bereits in uns befindliche Wohlbefinden entdecken, anstatt zu hoffen, dass es in der Zukunft eintritt. Die erhoffte Zukunft tritt niemals ein—doch das, was zeitlos und ewig ist, ist bereits jetzthier. Das Hoffen auf Wohlbefinden entstammt der einfachen Tatsache, dass wir uns gut fühlen möchten. Der Wunsch nach Wohlbefinden kann viele Formen annehmen, beispielsweise der Wunsch nach Anerkennung, nach Wiedergutmachung eines Unrechts oder nach Ausgewogenheit im Leben. Doch es läuft alles auf dieselbe grundlegende Sache hinaus—auf den Wunsch, ein von Wohlbefinden erfülltes Leben zu führen. Selbst Menschen, die sehr egoistisch, zornig, beleidigend und selbstgerecht sind, wollen sich einfach bloß gut fühlen. Alle sind so wie wir; keiner ist andersgeartet. Alle wollen sich gut fühlen, und keiner will sich lausig fühlen! Wir sind unser ganzes Leben auf der Suche nach Wohlbefinden. Von anderen Leuten haben wir von Anfang an gelernt, uns auf herkömmliches Denken zu verlassen, und viel von dem Erlernten betrifft das Manipulieren unserer Gedanken und Emotionen, damit wir uns gut fühlen. Als Kind waren wir beispielsweise vielleicht manchmal ein wenig aggressiv und haben andere Kinder geschlagen, und dann hörten wir: „Das ist schlecht! Du darfst nicht wütend sein und andere Menschen schlagen!‖ Wir nehmen daher an, dass uns Wut und aggressives Verhalten in Schwierigkeiten bringen; dass es falsch ist und korrigiert werden muss. Ein weiteres Beispiel wäre, dass uns unsere Eltern gewöhnlich beibringen, Wut zu vermeiden und durch gutes Verhalten zu ersetzen: „Sei nicht wütend, sei nett zu anderen.‖ Folglich müssen wir vorgeben, nett zu sein, auch wenn uns gar nicht danach ist, damit wir mit anderen auskommen und uns selbst gut fühlen. Doch selbst die nettesten Menschen auf Erden werden durch bloßes Nett sein kein vollkommenes Wohlbefinden erlangen. Es wird immer irgendetwas im Hintergrund lauern, das nicht so nett ist—wie beispielsweise der Tod, eine lebensbedrohliche Krankheit, unerwartete Emotionen und andere Ereignisse.

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„Nett‖ ist bloß eine Bezeichnung, und wir können niemals Wohlbefinden in einer Bezeichnung finden. Dieses in der Kindheit erlernte Manipulieren unseres Verhaltens führt nie zu wirklichem Wohlbefinden, weil es lediglich ein Gegenmittel ist. Es ist, wie wenn man ein Pflaster auf eine tiefe Wunde legt. Auch wenn wir durch sie vielleicht etwas mehr praktisches Verständnis im Leben erwerben, sind Mittel gegen Gedanken, Emotionen und andere Erfahrungen für wahres Glück nicht ausreichend. Strategien zur Beeinflussung von Gedanken und Emotionen werden uns niemals dauerhaft glücklich machen, ganz gleich wie große Fortschritte wir mit unseren Programmen zum Gedankenmanagement machen. Ganz gleich für wie exzellent wir diese Programme zur Selbstverbesserung halten, wir fühlen uns trotzdem nicht ständig gut. Doch wir wollen ständiges Wohlbefinden. Ständiges Durchforsten unserer Gedanken und der Versuch, schlechte Gedanken durch gute zu ersetzen, führt nicht zum Glücklich sein, sondern zu einer Art maschineller Existenz. Wir werden zu jemandem, der seine Gedanken rund um die Uhr sortiert. Das ist keine Freiheit—das ist ein Leben wie ein Roboter. Der Versuch, schlechte Gedanken und Emotionen durch gute Gedanken und Emotionen zu ersetzen, bedeutet lediglich, von einem Datum zum nächsten zu wechseln. Diese unaufhörliche Unruhe wird uns niemals die ausgeglichene Ruhe vollkommenen Wohlbefindens entdecken lassen. Mit gewöhnlichen Denkweisen können wir die unzerstörbare Realität offener Intelligenz nicht erkennen, obwohl diese Realität alle Daten durchdringt. Wenn wir uns mit unseren Gedanken identifizieren und glauben, der Denker zu sein, wird es keine Erfahrung von weit offener Intelligenz geben—dem Elementarraum, in dem sowohl die Gedanken als auch der Denkererscheinen und entschwinden. Dieser ursprüngliche Elementarraum ist das, was wir sind. Doch aufgrund anhaltender Identifizierung mit gewöhnlichem Denken haben wir diese offene Weite offener Intelligenz vergessen. Indem wir uns an die temporären Dinge klammern, haben wir das zeitlose Ganze völlig vergessen. Es ist unmöglich, durch gewöhnliches Denken einen dauerhaften Zustand des Wohlbefindens herbeizuführen. Selbst wenn wir alles wüssten, was es im Bereich von Fakten und Wissenschaft zu wissen gibt, würde diese Errungenschaft niemals zu einem dauerhaften Zustand der Befriedigung oder des Wohlbefindens führen, denn sie besteht nur aus vergänglichen Daten. Wahrhaftige Weisheit ist die Fähigkeit, nicht von offener Intelligenz abzuweichen, und das wird nur durch den Entschluss erreicht, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Statt Erscheinungen zu folgen, fahren wir fort, für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, bis die Leichtigkeit des Seins kontinuierlich wird. Auf diese Weise machen wir uns allmählich vollends mit offener Intelligenz als Grundlage aller Wahrnehmungen vertraut. Wir identifizieren uns immer weniger als ein separates Wesen, das in einem Körper feststeckt. Wir entdecken, dass unser ursprünglicher Zustand allzeit freie offene Intelligenz ist, die alle Daten durchdringt und transzendiert.

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Solange wir uns ausschließlich mit dem physischen Körper identifizieren, scheint er irgendwie bedrohlich, denn wir fühlen uns in ihm gefangen. Es gibt immer Leute, die uns weismachen wollen, dass unsere Existenz mit unserer Geburt begann. Und wenn wir das glauben, dann fürchten wir uns vor diesem zukünftigen Ereignis namens Tod. Wenn wir der Ansicht sind, wir seien lediglich der Körper, kann der Tod eine Furchterregende Perspektive sein. Vielleicht meinen wir, wissenschaftliches Wissen sei eine Hilfe, und deshalb vertiefen wir uns in verschiedenartige Fakten. Doch selbst wenn wir alles über diesen verwundbaren Körper und dessen Psychologie gemäß dem gegenwärtigen Wissensstand herausfinden könnten, würden uns diese konventionellen Beschreibungen dann vor dem Tod bewahren? Ganz gleich was wir über uns selbst gelernt haben, nichts davon hat uns das vollkommene Wohlbefinden gebracht, das wir uns wünschen. Denn konventionelles Wissen übersieht offene Intelligenz, den Aspekt, der sich selbst erkennt und der untrennbar vom ursprünglichen Zustand ist. Nur durch offene Intelligenz können wir unseren eigenen Körper und alles andere wirklich kennen. Offene Intelligenz ist die ursprüngliche Wurzel allen Wissens; sie existiert vor allen Gedanken, einschließlich des Gedankens „Ich‖. Das Wohlbefinden, das wir suchen, ist nur in offener Intelligenz zu finden, denn einzig und allein offene Intelligenz ist permanent, und nur das ist unsere grundlegende Realität. Nur das ist wahres Wissen. Einzig die Kenntnis unseres ursprünglichen Zustands verschafft uns vollkommenes Wohlbefinden—und das muss eine gelebte Erfahrung sein. Wenn wir immer wieder zu offener Intelligenz zurückkehren, erlangen wir allmählich Vertrautheit mit unserem ursprünglichen Zustand. Dann verliert unser Denken seinen beunruhigenden Aspekt und erblüht in freudvollem Wohlbefinden. Wir empfinden auf völlig ungekünstelte Weise größere Intimität und Verbundenheit mit anderen. Unsere Gedanken, falls wir sie überhaupt noch wahrnehmen, drehen sich nicht länger so sehr um unsere ichbezogenen Angelegenheiten. Sie werden allmählich dynamischer, energiegeladener und befassen sich mehr mit dem Leben anderer Menschen. Wir erkennen instinktiv, dass alles in der Tat unteilbar ist und dass niemand ein Fremder ist. Wir empfinden eine natürliche Verbundenheit mit allem und jedem. Wir beginnen uns in sehr hohem Maße um unseren Planeten und alle darauf lebenden Wesen zu kümmern. Mitgefühl und Weisheit bekommen eine starke Eigendynamik und finden ihren ganz natürlichen Ausdruck im Dienst an der Allgemeinheit. Wir finden nicht nur Lösungen für unsere eigenen Probleme, sondern auch für die Probleme anderer und haben die Stärke und den Mut, diese in die Tat umzusetzen. An diesem Punkt der menschlichen Geschichte ist es wichtig, dies über uns zu wissen—mehr als zu jeder anderen Zeit. Es hat immer Menschen unter uns gegeben, die das wahre Wesen der Realität gekannt haben. Doch heutzutage sind zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit viele Menschen

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aufgeschlossen genug und verfügen zudem über die Informationen, um ihr ursprüngliches Wesen voll und ganz zu realisieren. Diese Wahrheit ermöglicht es, sowohl unsere eigenen Probleme als auch die der Welt zu lösen. Wie ist das zu bewerkstelligen? Wir müssen uns mit der Essenz vertraut machen, die jedem Menschen zugrunde liegt. Alle Lösungen entspringen dieser Essenz. Das Wohlbefinden, nach dem wir ständig suchen, kann nicht gefunden werden—weil es nie verloren ging. Wir suchen es in Gedanken, doch dort können wir es nicht finden, da Gedanken kommen und gehen und wir nicht an ihnen festhalten können, ganz gleich wie sehr wir das versuchen. „Ich werde nur noch glückliche und liebevolle Gedanken haben und so Wohlbefinden entdecken‖—ist ein möglicher Ansatz, aber keiner hat das je geschafft. In Wahrheit existiert Wohlbefinden bereits in allen Dingen. Es existiert in glücklichen und liebevollen Gedanken, doch es existiert auch in negativen Gedanken, Erfahrungen und Emotionen. Sie alle sind der Elementarraum offener Intelligenz—die eigentliche Quelle von Wohlbefinden. Ursprüngliche offene Intelligenz ist gleichbedeutend mit Frieden; sie ist die Liebe selbst. Wir neigen dazu, unsere Gedanken als gut, schlecht, glücklich oder traurig zu bezeichnen und versuchen diejenigen, die wir mögen, festzuhalten. Die Bezeichnung sagt jedoch nichts Endgültiges aus. Alle Dinge haben eine gemeinsame Essenz. Diese Essenz ist Liebe und Weisheit. Sie ist allwissend und allbewusst und nie in irgendwelchen Bezeichnungen gefangen. Diese Essenz, die unsere wahre Identität ist, steckt nirgendwo fest und wurde nie zu irgendetwas geformt. Sie ist die Freiheit selbst und wird es immer sein. Frage: Das Thema Wohlbefinden ist mir sehr wichtig, da ich so wenig davon zu haben scheine! Ich habe wilde Stimmungsschwankungen. Ich kann mich gut fühlen, doch von einem Moment zum anderen fühle ich mich plötzlich richtig mies. Das wird durch die Beziehung mit meinem Partner noch verschlimmert, der ebenfalls Stimmungsschwankungen unterliegt. Ich glaube nicht, dass ich Wohlbefinden erlangen kann, solange ich diese wilden Stimmungsschwankungen habe oder mit diesem bestimmten Partner zusammen bleibe.

Antwort: Hier ist ein Beispiel, das dir zu einer klaren Betrachtungsweise deiner Stimmungen verhelfen mag. Heute Morgen erhielt ich einen Anruf von einer Frau, die mir von ihren Problemen berichtete, die sie in den vergangenen paar Tagen erlebt hatte. Das waren wirklich ziemlich schwerwiegende Dinge. Ich hörte ihr einfach liebevoll zu. Sie brauchte jemanden, der ihr zuhört. Ich wusste, dass ihr Schmerz einfach ein Ausdruck offener Intelligenz war, und obwohl ich nicht viel sagte, konnte ich entspannt bleiben, während sie ihre Geschichte erzählte, und das half ihr, ihre Situation in einem neuen Licht zu sehen. In der Zeit, bevor sich meine Wahrnehmung der Dinge grundlegend änderte, hätte mich die Auseinandersetzung mit jemandem, der so viel zu klagen hat,

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sehr mitgenommen. Damals hätte ich gedacht: „Warum muss ich mir das anhören?‖ Meine eigene Stimmung war von äußeren Umständen und dem, was andere Leute taten oder sagten, abhängig und schwankte daher dauernd hin und her. Ich stand morgens auf und dachte: „Oh nein, nicht noch so ein Tag!‖ weil ich mich als Opfer meiner vielen Stimmungen und Emotionen sah. Wir haben gelernt, unseren Stimmungen Bedeutung beizumessen, und das verleiht ihnen so viel Macht. Wir sagen Dinge wie: „Ich bin heute in schlechter Stimmung— nimm dich in acht!‖ Oder wenn wir es satt haben, andere schlecht zu behandeln, sagen wir uns: „Obwohl ich mich mies fühle, werde ich heute voller Mitgefühl sein‖, doch das macht das Ganze nur noch unauthentischer. Vor siebenundzwanzig Jahren hatte ich ein tiefgreifendes Erlebnis, das dazu führte, dass ich alles als völlig gleichwertig sehen konnte und Dinge nicht länger auf bestimmte Weise beschreiben musste. Alles ist, wie es ist. Alles ist aus dem gleichen intelligenten Urgrund oder Zustand gemacht. Ich sah, dass ich mich nicht von Stimmungen regieren lassen musste. Diese Erkenntnis bringt so viel Freiheit und Erleichterung mit sich! Stimmungen haben keinerlei Bedeutung. Sie sind wie unterschiedliche Witterungsbedingungen, die kommen und gehen und keinerlei Einfluss auf unser natürliches Wohlbefinden haben. Es ist viel leichter, einfach auf offene Intelligenz zu vertrauen und alles so zu belassen, wie es ist. Alle Erscheinungen sind wie eine Luftspiegelung. Sie lösen sich von selbst auf und verschwinden auf natürliche Weise wie eine im Wasser gezogene Linie. Wir brauchen uns nicht mit diesen Erscheinungen abzugeben. Wir müssen nichts unternehmen, damit die Wolken am Himmel weiterziehen; sie verschwinden von selbst. Sie kommen aus dem freien Raum, sind während ihres Daseins freier Raum und verschwinden wieder im freien Raum. Der freie Raum bleibt davon unbeeinflusst. Das ist unsere wahre Identität: bewusster, reiner Raum. Das Kommen, Verbleiben und Gehen sind ebenfalls nichts anderes als freier Raum. Was gibt es noch zu sagen? Es passiert nichts und wir müssen auf nichts reagieren. Wenn wir uns in diese Gleichwertigkeit aller Dinge entspannen, wird das Leben viel leichter und nichts muss sich ändern. Indem wir alles so belassen, wie es ist, öffnen wir uns einer Dimension voll tiefer Erkenntnisse und der Fähigkeit, auf gekonnte Weise zu agieren. Wenn wir nicht alles so belassen, wie es kraft des Vertrauens auf offene Intelligenz ist, werden wir mit diesem Niveau an Erkenntnissen und Geschick niemals in Kontakt kommen. Wenn wir viel Streit mit unserem Partner haben, kämpfen wir aufgrund unserer gegensätzlichen Daten wie Spielfiguren in einem Videospiel miteinander. Jede Unterredung wird zum Schlachtfeld! Doch wenn einer in der Beziehung anfängt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, wird diese Person zweifelsfrei wissen, dass sie sich nicht in ihren eigenen Daten oder in den Daten des anderen zu verheddern oder sich darüber aufzuregen braucht. Sie hat nicht länger das Gefühl, sich verteidigen oder attackieren zu müssen. Worte, die früher einmal wie Kugeln und Bomben einschlugen, sind jetzt nichts als über sie hinweg

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gleitende harmlose Wolken. Wenn jemand auf offene Intelligenz vertraut, kann er bei allem, was gesagt wird, gleichmütig bleiben und auf höchst mitfühlende, liebevolle und geschickte Weise mit der anderen Person umgehen. Ich rede nicht davon, bloß nett zu sein. Mitgefühl ist nicht unbedingt nett, aber es hat immer Liebe und positive Resultate zur Folge. Wenn ich hier das Wort „Liebe‖ verwende, meine ich nicht das, was allgemein unter Liebe verstanden wird. Das ist keine wahre Liebe. Ich würde das „gewöhnliche Liebe‖ nennen. Wenn andere sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten müssen, damit du Liebe für sie empfindest, dann ist das gewöhnliche Liebe. Wenn man meint, die Liebe eines anderen zu brauchen, dann ist das gewöhnliche Liebe. Ich spreche nicht von einer gewöhnlichen Emotion. Ich spreche von wahrer oder vollkommener Liebe, die das gleiche ist wie unerschütterliche offene Intelligenz. Ich rede davon, die Liebe zu empowern, welche die Essenz aller Dinge ist. Der Elementarraum aller Dinge ist unveränderliche Liebe, und alle Erscheinungen sind ihre dynamische Entfaltung. Das können wir allerdings nie erfahren, solange wir weiterhin alles als „gut‖ oder „schlecht‖ bewerten. Der einzige Weg, die Allgegenwärtigkeit vollkommener Liebe erfahren zu können, ist alle Beschreibungen kommen und gehen zu lassen. Wenn wir sie alle als gleichwertig sehen, werden sie in Liebe und Weisheit umgewandelt. Das ist wie beim Veredelungsprozess von Gold. Wenn wir Rohgold erhitzen, und die Schlacke verschmilzt, bleibt nur pures Gold übrig. Wenn wir mit dem Veredelungsprozess fortfahren, bis selbst das Gold völlig wegschmilzt, bleibt nichts als reiner Raum, und dieser reine Raum ist gleichbedeutend mit Liebe. Wahres Wohlbefinden bedeutet direkt zu erfahren, dass diese Liebe die Wurzel aller Erscheinungen ist. Frage: Es hat nie eine Person, eine Begebenheit, eine spirituelle Übung oder sonst etwas gegeben, das mir wirklich jemals Wohlbefinden gebracht hat, und ich zweifele daran, dass ich jemals das Ideal erreichen werde, von dem du sprichst. Warum sollte ich glauben, dass sich das, wovon du sprichst, in irgendeiner Form von dem unterscheidet, was ich schon ausprobiert habe? Antwort: Vom Anbeginn unseres Lebens suchen wir überall nach Wohlbefinden. Wir beginnen mit der Suche in unserem Elternhaus, doch die meisten Elternhäuser sind nicht wirklich in der Lage, ein Gefühl des Wohlbefindens zu bieten, auf das wir uns verlassen können. Schon sehr bald wenden wir uns Spielsachen und Fantasiewelten zu, die wir in unserer Vorstellung kreieren. Doch auch dort können wir kein wirkliches Wohlbefinden finden, also suchen wir weiter. Wenn wir älter werden, setzen wir unsere Suche außerhalb der Familie fort. Wir suchen in der Schule, in Freundschaften, in Beziehungen, in höherer Schulbildung, am Arbeitsplatz, in Institutionen, in romantischen Beziehungen, beim Essen und anderswo. Doch irgendwie entzieht sich uns dieses Wohlbefinden stets, wenn wir es in äußeren Dingen suchen. Wir sind fest entschlossen, es zu finden, doch die meisten Menschen haben keine Ahnung wie. Viele versuchen es mit spirituellen Methoden und Praktiken, doch

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auch sie gehen größtenteils leer aus. Viele suchen solange weiter, bis sie schließlich zu alt und verbittert sind, um noch weiter zu suchen. Wir sind Tag für Tag viel Leid ausgesetzt, sowohl in unserem persönlichen Leben als auch in der Welt um uns herum. Leid ist überall. Das ist heutzutage noch offensichtlicher und unbestreitbarer als je zuvor, denn wir verfügen über unmittelbare Formen der Kommunikation, die Nachrichten über das unglaubliche Leid überall auf der Welt immer sofort heraus posaunen. Und doch ist es möglich, wahres Wohlbefinden zu finden. Der Weg zu diesem Wohlbefinden ist, ganz entspannt für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, bis sie kontinuierlich wird. Mehr brauchen wir nicht. Das ist bezeichnend für das Balanced View Training. Während die meisten spirituellen Pfade erfordern, den Geist zu reinigen oder umzugestalten, in der Hoffnung, ein entferntes Ziel zu erreichen, sagt Balanced View, dass wir bereits vollkommen sind. Alles, was nötig ist, ist mit stabiler offener Intelligenzwahrzunehmen, statt mit dem gewöhnlichen Verstand. Wenn offene Intelligenz offensichtlich wird, wird ein Maß an Wohlbefinden entdeckt, dass jenseits aller Vorstellungskraft ist. Das menschliche Dasein bietet uns allen diese kostbare Gelegenheit, uns der Stabilität offener Intelligenz zu erfreuen. Doch die meisten sind sich dieser Möglichkeit nicht einmal bewusst. Offene Intelligenz ist die Grundlage aller Wahrnehmungen, und in dieser Grundlage herrscht völlige Sicherheit, vollkommene Liebe und absolutes Wohlbefinden. Sie ist unsere wahre Identität. Wir erkennen immer mehr, dass in offener Intelligenz nicht nur unsere persönlichen Datenenthalten sind, sondern alle Daten. Nichts braucht zurückgewiesen oder ausgeklammert zu werden. Doch nur die Erkenntnis, wie viel Leid uns unser Festhalten an gewissen Daten verursacht hat, kann uns motivieren, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten. Uns allen wurde beigebracht, dass das Festhalten an Daten uns stark und glücklich macht, doch in Wahrheit macht es uns schwach und unglücklich. Nur wenn wir dies klar erkennen, können wir vom Anhaften an herkömmliche Denkweisen frei sein und wirkliche Freude an stabiler offener Intelligenz finden. Wenn wir verstehen, wie das Festhalten an eigenen Daten in unserem Leben Leid erzeugt, dann können wir unmittelbar sehen, dass das auch auf alle anderen zutrifft. Wir erkennen, dass wir alle gleich sind! Das führt nicht nur zu natürlicher Fürsorglichkeit, Anteilnahme und Mitgefühl für alle Wesen, es befähigt uns auch, anderen, vielleicht zum ersten Mal, wirklich zu helfen—und guten Mutes zu sein! Wir erkennen, dass alles menschliche Leid denselben Ursprung hat: Das Anhaften an Daten. Wir finden unsere wahre Identität in von Natur aus stabiler offener Intelligenz, und indem wir Vertrauen in offene Intelligenz als Grundlage aller Wahrnehmungen erlangen. Offene Intelligenz ist ohne jegliche Voraussetzungen und ist unabhängig davon, ob wir glücklich oder traurig sind, etwas suchen oder

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nichts suchen. In Wirklichkeit sind Glück und Traurigkeit in offener Intelligenz gleichwertig. Dies zu wissen, bedeutet, die wahre Fürsorglichkeit gefunden zu haben, die alles und jeden einbezieht. Falls du diese Erfahrung noch nicht selbst gemacht hast, so kannst du sie machen—und wenn du für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraust, bis sie kontinuierlich wird, dann wirst du sie machen. Ich war einst innerlich genauso zerrissen, wie du es beschreibst, weil ich einfach nie etwas anderes gelernt hatte. Ich wusste instinktiv, dass diese vollkommene Erleichterung existiert, doch mir war nicht bewusst, wie ich sie stabilisieren konnte. Es wurde uns nie gesagt, dass wir nicht so zu leiden brauchen. Sobald wir Vertrauen in offene Intelligenz entwickeln, wissen wir von selbst, wie man sich und andere liebt. Wir beginnen, indem wir auf offene Intelligenz vertrauen— das ist der einzige Weg, uns selbst wirklich zu lieben. Das ist alles. Entspanne dich einfach. Die Wirksamkeit dieser simplen Anweisung ist über alle Maßen tiefgreifend. Nur so können wir wirklich zu einem umfassenden Verständnis von uns selbst und der Welt kommen. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, verstehen wir, wie wir selbst und die Welt wirklich beschaffen sind. Wir wissen, was Wohlbefinden bedeutet und wo man es findet, und wir wissen, was wirklich und dauerhaft und was vorübergehend und vergänglich ist. Wir wissen außerdem alles über unseren Körper und wie man sich um ihn kümmert und auch, wie man auf seine Emotionen achtgibt. Wir kennen unsere eigenen Gedanken und auch die Gedanken und Emotionen anderer. Wenn wir mit uns selbst als offene Intelligenz vertraut werden, haben wir eine klare Sicht. Zum ersten Mal können wir mit Menschen auf eine natürliche Weise zusammen sein, die völlig auf wahrer Fürsorglichkeit und Anteilnahme beruht. Es gibt absolut keinen Grund, warum je etwas anderes als Fürsorglichkeit und Anteilnahme auftreten sollte, denn letzten Endes gibt es nichts als Liebe. Alles ist von der Essenz des Wohlseins durchdrungen. Wenn wir dieses Wohlsein empowern, fließt es durch all unsere Handlungen. Aktive Fürsorglichkeit und Anteilnahme führt immer zu mehr Fürsorglichkeit und Anteilnahme. Auf diese Weise kann sich unser eigenes Wohlbefinden über die gesamte Welt verbreiten und jeden erreichen. Wir können für andere ein Vorbild sein und demonstrieren, wie viel Kraft in offener Intelligenz steckt.

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DIE PERSÖNLICHE IDENTITÄT KAPITEL VIERZEHN

„Wir stehen vor einer ganz einfachen Entscheidung. Entweder fahren wir fort, Storys zu beschreiben und fortsetzen, die auf einer ungenauen Wahrnehmung unserer Identität basieren, oder wir lernen offene Intelligenz kennen, die alleinige Quelle und Grundlage all dieser Beschreibungen.”

Die offene Intelligenz der Natur nimmt niemals auf permanente Weise Form an. Sie verbleibt reiner Raum, ganz gleich welche Erscheinungen in ihr kommen und gehen mögen. Die unbegrenzte Weite offener Intelligenz ist dein einziges „Ich‖, dasjewirklich existiert hat. Sei dir also darüber im Klaren, dass dies deine Identität ist. Es hat niemals eine individuelle Intelligenz gegeben. Die persönliche Identität ist nur ein Datum innerhalb der alles umfassenden reinen Sicht offener Intelligenz. Sie hält sich für etwas, das geboren wurde und ein Leben des Wachseins, Träumens und Schlafens durchlebt und schließlich stirbt. Doch diegrenzenloseIntelligenz, die deine wahre Identität ist, bleibt davon unbeeinflusst. Wenn die persönliche Identität für existent gehalten wird, beziehen sich alle nachfolgenden Daten, die erscheinen, auf diese persönliche Identität und nicht auf ihre authentische Quelle—alles umfassende offene Intelligenz. Wenn wir uns für ein Individuum mit einer durch biologische Faktoren selbst erzeugten Existenzhalten, spalten wir uns von der ungeteilten, nondualen Weite der Natur ab. Wir meinen als separates Wesen zu existieren, eine selbstständige Realität zu besitzen und denken, alle anderen besäßen ebenfalls eine selbstständige Realität. Jedes Datum, an dem wir festhalten, verfestigt unsere persönliche Identität. Die meisten Menschen halten ihre persönliche Identität für eine Ansammlung all ihrer früheren Daten. Leider sind diese persönlichen Lebensgeschichten oft Geschichten endloser Konflikte. Wir sind automatisch im Konflikt mit uns selbst und anderen, da wir uns ständig beweisen müssen, eine unabhängige Existenz zu besitzen. Wir formen uns durchDaten, die wir dann auf unsere persönliche Identität beziehen. Anschließend messen wir uns mit anderen und versuchen, unsere Besonderheit und Überlegenheit zu beweisen. Wir bestätigen fortlaufend unser Getrenntsein, denn wir sind auf eine Identität fixiert, die auf Getrenntsein basiert und sich von der Identität anderer unterscheidet. Wir sind jedoch eine Manifestation offener Intelligenz. Säuglinge haben kein Ich-Gefühl, ganz gleich was herkömmliche Auffassungen behaupten mögen. Wenn wir geboren werden, sehen wir weder uns selbst noch andere als eigenständige Wesen. Unsere Sichtweise ist vollkommen offen. Es braucht mehrere Jahre, um ein starkes Ich-Gefühl zu entwickeln. Ist euch aufgefallen,

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dass Kleinkinder sich bei ihrem eigenen Namen nennen, anstatt „Ich‖ zu sagen? Ich habe das bei meinen eigenen Kindern und Enkeln gesehen. Mein Enkel Jack war zwei oder drei Jahre alt, bevor er zum ersten Mal das Wort „Ich‖ benutzte. Alle nannten ihn „Jack‖, daher sagte er: „Jack will ein Bonbon.‖ Er sagte nicht: „Ich will ein Bonbon.‖ Erst als er später die „Ich bin ein Körper‖-Idee lernte, gebrauchte er das Wort „Ich‖. Wenn wir von klein auf immer wieder hören, wir seien eine Person, dann gewöhnen wir uns daran und glauben es schließlich selbst. Nachdem uns jahrelang gesagt wurde, wir seien eine Person, kommen wir zu dem Schluss: „Ja, ich habe eine individuelle Identität; ich bin dieser Körper und dieser Geist.‖ Wir lernen Objekt orientierte Wahrnehmung, indem wir immer wieder Dinge als separate Objekte wahrnehmen und diese dann definieren und bezeichnen. Das verfestigt unsere persönliche Identität noch weiter, macht sie zum Subjekt all dieser Dinge und bestärkt uns in der Idee, alle Dinge seien voneinander getrennt. Diese Sichtweise entsteht nicht plötzlich, sondern nur allmählich. Aber auch wenn uns etwas immer und immer wieder erzählt wird, muss es noch lange nicht stimmen! Früher hat es gehießen, die Erde sei flach. Die Leute glaubten jahrhundertelang daran, doch deswegen wurde die Erde nicht flach. Die Formung einer persönlichen Identität findet mit jedem einzelnen Gedanken statt. Diese festgelegte persönliche Identität ist bloß eine Erfindung— sie ist nichts als Einbildung! Die endgültige Definition einer persönlichen Identität sowie einer jeden Beschreibung ist der intelligente Urgrund der Natur. Es ist völliger Blödsinn, sich in Beschreibungen und deren Bedeutungen zu verwickeln. Unsere wahre Identität ist offene Intelligenz, denn sie ist das grundlegende Wesen all unserer Wahrnehmungen und kann in keinerlei Weise zerstört oder beeinflusst werden. Es ist sehr wichtig, dies zu verstehen. Offene Intelligenz wird nicht durch den Menschen erzeugt. Die Intelligenz eines Menschen hängt von offener Intelligenz ab und besitzt kein unabhängiges Wesen, das von dieser Natur getrennt ist. Durch die Kraft offener Intelligenzwird in zunehmendem Maße deutlich, dass sie die alleinige Grundlage der persönlichen Identität ist, und dass wir uns nur mit offener Intelligenz zu identifizieren brauchen, anstatt mit gewöhnlichem Denken, das darauf abzielt, die unabhängige Existenz der Erscheinungswelt zu beweisen. Wenn wir erkennen, dass die persönliche Identität unwirklich ist und keine eigenständige Existenz besitzt, fällt es uns viel leichter, uns mit offener Intelligenz zu identifizieren und nicht an der Illusion einer persönlichen Identität festzuhalten. Wenn wir bei jedem Gedanken die äußerst wichtige Entscheidung treffen, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten und uns nicht mit Beschreibungen einer fragmentierten Welt aus Subjekten und Objekten identifizieren, dann wird die Realität unserer wahren Natur offensichtlich. Wenn Daten die Grundlage unseres Lebens bilden, werden wir nur diese Daten sehen. Wir werden uns für den Manager und Kontrolleur unserer Identität halten und meinen, es sei unsere Aufgabe, sie zu verteidigen und auf sie achtzugeben.

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Dann sind alle unsere Aktivitäten darauf gerichtet, diese Identität zu verteidigen und zu stärken. Ein solches Leben ist sehr anstrengend und frustrierend. Wir versuchen ständig, uns zu schützen und uns vor jeder Form der äußeren Einmischung in Acht zu nehmen und die Beschaffenheit dessen, was in unserem Geist erscheint, zu verändern. Wir haben das Gefühl, uns behaupten und mit anderen messen zu müssen, um zu demonstrieren, dass unser unabhängiges Wesen besser ist als das ihre. Wenn wir erst einmal überzeugt sind, eine persönliche Identität zu haben und diese beschützen und erweitern zu müssen, dann hat das eine Reihe von beängstigenden Konsequenzen zur Folge. Wir verlieren uns in einem Leben voller Hoffnung und Angst. Wir erhoffen uns gewisse Dinge und befürchten, dass sie nicht eintreten werden; wir befürchten gewisse andere Dinge und hoffen, dass sie nicht eintreten werden. Falls ein spiritueller oder religiöser Weg Teil unserer persönlichen Identität ist, werden wir wahrscheinlich eine Menge Zeit damit verbringen, uns zu läutern, um ein besserer Mensch zu werden. Der Versuch, ein Ego oder irgendeine andere eingebildete Identität loszuwerden, ist ein hartes Stück Arbeit—genauso hart wie der Versuch, die Erde flach zu machen! Es ist unmöglich, ein Ego oder eine Persönlichkeit loszuwerden, denn es besitzt keine unabhängige Realität und die Existenzeines solchen veränderbaren Dings kann nicht nachgewiesen werden! Um unser eigentliches Wesen zu erkennen, müssen wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass wir nie ein Ego gehabt haben. Wenn uns das gelingt, werden wir verwundert fragen: „Wo ist denn dieses individuelle Ich, an dessen Verbesserung ich so hart gearbeitet habe? Ich kann dieses Ego nicht lokalisieren, das angeblich alles gesteuert hat. Ich finde nichts als offene Intelligenz!‖ Wenn wir versuchen, uns zu vervollkommnen oder das Ego loszuwerden, dann werden wir unser Ziel nie erreichen. Es ist unmöglich, etwas loszuwerden, das nicht existiert. Man kann nicht in sein Inneres eindringen, um ein Ego auszulöschen, das nicht existiert. Wenn man es dennoch versucht, verleiht das diesem eingebildeten Ego mehr Macht. Da es nie eine persönliche Identität gegeben hat, die verändert werden könnte, führt all dieses Manipulieren, Verbessern oder Beseitigen nur zu einem verstärkten Glauben an eine persönliche Identität! Wenn wir also unsere Gedanken, Emotionen und Erfahrungen untersuchen und sie verbessern wollen, dann untermauert das nur unsere Überzeugung, eine persönliche Identität zu besitzen. Tatsache ist allerdings, dass dem nicht so ist. Unsere wahre Natur ist grenzenlos, ungeboren und gehört zu offener Intelligenz. Sie ist vollkommen frei von Begriffen wie Kausalität, Zeit und Raum. Kraft offener Intelligenz identifizieren wir uns mit der stabilen, zugrundeliegenden Essenz all unserer biografischen Daten. Kraft des Vertrauens auf offene Intelligenz werden wir in zunehmendem Maße unsere eigentliche Natur erfahren. Die scheinbar stabile persönliche Identität beginnt nach und nach ihre Solidität zu verlieren. Wir nehmen für kurze Momente, viele Male

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wiederholt, unsere wahre Natur zur Kenntnis, und dabei wird sie immer offensichtlicher. Wir stehen vor einer ganz einfachen Wahl. Entweder beschreiben wir weiterhin die Storys, deren Grundlage eine fehlerhafte Wahrnehmung unserer Identität ist, oder wir lernen offene Intelligenz kennen—die alleinige Quelle und Grundlage all dieser Beschreibungen. Durch die Kraft offener Intelligenz wird alles so belassen, wie es ist. Wir erkennen die wahre Natur des Daseins. Das klare Licht der Weisheit beginnt in uns zu scheinen, und wir können darüber lachen, dass wir uns selbst so ernst genommen haben! Wenn ihr euch mit eurem Geist identifiziert, dann entspannt euch einfach. In dieser vollkommenen Entspannung offenbart sich die von Natur aus präsente offene Intelligenz, die der ElementarraumdesGeistesist. Falls ihr immer noch davon überzeugt seid, eine persönliche Identität zu besitzen, dann mag es hilfreich sein zu überprüfen, wo diese Identität sich denn befinden soll. Wissenschaftler haben sich mit der Frage der Ortung des IchGefühls beschäftigt, doch keiner ist je zu einem definitiven Ergebnis gelangt. Befindet es sich im Gehirn? Nein, wir können nicht wirklich sagen, dass es sich im Gehirn befindet. Befindet es sich im Herz oder in irgendeinem anderen Körperteil? Nein, an diesen Stellen können wir es genauso wenig mit Bestimmtheit orten. Können wir das „Ich‖ in den Körperzellen, oder durch ein Elektronenmikroskop betrachtet, in den Elementarteilchen finden, die den Körper bilden? Wenn wir unsere Eltern bitten würden, sich diese Elementarteilchen anzusehen, würden sie dann sagen: „Oh, da ist ja unser kleines Mädchen!‖ Nein, sie würden bloß unendlich winzige, subatomare Elementarteilchen sehen, die mit rasender Geschwindigkeit aus dem freien Raum erscheinen und dann wieder darin verschwinden. Letztendlich besteht unsere persönliche Identität also nur aus freiem Raum, und unser „Ich‖ taucht aus bewusstem reinem Raum auf. Alles besteht aus diesem bewussten freien Raum. Er ist gleichbedeutend mit zeitloser Intelligenz— die absolute Realität aller Dinge. Wenn wir uns auf diese Weise untersuchen, führt das zu der freudigen Gewissheit, dass wir nie von offener Intelligenz getrennt waren. Dieses Verständnis entlarvt die Idee eines individuellen Subjekts, das vom Ganzen getrennt ist, als völlig falsch. Wir beginnen zu erkennen, dass es nur eine ungeteilte Weite offener Intelligenz gibt, die sich von Moment zu Moment in einem unaufhörlichen Fluss von Erscheinungen offenbart. Alles ist ein natürlicher Ausdruck der Natur, der spontan als deren unermessliche, erstaunliche Entfaltung erscheint. Offene Intelligenz ist die Grundlage der Fähigkeit, alle Phänomene erkennen und begreifen zu können. Allmählich wächst unser Vertrauen, dass offene Intelligenz unser grundlegendes Wesen ist. Frage: Ich habe die Angewohnheit, mich selbst und andere fortwährend zu beurteilen. Wenn beispielsweise Leute den Vortragsraum betreten, beurteilt sie mein Verstand umgehend. Das ist meiner Ansicht nach ein sehr negativer 112

Charakterzug, und ich will wirklich damit aufhören, doch es ist eine äußerst eingefleischte Angewohnheit. Kannst du mir bei dieser Sache helfen? Antwort: Wenn wir Menschen erblicken, beurteilen wir sie gewöhnlich aufgrund ihrer äußeren Merkmale: Schwarze Haut, helle Haut, blaue Augen, braune Augen, attraktiv oder unattraktiv, und wir verwickeln uns in all diese Beschreibungen. Diese Beschreibungen dienen uns dann als Begründung, um andere als etwas von uns Getrenntes zu sehen. „Der ist nett, der ist blöd, und die Leute dort werde ich keines Blickes würdigen, da sie all das verkörpern, was ich nicht ausstehen kann!‖ Wir untermauern unsere eigene Identität, wenn wir uns auf einen subtilen Konkurrenzkampf mit anderen einlassen. Wir wollen beweisen, dass wir auf irgendeine Weise besser sind, oder wir beneiden andere um ihre scheinbare Überlegenheit. Das führt zu innerer Zwietracht und Uneinigkeit und schließlich naturgemäß auch zu äußerer Zwietracht und Uneinigkeit. Angenommen eine Frau betritt den Raum, und du beginnst dir Gedanken über sie zu machen: „Sieh nur, sie hat ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Das ist nicht besonders schmeichelhaft, nicht wahr? Ich frage mich, wo sie diese Klamotten her hat. Und außerdem hat sie auch keine schöne Haut!‖ Oder du denkst: „Sie ist so viel hübscher als ich. Ich beneide sie!‖ Je mehr wir uns mit unserer persönlichen Identität identifizieren, desto mehr werden Gedanken dieser Art erscheinen. All das ist Teil des Prozesses, durch den wir aus unseren Daten eine falsche Identität geschaffen haben: Geschlecht, Name, Haartracht, Kleidung, Alter und anderes mehr. Wir haben gelernt zu glauben, dass diese Dinge unsere Identität definieren. Wenn wir nicht erkennen, dass offene Intelligenz die Grundlage all dieser Erscheinungen ist, festigen wir auf diese Weise eine begrenzte Identität und machen mit anderen automatisch dasselbe. Wir beurteilen und klassifizieren alle, die wir sehen und versuchen, ihre Identität zu bestimmen, indem wir sie beschreiben und sie entweder als unsere Feinde oder als Verbündete betrachten. Durch diesen Prozess bestätigen und erhärten wir unseren Glauben an unsere eigene unabhängige Identität. Doch keiner von uns ist mit einem Haufen Beurteilungen über sich selbst und andere auf die Welt gekommen. Als wir geboren wurden, kannten wir weder unseren Namen, unser Geschlecht, unsere Identität, unsere Hautfarbe oder unsere Nationalität. Wir wurden so geboren, wie wir sind: Als eine Ausdrucksform offener Intelligenz mit angeborener Weisheit, die es nicht nötig hat, sich an irgendeine Beschreibung zu klammern. Wir wurden alle mit der instinktiven Kenntnis unserer wahren Identität geboren, und dieses Wissen begleitet uns unser ganzes Leben hindurch. Festgelegte Ansichten über das, wofür wir uns und andere halten—Geschlecht, Alter, äußeres Erscheinungsbild, politische und weltanschauliche Auffassungen und anderes mehr—sind für unser Wohlbefinden und unsere Fähigkeit, als Menschen geschickt zu agieren, völlig unnötig. Je freier unsere Wahrnehmung ist, umso besser.

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Wenn wir uns immer mehr in unserer wahren Natur entspannen—in reiner offener Intelligenz, der Wurzel all unseres Wissens—dann sehen wir andere und die Welt plötzlich in einem viel schöneren Licht! Alle Auffassungen, wie solide und stabil die persönliche Identität von uns und anderen ist, beginnen zu verblassen. Das Bedürfnis, unser Können zu demonstrieren und uns mit anderen zu messen, verschwindet nach und nach von selbst. Wir müssen nichts tun. Wir vertrauen einfach für kurze Momente auf offene Intelligenz, bis siekontinuierlich wird. Wenn wir uns mit offener Intelligenz identifizieren, entwickeln wir auf ungezwungene Weise Fürsorglichkeit, Anteilnahme und Mitgefühl. Dieses Mitgefühl breitet sich ganz natürlich auf alle aus. Wir sehen jeden zusehends durch die Augen der Weisheit. Das ist unsere natürliche Sichtweise. Das, was sieht, ist offene Intelligenz. Je mehr wir auf offene Intelligenz vertrauen, desto mehr nehmen wir als offene Intelligenz wahr, und diese reine Wahrnehmung ist gleichbedeutend mit Liebe, Weisheit und Energie. Wir sind zusehends guten Mutes! Wenn wir mehr und mehr auf die Stabilität offener Intelligenz zu vertrauen beginnen, ändert sich unsere übliche Denkweise allmählich. Wir denken nicht länger zwanghaft über „mich‖, „meine Sachen‖ und „meinen Lebensstil‖ nach. All das entspannt sich. Wir lieben weiterhin die, die uns nahe stehen, doch wir haben nicht mehr dieses verzweifelte Bedürfnis nach engen Bindungen mit Menschen, um so unsere Identität zu bestätigen oder uns glücklich zu fühlen. Unser Denken und Fühlen beschäftigt sich auf ganz natürliche Weise mit Dingen, die zum Benefit allersind. Wir denken nicht mehr nur über uns selbst und unseren eigenen Vorteil nach, sondern möchten unwillkürlich anderen von Nutzen sein, weil es uns selbst geholfen hat, uns mit offener Intelligenz zu identifizieren. Wir sehen, wie Leid entsteht, wenn wir an einer persönlichen Identität festhalten und diese für real halten. Wenn wir erkennen, dass wir uns auf diese Weise zum Narren gehalten haben, empfinden wir tiefe Verbundenheit, aufrichtiges Mitgefühl und wirkliche Fürsorglichkeit für andere. Wenn Menschen selbstbezogen sind, denken sie gewöhnlich nicht an das Leid anderer, da sie zu sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt sind. Wenn wir jedoch den gemeinsamen Ursprung unseres Leidens verstehen, dann können wir nicht anders, als auf alles einzugehen, was Leid auf der Welt verursacht. In der Weisheit vollkommenen offener Intelligenz liegt die größte Kraft, die ein Mensch haben kann. Wenn wir uns dabei ertappen, mitfühlend über das Wohlergehen anderer nachzudenken, dann ist das einfach wunderbar. Das ist ein sehr schöner Fortschritt! Dieses Mitgefühl kann man nicht entwickeln oder erlangen; es ist bereits in offener Intelligenz vorhanden. Wir brauchen nichts Besonderes zu tun; es ist bereits vollkommen vorhanden. Wir müssen nur für kurze Momente, viele Male wiederholt, Vertrauen in offene Intelligenz erlangen,

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bis sie spontan wird. Diese einfache Veränderung ist die Lösung in allen Problemen. Wenn wir versuchen, künstlich besondere Umstände herbeizuführen, um uns mit offener Intelligenz vertraut zu machen, können wir nicht erkennen, dass unsere gegenwärtige Situation ein immerwährender spontaner Fluss offener Intelligenz ist. Frage: Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass wir unsere charakterlichen Unzulänglichkeiten nicht beheben sollten. Ich bin der Ansicht, dass man sich anstrengen muss, um besser zu werden; anderenfalls wird sich nie etwas ändern. Antwort: Wenn wir glauben, eine persönliche Identität zu besitzen, und der Wunsch taucht auf, unser eigentliches Wesen zu entdecken, gehen wir meistens von der Annahme aus, dass etwas mit uns nicht stimmt. Wir meinen, wir müssten unsere fehlerhafte Persönlichkeit verbessern und unseren Geist läutern. Doch da offene Intelligenz vom ursprungslosen Ursprung an makellos ist, gibt es in offener Intelligenz nichts, was fehlerhaft wäre. Der Versuch, eine nicht existente persönliche Identität zu analysieren und zu transformieren, führt dazu, dass die Idee einer persönlichen Identität weiter fortbesteht. Wenn wir immer wieder zu offener Intelligenz zurückkehren, erwacht Weisheit auf natürliche Weise in uns. Das erfordert keine künstlichen Aktivitäten, Verhaltens- und Denkweisen oder emotionalen Muster. Weisheit ist untrennbar von dem alles durchdringenden Elementarraum offener Intelligenz. Alles, was wir zu verändern suchen, ist eine Erscheinung dieser Weisheit! Einzig und allein aufgrund dieser Erkenntnis werden in zeitloser Weisheit Unzulänglichkeiten abgebaut und gute Eigenschaften vervollkommnet. Die Vervollkommnung guter Eigenschaften kann nicht künstlich herbeigeführt werden. Unsere eigene Weisheit ist angeboren und bereits vollkommen. Wir brauchen nichts zu tun, um sie zu erlangen—sie ist bereits! Durch die Kraft offener Intelligenzwird das klare Licht der Weisheit immer offensichtlicher. Darauf können wir uns bedingungslos verlassen! Es spielt keine Rolle, wie du dein Leben gelebt hast. Du kannst der schrecklichste Mensch auf Erden sein und fürchterliche Dinge getan haben, oder der großartigste Mensch, der je gelebt hat, oder irgendwer dazwischen—es ist ohne Bedeutung. Du brauchst nicht gescheit oder gebildet zu sein, spirituell oder sonst etwas. Offene Intelligenz ist in jedem natürlich präsent. Durch sie wissen wir, dass wir existieren. Ohne sie wüssten wir nichts über unserer eigene Existenz oder über die Existenz der Welt. Sie ist die Wurzel allen Wissens. Indem man offene Intelligenz für kurze Momente, viele Male wiederholt, aufrechterhält, bis siekontinuierlich wird, erkennt man, dass die Vervollkommnung guter Eigenschaften in der Natur der Weisheit liegt, und nicht in dem Versuch, durch künstliche Handlungen Denken, Fühlen, Verhalten und Erlebnisse zu verändern. Der Abbau von Unzulänglichkeiten und die Vervollkommnung guter

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Eigenschaften Intelligenz.

führen

automatisch

zu

größerer

Identifikation

mit

offener

Wir hören meist immer nur, dass wir uns auf unsere persönliche Identität verlassen müssen, und glauben daran, weil wir nichts anderes kennen. Selbst wenn wir eine Einführung in etwas erhalten, das über die persönliche Identität hinausgeht, sind wir sehr selten in einer Situation, wo die maßgeblichen Anleitungen gegeben, die unfehlbar zur vollständigen Gewissheit offener Intelligenz führen. Frage: Ich kann nur schwer ertragen, von anderen gedemütigt zu werden. An meinem Arbeitsplatz wird von meinen Arbeitskollegen viel gelästert, getratscht und kritisiert. Ich will mir keinen anderen Job suchen, aber ich finde die Arbeitsatmosphäre zuweilen unerträglich. Antwort: Viele von uns sind der Meinung, dass man uns nicht herabsetzen darf, weil dadurch unser Selbstwertgefühl verletzt wird. Wir sind überzeugt, dass es schlecht für uns sei, gedemütigt zu werden; aus diesem Grund lassen wir das nicht zu. Wir wollen unser Selbstwertgefühl und unser Geltungsgefühl bewahren und fühlen uns durch Kritik bedroht. Doch eines Tages passiert es dann doch: Jemand demütigt uns und das bringt uns zur Weißglut. Wir hatten gewissermaßen ein großes Schild hochgehalten, auf dem stand: „Zutritt verboten! Demütigungen sind untersagt!‖ Doch siehe da, ein Unbefugter hat unser Schild missachtet und uns beschimpft! Wir erfahren beispielsweise, dass jemand hinter unserem Rücken etwas sehr Schlechtes über uns gesagt hat und es entsprach nicht einmal der Wahrheit! Das versetzt uns unvermittelt in Wut: „Was fällt dem denn ein? Ich werde ihn anrufen und ihm sagen, was ich von ihm halte, und dann werde ich nie wieder mit ihm sprechen!‖ Möglicherweise überlegen wir uns sogar, ihn zu schlagen oder irgendwie zu verletzen. Ganz gleich was wir schließlich tun, wir sind völlig außer uns, weil wir jeden wütenden Gedanken verfolgen. Diese übliche Denkweise bietet uns nur die Möglichkeit, aus Gefühlen von Stolz und Selbstgeltung heraus zu handeln. Solche Handlungen sind die Folge einer sehr eingeschränkten Sichtweise. Sollten wir unsere Absichten umsetzen, ist das Resultat leicht vorhersehbar: Wir haben einen kleinen Krieg am Hals! Selbstverständlich ist es hin und wieder notwendig, mit jemandem über dessen Taten zu sprechen. Wenn wir jedoch auf die Kraft offener Intelligenz vertrauen und nicht gleich aufspringen, um uns zu verteidigen, können wir erkennen, dass man die Situation auch anders sehen kann. Andere Optionen, als sich gekränkt zu fühlen und dann Vergeltung zu üben, tun sich auf. Das ist sehr wichtig, denn nur so können wir erkennen, dass Gedanken und Emotionen keine Macht über uns zu haben brauchen. Nur so können wir alles in einer umfassenderen Perspektive sehen. Diese ausgewogene Sicht ist nur durch die maßgebliche Erfahrung offener Intelligenz als Grundlage jedes einzelnen Gedankens und jeder Emotion möglich. Sie sind nichts als lebhafte

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Erscheinungen offener Intelligenz. Wenn wir ihnen eine eigenständige wirkliche Existenz zubilligen, können wir unmöglich die offene und umfassende Sicht haben, die für echte Problemlösungen notwendig ist. Statt uns in diesen Strudel verletzter Gefühle und rachsüchtiger Reaktionen zu begeben, können wir auf offene Intelligenz vertrauen und die vollkommene Gleichwertigkeit aller Dinge genießen, ohne an den Beschreibungen festhalten zu müssen, die durch unseren Geist flitzen. Wozu sind Beschreibungen gut? Sie bereiten uns nichts als Kummer und Qualen. Was bietet uns offene Intelligenz? Vollständige Befreiung und die Fähigkeit, klug zu handeln. Die Entscheidung ist also ganz einfach! Kraft offener Intelligenz finden wir alsbald heraus, dass wir viel mehr an dem Frieden und der Weisheit offener Intelligenz interessiert sind, als uns gegen Herabsetzungen zu verteidigen. Wir erkennen, dass unsere wahre Identität nicht verteidigt werden muss und durch nichts Schaden nehmen kann. Statt die Handlungsweise des anderen als einen Angriff zu werten, können wir sie als eine harmlose Erscheinung inmitten offener Intelligenz sehen und mit Weisheit und Geschick darauf eingehen, anstatt Vergeltung zu üben. Vielleicht entdecken wir sogar in uns ein Gefühl der Dankbarkeit für die Tat der anderen Person, denn sie hat uns dazu gebracht, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten und uns daran erinnert, uns nicht mit unserer gewöhnlichen Denkweise zu identifizieren. Du magst es schwierig finden, mit Herabsetzung umzugehen; für andere ist es schwierig, mit Eifersucht fertig zu werden oder sich mit Wut, Verlangen, Stolz oder Angst auseinanderzusetzen. Was es auch sei, vertraue einfach ohne Zögern auf offene Intelligenz und lass ursprüngliche Weisheit erblühen. Wenn wir in der direkten Begegnung mit solchen Erscheinungen auf offene Intelligenz vertrauen, erblüht unvorstellbare Weisheit ganz von selbst. In dieser Selbstbefreiung von Stolz, Eifersucht, Wut, Verlangen und Angst herrscht weise Intelligenz—und in diesem makellosen Spiegel können wir endlich unser wahres Gesicht erkennen.

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DER MENSCHLICHE GEIST IST BEGABT KAPITEL FÜNFZEHN

„Wir können die Fähigkeit, vollständige mentale Kapazität abzurufen, als „Begabung” bezeichnen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass Begabung jedem menschlichen Geist innewohnt, und dass es sich dabei nicht um eine Eigenschaft handelt, die auf gewisse Personen beschränkt ist und ausschließlich durch genetische Faktoren oder Umweltbedingungen bestimmt wird.”

Wir haben wahrscheinlich alle irgendwann einmal einen wissenschaftlichen oder psychologischen Artikel gelesen, in dem behauptet wird, dass die meisten Menschen nur zehn Prozent ihrer Gehirnkapazität nutzen. Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich um zehn Prozent oder ein Prozent handelt, da es unmöglich ist, den Prozentsatz einer unbekannten Größe zu bestimmen. Ganz gleich wie hoch der Prozentsatz ist, alle Studien, die sich mit dieser Frage befassen, haben gezeigt, dass die Gehirnkapazität nicht ausgelastet ist. Eine mögliche Erklärung für eine unausgelastete Gehirnkapazität ist, dass wir an dem kleinen, uns bekannten Prozentsatz unseres Geistes festhalten und nicht wissen, dass wir die angeborene Fähigkeit besitzen, unser unermessliches inneres Potenzial zu erforschen. Indem man offene Intelligenz für kurze Momente, viele Male wiederholt, aufrechterhält, kann man die ungenutzte Gehirnkapazität abrufen. Wenn man sich entscheidet, offene Intelligenz auf ungezwungene Weise aufrechtzuhalten, entscheidet man sich genau genommen dafür, sich Zugang zu der ungenutzten Kapazität des Gehirns zu verschaffen. Wir sind es gewohnt, unseren Geist auf eine bestimmte Weise zu verwenden, die oft durch Wiederholungen und Limitierungen geprägt ist. Wir meinen, dass dies der einzige Weg sei, unseren Geist zu verwenden. Doch wenn wir uns mit offener Intelligenz als Grundlage des mentalen Wahrnehmungsvermögens vertraut machen—mit dem mentalen Aspekt, der kein Innen oder Außen, keine Dimension und keine Charakteristiken hat, denen eine eigenständige Existenz nachgewiesen werden kann—dann entdecken wir eine völlig neue mentale Kapazität. Wenn wir wissen, dass es diese Möglichkeit gibt, können wir eine bewusste Wahl treffen. Wählen wir, uns durch einen Geist einschränken zu lassen, der von gewohnheitsmäßigen Denkmustern bestimmt wird, oder entscheiden wir uns, Vertrauen in offene Intelligenz zu erlangen und dadurch das zu entdecken, was bislang unentdeckt geblieben ist? Um diese Entdeckung zu erleichtern, müssen wir uns Folgendes fragen: „Woher kommen die Erscheinungen in meinem Geist? Wo sind sie jetzt und wohin gehen sie?‖ In Wahrheit treten alle Erscheinungsphasen von Gedanken—Erscheinen, Andauern und Verschwinden—ausschließlich in offener Intelligenz auf. Doch in

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stabiler offener Intelligenz—also das, was der Geist im letztendlichen Sinne ist— findet nie ein Wandel oder eine Veränderung statt. Je gründlicher wir unseren Geist erforschen, desto mehr erkennen wir, dass Erscheinungen im Geist auftauchen und wieder darin verschwinden, so wie ein Nebel in der Atmosphäre auftaucht und wieder darin verschwindet. Die Wahrnehmungen sind lediglich die dynamische Kapazität offener Intelligenz. Was immer im Geist erscheint, ist eine Ausdrucksform offener Intelligenz. Ausdrucksformen kommen und gehen untrennbar von offener Intelligenz, doch offene Intelligenz selbst bleibt unverändert. Geist und offene Intelligenz sind völlig identisch. Wir können die Fähigkeit, vollständige mentale Kapazität abzurufen, als „Begabung‖ bezeichnen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass Begabung jedem menschlichen Geist innewohnt, und dass es sich dabei nicht um eine Eigenschaft handelt, die auf gewisse Personen beschränkt ist und ausschließlich durch genetische Faktoren oder Umweltbedingungen bestimmt wird. Schon in jungen Jahren war ich davon überzeugt, dass wir alle unglaubliche Fähigkeiten besitzen. Wenn wir einen Weg finden könnten, diese Fähigkeiten zu erschließen, dann würden sie in uns allen immer offensichtlicher werden. Ich war mir sicher, dass dies für jeden gilt. Ich wuchs als ein begabtes Kind auf, doch ich betrachtete mich selbst nie als andersgeartet, lediglich als jemand, der Zugang zu Fähigkeiten hatte, die auch andere besaßen. Der einzige Unterschied war, dass die anderen nicht wussten, dass sie diese Fähigkeiten besitzen. Warum scheinen manche Menschen lethargisch und unglücklich zu sein, während andere so voller Vitalität und Brillanz sind? Weil diejenigen, die Lebenskraft und außergewöhnliche Eigenschaften wie Mitgefühl aufweisen, vollkommen lebendig sind und die Essenz offener Intelligenz erschlossen haben. Das hat nichts mit Einzigartigkeit, Außergewöhnlichkeit oder Begabung zu tun. Es hat allein mit der Fähigkeit zu tun, Zugang zur wahren Natur des Geistes zu finden. Jeder besitzt diese umfangreichere Kapazität. Üblicherweise betrachten wir Dinge unter dem Aspekt ihrer Unterschiedlichkeit, beispielsweise, dass der eine intelligenter ist als der andere. Doch in Wirklichkeit ist es mehr eine Frage des besseren Zugangs zu etwas, das allen offen steht. Was ich bei Menschen festgestellt habe, die Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, ist ihre außergewöhnliche Schnelligkeit beim Verarbeiten von Informationen und ihre Fähigkeit zum raschen und gründlichen Verständnis einer Idee oder eines Konzepts. Ihre Fähigkeit, die wichtigsten Elemente und zugrundeliegenden Strukturen und Muster in Bezug auf Ideen zu erkennen, verbessert sich dramatisch. Diese Menschen stellen fest, dass sie Muster und Strukturen, die zuvor nicht sichtbar waren,jetzt besser erkennen können. Außerdem verbessert sich ihre Fähigkeit, eine Angelegenheit von verschiedenen Seiten zu betrachten, und somit eine ausgewogene Sicht zu haben. Wenn man lediglich die eingeschränkte mentale Kapazität verwendet, neigt man leicht dazu, einseitige Standpunkte einzunehmen. Durch die Kraft

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offener Intelligenz wird die Fähigkeit entwickelt, von starren Bezugspunkten abzulassen und eine Angelegenheit aus allen Blickwinkeln zu betrachten. Man ist emotional ausgeglichener, da man sich nicht länger mit bestimmten rigiden Auffassungen zu identifizieren braucht, um seine Identität zu bestätigen. Wenn Menschen vertrauter mit offener Intelligenz werden, entwickeln sie eine Aufmerksamkeit zum Detail, die es zuvor nicht gab. Wenn ihr Vertrauen sich vertieft, entwickeln sogar Menschen, die sich selbst als zerstreut und konzentrationsunfähig betrachtet haben, ganz natürlich diese Aufmerksamkeit. Sie versuchen nicht, sich besser zu organisieren, indem sie beispielsweise ein Organisationstraining absolvieren—dieses Geschick stellt sich ganz natürlich ein. Man wird immer detailbewusster und kann seine innere und äußere Welt meistern. Andere Merkmale, die ich erkenne, sind ein außergewöhnliches Erinnerungsvermögen, eine lange Konzentrationsspanne und ein vermehrtes Interesse an Ideen und Worten, gepaart mit einem reicheren Wortschatz. Denken und Ausdrucksweise werden präziser, und man ist fähig, sich mit vielen unterschiedlichen Ideen zu beschäftigen und Zusammenhänge zu erkennen. Man entwickelt ein größeres abstraktes Denkvermögen, um sich gekonnt mit komplexen Themen zu befassen, und kann selbst bei scheinbar gewöhnlichen Sachverhalten und Themen eine Vielzahl möglicher Bedeutungen finden. Außerdem stellt man ein hohes Maß an emotionaler Sensibilität unter Beweis. Diese große Sensibilität für die Gefühle anderer entsteht, wenn man sich nicht länger vor anderen Menschen und der Welt zu schützen und in Acht zu nehmen braucht. Da wir uns nicht länger zu schützen und unser gesamtes Augenmerk auf uns selbst und die emotionale Bindung mit unserer unmittelbaren Familie zu richten brauchen, werden diese Anhaftungen gelockert und freigesetzt, um jeden—die ganze Welt und alle Wesen in ihr—einzubeziehen. Diese innewohnenden geistigen Eigenschaften sind wirklich wunderbar. Wenn wir vollkommenes Vertrauen in offene Intelligenz besitzen, stellt sich eine ungewöhnliche Intensität und Tiefe der Gefühle ein. Emotionale Intensität und Tiefe, die wir in Schach gehalten haben, brechen mit voller Gewalt hervor und bergen eine enorme physische, mentale und emotionale Energiein sich. Wenn wir uns aus dem eingeschränkten mentalen Bereich in die unendliche Weite reiner offener Intelligenz begeben, wird ungeheure Energie freigesetzt. Die Fähigkeiten, die ich beschrieben habe, sind allesamt Nebenprodukte dieser Freisetzung von Energie. Einhergehend mit diesem außergewöhnlichen Maß an Energie und Lebensfreude ist ein unbändiges Verlangen, einen Beitrag zu leisten und von Nutzen zu sein—nicht nur in kleinem Rahmen, sondern in großem Maße. Moralisches und ethisches Verhalten ist auf natürliche Weise in offene Intelligenz eingebettet, und ist viel tiefgreifender als bei einer künstlichen

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Entwicklung. Indem wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, entdecken wir, dass diese Eigenschaften unsere eigentliche Natur sind. Früher hörten wir auf andere, die uns sagten, was zu tun und zu lassen ist, und dachten, dass wir keine eigene Befugnis in Fragen der Moral hätten. Offene Intelligenz verleiht jedoch mehr Eigenständigkeit und Selbstständigkeit, um wichtige ethische Entscheidungen zu treffen. Man besitzt ein nie dagewesenes, tiefes Verständnis für gesellschaftliche und moralische Themen. Derartige Eigenschaften werden gewöhnlich äußerst intelligenten Menschen zugeordnet, die am oberen Ende der Intelligenzskala rangieren. Doch wir stellen fest, dass Menschen, die Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, auf eine ganzheitliche, intuitive und nicht-lineare Weise lernen können, die diese Fähigkeiten begünstigt. Wenn wir feststellen, dass zahlreiche Menschen diese Eigenschaften einfach durch Vertrauen in offene Intelligenz erlangen, lässt sich daraus schließen, dass ein hoher Intelligenzquotient die Fähigkeit ist, die ungenutzte Kapazität des Geistes abzurufen. Das nächste große Ziel menschlichen Strebens wird die Entdeckung des vollen und kompletten mentalen Leistungsvermögens sein. Geistige Pioniere, die jetzt noch nicht einmal bekannt sind, werden in den nächsten zehn Jahren zum Vorschein kommen. Die großartigen Fortschritte in Wissenschaft und Technik, die in den kommenden Jahrzehnten durch ihre Arbeit gemacht werden, werden an diesen neuen geistigen Ufern stattfinden. Die Mittel und Wege, um dieses neue Ziel zu entdecken, werden zum wertvollsten Wissen auf dem Planeten werden. Jeder wird dieses Wissen haben wollen, sowohl in der Geschäftswelt als auch im täglichen Leben. Wenn Menschen herausfinden, wie hoch ihr mentales Leistungsvermögen wirklich ist, werden sie dies anstreben. Und sie werden alles tun, um mehr darüber zu erfahren und es selber zu erleben. Dies ist ein bedeutender historischer Zeitpunkt, und es ist von großer Wichtigkeit, sich bewusst zu sein, dass wir am Rande eines neuen Grenzbereichs stehen und dass es Menschen gibt, die fachkundige Führer in diesem Grenzbereich sind oder sein werden. Wir benötigen dringend weise und hilfsbereite Menschen an der Spitze aller Fachgebiete; Menschen, die wissen, dass es der eigentliche Zweck unseres Geistes ist, sich selbst und andere zu unterstützen. Wir brauchen solche Menschen an der Spitze der menschlichen Gesellschaft, denen wir unsere Führung anvertrauen können. Mehr und mehr solcher Menschen werden in Zukunft Führungspositionen besetzen. Sie werden die menschliche Kultur und die Evolution der Menschheit grundlegend beeinflussen, weil sie die Verbindung zwischen dem Teil des Geisteskennen, der regelmäßig genutzt wird, und dem Teil, der normalerweise überhaupt nicht genutzt wird. Es wird besonders wichtig sein, den Geist auf weise und hilfreiche Art und Weise anzuwenden, um die zukünftige Richtung wissenschaftlicher Forschung zu bestimmen. Das derzeitige wissenschaftliche Modell sieht die Natur als eine Art verschlüsselte Intelligenz, die von den Menschen entschlüsselt wird, um

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Krankheiten zu heilen oder das Leben im Allgemeinen zu verbessern. Das ist gewiss ein wichtiges Unterfangen, aber es wird nur mit einem Bruchteil der Gehirnkapazität durchgeführt. Obwohl es in der Wissenschaft viele unglaubliche Fortschritte gegeben hat, finden diese Fortschritte nicht in Harmonie mit dem größeren mentalen Leistungsvermögen statt, und sie sind für den Planeten und dessen Bewohner nicht unbedingt vorteilhaft. Wir stehen jetzt an einem ähnlichen Punkt, was das Verständnis unseres Geistes und dessen Leistungsvermögen betrifft, wie vor zwanzig Jahren bei Computerschnittstellen. Im Jahr 1990 gab es praktisch keine leicht zugängliche Schnittstelle zwischen Computern und Menschen. Die Computertechnologie befand sich im Vergleich zu heute auf einem primitiven Niveau. In der Zwischenzeit haben wir selbstverständlich unglaubliche Fortschritte auf diesem Gebiet gesehen. In gleicher Weise werden wir in naher Zukunft große Fortschritte beim Verständnis des enormen Leistungsvermögens des menschlichen Geistes und der Schnittstelle zwischen genutzten und ungenutzten Kapazitäten erleben. Um an die Wurzel dieses Leistungsvermögens zu gelangen, müssen wir uns fragen, was die wichtigste Funktion des menschlichen Geistes ist. Ich habe die Wörter „Geist‖ und „Gehirn‖ in verschiedenen Wörterbüchern, Enzyklopädien und der neurowissenschaftlichen Literatur nachgeschlagen und dort viele äußerst gelehrte Definitionen gefunden. Aber in keiner dieser Quellen war eine Definition zu finden, die den menschlichen Geist als etwas bezeichnet, das zu größerem Glück beiträgt oder dem Planeten von unmittelbarem Nutzen ist. Ich dachte mir: „Inwieweit helfen all diese wissenschaftlichen Definitionen des Geistes und des Gehirns, die Welt mit weisen und mitfühlenden Menschen zu bevölkern, die über volle mentale Leistungsfähigkeit verfügen?‖ Menschen müssen geistige Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bewahren und sollten nicht blindlings denjenigen die Definition des Geistes überlassen, die sich nur auf ein Fachgebiet spezialisiert haben. Wir müssen über veraltete Denkweisen hinausgehen und auf neue Weise die wahre Beschaffenheit und den eigentlichen Zweck unseres Geistes entdecken. Wir sehen immer mehr Menschen, die ihre eigene Autorität zum Ausdruck bringen, die über das hinausgeht, was normalerweise für möglich erachtet wird. Sie haben Zugang zu einer außergewöhnlich nutzbringenden Realität, die jedem menschlichen Wesen innewohnt. All jenen, deren Lebenssinn weise und hilfreiche innewohnende menschliche Güte ist, stellt sich die Frage: „Wer bin ich eigentlich? Welche Rolle habe ich auf Erden und was ist meine Aufgabe? Wie kann ich mir und anderen von Nutzen sein? Was ist mein eigentliches Potenzial?” Dies sind die entscheidenden Fragen, die sich Menschen stellen müssen. Es ist ganz gleich, welche philosophische Theorien wir haben; die Frage ist vielmehr, was macht Menschen glücklich, erfüllt und hilfreich, und was nicht. Was kann uns die angeborene Würde und Zuversicht geben, die Ausdrucksformen offener Intelligenz sind? Die Welt ist Zeuge sehr bedeutender

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Fortschritte, welche die Fähigkeit der Menschheit verbessern, um technologische und wissenschaftliche Erneuerungen vorzunehmen und sich zu entwickeln. Es ist allerdings von noch wesentlicherer Bedeutung, diese Fortschritte auf eine Weise umzusetzen, die eine sorgsame Behandlung der Erde ermöglicht und Menschen zu größerem Glück, mehr Weisheit und Fürsorglichkeit führt. Das wünscht sich nicht nur jeder in seinem tiefsten Innern, sondern dazu ist die Menschheit tatsächlich fähig. Wir müssen gewillt sein, als Individuum und als Menschheit über das Bekannte hinauszugehen und herausfinden, was wir noch nicht über uns wissen. Dazu benötigen wir Mut und Demut. Das bedeutet, alle herkömmlichen Ideen über unseren Geist und unseren Körper hinter uns zu lassen und Vertrauen in das zu erlangen, was bislang unbekannt gewesen ist. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, gehen wir alles entspannt an und brauchen uns nicht in Konventionen und herkömmlichem Tun zu verstricken. Wir können die Dinge einfach so belassen, wie sie sind; diese Haltung erweitert augenblicklich unsere Perspektive. Wir entdecken die ausgewogene Sicht, die bereits präsent ist. Je klarer wir uns dazu entschließen, dieses Ziel zu verwirklichen, umso besser können wir unsere mentalen Fähigkeiten einsetzen, um es zu erreichen. Frage: Ich habe mit Interesse vernommen, dass du ein begabtes Kind warst, denn auch ich wurde als Kind so bezeichnet. Es hat mich immer interessiert zu erfahren, was genau „Begabung”bedeutet. Hast du in deiner Entwicklung als begabtes Kind irgendetwas bemerkt, das in deinem späteren Leben eine Rolle gespielt oder deine Anschauungen und Lehrmethoden beeinflusst haben könnte? Antwort: Ja, in der Tat. Ich kann etwas über einen bestimmten Vorfall sagen, der einen nachhaltigen Einfluss auf mich ausübte. Ich habe mich als junges Mädchen mit den Ansichten Albert Einsteins beschäftigt und las ein Zitat von ihm, das einen tiefen Eindruck bei mir hinterließ: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.― Ich war von dieser Aussage total fasziniert, weil ich sehen konnte, dass eine Menge Probleme auf persönlicher oder globaler Ebene durch die gewohnheitsmäßigen Denkweisen der Menschen zustande kommen. Die Vorstellung, dass es eine andere Denkweise geben mag, die zur Lösung von Problemen führt, stieß bei mir auf großes Interesse. Bald darauf wurde mir eine Hausaufgabe zugeteilt, bei der ich schriftlich festhalten sollte, wie es möglich ist, dass sich alles auf der Welt bewegt. Der Lehrer erwartete die Antwort, dass die Erde sich um ihre eigene Achse dreht und dass diese Rotation alles in Bewegung setzt. Doch so lautete meine Antwort nicht. Ich schrieb in meiner Hausaufgabe, dass sich alles bewegt, weil sich alle Moleküle und subatomaren Teilchen im freien Raum bewegen. Beim Schreiben meiner Hausaufgabe hatte ich eine weitere Erkenntnis, die mich völlig zum Stillstand brachte: Ich erkannte, dass die in konstanter Bewegung befindlichen Teilchen genau das gleiche sind wie unendlich intelligenter Raum und dass sie

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aus diesem freien Raum bestehen. Ich sah, dass nichts je enden kann und nichts je beginnt. Ich gab meine Hausaufgabe ab und wusste nicht, was ich erwarten sollte. In der Klasse begann der Lehrer dann über die Erdrotation zu sprechen und wie sich alles aus diesem Grund bewegt, und ich dachte: „Na ja, er sieht die Dinge halt anders.‖ Doch ich war weiterhin völlig überzeugt von meiner Erkenntnis. Nachdem der Lehrer meine Arbeit gelesen hatte, erwähnte er mir gegenüber, dass er sie wirklich gut fand und dass meine Erkenntnis vortrefflich war, obwohl er selbst die Frage anders beantwortet hatte. Er sagte mir, ich sei sehr gescheit. Er hatte eine interessante Auffassung von Intelligenz. Er meinte, dass es einer der herausragendsten Aspekte von Intelligenz sei, anderen von Nutzen zu sein. Er sagte, dass Intelligenz nicht unbedingt mit Selbstbezogenheit einhergehen muss, sondern dass die richtige Verwendung dieser Gabe vielen Menschen helfen kann. Er sagte außerdem, dass anderen zu helfen auch einem selbst hilft. Auf einen Schlag richtete er also mein Denken auf den Wunsch aus, anderen von Nutzen zu sein. Das war eines der herausragendsten Ereignisse meiner Kindheit. Meine Schule empfahl dann, mich auf eine Schule für begabte Kinder zu schicken. Dort begann ich Latein, Yale’s Neue Algebra und viele andere Dinge zu studieren, zu denen meine Altersgenossen keinen Zugang hatten. Ich war allerdings völlig überzeugt, dass jeder eine ähnliche Intelligenz wie ich und die anderen begabten Kinder besitzt; sie hatten sie nur noch nicht erschlossen. Ich erkannte, wie man diese angeborene Intelligenz erschließen und die Dinge auf andere Weise sehen kann, wenn man über herkömmliche Denkweisen hinausgeht. Ich erkannte außerdem, dass diese Intelligenz natürlich auftritt und nicht etwas ist, das erdacht oder entdeckt werden muss. Wenn man über herkömmliche Denkweisen hinausgeht, kann man die Dinge auf tiefgehendere und ausgewogenere Weise sehen. Ich war daran interessiert, wie diese natürliche Intelligenz im persönlichen Leben von unmittelbarem Nutzen sein und helfen kann, eine Lösung für die großen Probleme auf der Welt zu finden. Ich hatte keine Ahnung, wie ich diese intellektuellen Erkenntnisse, außer in sehr begrenzter Form, auf mein persönliches Leben anwenden sollte. Doch mit der Zeit nahm diese Suche nach unmittelbarem Nutzen einen großen Stellenwert in meinem Leben ein und wurde letztendlich zu meinem ausschließlichen Fokus. Obwohl manche Lösungsansätze zuweilen in einer Verbesserung der Situation resultierten, wurde mir doch klar, dass die allgemein gebräuchliche Denkweise oftmals zu recht schmerzlichen oder sogar katastrophalen Zuständen führt. Als ich so um die Zwanzig war, lagen den Menschen Themen wie der Vietnamkrieg, Korruption auf politischer und unternehmerischer Ebene und die Umweltzerstörung sehr am Herzen. Wie konnte ich meinen Wunsch, zu helfen, dazu verwenden, solche Dinge zu beheben und rückgängig zu machen? Obwohl einige Fortschritte zur Lösung dieser großen Probleme gemacht wurden, schien es mir, dass kein ausreichendes Momentum erzeugt wurde, um die negativen

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Trends rückgängig zu machen. Die Tendenz verlief eher in Richtung noch größerer Umweltzerstörung und auf der ganzen Welt tauchten immer mehr Konflikte auf. Als ich so um die Dreißig war, erreichte meine Denkweise einen sehr kritischen Punkt, denn ich erkannte, dass mir all das verfügbare herkömmliche Wissen sehr wenig unmittelbare Besserung und Wohlbefinden verschaffte— insbesondere weil ich wusste, dass viel mehr möglich war. Diese Erkenntnis leitete eine ernste Krise in meinem Leben ein. Ich wusste definitiv, dass ich etwas brauchte, das mir mehr Kraft und Unterstützung gab. Ich erkannte, dass ich alles Bekannte hinter mir lassen musste, obgleich ich bereits einige tiefe Erkenntnisse gehabt hatte. Es begann für mich eine Zeit, die man eine Phase der Verzweiflung und Verwirrung nennen könnte, da meine intellektuellen, psychologischen und spirituellen Ansätze keine wirkliche und dauerhafte Lösung brachten. Inmitten dieses Zustands der Verzweiflung und Verwirrung über mein eigenes Schicksal und das der gesamten Menschheit, erkannte ich plötzlich, dass all diese mentalen Vorgänge denselben Ursprung haben. Ich sah, dass ihr Urgrund aus Intelligenz und freiem Raum besteht, der durch und durch bewusst ist. Ich erkannte, dass alle geistigen Aktivitäten in gewissem Sinne vollkommen gleichwertig sind, da diese Intelligenz, die von sich aus vollkommen und rein ist, ihre Quelle ist. Alles ist eine Manifestation dieser Intelligenz und alles, was darin erscheint, ist diese Intelligenz. Diese Erkenntnis verschaffte mir ein unglaubliches Gefühl der Erleichterung, da ich nun imstande war, meinen Geist in diese bewusste Intelligenz zu entspannen und Kraft aus ihrer ausgewogenen Sicht zu schöpfen. Mir war klar, dass nicht nur meine Gedanken, Emotionen und Erfahrungen Erscheinungen dieser Intelligenz sind, sondern dass alle Phänomene Erscheinungen dieser Intelligenz sind. Wie schon als kleines Mädchen konnte ich erkennen, dass diese Intelligenz oder dieser freie Raum sich nicht nur innerhalb des eigenen Körpers befindet, auch wenn Menschen dies als etwas Individuelles erleben. Diese Intelligenz hat keinen Umfang, keine Begrenzungen und keine Position, an die sie gebunden ist. Sie ist einfach. Ich gelangte zu der Erkenntnis, dass es eine bewusste Intelligenz gibt, die unveränderlich, unzerstörbar und überall vorhanden ist. Ich konnte sehen, dass alles Wissen, das ich besaß, bereits auf natürliche Weise in dieser Intelligenz präsent ist. Doch diese Intelligenz wird nicht in der eigenen Erfahrung erkannt, sofern man den Geist nicht für kurze Momente, viele Male wiederholt, entspannt. Das primäre Merkmal dieser offenen Intelligenz, die alles durchdringt, ist ihr unmittelbarerBenefit. Dieser Benefit wird erstmals erkannt, wenn man realisiert, dass diese offene Intelligenz alle Gedanken und Emotionen vollständig beherrscht—einschließlich derer, die wir als unangenehm wahrnehmen. Wenn wir eindeutig feststellen, dass offene Intelligenz bereits ein Urgrund vollkommenen Benefits ist, dann können Menschen vollkommenes

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psychologisches Wohlbefinden, Mitgefühl und herausragende Eigenschaften und Aktivitäten besitzen, die zum Wohl aller sind. Diese Entdeckung war die Erfüllung meiner Erkenntnis, die ich als junges Mädchen hatte.

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DER ABBAU VON MÄNGELN UND DIE VERVOLLKOMMNUNG GUTER EIGENSCHAFTEN KAPITEL SECHZEHN

„Wenn wir offene Intelligenz einfach zur Kenntnis nehmen, wird sie immer offensichtlicher. Da das Wesen unserer Existenz vollkommen frei ist, ist es völlig ungezwungen. Wir müssen also nichts tun, um unser natürliches und authentisches Wesen zu sein. Wir sind bereits dieses authentische Wesen. In ihm ist die Vollkommenheit aller guten Eigenschaften stets präsent.”

Üblichen Normen zufolge werden Verhaltensweisen meist als entweder gut oder schlecht bezeichnet. Wenn wir diese Wertmaßstäbe akzeptieren und annehmen, hinterfragen wir unser Verhalten und vergleichen es mit dieser üblichen Norm. Wir streben danach, unsere Mängel abzubauen und unsere guten Eigenschaften zu vervollkommnen. Die Menschheit hat sich diesem sehr anstrengenden Vorgang seit Jahrtausenden unterzogen, und so sollte es mittlerweile deutlich sein, dass all dieses Streben nicht funktioniert. Wenn es funktionieren würde, besäßen wir nicht nur ein viel feineres Gespür, um mit Situationen in unserem Privatleben umzugehen, wir besäßen zudem ein viel besseres Verständnis, um mit den schwerwiegenden Problemen umzugehen, denen wir als Menschen gegenüberstehen. Es gibt vier Wege, die im Allgemeinen angewandt werden, um mit sogenannten Mängeln umzugehen. Der erste Weg ist, der Unzugänglichkeit nachzugeben. Nehmen wir einmal an, eine Emotion taucht auf—zum Beispiel Wut. Wut wird traditionell als ein moralischer Defekt bezeichnet. Bei dieser Herangehensweise lassen wir uns von der Wut überwältigen und handeln aus diesem Zustand der Wut heraus. Wir sind wütend, also explodieren wir und sagen oder tun wütende Dinge. Der zweite Ansatz beim Umgang mit moralischen Defekten ist, sie zu vermeiden. In diesem Fall meiden wir die Gedanken, Emotionen und Umstände, die in der Regel dazu führen, die Wut an die Oberfläche zu bringen, und hoffen, dass so die Wut verschwinden wird. Auf diese Weise können wir die Wut für eine Weile von uns fernhalten und sie in gewissem Maße neutralisieren. Doch ihr wahres Wesen wird nie erkannt oder transformiert. Sie lauert weiterhin im Hintergrund und kann jederzeit ausbrechen. Der Versuch, diejenigen Impulse, die wir als negativ betrachten, durch etwas Positives zu ersetzen, bildet den dritten Ansatz im Umgang mit belastenden Zuständen wie Wut oder Angst. Wir können beispielsweise versuchen, negative Gedanken oder Emotionen durch positive zu ersetzen. Anstatt uns den negativen Gedanken und Emotionen über andere hinzugeben, zwingen wir uns, Gutes über sie zu denken und zu sagen oder sie sogar auf irgendeine Weise zu unterstützen.

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Der vierte Weg, um mit belastenden Emotionen umzugehen, ist auf offene Intelligenz zu vertrauen und alles als makelloseoffene Intelligenz zu sehen, bis erkannt wird, dass alles makelloseoffene Intelligenz ist. Dieser Ansatz ist der einzige, der tatsächlich funktioniert, um Mängel abzubauen und gute Eigenschaften zu vervollkommnen. Wenn wir beim Auftreten eines Makels ruhen, entdecken wir, dass das, was früher als Makel betrachtet wurde, in Wirklichkeit nichts als eine Form makelloser, ursprünglich reiner offener Intelligenz ist. Während dieses klaren Erkennens wird der Makel in eine positive Eigenschaft umgewandelt. Wenn wir imstande sind, Mängel als vergängliche Ausdrucksformen reiner offener Intelligenz zu sehen, entdecken wir ihr eigentliches Naturell. Das ist der einzige Weg, wie Mängel dauerhaft abgebaut werden können. Nur wenn wir die zugrundeliegende Essenz eines Makels sehen, werden wir sein wahres Naturell kennen. In der unmittelbaren Begegnung mit einem Makel oder einem belastenden Zustand im Moment seines Erscheinens hält man makelloseoffene Intelligenz aufrecht, bis alle Erscheinungen als makellos erkannt werden. Bei diesem klaren Erkennen wird nunmehr entdeckt, dass das, was früher als bedrohlich und schädlich angesehen wurde, untrennbar von der ursprünglichen Reinheit allumfassender offenerIntelligenz ist. Wir entdecken, dass die Mängel in Wirklichkeit rein sind, denn sie sind natürliche Erscheinungen des Elementarraums reiner offener Intelligenz. Alle Wahrnehmungen sind in Wirklichkeit zeitloseoffene Intelligenz und besitzen die Eigenschaften zeitloser offener Intelligenz. Wenn ein Makel wahrgenommen wird, ist dies ebenfalls zeitloseoffene Intelligenz. Es folgt eine ganz wesentliche Anleitung: Alle Erscheinungen sind von sich aus als offene Intelligenz frei, auch während man ihnen direkt begegnet. Auf offene Intelligenz zu vertrauen, bedeutet Folgendes: Entspanne dich völlig ungezwungen bei allem, was auftaucht, indem du makelloseoffene Intelligenz für kurze Momente, viele Male wiederholt, aufrechterhältst, bis du erkennst, dass alle Erscheinungen makelloseoffene Intelligenzsind. Es besteht keinerlei Trennung zwischen offener Intelligenz und ihren Erscheinungsformen—sie bilden eine singuläre nonduale Weite. Statt eine Erscheinung als etwas Eigenständiges anzusehen, erkennen und transformieren wir sie, indem wir uns selbst in offener Intelligenz empowern. Auf diese Weise erkennen wir, dass alles dem Wesen nach offene Intelligenz ist. Wenn belastende Zustände erscheinen, ist es ganz wesentlich, auf offene Intelligenz zu vertrauen, die der Ursprung dieses belastenden Zustands ist, ohne ihm zu folgen, ihn zu meiden oder durch etwas anderes zu ersetzen. Der Schlüssel ist, immer weiter auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wenn wir auf herkömmliche Art und Weise leben, wissen wir nie, wie wir mit unseren Mängeln umgehen sollen. Wir werden weiterhin versuchen, sie zu vermeiden oder zu ersetzen, und stellen trotzdem oft fest, dass wir ihnen nachgeben. Wir kennen keinen anderen Weg. Wir wissen nicht, dass es möglich ist, unseren Geist zu entspannen und nicht näher auf unsere Gedanken und 128

Emotionen einzugehen oder uns in impulsive Handlungen zu verstricken. Heutzutage suchen viele Menschen nach einer Antwort; sie wissen, dass es eine bessere Lebensweise gibt. Sie sind sich bewusst, dass wir als Menschen entscheidende Schritte unternehmen müssen, um den Planeten, auf dem wir leben, zu retten. Viele Menschen begreifen jetzt, dass der erste Schritt im Innern getan werden muss. Wir erkennen die natürliche Beschaffenheit offener Intelligenz, indem wir unseren Geist unerschütterlich ruhen lassen und vollkommen offene Wahrnehmung aufrechterhalten. Auf diese Weise werden alle guten Eigenschaften vervollkommnet. Reineoffene Intelligenz führt zur Vervollkommnung aller guten Eigenschaften, nicht nur im philosophischen Sinn, sondern auch auf ganz praktische Weise. Wenn wir unser Leben mit entspannter Gelassenheit führen, wissen wir was zu tun ist und wie wir uns zu verhalten haben. Wir müssen uns nicht länger krampfhaft mit Entscheidungen und Alternativen auseinandersetzen. Wir entdecken, dass die wahre Natur von Mängeln unveränderlich und durch und durch stabil ist, dass sie von Natur aus freie Manifestationen offener Intelligenz sind. Was immer in offener Intelligenz erscheint, ist von Natur aus rein. Das trifft auf alle Mängel zu. Alle belastenden Zustände sind von Natur aus rein. Wenn sie klar erkannt werden, entdecken wir, dass alle Mängel makellose offene Intelligenz sind. Wir vertrauen beim unmittelbaren Wahrnehmen auf diese offene Intelligenz. Wir entdecken, dass Dinge, die früher Unzulänglichkeiten zu sein schienen, nunmehr als eine Erscheinung echter Weisheit erkannt werden—die Sonne offener Intelligenz strahlt in Form dieser Unzulänglichkeit. Alle Daten, einschließlich aller Mängel, sind die dynamische Energie reiner offener Intelligenz und sind untrennbar von offener Intelligenz. Es ist unmöglich, Sonnenlicht vom Himmel zu trennen; ebenso wenig können Mängel vom Elementarraum offener Intelligenz getrennt werden. Wenn wir den Mängeln eine eigenständige Existenz zubilligen—ein unabhängiges Wesen— dann sind wir damit beschäftigt oder werden sogar zwanghaft dazu getrieben, ihnen nachzugeben, sie zu vermeiden oder zu ersetzen. Wenn wir hingegen auf offene Intelligenzvertrauen und erkennen, dass diese Mängel untrennbar von offener Intelligenz sind, dann sehen wir sie als die ursprüngliche Reinheit, die schon immer ihre zugrundeliegende Essenz gewesen ist. Wenn Vertrauen auf offene Intelligenz in unserem Leben überwiegt, werden alle guten Eigenschaften ohne jegliches Dazutun auf natürliche Weise vervollkommnet. All das, was wir durch Nachgeben, Vermeiden und Ersetzen zu erreichen suchten, ist in offener Intelligenz vorhanden. Offene Intelligenz kann man nicht kultivieren oder entwickeln. Sie ist von Natur aus in uns präsent und kommt auf natürliche Weise vor, ohne dass wir etwas tun müssen. Da wir einzig und allein die dynamische Energie offener Intelligenz und nichts anderes sind, sind wir von Natur aus ursprünglich rein. Falls wir uns bemühen, vollkommen zu werden, sind wir vom Kurs abgekommen, da wir in Wirklichkeit bereits vollkommen sind. Was vollkommen rein ist, bedarf keiner Anstrengung. Dies zu 129

verstehen ist von ganz wesentlicher Bedeutung für unser eigenes Wohlbefinden und unsere Fähigkeit, auf entspannte, gelassene, kraftvolle, und nutzbringende Weise in der Welt zu handeln. Während wir uns in offener Intelligenz empowern, verblassen die Dinge ohne jegliches Dazutun. In offener und unmittelbarer Wahrnehmung herrscht völlige Freiheit. Diese Freiheit ist unabhängig von Zeit, Aktivitäten, Bemühungen oder dem Versuch, etwas zu erreichen. Wenn wir offene Intelligenz einfach zur Kenntnis nehmen, wird sie immer offensichtlicher. Da das Wesen unserer Existenz völlig frei ist, ist es völlig ungezwungen. Wir müssen also nichts tun, um dieses natürliche und authentische Wesen zu sein. Wir sind bereits dieses authentische Wesen. Die Vollkommenheit aller guten Eigenschaften ist darin immer präsent. Was bedeutet das alles eigentlich genau? Es bedeutet, dass wir mentale Stabilität und Klarheit finden, wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen. Alle Mängel, die wir unserer geistigen Aktivität zugeordnet haben, werden abgebaut und alle dem elementaren Raum unseres Geistesinnewohnenden guten Eigenschaften werden verstärkt. Wir beschäftigen uns nicht länger zwanghaft mit egozentrischen Ängsten, sondern befassen uns damit, uns und anderen Benefit zu bringen. Es geht nicht darum zu versuchen, von Nutzen sein, um zu beweisen, dass wir jemand sind. Benefit zu bringen ist vielmehr ein natürliches Anliegen, das von Natur aus im menschlichen Geist vorhanden ist. Dabei geht es nicht um den Wunsch, uns besser zu fühlen. Unser menschliches Dasein fließt vielmehr voller Mitgefühl in den Dienst an der Allgemeinheit. Es ist ganz einfach: Solange der menschliche Geist in Selbstbezogenheit verwickelt ist, können wir mit Sicherheit sagen, dass es sich um eine herkömmliche Aktivität des Verstandes handelt. Wenn unser Geist nicht länger in selbstbezogene Aktivitäten verwickelt ist, können wir sicher sein, dass unsere geistige Aktivität in offener Intelligenz verankert ist. Da alle Erscheinungen sind in Wirklichkeit eine Form offener Intelligenz, ist Ruhen als diese Erscheinungen Ruhen als offene Intelligenz. Wenn wir als unsere Mängel ruhen, entdecken wir, dass sie genau genommen Eigenerscheinungen offener Intelligenz sind, und daher auf zeitlose Weise frei und ursprünglich rein sind. Nach und nach erscheinen sie uns nicht länger als Mängel und bereiten uns keine Schwierigkeiten mehr. Als diese Mängel oder belastenden Zustände zu ruhen, ist der Weg wahrer Weisheit. Der einzige Weg, um von der herkömmlichen Verwendung unseres Körpers, unserer Sprache und unseres Geistes zu einer weisen Verwendung von Sprache, Geist, Eigenschaften und Aktivitäten zu kommen, ist durch Vertrauen auf offene Intelligenz. Diese weisen Eigenschaften zeigen sich nur beim instinktiven Erkennen offener Intelligenz. Sie können nicht erlernt oder perfektioniert werden, indem man Mängel vermeidet, ihnen nachgibt oder sie durch etwas anderes ersetzt. Es ist von wesentlicher Bedeutung, bei allen Vorkommnissen selbst die Verantwortung für das Aufrechterhalten von offener Intelligenz zu übernehmen.

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Auch wenn die Angewohnheit, nachzugeben, zu vermeiden oder zu ersetzen, sehr tief verwurzelt scheint, so ist auch sie nur eine trügerische Erscheinung in offener Intelligenz. Es gibt keinen Mangel, der durch Nachgeben, Vermeiden oder Ersetzen perfektioniert werden kann, und es gibt keinen Mangel, der nicht durch Vertrauen auf offene Intelligenz abgebaut werden kann. Das ist ganz wesentlich. Es gibt keine Ausnahmen. Frage: Manchmal verspüre ich ein Verlangen, beim Essen gewisse Dinge, insbesondere Süßigkeiten, im Übermaß zu genießen. Ich habe das Gefühl, Disziplin zu benötigen, um dies unter Kontrolle zu bringen. Inwieweit ist Disziplin mit dem, was du hier sagst, vereinbar? Antwort: Dazu kann ich dir Folgendes sagen: Nehmen wir einmal an, dieses Verlangen nach Süßigkeiten taucht auf. Du kannst dem Verlangen nachgeben und sofort so viel Süßes in dich reinstopfen, wie du willst. Oder du versuchst Süßes irgendwie zu meiden, indem du dich an einen Ort begibst, wo diese Sachen nicht erhältlich sind. Du kannst auch den Wunsch nach etwas Süßem zum eigenen Genuss durch den Gedanken ersetzen, etwas Süßes für jemand anderen zu besorgen. Das ist alles schön und gut. Du kannst dein ganzes Leben auf diese Weise verbringen und so deine störenden Daten neutralisieren. Doch das Neutralisieren von Daten ist keine wirklich zufriedenstellende Lösung. Die Frage lautet: Willst du dein Leben mit dem Neutralisieren deiner Daten verbringen oder willst du als makellose Weisheit leben? Wenn wir uns entscheiden, unser Leben mit dem Neutralisieren unseres Verhaltens zu verbringen, richtet sich unsere gesamte Aufmerksamkeit auf Erscheinungen, und wir versuchen sie auf irgendeine Weise entweder zu akzeptieren oder verleugnen. Nehmen wir ein weiteres Beispiel: Eines schönen Tages willst du deine Süßigkeiten essen und beginnst die Sache noch einmal zu überdenken. „Oh, die Torte sieht so lecker aus! Ich will nicht bloß ein Stück, ich will die ganze Torte haben! Ich will aber nicht, dass mich irgendjemand dabei sieht, also werde ich ein Stück hier essen und den Rest dann mit nach Hause nehmen und sagen, sie sei für jemand anderen bestimmt!‖ Schließlich isst du also die ganze Torte und dir wird ganz übel davon und du denkst über all die Pfunde nach, die du zugenommen hast. Dann fühlst du dich ganz elend und hast Gewissensbisse, weil du die Torte ganz allein gegessen hast, und deshalb beschließt du, nie wieder so etwas zu tun. Du beschließt, diszipliniert zu sein, doch hegst Zweifel, ob du das kannst—und so weiter und so fort. Du verbindest einfach immer weiter die Punkte miteinander, einen Gedanken nach dem anderen, eine Emotion nach der anderen. Dein gesamtes Leben ist darauf aufgebaut. Das ist die eine Möglichkeit, um diese Sache anzugehen. Der andere Weg hingegen besteht darin, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten—den alleinigen Ursprung aller Erscheinungen— wenn diese Daten auftauchen. Wenn du immer weiter auf offene Intelligenz vertraust, wirst

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du allmählich vertrauter damit und entdeckst dabei, dass Erscheinungen immer weniger Macht haben, dich von offener Intelligenz abzulenken. Was auch immer austaucht—das Verlangen nach Süßem oder der Wunsch nach Disziplin—beides wird gleichermaßen als Formen offener Intelligenz erkannt, die in offener Intelligenz auftauchen und verschwinden. Deine Aufmerksamkeit richtet sich nicht länger ausschließlich auf die Gedanken, sondern ist mehr und mehr auf allzeit präsente offene Intelligenz gerichtet, welche die Grundlage dieser Gedanken ist. Du identifizierst vollkommen offensichtliche, makelloseoffene Intelligenz als Quelle der Gedanken und empfindest dabei ein Gefühl großer Freiheit. Anderenfalls hast du bloß unzählige Gedanken! Wenn du dich weiterhin auf allzeit beständige offene Intelligenzverlässt, wirst du allmählich vertrauter damit. Denk daran, dass es sehr wichtig ist, dies auf völlig ungekünstelte Weise zu tun. „Ungekünstelt” bedeutet, dass du keinerlei künstliche Strukturen einbaust, wie beispielsweise pro Tag nur für eine bestimmte Zeit oder in einer bestimmten Körperhaltung auf offene Intelligenz zu vertrauen. Anstatt dies täglich nur für eine bestimmte Zeit zu tun, so wie bei einer zeitlich festgesetzten Meditationsübung, sollten wir es vielmehr den ganzen Tag hindurch für kurze Momente, viele Male wiederholt tun. Immer wenn etwas Belastendes auftaucht, hältst du offene Intelligenz aufrecht. Anstatt dich auf die dahin strömenden Gedanken und Emotionen zu verlassen, verlässt du dich stattdessen auf offene Intelligenz als Quelle deiner Entscheidungen. So erlangst du auf eine ganz natürliche Weise Vertrautheit mit offener Intelligenz, von der es kein Zurück gibt. Es ist ganz einfach. Wenn du auf offene Intelligenz vertraust, können weiterhin all dieselben Dinge geschehen, doch du wirst nicht länger durch sie abgelenkt. Du siehst alles, was erscheint, als offene Intelligenz. Du erkennst mehr und mehr, dass alle Erscheinungen offene Intelligenzsind. Nur durch diese entspannte Leichtigkeit können wir unwiderleglich in unserer eigenen Erfahrung feststellen, dass alles eine singuläre nonduale Weite ist. So lange wir meinen, manche Dinge seien etwas anderes als offene Intelligenz, sagen wir damit, dass sie keine singuläre nonduale Weite ist. Das ist viel mehr als nur ein intellektueller Vorgang. Es genügt nicht, sich dauernd einzureden: „Ich bin offene Intelligenz‖, und dann allem nachzulaufen, was auftaucht. Heutzutage sagen manche: „Ich bin offene Intelligenz, alles ist offene Intelligenz, deshalb kann ich tun und lassen, was ich will.‖ Das ist ein schwerwiegendes Missverständnis und die Wurzel vieler Irrtümer. Derartige Aussagen sind etwas völlig anderes als tatsächliches Ruhen als offene Intelligenz. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, alles vollkommen offen wahrzunehmen und so zu perfekter mentaler Stabilität, Klarheit, Weisheit, meisterlichen Aktivitäten und tiefgründigen Erkenntnissen zu gelangen. Das ist etwas ganz anderes, als bloß Affirmationen zu wiederholen. Frage: Ich bin Zeit meines Lebens aufgrund einer Depression arbeitsunfähig gewesen. Sie hat mich davon abgehalten, mich voll am Leben zu beteiligen, und

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ich fühle mich richtig schuldig und traurig, dass ich so viel verpasst habe. Kannst du mir irgendwie bei dieser Sache helfen? Antwort: Du siehst das vielleicht nicht so, doch deine wahre Identität wurde nie durch Depression unterdrückt. Immer wenn die Depression auftaucht, hast du wahrscheinlich das Gefühl, etwas dagegen tun zu müssen. Entweder du versuchst, sie irgendwie zu vermeiden oder durch etwas anderes zu ersetzen, um sie so loszuwerden. Ich möchte dir den Rat geben, dich beim Aufkommen von Depression in offener Intelligenz zu empowern, statt Gegenmittel anzuwenden, ohne irgendetwas anzustreben, ohne den aufgetauchten Zustand in irgendeiner Weise zu beschreiben. Es gibt viele Fachgebiete, die eine Vielzahl von Dingen beschreiben. Auch Depression kann auf vielerlei Weise beschrieben werden. Heutzutage gibt es viele Bücher über Psychologie, und wir können versuchen, durch ihre Erklärungen herauszufinden, warum wir deprimiert sind. Wir können behaupten, unsere Depression sei situationsbedingt und habe mit bestimmten Vorkommnissen in unserem Leben zu tun, oder wir können die Ansicht vertreten, sie habe einen physiologischen Ursprung. Dies sind Beispiele für herkömmliche Erklärungsversuche. Sie sagen jedoch nichts über unser wahres Wesen aus. Wenn wir uns in der weiten Offenheit entspannen, welche die Essenz unseres Wesens ist, dann entdecken wir etwas über uns, das wir nie zuvor erkannt haben. Wenn ein intensiver Blickpunkt wie Depression auftaucht, ist die weiseste Entscheidung, die wir treffen können, auf offene Intelligenz zu vertrauen und dem Blickpunkt nicht nachzugeben, ihn nicht zu meiden oder zu ersetzen. Wir lassen einfach alles andere beiseite und halten offene Intelligenz aufrecht, ohne auf das Erlebnis der Depression einzugehen. Wenn wir das tun, können wir allmählich erkennen, dass diese Empfindung inmitten der unermesslichen Weite der Freiheit und des Frieden erscheint, und können uns ihr auf eine ganz neue Weise öffnen. Offene Intelligenzwird erkannt, wenn Gedanken, Emotionen und Erfahrungen vollkommen offen wahrgenommen werden. Wenn diese Erkenntnis erst einmal erwacht, beginnen wir in uns ein Gefühl der Herzlichkeit und Direktheit zu verspüren. Wir verspüren dann viel mehr Leichtigkeit, Freude und Weisheit sowie Mitgefühl für uns und andere. Unsere Entscheidung muss lauten, auf offene Intelligenz zu vertrauen und nicht näher auf die Geschichte einzugehen. Viele der Dinge, die du beschrieben hast, können noch eine Zeitlangauftauchen. Fahre einfach fort, dich selbst zu empowern. Falls du feststellst, dass du noch aus altbekanntenDatenheraus agierst, dann geh bitte nicht so hart mit dir ins Gericht. Sage dir stattdessen: „Ich bin hingefallen, doch jetzt stehe ich wieder auf. Ich habe vergessen, auf offene Intelligenz zu vertrauen, und einige meiner alten Daten ausprobiert, aber was soll’s. Jetzt werde ich meinen Entschluss, auf offene Intelligenz zu vertrauen, erneuern. ―Jeder Augenblickbietet die Gelegenheit, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Ganz gleichwelchen Verlauf die Depression nimmt,

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wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen und uns nicht von der Depression überwältigen lassen, können wir klare Entscheidungen darüber zu treffen.

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DIE NATÜRLICHE WEISHEIT OFFENER INTELLIGENZ KAPITEL SIEBZEHN

„Ganz gleich wie viel wir bereits zur Welt beigesteuert haben, wenn wir Vertrautheit mit unserer weisen Natur erlangen, entfesseln wir eine wirklich außergewöhnliche Kraft des Benefits, die uns erlaubt, alles zu übertreffen, was wir bislang erreicht haben.”

Wenn wir uns Gedanken darüber machen, wer oder was wir sind, kommen wir gewöhnlich zu dem Schluss, dass wir eine Kombination aus Körper und Geist sind. Wir halten uns für diesen biologischen Apparat, der sich unter der Hautoberfläche befindet und der einen bewussten Verstand hat. Der Geist wird meist als ein bewusstes Gebilde betrachtet, das all die Gedanken und Gefühle erfährt, die mit den Eindrücken ihres individuellen biologischen Apparates zu tun haben. Dann gibt es da noch die Sprache, mit der wir unsere Identität ausdrücken. Die Sprache dieses individuellen, biologischen Apparates wird als Hilfsmittel betrachtet, um die für das persönliche Wohlbefinden notwendigen Dinge zu beschaffen. Die meisten Menschen glauben, nur eine Person zu sein – ein sterblicher Körper und ein individueller Verstand – jemand, der von allen anderen getrennt ist und der sich von ihnen unterscheidet. Die von dieser Identifikation mit Körper und Verstand herrührenden Gedanken und Aktivitäten sind größtenteils sehr ichbezogen: „Wie kann ich meine Bedürfnisse befriedigen, wie kann ich leckeres Essen finden, eine gute Arbeit, passende Beziehungen und Geld für mich und meine Familie auftreiben.‖ Praktisch alle Gedanken, die von der zentralen Identifikation mit Körper und Geist herrühren, drehen sich um dieses angebliche Ich, das sich einbildet, all diese Dinge zu benötigen. Wir sind überzeugt, dass unser Wohlergehen von all diesen Dingen tatsächlich abhängig ist. Unser normaler Sprachgebrauch und die ihm zugrundeliegende Denkweise sind immerzu auf die Unterteilung von Subjekt und Objekt gerichtet und schwankt hin und her zwischen Glücksgefühl und Traurigkeit, hohem Ansehen und schlechtem Ruf, Erfolg und Misserfolg. Alle Erscheinungen werden in Gegensatzpaaren gesehen – richtig und falsch, gut und schlecht, positiv und negativ, Hoffnung und Befürchtung, Vorteile und Nachteile, Maßlosigkeit und Entsagung, Akzeptanz und Ablehnung. Alle normalen körperlichen, sprachlichen und verstandesmäßigen Aktivitäten beziehen sich auf ein nicht greifbares Individuum, das versucht, sein Selbstwertgefühl und seine Selbstachtung zu verbessern, indem es sowohl Mängel in anderen feststellt als auch eigene Mängel auszumerzen und positive Eigenschaften zu entwickeln versucht. Wenn wir glauben, ein Individuum zu sein – ein unabhängiger Akteur und die Quelle all unserer Gedanken – dann sind wir unser ganzes Leben lang in diese

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Gedanken versunken. Mit der normalen Denkweise, die in der Idee von „Ich bin Jemand‖ verwurzelt ist, ist kein Einblick in die unzerstörbare Realität und zeitlose Freiheit unserer grundlegenden Natur möglich. Wir haben allerdings die freie Wahl: Wir können entweder weiterhin ein ganz normales Leben führen, eingesperrt in einem Käfig herkömmlicher Sichtweisen, oder wir können uns als einen Ausdruck offener Intelligenz verstehen. Wir können entweder weiterhin herkömmliche Glaubenssätze über Körper, Sprache und Verstand mit allen damit einhergehenden Einschränkungen vertreten, oder wir können unser eigentliches Wesen entdecken – offene Intelligenz – und dann die in dieser Intelligenz innewohnende Kraft sprachlicher und gedanklicher Ausdrucksformen manifestieren. Offene Intelligenz ist eine unvorstellbar erhabene Realität, die so rein ist wie das unendliche All. Darin ist alles zugleich vollkommen. Das ist die wahre Intelligenz von jedem, und damit müssen wir vertraut werden. Diese Intelligenz ist unbeschreiblich schön. Sie ist undefinierbar, denn sie ist unbegrenzt und ohne Bestandteile und Segmente. Sie ist nie unterteilt worden, weder im Kleinen noch im Großen, weder offensichtlich noch unmerklich. Es genügt zu sagen, dass sie eine zeitlose und unveränderliche Realität ist, in der alle Phänomene erscheinen und entschwinden. Sie ist unser Grundzustand. Alles, was erscheint, besteht nur aus ihr. Jeder Gedanke, jede Emotion und jedes Erlebnis ist immer nur ein Ausdruck dieser reinen, natürlichen Intelligenz. Wenn wir entdecken, dass offene Intelligenz unsere direkte Verbindung mit dieser Weisheit ist, offenbart sie sich nach und nach als die wahre Natur aller Phänomene. Wenn reine Wahrnehmung erwacht, wird die absolute Einfachheit und Offenheit des Geistes immer offensichtlicher. Sie vertieft sich von selbst, wenn wir die sorglose Leichtigkeit unseres eigenen Wesens einfach zur Kenntnis nehmen. Dies ist unsere eigene natürliche Intelligenz, die sich gegen nichts verteidigen oder behaupten muss, denn es ist ewig und unzerstörbar. Absolut vollendete Weisheit ist entspannt, weise, stabil, mitfühlend und voller Erkenntnisse. Denken ist darin inbegriffen, doch sie ist nicht darauf angewiesen. Sie verlässt sich nur auf die Spontaneität ihrer eigenen Intelligenz und sieht und erkennt diese mühelos in allem. Die Sprache der Weisheit ist mutige Wortgewandtheit, die keines herkömmlichen Denkens bedarf, um sie zu leiten. Sie sagt, wie es ist, ohne streiten oder debattieren zu müssen! Sie muss nichts beweisen und sich mit niemandem messen. Sie kann nicht beurteilt werden, da ihre Qualität so unermesslich ist. Die Sprache der Weisheit ist unvorstellbar schön. Innerer Frieden und Weisheit werden durch bloßes Hören wiederhergestellt. Sie versetzt uns in den unumkehrbaren Zustand, aus dem es keine Rückkehr in die Unbeständigkeit und das Leid des Glaubens an das unabhängige Wesen von Daten gibt. Derart ist die Kraft des unzerstörbaren, wohlklingenden Klangs der Sprache der Weisheit.

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Es ist völlig unmöglich, die Sprache der Weisheit zu zerstören. Sie kann niemals in irgendeiner Weise ausgelöscht, umgeändert, besessen oder verändert werden. Sie ist die ursprüngliche, immerwährende Ausstrahlung absoluter Realität und bildet einen direkten Zugang zu dieser Realität. So wie alle Formen aus ungeformter offener Intelligenz bestehen, sind auch alle Klänge die Eigenklänge des Elementarraumsoffener Intelligenz. Die Aktivitäten von Weisheitskörper, Weisheitssprache und Weisheitsgeist haben allesamt ihren Ursprung im Ruhen als die Dimension der Gleichheit und Gleichmäßigkeit, die alle Erscheinungen durchdringt. Diese Dimension der Weisheit ist die alleinige, natürlich auftretende Realität, die ursprüngliche Einheit ohne jegliche Trennung oder Unterteilung. Sie sieht alles als vollkommen und alle Erscheinungen als unteilbar und als sich gegenseitig durchdringend. Die Sprache, Eigenschaften und Aktivitäten, die jemand ausstrahlt, der in dieser unendlichen Dimension der Weisheit etabliert ist, ist der allerhöchste Ausdruck großen Segens für alle Wesen. Ganz gleich wie viel wir bereits zur Welt beigesteuert haben, wenn wir Vertrautheit mit unserer weisen Natur erlangen, entfesseln wir eine wirklich außergewöhnliche Kraft des Benefits, die uns erlaubt, alles zu übertreffen, was wir bislang erreicht haben. Der goldene Schlüssel zur Entdeckung dieser innewohnenden Weisheit ist, Tag und Nacht alles Erlebte mit vollkommen entspannter Offenheit wahrzunehmen, ganz gleich was auch geschehen mag. Das bedeutet, alles voll und ganz zu wahrzunehmen und zu erkennen, dass alles innerhalb dieser weit offenen, freien Intelligenz stattfindet. Das setzt enorme Energie frei, die gewöhnlich durch unsere Beschäftigung mit Daten eingebunden ist, unserem Versuch, jede Erscheinung zu etikettieren, zu sortieren und zu kontrollieren. Wenn wir uns fortwährend im starren Bezugsrahmen unserer persönlichen Identität bewegen, ziehen wir uns gewissermaßen von der unmittelbaren Erfahrung des Lebens zurück. Je mehr wir von diesen unvollständigen Vorstellungen unserer persönlichen Identität ablassen, desto mehr kann unsere weit offeneIntelligenzdie enorme Energie freisetzen, die unserer wahren Natur innewohnt. Diese Energie durchbricht ganz automatisch alle Barrieren, die durch gewohnheitsmäßige emotionale Verhaltensmuster errichtet wurden, und stärkt das Vertrauen in offene Intelligenz. Es spielt keine Rolle, welche gewohnheitsmäßigen emotionalen Verhaltensmuster wir gehabt haben. Sie werden in natürlich ruhender offener Intelligenz völlig aufgelöst. Angesichts aller Erfahrungen auf offene Intelligenz zu vertrauen, ist für unser persönliches Leben, für unsere Familien und alle Gemeinschaften und Nationen auf der Welt eine Schatzkammer voller Benefits. Unser Leben wird immer besser, wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten! Wir sind nicht länger selbstbezogen, sondern entwickeln mehr und mehr Hingabe, anderen Menschen und unserem Planeten von Nutzen zu sein, und wir werden empowert, dies mit außergewöhnlicher Wirksamkeit zu tun.

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Diese ursprüngliche Weisheit wird nicht durch Bestrebungen erlangt, die Ursache und Wirkung erfordern. Die Eigenschaften von Weisheitskörper, Sprache und Geist offenbaren sich durch Vertrauen in offene Intelligenz. Sie können nicht erlernt werden, und sie können nicht perfektioniert werden, indem man Mängel vermeidet, ihnen nachgibt oder sie durch positive Handlungen und Eigenschaften ersetzt. Sie ergeben sich nicht, indem man gute Taten vollbringt, verdienstvollen Tätigkeiten nachgeht oder positive mentale Zustände entwickelt und negative mentale Zustände vermeidet. Die Weisheit zeitlosoffener Intelligenz ist natürlich präsent und wird nicht infolge irgendwelcher Umstände realisiert. Sieexistiert hier und jetzt in all ihrer Vollkommenheit. Nachdem wir jahrelang versucht haben, uns zu verbessern und unsere Gedanken, Emotionen und Erfahrungen streng zu kontrollieren, stellen wir, wenn wir auf offene Intelligenz zu vertrauen beginnen, zu unserem Erstaunen fest, dass natürliche offene Intelligenz bereits vollkommen ist und daher keinerlei Korrekturen bedarf, um sie zu perfektionieren. Alle Menschen besitzen die Fähigkeit, weise zu sein. Ein anderer Ausdruck für diese innewohnende Weisheit ist „elementare menschliche Güte. ―Offene Intelligenz ist die außerordentlichen Benefit bringende Weisheit, und daraus gehen unser aller Sprache, Geist, Eigenschaften und Aktivitäten aus. Es handelt sich hierbei nicht um Merkmale, mit denen nur besondere Wesen ausgestattet sind, die diese anschließend an andere weitergeben. Die Weisheit, von der ich spreche, ist die natürliche Weisheit aller sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten und der Gesamtheit aller Dinge. Wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, erlangen wir mühelos Vertrautheit mit dieser Weisheitsidentität, die unser allzeit präsenter, ursprünglicher Zustand ist, unsere ureigene Natur. Die außerordentlichen Benefit bringenden Weisheitskräfte sind bereits in der Leichtigkeit unserer ureigenen offenen Intelligenz vorhanden. Auch wenn wir noch nie etwas davon gehört haben, heißt das nicht, dass es nicht so ist. Es ist so und ist durch alle Zeiten hindurch immer so für alle Menschen gewesen. Diese Weisheitskräfte können nicht gestaltet, entwickelt oder erlernt werden. Sie manifestieren sich auf natürliche Weise, während wir mit offener Intelligenz vertraut werden. Wir erschließen diese außerordentlichen Benefit bringende Weisheit, indem wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen. Durch den simplen Akt, für kurze Momente auf offene Intelligenz zu vertrauen, gelangen wir zu der Erkenntnis, dass unsere wahre Natur tatsächlich unzerstörbar ist. Wir sind tatsächlich unsterblich – nicht als individueller Körper, sondern als zeitlos und ewiglich freie Weisheit offener Intelligenz. Daten sind von Natur aus kurzlebig, seien es die Daten von Geburt, Leben, Tod oder des Sterbeprozesses. Doch die offene Intelligenz, in der alle Daten erscheinen, ist ewig und unwandelbar. Doch vollkommene Vertrautheit mit ihren Kräften wird nur erlangt, wenn wir stabile offene Intelligenz in allen Situationen

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zu unserer Priorität machen. So einfach ist das. Es kann auf keine andere Weise zustande kommen. Es ist absolut unmöglich, die maßgebliche Erfahrung von offener Intelligenz zu haben, indem man darüber nachdenkt oder versucht, Daten zu verbessern oder auf irgendeine andere Bewusstseinsebene zu gelangen. Frage: Ich muss zugeben, dass ich ein recht ungutes Gefühl habe, wenn ich höre, dass du keiner Tradition anzugehören scheinst, die mir bekannt ist. Du sprichst nur aus eigener Erfahrung, ohne direkten Verweis auf andere Traditionen und Lehrer. Was berechtigt dich, Leuten dieses Teaching vorzulegen, wenn es sich dabei anscheinend um etwas handelt, das du dir einfach selbst ausgedacht hast? Antwort: Zunächst einmal ist es sehr schwierig, durch herkömmliches Denken zu verstehen, wie diese Art von Teachings zustande kommen. Die herkömmliche Denkweise versucht, eine Erscheinung zu verstehen, indem sie diese zum Resultat einer Ursache macht. So lässt sich allerdings nie erklären, wie diese Teachings erscheinen. Lehrer haben durch alle Zeiten hindurch tiefgründige Weisheiten weitergegeben, die das Leben von Hunderten von Millionen von Menschen bereichert haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass vielen dieser Lehrer die gleiche Frage gestellt wurde, die du mir jetzt stellst. Das Teaching kann durch eine Person erscheinen, die in einem bestimmten Zeitalter lebt. Doch alle Erscheinungen haben ihren Ursprung in offener Intelligenz – in ihrem Vermögen, sich selbst zu erkennen. Obwohl es zu allen Zeiten verschiedene Teachings in unterschiedlicher Form gegeben hat, erscheinen sie in, von, als und durch offene Intelligenz. Sie kommen nicht bloß durch eine einzelne Person zustande. Sie erfüllen die Bedürfnisse der Menschen in verschiedenen Zeitaltern, die davon profitieren. Das wahre Maß eines jeden Teachings ist, ob es vielen Menschen Benefit bringt oder nicht. Ein Teaching wird als erfolgreich bezeichnet, wenn es sehr vielen Menschen hilft und sie dazu inspiriert, glückliche und fürsorgliche Menschen zu sein, die einen Beitrag zur menschlichen Gesellschaft leisten. Derart unkonventionelle Weisheitssprache kann einem aufgeschlossenen Zuhörer die maßgebliche Erfahrung von offener Intelligenz direkt übermitteln. Es ist allerdings unmöglich, dies mit herkömmlicher Logik angemessen zu erklären. Menschen zu zeigen, wie sie Vertrauen in offene Intelligenz erlangen, ist die bei Weitem herausragendste Fähigkeit von offener Intelligenz. Teachings über das Vertrauen auf offene Intelligenz sind zu allen Zeiten in verschiedener Form aufgetaucht. Das Balanced View Teaching ist eine solche Form. Es ermöglicht den Menschen unseres Zeitaltersauf authentische Weise zu leben, indem sie sich auf die Kraft grundlegender menschlicher Güte stützen, die in offener Intelligenz inbegriffen ist. Es gibt nur einen leichten Weg, um Vertrautheit mit offener Intelligenz zu erlangen, den alle Menschen sogleich verstehen und umsetzen können: Vertraue für kurze Momente, viele Male

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wiederholt, auf offene Intelligenz, ohne Gedanken, Emotionen, Empfindungen oder Erfahrungen zu verändern oder ihnen nachzugehen. Die Einführung in offene Intelligenz ist von wesentlicher Bedeutung und kann auf verschiedenerlei Weise geschehen. Eine Möglichkeit ist, dass sich der Geist plötzlich spontan der unermesslichen Perspektive offener Intelligenz öffnet. Die zweite Möglichkeit ist die direkte Einführung in offene Intelligenz durch einen Lehrer. Ein authentischer Lehrer hat die Fähigkeit, die Erfahrung reiner offener Intelligenz anderen direkt zu vermitteln, indem er je nachdem die eine oder andere Methode anwendet. Wenn die meisterlichen Fertigkeiten und der klare Blick des Lehrers vollkommen präsent sind, kann offene Intelligenz auf eine unfehlbare Weise demonstriert werden, die für die Menschen des entsprechenden Zeitalters angemessen ist. Die dritte Möglichkeit ist, Teachings über offene Intelligenz zu hören, und durch ihr bloßes Hören Befreiung zu erlangen. Die vierte Möglichkeit ist, Vertrauen auf offene Intelligenz mit der Überzeugung zu verknüpfen, die beim Hören der Teachings im persönlichen Kontakt, online oder mithilfe anderer Medien allmählich erwacht. Die fünfte Möglichkeit ist, dass die Person bereits natürlich ruht, so dass das Teaching beim Hören völlig plausibel klingt und spontan überzeugt. Wenn man auf offene Intelligenz vertrauen möchte, ist die ideale Voraussetzung, einfach hinreichend offen zu sein, um sich das Teaching für eine Weile anzuhören. Das ist wirklich nicht allzu schwierig. Nicht jeder wird das Teaching sofort verstehen, und für viele wird es rätselhaft bleiben, bis es Teil ihrer unmittelbaren Erfahrung ist. Bei den meisten Menschen dämmert die Überzeugung nach und nach. Wir müssen gewillt sein, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die herkömmliche Identität, für die wir uns immer gehalten haben, nicht unbedingt der Realität entspricht, und dass wir etwas viel Größeres sind, das nur auf seine Entdeckung wartet. Wenn du einfach offen bist und fortfährst, auf offene Intelligenz zu vertrauen, wirst du zu der Erkenntnis kommen, dass es eine tiefgründige Identität gibt, die eine Alternative zu den herkömmlichen Identifikationsmodellen ist. Was die Teachings aus vergangenen Zeiten anbelangt, so ist es wichtig, etwas über deren historisches und kulturelles Umfeld zu wissen. Alle diese Teachings waren anfänglich etwas Neues! Einst war die Menschheit recht zersplittert und in Stämme und Gemeinschaften aufgeteilt. Es war schwierig, weite Entfernungen zurückzulegen und über Länder und Kontinente hinweg miteinander zu kommunizieren. Menschen waren geographisch voneinander getrennt und konnten kaum mit Leuten außerhalb ihrer Heimat in Kontakt kommen. Die Lehrer jener Zeit konnten nur die Menschen unterrichten, die ihnen geographisch und kulturell nahe standen, und aus diesem Grund war die Sprache, die diese Lehrer wählten, um ihnen die Teachings verständlich zu machen, von einer bestimmten Kultur abhängig. Wunderschöne Traditionen wuchsen in diesen

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Kulturen heran, um den Bedürfnissen der Menschen nachzukommen, und es wurden viele hervorragende Methoden und Praktiken entwickelt, die kulturspezifisch für jenes Zeitalter und jenen Ort waren. Heutzutage jedoch macht unser Planet einen erstaunlichen Wandel durch, und plötzlich sind wir alle auf eine Weise miteinander verbunden, wie sie in der Vergangenheit nicht möglich war. Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es eine globale menschliche Kultur mit sich rapide auflösenden Grenzen. Nicht nur nationale Grenzen sind in Auflösung begriffen, die Beschränkungen des menschlichen Körpers als unser einziges Mittel, um mit anderen in Beziehung zu treten, lösen sich ebenfalls auf. Wir können überall auf der Welt ganz bequem über eine Internetverbindung miteinander reden. Wir brauchen einander nicht länger gegenüber zu sitzen, um zu kommunizieren. Oftmals können wir über die Identität von Menschen, mit denen wir kommunizieren, nur sagen, dass irgendwer irgendwo unsere Worte liest und dann eine Antwort schickt. Wenn wir mit anderen über das Internet korrespondieren, haben wir unter Umständen keine Ahnung, welche Art von Mensch sie sind, und das müssen wir auch nicht. Wir benötigen keine persönlichen Treffen mehr, um zu kommunizieren. Internet und Telekommunikation eröffnen ungeahnte Möglichkeiten, um Informationen zu erhalten und weiterzugeben. Wir können problemlos in der ganzen Welt umherreisen und alle Arten von Informationen über Philosophien und Lehrer abrufen, die vor weniger als fünfzehn Jahren nicht verfügbar waren. Die heutigen Teachings können sich nicht länger auf einen kleinen Kreis geographisch isolierter Menschen beschränken, da diese Lebensweise kaum noch existiert. Wir sind alle mehr oder weniger eine globale menschliche Familie geworden, welche die Verantwortung für jedes Mitglied dieser Familie und für unseren Planeten teilt. Daher ist das Balanced View Teaching einem viel weiteren Kreis von Menschen zugänglich als die Teachings vergangener Zeiten, weil es die Hindernisse, die ich soeben beschrieben habe, nicht mehr gibt. Wir sind eine globale Gemeinschaft geworden, und das vorrangige Erfordernis dieses Zeitalters ist die Vereinigung der Menschheit. Wir wollen in zunehmendem Maße problemlos mit anderen kommunizieren können und besitzen nun auch die Kommunikationsmittel, um dies zu tun. Ob alt oder neu, es gibt gewisse direkte Teachings, die man als die höchsten Teachings bezeichnen kann, und die über das absolute Wesen des Menschseins sprechen. Dies sind vollkommene Teachings mit unfehlbaren Anleitungen, wie man die elementare menschliche Güte vollkommen verwirklichen und die Kraft ihrer ausgewogenen Sichtweise zum Wohl aller teilen kann. Es ist nicht nötig, sie „spirituelle Teachings‖ zu nennen. Wir brauchen diese Art von Teachings nicht spirituell, religiös, philosophisch oder psychologisch zu nennen. Es geht bei ihnen in erster Linie um das Menschsein – mehr nicht. Sie gehören keiner bestimmten Person oder Tradition an.

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Da das Balanced View Teaching Menschen auf der ganzen Welt via Internet und anderweitig zugänglich ist, verwenden wir eine Sprache, die den meisten Menschen verständlich ist. Das hilft uns, unsere gemeinsame Erfahrung zu verstehen, wenn wir Vertrauen in offene Intelligenz erlangen. Durch unser Vorbild einer kraftvollen, weltweiten Gemeinschaft, einschließlich Trainings und ausgebildeten Trainern, deren Fokus ausschließlich auf die tiefgreifende Entscheidung gerichtet ist, auf offene Intelligenz zu vertrauen, bieten wir eine Lebensweise an, die für jeden von unmittelbarem Nutzen ist. Wenn Weisheits-Teachings den Umständen und dem Verständnis der Menschen eines bestimmten Zeitalters entsprechend präsentiert werden und nicht in ungewohnte kulturelle Traditionen und Gebräuche gekleidet sind, können viel mehr Menschen von ihnen profitieren. Es gibt weltweit viele Menschen, denen durch die Balanced View Basisbewegung geholfen wird. Diese Menschen hätten jedoch nicht erreicht werden können, wenn das Teachingsich auf ein bestimmtes gesellschaftliches, kulturelles oder religiöses Umfeld beschränken würde. Viele Menschen auf der Welt öffnen sich jetzt der elementaren menschlichen Güte und ihren enormen Benefit bringenden Ausdrucksformen. Dieser Nutzen kommt durch wirkungsvolle Aktivitäten zustande, die auf ungekünstelter, wahrer Fürsorglichkeit für einander beruhen. Der Wandel hin zu Vertrauen auf offene Intelligenz als eine alternative Lebensform ist nicht nur für den Einzelnen eine Notwendigkeit. Sie ist auch eine evolutionäre Notwendigkeit. Wenn die Menschheit überleben soll, muss es viele Menschen geben, die mit der instinktiven Weisheit offener Intelligenz ausgestattet sind. Das ist der einzige Weg, um erfolgreich die Probleme zu lösen, die gegenwärtig die Menschheit und den Planeten bedrohen. Es ist höchst interessant, dass an diesem kritischen Punkt der Geschichte diejenigen Menschen, die am ehesten Weisheit und die meisterlichen Fertigkeiten offener Intelligenz realisieren, nicht unbedingt jene sind, die dies mittels veralteter traditioneller Methoden zu erreichen versuchen. Diejenigen, die am ehesten offene Intelligenz erkennen werden, haben einen Hang zu Offenheit und Fürsorglichkeit, wie auch immer ihre äußeren Umstände erscheinen mögen, und die Teachings, die zu ihrer Identifizierung führen, werden sich in zunehmendem Maße von den Methoden und Praktiken aus früheren Zeiten unterscheiden. Organisationen gedeihen oft nicht, weil sie die Bedürfnisse der Menschen, die zu ihnen kommen, nicht vollends befriedigen. Die meisten Menschen heutzutage wollen sich nicht mit Übungspraktiken abgeben, die kein messbares Resultat haben, das für ihr Leben von unmittelbarem Nutzen ist. Das ist die richtige Einstellung für alle, die offene Intelligenz entdecken und auf sie vertrauen wollen; sie beweist Unterscheidensvermögen. Heutzutage ist es unwahrscheinlich, dass aufgeschlossene, intelligente Menschen an Methoden oder Praktiken teilnehmen, die keinen Erfolg garantieren. Die wenigsten glauben

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einer Methode, bei der die meisten Leute nicht erreichen, was die verordneten Praktiken versprechen. Heutzutage wehren Menschen sich auch dagegen, für die nicht eingelösten Versprechen dieser Praktiken die Schuld zu übernehmen. Hierarchien, in denen die Führung als etwas Höhergestelltes vergöttert wird, werden immer weniger toleriert. Wir leben nicht länger im Zeitalter der Heldenverehrung, wo wir unser Leben in die Hände einer Autorität geben, die auf uns achtgeben soll und uns das zuteilt, was wir ihrer Ansicht nach benötigen. Wir leben im Zeitalter der Zusammenarbeit. Wir arbeiten zusammen wie die Bienen im Bienenstock, um Honig zu machen! Jeder Arbeiter, die Königin mit eingeschlossen, ist für das Zusammenwirken von Bedeutung. Ein jeder ist wichtig. Der Bienenstock bildet das Model für die „dienende Führung.‖ Die Führung dient dem Wohl aller; das ist ihr einziges Ziel – und nicht Autorität, Status, Ruhm oder Geld. Diese Dinge können ein Nebenprodukt der dienenden Führung sein, doch sie gehören keinesfalls zur Zielsetzung des dienenden Führers, der einzig und allein von dem Wunsch beseelt ist, allen von Nutzen zu sein. Während die Menschheit ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit zum Wohl aller weiterentwickelt, werden hierarchisch strukturierte Organisationen aus unserem Blickfeld verschwinden. Ganz gleich wie sehr uns unsere erlernten Glaubenssätze und Übungspraktiken am Herzen liegen, wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen können, werden wir finden, was wir durch diese Praktiken gesucht haben. Wir werden uns nach und nach auf eine Ebene der Weisheit begeben, die über Worte und Begriffe hinausgeht – und dort die lebendige Wirklichkeit entdecken, die der Ursprung aller Glaubensrichtungen und der Natur selbst ist. Wir werden das in unserer eigenen direkten Erfahrung der Wirklichkeit entdecken. Wenn wir selber Vertrauen in offene Intelligenz erlangen, wird in zunehmendem Maße deutlich, dass es andere auf der Welt gibt, die das Gleiche tun. Die Menschheit entwickelt durch einzelne Personen wie dich und mich und durch Organisationen wie Balanced View eine instinktive Weisheit, die sehr stark ist und die sich in der Würde, der Zuversicht und den meisterlichen Aktivitäten der Menschen überall zeigt. Diese Menschen sind wie eine „Weisheitsarmee ―offener Intelligenz, eine Armee, die sehr mächtige Waffen besitzt, wie beispielsweise die ausgewogene Sicht der Gleichwertigkeit, ausgiebigen Gleichmut, perfekte mentale Stabilität und echte Leidenschaft, um der Menschheit und dem Planeten zu dienen. Das ist wahre Fürsorglichkeit und Weisheit. Diese Weisheitseigenschaften und Aktivitäten stellen sich ganz natürlich und mühelos ein, wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen.

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KEINE BEMÜHUNGEN, KEINE BESONDEREN UMSTÄNDE KAPITEL ACHTZEHN

„Diese natürliche Weisheit ist wahrlich wundervoll und ohnegleichen. Wenn wir von so etwas Großartigem hören, denken wir, dass wir viele Jahre Ausbildung benötigen, um damit vertraut zu werden. Doch diese Weisheit ist nicht etwas, das erlernt werden muss. Sie ist das Geburtsrecht von jedem und ist bereits in jedem Einzelnen vorhanden.”

Ich habe nur eine Botschaft, und sie lautet: Hört auf zu suchen! Niemand muss sich auf die Suche machen, denn alles, was es zu wissen oder zu erkennen gibt, ist bereits erkannt und realisiert. Was einem bereits gegeben wurde, muss nicht gesucht werden. Die absolut vollkommene, überaus hilfreiche Realität aller Dinge existiert in Form unserer eigenen offenen Intelligenz. Es gibt kein Ziel und keinen, der es erreichen muss. Es gibt nur reine, makellose, allzeit präsente offene Intelligenz. Wenn wir einfach nur die Instruktionen befolgen, die uns gegeben wurden – entspanne Körper und Geist vollkommen und vertraue für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz – wird immer deutlicher, dass alles jederzeit vollkommen ist. Es gibt absolut nichts zu berichtigen. Die Idee, dass etwas verändert werden muss, ist eine Fiktion. Was absolut vollkommen und überall präsent ist, muss leicht sein. Warum sollte man etwas erlangen wollen, was man bereits hat? Das Verhältnis von absolut vollkommener offener Intelligenz und den darin erscheinenden Daten ist mit der Luft vergleichbar, durch die eine Brise weht. Sowohl die Brise als auch die Luft sind nichts als Luft. Es ist unmöglich zu sagen, wo die Brise ihren Anfang hatte, wo ihre Mitte ist und wo sie endet, da die Brise untrennbar von der Luft ist. In gleicher Weise ist alles, was in offener Intelligenz erscheint – Gedanken, Emotionen, Wahrnehmungen oder Erfahrungen – nichts als offene Intelligenz. Der einzige Weg, um diese Weisheit zu realisieren, ist aufzuhören, unsere Gedanken zu kontrollieren. Mit anderen Worten, wir entspannen uns einfach und lassen die Gedanken tun, was sie wollen. Wenn wir von unserer Angewohnheit ablassen, den Inhalt unseres Geistes verändern zu wollen und einfach auf offene Intelligenz vertrauen, in der alle Gedanken erscheinen und verschwinden, wird dieser Urgrund immer offensichtlicher. So wie die morgendliche Sonne am Himmel auftaucht und alle Planeten und Sterne überstrahlt, so beginnt auch das klare Licht des Weisheitsgeistes alle auftauchenden Gedanken und Gefühle zu überstrahlen, wenn wir uns entspannen und alle Gedanken und Gefühle machen lassen, was sie wollen.

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Weisheit hat absolut nichts mit Denken zu tun und muss sich nicht durch Meinungen und Anschauungen beweisen. Wir brauchen nicht einmal etwas für die Realisierung dieser Weisheit zu tun, da sie uns von Natur aus gegeben ist. Wenn wir einfach immer und immer wieder davon hören, wird zunehmend offensichtlich, dass die eigentliche Beschaffenheit des Geistes in Wirklichkeit Weisheit ist. Wir gelangen zu der Erkenntnis, dass die ursprüngliche Reinheit des Geistes nie durch auftauchende und wieder verschwindende Gedanken und Emotionen verschleiert werden kann. Wir erkennen außerdem, dass wir diese Gedanken und Gefühle nicht zur Beschreibung oder Definition unserer Identität benötigen, und dass es uns nur vorübergehend gelingt, uns durch unser Denken zu definieren. Unsere wahre Natur ist so viel größer als alles, was gedanklich fassbar ist. Diese natürliche Weisheit ist wahrlich wundervoll und ohnegleichen. Wenn wir von so etwas Großartigem hören, denken wir, dass wir viele Jahre Ausbildung benötigen, um damit vertraut zu werden. Doch diese Weisheit ist nichts, was erlernt werden muss. Sie ist das Geburtsrecht von jedem und ist bereits in jedem Einzelnen vorhanden. Der einzige Weg, sie kennenzulernen, ist ihre Präsenz zu bestätigen, indem wir uns vollkommen entspannen und das klare Licht offener Intelligenz durch alles hindurch scheinen lassen. Wenn wir das tun, wird ganz deutlich, dass keine Ausbildung notwendig ist. Man braucht nur Aufgeschlossenheit, und da jeder bereits einen völlig aufgeschlossenen Geist hat, ist jeder qualifiziert, Weisheit zu realisieren! Es ist ganz unerheblich, wie hoch unser Intelligenzquotient ist, wo wir leben oder wie viel wir besitzen. In offener Intelligenz gibt es keinerlei Hierarchie. Weisheit ist niemals das Eigentum von Institutionen, Religionsgemeinschaften oder Respekt einflößenden historischen Persönlichkeiten gewesen. Niemand kann ein Eigentumsrecht auf Weisheit für sich beanspruchen, niemand kann sie verteilen, und sie ist nicht das Eigentum einer Elite. Weisheit unterscheidet nicht zwischen Höherem oder Niedrigerem, Diesem oder Jenem. Sie durchdringt alles, umfasst alles, ist unteilbar und allzeit überall vollkommen präsent. Wenn diese Gewissheit in unserem eigenen Dasein erwacht, haben uns die Gedanken, die einstmals so hartnäckig gewesen sind, nicht länger im Griff. Diese Erkenntnis stellt alles auf den Kopf: Unsere Identität, die Bedeutung des Lebens und des Menschseins. Wenn wir lernen, uns auf offene Intelligenz einzustimmen und einfach immer wieder der Melodie unserer wahren Identität lauschen, wird offene Intelligenz immer offensichtlicher – ohne etwas erlernen zu müssen, ohne uns zu bemühen oder etwas erreichen zu müssen. Falls beharrliche Gedanken auftauchen und wir uns von ihnen geplagt fühlen, können wir uns einfach entspannen und auf offene Intelligenz vertrauen, anstatt uns durch diese Gedanken ablenken zu lassen. Alle Gedanken sind vorübergehende Erscheinungen ohne eigenständiges Wesen. Sie sind nichts als das klare Licht des Weisheitsgeistes. Alle Erscheinungen oder Daten sind ursprünglich rein. Geburt, Leben, Tod, Krieg, Hungersnot, jung, alt, oben oder unten – sie alle sind ursprünglich rein. Eins ist garantiert: Alle Erscheinungen 145

werden von selbst verschwinden wie die Flugbahn eines Vogels am Himmel. Absolut nichts muss deswegen unternommen werden. Die wahre Natur des Geistes ist wie der Himmel und so wird es immer sein. Sie verwickelt sich nicht in Gedanken und ist völlig unbeeinflusst von ihnen. Der Versuch, etwas an uns zu verändern, um unserer wahren Natur näher zu kommen, führt nirgendwo hin und vergrößert nur unsere Verwirrung. All diese Erscheinungen wie Ego, „Ich‖, Persönlichkeit, oder irgendeine Handlung dieses „Ichs‖, sind wie eine Fata Morgana. Eine Fata Morgana kann nur dann Probleme machen, wenn wir sie für real halten. Niemand würde versuchen, eine Fata Morgana zu modifizieren, zu verbessern oder etwas aus ihr heraus zu holen. Das wäre ein nutzloses und frustrierendes Unterfangen, das zu nichts führt. Es ermüdet nur, an einem nicht existenten Ego oder einer Persönlichkeit zu arbeiten, denn es sinnlos ist, an einem Nichts zu arbeiten! Warum empowern wir nicht die Kräfte außerordentlichen Benefits und erfreuen uns an dem natürlichen Strahlen aller Dinge, genau so wie sie sind, statt unsere Zeit bei dem Versuch zu verschwenden, eine Fata Morgana zu modifizieren? Es gibt nichts zu realisieren. Realisation bedeutet einfach, als der makellos Wissende aller Phänomene zu ruhen – und das ist bereits für alle Realität. Wenn wir meinen, etwas realisieren zu müssen, beziehen wir eine Position und nehmen einen Standpunkt ein. Doch wenn wir alle Standpunkt aufgeben, eine Person zu sein, die etwas Bestimmtes realisieren will, dann müssen wir uns über keinerlei Standpunkte mehr Sorgen machen. Wir sind einfach immer entspannt. „Ich bin auf der Suche‖ ist ein Datum, und „Erkenntnis‖ ist ebenfalls nur ein Datum. Zeitlos freie, stets vollkommen präsente offene Intelligenz transzendiert beide Daten und bleibt davon unberührt. Wenn wir den Erscheinungen in unserem Geist unnötig Macht verleihen, dann verkomplizieren wir unser Leben und fühlen uns oft unwohl. Wenn wir den Erscheinungen Macht verleihen, sind wir immer auf der Suche nach dem passenden Gedanken, der passenden Emotion oder der passenden Erfahrung, um das mit einer persönlichen Identität einhergehende Unbehagen zu lindern. Die heilsame Güte unseres ursprünglichen Wesens ist jedoch nicht von unserem Geistesinhalt abhängig und wird auch nicht davon beeinflusst. Sie wurde nie durch unsere Werturteile berührt und hat sich nie in einer persönlichen Identität verfangen. Alles als gleichwertig zu sehen, ist wahre Weisheit. Suche kann uns keine Freiheit bringen, weil wir bereits frei sind! Wir können nicht sagen, dass die Suche zu unserer Befreiung führt, denn wir sind nie gebunden gewesen. Unsere Freiheit ist hier und jetzt! Um uns unserer wahren Natur zu erfreuen, brauchen wir weder einen bestimmten Ort, bestimmte Umstände oder Abgeschiedenheit von anderen Menschen, noch müssen wir der Welt entsagen. Falls wir uns das wünschen, können wir dies tun, doch es führt weder irgendwo hin noch ist dies der Grund für die Realisation unserer wahren Natur. Unser Lebensstil hat überhaupt nichts mit dem Erkennen ursprünglicher Reinheit zu tun. Alle Lebensstile sind ursprünglich rein. Wir können als Mönch in

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Tibet leben, Hausfrau in Texas sein, Programmierer bei Microsoft, Bauarbeiter, Bäcker oder irgendetwas anderes. Alle Lebensumstände sind perfekt, um unsere wahre Natur zu realisieren. Ein Leben voller Selbstkritik führt zur Kritik an anderen. Wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, welche die Grundlage aller Dinge ist, wird diese Selbstkritik behutsam abgebaut. Wenn wir die vollkommen positive Güte unserer eigenen Natur erfahren, empfinden wir die gleiche Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit auch für andere Menschen. Durch Vertrauen auf offene Intelligenz finden wir heraus, dass andere Menschen genau so sind wie wir. Das ist wahre Verbundenheit. Frage: Es ist nicht so, dass ich mit dem, was du sagst, nicht einverstanden wäre, doch es würde mir persönlich Kopfzerbrechen bereiten, wenn jeder nur noch nach innen blicken und nichts mehr tun würde. Wie können wir gesellschaftliche Fortschritte machen, wenn Menschen sich nur auf sich selbst konzentrieren? Antwort: Danke, dass du dieses Thema anschneidest. Das ist eine wichtige Frage. Vertrauen auf offene Intelligenz bedeutet nicht, sich in einen bestimmten Zustand zu versetzen und sich von der Welt abzukapseln. Das ist eine falsche Auffassung vom instinktiven Erkennen offener Intelligenz. Auf offene Intelligenz zu vertrauen bedeutet nicht Tatenlosigkeit. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, wird unserem Mitgefühl empowert, sich auf völlig neue Art und Weise in Taten zu manifestieren. Wahre offene Intelligenz ist für alle von immensem Nutzen. Frage: Aber führt denn die Beschäftigung mit der eigenen offenen Intelligenz nicht zu Passivität? Antwort: Nein! Ich arbeite rund um die Uhr. Das kann man gewiss nicht passiv nennen! Ist denn ein Training, das vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Unterstützung auf der ganzen Welt anbietet, etwas Passives? In der Zeit vor meinem Wandel vor über siebenundzwanzig Jahren war ich leistungsorientiert und hatte viele Dinge erreicht. Doch ganz gleich wie viel ich erreichte, ich hatte immer das Gefühl, nicht genug zu tun und war oft verzweifelt. Ja, ich hatte etwas erreicht, doch was nun? Ich hatte sehr hart daran gearbeitet, in meinem Leben die richtigen Dinge zu tun, um ein guter Mensch zu sein, doch als mein Leben in eine Krise geriet, half mir das alles nicht. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Ich versuchte alles, um mich besser zu fühlen, sowohl Positives als auch Negatives. Aber ich konnte in keinem meiner Glaubenssätze, auf die ich mich zuvor verlassen hatte, Erleichterung finden. An diesem Punkt erkannte in meinem Bewusstseinsstrom offene Intelligenz.

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Im Gegensatz zu der Zeit vor meinem Wandel, kann ich mich jetzt auf mühelose, unermüdliche und absolut konzentrierte Weise für das Wohl aller einsetzen. Der Sinn unseres Lebens liegt darin, uns und anderen von großem Nutzen zu sein. Wenn wir offene Intelligenz vertrauen, der Essenz all unserer Wahrnehmungen, werden wir mit einer Weisheit vertraut, die nicht erlernt werden kann. Wahre offene Intelligenz bringt großen Nutzen und ist in keiner Weise passiv. Frage: Wenn man sich entspannt, aber noch nicht so weit ist, voll und ganz auf offene Intelligenz zu vertrauen, dann wird man wahrscheinlich faul, und das ist kein wirklich guter Zustand. Wie kann man dabei nicht in Faulheit verfallen? Antwort: Alle Beschreibungen wie Faulheit oder Aktivität sind bloß Daten. Das Wichtigste ist, sich als makelloseoffene Intelligenz zu entspannen und alles als makelloseoffene Intelligenz zu sehen, bis klar ist, dass alles makelloseoffene Intelligenz ist. Darin liegt eine enorme Energie, denn offene Intelligenz ist gleichbedeutend mit enormer Energie Wenn der Käfig der Bezeichnungen verschwunden ist und erkannt wird, wie sehr uns all diese Daten einschränken, dann ist da nur noch offene Intelligenz. Falls Faulheit eine deiner häufiger auftretenden Daten ist, dann halte einfach ganz konzentriert offene Intelligenz aufrecht. Es ist nicht notwendig, Erscheinungen zu beurteilen oder zu verändern. Alles, was du über Faulheit oder andere Erscheinungen wissen musst, erfährst du am besten in offener Intelligenz. Nehmen wir einmal an, du siehst, dass du faul bist, und daraufhin erscheint eine Story über diese Faulheit: „Wenn ich derart faul bin, komme ich zu gar nichts. Ich sollte dies und jenes tun.‖ Als nächstes denkst du über die Vergangenheit nach: „Ich bin schon immer faul gewesen. Meine Eltern haben mir auch immer gesagt, dass ich faul sei. Vielleicht ist es ihre Schuld, dass ich faul bin!‖ Dies sind einfach eine Reihe von Daten, die dazu führen, dass man abgelenkt wird. Wenn wir jedoch beim Auftreten von Faulheit einfach als offene Intelligenz ruhen und uns nicht in der Story verlieren, ist offene Intelligenz trotz der Wahrnehmung „Faulheit‖ in deutlicher Weise präsent. Wenn wir auf offene Intelligenz zu vertrauen beginnen, erkennen wir deutlicher, wie Daten sich ausbreiten und auflösen, und dann wird sich auch die Neigung auflösen, uns von ihnen ablenken zu lassen. Daten und offene Intelligenz sind untrennbar. Wenn wir allerdings in die Storys abdriften und uns endlos von Gedanken überwältigen lassen, dann können wir dies unmöglich erkennen. Frage: Welche Bedeutung hat „Verwirklichung” für dich? Antwort: Verwirklichung ist bloß ein Konzept innerhalb der allumfassenden, reinen Sicht offener Intelligenz. Es gibt niemand, der je irgendetwas gewesen ist, auch nicht „verwirklicht‖. Andererseits offenbart sich die nachweisliche Kraft nutzbringender Eigenschaften und Aktivitäten, die sich in Sprache, Geist und Körper ausdrückt, durch das Verständnis der eigentlichen Natur von

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Phänomenen. Heutzutage wird Verwirklichung oft mit mentaler Freiheit verwechselt. Mentale Freiheit ist jedoch nicht das bestmögliche Ergebnis. Alles ist reine, von jeher bewusste Präsenz. Ohne herkömmliche Bezugssysteme, wie die Idee „mentaler Freiheit‖, herrscht wahre Spontaneität. Wir gehen über jede Art von Limitierungen hinaus. Wenn wir nicht zwischen Ich und Du unterscheiden, entfalten sich für alle die Kräfte außerordentlichen Benefits. Sprache ist, losgelöst von ihrem Inhalt, wie ein wohlklingendes Echo. Alles ist von Anbeginn an so frei wie das strahlende Licht am Himmel. Mitgefühl, Liebe und immense Energie strahlen mühelos und unvoreingenommen wie das Licht der Sonne. Eine solche Lebensweise ist das Geburtsrecht und die naturgegebene Daseinsform aller Wesen. Dessen sollten wir uns bewusst sein. Frage: Wir sind also alle schon verwirklicht? Antwort: Ja. Das bedeutet nichts weiter, als sich der natürlichen Ruhe aller Dinge, so wie sie sind, zu erfreuen. Je mehr wir uns entspannen, desto offensichtlicher wird die natürliche, offenkundige Freude, welche die Essenz aller Dinge ist. Es herrscht eine Freundlichkeit und eine Leichtigkeit des Seins, die ganz und gar offenkundig sind. Du wirst wahrscheinlich mehr lachen und nicht mehr so hart zu dir selbst und anderen sein. Die Mystifizierung unserer wahren Natur ist durch die Entwicklung ausgeklügelter Philosophien zustande gekommen. Sie beschreiben endlos, was eigentlich total einfach ist. Nichts ist von großer esoterischer Bedeutung. Alles ist einzig und allein die reine Präsenz offener Intelligenz. Wenn der eigentliche Sinn des Lebens durch Überkomplizierung oder übermäßige Vereinfachung zu einer Randerscheinung degradiert wird, so dass niemand ihn verstehen kann, dann ist es an der Zeit, alles offenzulegen und zu den Wurzeln zurückzukehren. Die Schönheit aller Dinge liegt in ihrer Schlichtheit und Güte. Der durch und durch nutzbringende und gänzlich positive Grundzustand des Daseins ist die einzige Realität, und er umfasst alles. Man kann Dinge nicht als an sich endlich und endgültig beschreiben, denn nichts ist von dieser allumfassenden Realität getrennt. Wir sind ganz und gar unbeschreiblich, und deshalb ist es völlig unnötig, über Dinge auf solch distanzierte Weise zu reden, wie wir es zuweilen hören. „Es gibt niemanden, der Erfahrungen macht, es gibt niemanden, der handelt, ich bin ungeboren, alles ist ungeboren‖ – diese Art zu reden nenne ich zuweilen den „nondualen Shuffle‖. Wenn man seine eigene Natur klar erkennt, werden solche intellektuellen Untermauerungen völlig überflüssig. Wenn du auf offene Intelligenz zu vertrauen beginnst und meinst, „offene Intelligenz zu erfahren‖oder „offene Intelligenz zu praktizieren‖, dann ist das anfänglich völlig in Ordnung. Die Idee, dass da jemand ist, der praktiziert oder offene Intelligenz erfährt, wird sich auf natürliche Weise verflüchtigen, ohne dass man darüber nachdenken muss. Es ist unnötig, irgendeinen Standpunkt einzunehmen oder zu sagen, was richtig oder falsch ist. Entspanne dich einfach in deinem eigentlichen Wesen, und alles wird genau so offenbart, wie es ist. Es 149

ist unnötig, irgendetwas als fixiert oder fest umrissen zu beschreiben oder deinen Erlebnissen Etiketten aufzudrücken. Entspanne dich einfach. In der natürlichen Gleichheit aller Dinge, so wie sie sind, herrscht vollkommene Weisheit. Sogar der Ausdruck „Gleichheit‖ ist nur ein weiteres Etikett. Unsere wahre Identität kann als „Gleichheit‖ beschrieben werden, als „nonduale Weite‖ und so weiter, doch keine dieser Bezeichnungen ist notwendig. Eine sprachliche Untermauerung ist nicht erforderlich. In Wahrheit benötigt das, was die Grundlage aller Dinge ist, überhaupt keine Untermauerung. Wenn wir alles mit einfacher menschlicher Wahrnehmung betrachten, entdecken wir, dass alles eine natürliche Ordnung hat. Selbst in Chaos und Verwirrung besteht eine natürliche, völlig entspannte Ordnung. Nichts ist außerhalb dieser natürlichen Ordnung. Es ist unnötig, diese Ordnung als endlich oder als unendlich zu definieren. Keine Beschreibung der Realität ist entweder richtig oder falsch. Die Wirklichkeit ist durch Beschreibungen nicht erfassbar – und doch ist diese Erfahrung jederzeit als die Leichtigkeit unseres eigenen Seins in uns präsent. Kurze Momente, viele Male wiederholt, werden spontan!

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DIREKTE TEACHINGS KAPITEL NEUNZEHN

„Direkte Teachings legen unmissverständlich dar, dass es kein Ziel gibt und niemanden, der sich dorthin aufmacht, da die innewohnende Realität unseres Seins weder errungen ist noch errungen werden kann.”

Falls wir danach streben, unsere wahre Identität zu erkennen, ist es wichtig, Teachings zu wählen, die auf ganz praktische Weise zu dieser Verwirklichung führen. Das einfachste und direkteste Teaching lehrt uns, natürlich in der Leichtigkeit unseres eigenen Seins auf offene Intelligenz zu vertrauen und immer wieder zu ihr zurückzukehren. Dies ist eine der ältesten Praktiken. Viele Menschen haben über die Jahrhunderte hinweg ihre wahre Identität durch diese Übungspraktik erkannt, weil sie so einfach und direkt ist. Wenn ich sage, dass das ursprüngliche Wesen bereits präsent, durchaus erreichbar und für jeden zugänglich ist, dann meine ich wirklich für jeden. Jeder kann auf offene Intelligenz vertrauen! Das Erkennen unserer ursprünglichen Natur mittels Vertrauen auf offene Intelligenz ist nicht von besonderen Umständen abhängig. Es ist unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Wohnort, einem Hang zum Spirituellen, einem Verständnis tiefgründiger philosophischer Ideen und sogar von der Fähigkeit, lesen und schreiben zu können! Das einzig Erforderliche ist, für kurze Momente offene Intelligenz aufrechtzuerhalten, bis siekontinuierlich ist. Diese Fähigkeit ist ein integraler Bestandteil des Menschseins. Die Worte, die ich hier zur Kommunikation verwende, bilden bloß eine Pforte zur in dir befindlichen offenen Intelligenz. Man könnte das, was hier kommuniziert wird, als „Teaching‖ bezeichnen oder als „Training‖, so wie bei Balanced View. Ganz gleich welches Wort benutzt wird, es weist auf dieselbe Sache hin: Wenn wir uns den Worten unfehlbarer offener Intelligenz öffnen, beginnen sie auf wundersame Weise zu wirken, und die Essenz des Trainings beginnt in unserer eigenen Erfahrung offensichtlich zu werden. Es ist völlig undefinierbar, wie dies geschieht. Nehmen wir einmal an, jemand erfährt vom Vertrauen auf offene Intelligenz und empfindet eine überwältigende Resonanz mit dem Training. Und dann geschieht etwas sehr Tiefgreifendes und die Person erlebt eine tiefgreifende Veränderung, doch man kann nicht genau sagen, wie es geschah. Man kann nicht wirklich behaupten: „Zuerst habe ich dies gelernt, dann habe ich dies und jenes getan, anschließend habe ich mich fünf Jahre mit dieser anderen Sache beschäftigt, und dann habe ich es urplötzlich kapiert!‖ Was bereits ist, kann nicht herbeigeführt werden – und wenn es uns offenbart wird, können wir nicht genau sagen, wie oder weshalb es geschieht. Wir können nur sagen, dass Gewissheit in uns erwacht, indem wir uns in der Wahrhaftigkeit unseres Seins gesonnt haben. Das Wie und Warum ist jenseits von Worten. 151

Wenn wir die Dinge nur aus dem Blickwinkel von Ursache und Wirkung betrachten, scheint es, dass wir für etwas derart Unglaubliches wie Erleuchtung oder Befreiung – was einfach so viel wie optimales Menschsein bedeutet – sehr hart arbeiten müssen, sogar sehr viel härter als für all die anderen Dinge, die wir uns unser ganzes Leben lang hart erarbeiten mussten. Wir meinen, dass wir mit unserer mentalen Disposition über Jahrzehnte hinweg tagein und tagaus übermenschliche Anstrengungen machen müssen! Aber dies sind nur Mutmaßungen, die auf dem Glauben basieren, wir müssten vollständige Kontrolle über Körper und Geist haben, um ein gewisses Ziel in der Zukunft zu erreichen. In Wahrheit ist Erleuchtung nichts weiter als die unmittelbare Entdeckung unserer ureigenen offenen Intelligenz, die bereits vollkommen präsent ist. Menschen meditieren, praktizieren Yoga und wiederholen Mantras, um erleuchtet zu werden, doch der wesentliche Punkt ist nicht die Aktivität selbst, sondern das Aufrechterhalten von offener Intelligenz – dem Grundzustand – während wir diese Aktivitäten ausüben. Mantras zu wiederholen oder zu meditieren unterscheidet sich nicht wirklich vom Schreiben von Computersoftware, dem Kochen einer Mahlzeit oder dem Fahren eines Autos. Sie alle bieten die gleiche Gelegenheit, um auf offene Intelligenz zu vertrauen. Ich sage immer, wenn man eine Übungspraxis wie Meditation oder Mantrawiederholung wirklich gerne ausübt, dann steht es einem frei, damit fortzufahren, doch man sollte nicht erwarten, dass dies irgendwo hinführt. Man kann es einfach als etwas sehen, was einem Freude bereitet. Die Auffassung, dass Methoden und Übungspraktiken dazu führen, ein Ziel zu erreichen, stärkt hingegen nur die Illusion einer persönlichen Identität und hält das bereits gegenwärtige Ziel außerhalb unserer Reichweite. Dies ist ein entscheidender Punkt. Offene Intelligenz kann nicht durch Bemühungen erkannt werden, und es hilft uns nicht, Daten mit der Absicht zu verfolgen, sie würden irgendwo hinführen. Wenn wir fortfahren, auf offene Intelligenz zu vertrauen, erkennen wir die Wahrheit über uns selbst auf ganz einfache und direkte Weise. Direkte Teachings behaupten nicht, dass wir Tugendhaftigkeit entwickeln und verdienstvolle Handlungen durchführen müssen, damit wir rein genug sind, um unsere wahre Natur zu erkennen. Direkte Teachings legen unmissverständlich dar, dass es kein Ziel gibt und niemanden, der sich dorthin aufmacht. Die innewohnende Realität unseres Seins ist nichts Errungenes oder Erringbares. Wenn wir direkte Anleitungen wollen, dann sollten wir nach dieser Art von Teachings Ausschau halten, und nicht nach solchen, die behaupten, dass unsere wahre Natur zwar nondual und frei ist, aber dass wir zuerst einiges an uns verändern müssen, um frei zu werden! Indirekte Teachings proklamieren, dass unser ursprünglicher Zustand bereits präsent sei. Doch dann machen sie eine Kehrtwendung und fügen hinzu, dass man mit Fehlern behaftet sei und diese müssten zuerst behoben werden. Das ist ambivalent und völlig unsinnig, denn im Grunde gibt es niemanden, der verbessert werden müsste und niemanden, 152

der etwas verbessert! Das wird mühelos deutlich, wenn man mehr Zuversicht in das Vertrauen in offene Intelligenz erlangt. Wir brauchen uns nicht in extreme Formulierungen zu verwickeln, um Ideen über das Nichtvorhandensein einer persönlichen Identität oder eines Ichs zu beschreiben oder zu untermauern. Was wir wirklich brauchen, sind unfehlbare Instruktionen. Es gibt zwei Arten von Sprache: Die erste spricht über etwas. Man könnte dies gewöhnliche Sprache nennen. Die zweite Art vermittelt in direkter Weise, worüber gesprochen wird. Das nennt man die Sprache der Weisheit. Gewöhnliche Sprache ist ganz und gar in herkömmliche Daten verwickelt, während die Sprache der Weisheit der reinen Weite des elementaren Raums offener Intelligenz entspringt. Wenn wir beim Sprechen oder Schreiben gewöhnliche Sprache verwenden, versuchen wir, die Worte intellektuell zu begreifen und mit all unseren Daten zu verknüpfen und ihnen, basierend auf zuvor Gelesenem und Gehörtem, Bedeutung und Aussagekraft zu geben. Dies wurde uns von klein auf beigebracht. Weisheitssprache ist völlig anders. Man braucht sie nicht zu erlernen, weil sie angeboren ist. Weisheitssprache, in gesprochener oder schriftlicher Form, öffnet offene Intelligenz auf sehr direkte Weise und besitzt die innewohnende Kraft, diese Einführung in vollständiges Vertrauen in offene Intelligenz zu vertiefen. Die Kraft weiser Sprache versetzt die Zuhörer in einen unumkehrbaren Zustand des Wohlbefindens. Wenn ein Zuhörer sich entspannt und dem Gesagten oder Geschriebenen öffnet, ruft diese Offenheit innere Weisheit hervor. Die meisten neuzeitlichen Sprachen haben keinen passenden Ausdruck für subjektlose, objektlose, unermessliche Weite strahlender offener Intelligenz. Nicht einmal nonduale Sprachen wie Tibetisch oder Sanskrit besitzen Ausdrücke, um dies vollständig zu erfassen. Wir können Begriffe verwenden, die darauf hindeuten, doch nichts kann dies vollständig beschreiben, und die eigene Erfahrung von offener Intelligenz ist schon gar nicht in Worte zu fassen. Und dennoch haben Worte ihren Nutzen. Die Worte, die du jetzt liest, haben nur einen Zweck: Die direkte Erfahrung von zeitloser offener Intelligenz in dir hervorzurufen. Versuche daher nicht, diese Dinge mit kritischem Intellekt zu begreifen oder sie auf Grundlage dessen zu verstehen, was du zuvor gelernt oder geglaubt hast. Entspanne dich einfach völlig in den außerordentlichen Kräften des Benefits und entdecke unmittelbar, dass zeitloseoffene Intelligenz bereits vollkommen präsent ist. Anleitungen zur Realisierung von offener Intelligenz wurden in vielen Kulturen weltweit von Generation zu Generation weitergegeben, doch es hat relativ wenige direkte Teachings gegeben, die unfehlbare Instruktionen geben, wie man offene Intelligenz realisiert. Diese direkten Teachings existieren in Wirklichkeit seit vielen tausenden von Jahren. Eine ununterbrochene Reihe von Wesen, die ihre wahre Natur durch Vertrauen auf offene Intelligenz erkannt haben, erstreckt sich wie eine goldene Gebirgskette durch vergangene Zeiten. Und was besagen diese Teachings? Genau dasselbe, was hier im Balanced View Teaching

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beschrieben wird: Vertraue für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz, bis sie jederzeit spontan und kontinuierlich wird. Nichtsdestotrotz ist der ungeteilte Fokus auf das Vertrauen auf offene Intelligenz bislang meist nur einer relativ kleinen Anzahl von Menschen zugänglich gewesen, und in der Vergangenheit war es sehr schwierig, einen Weg zu finden, um Anleitungen zu erhalten. Diejenigen, die diese Teachings gaben, waren fast unerreichbar. Sie unterrichteten unter Umständen in einer Höhle auf einem schneebedeckten Berg in den Himalajas oder in einem Yak-Zelt in Tibet, und man musste tagelang unter schwierigen Bedingungen zu Fuß reisen, um sie zu finden. Daher können wir alle dankbar sein, dass die Zeiten sich geändert haben! In der Vergangenheit waren die meisten Teachings zur Realisierung von offener Intelligenz in einem bestimmten geographischen, kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld verwurzelt. Aus diesem Grund waren sie für jemanden außerhalb einer solchen Kultur schwer zugänglich. Heutzutage haben wir jedoch eine globale Kultur, mit Technologien wie das Internet und anderen Telekommunikationsformen, die Menschen auf der ganzen Welt augenblicklich miteinander verbinden können. Wir haben mühelosen Zugang zu unzähligen Informationen und in zunehmendem Maße auch eine gemeinsame Sprache und ein ähnliches kulturelles Milieu. Dieses uralte Teaching ist jetzt in einer neuen Form erschienen, einer Form, die für praktisch jeden leicht zugänglich ist. Diejenigen, die zeitloseoffene Intelligenz realisiert haben, haben die Teachings an die Menschen jener Zeit in einer ihnen verständlichen Weise übermittelt. Und jetzt werden diese unfehlbaren Instruktionen der gesamten Menschheit zum ersten Mal uneingeschränkt und öffentlich in einer praktisch allen verständlichen Sprache dargeboten. Diese Teachings sind zum Wohl aller Wesen. Ihre Quelle ist reineoffene Intelligenz, und sie gehören keiner Kultur, Person, Sekte oder Tradition an. Obgleich das Studium altertümlicher Texte seinen Wert haben mag, ist es nicht wirklich hilfreich, uns auf verstaubte Schriften und Anleitungen zu beschränken, die schwer verständlich sind. Sie lassen eine allzeit vollkommen präsente Realität weit entfernt und unerreichbar erscheinen. Hätten wir uns bei Balanced View entschieden, Worte und Begriffe zu verwenden, die auf einen bestimmten Kulturkreis beschränkt sind, dann wären dadurch weniger Menschen erreicht worden, welche die Trainings über das Vertrauen auf offene Intelligenz verstehen könnten. Falls wir beispielsweise solche Begriffe wie Dharmakaya, Sunyata, das Absolute, Atman oder Mokshaverwenden würden, wäre die Mehrheit der heutigen Menschen entweder völlig ratlos oder sie würden fälschlicherweise annehmen, sie wüssten genau, worüber wir sprechen! Es wäre in jedem Fall ein Hindernis. Wenn wir hingegen einfache Ausdrücke wie „Bewusstsein‖ und „zeitlose Freiheit‖ verwenden, dann ist es wahrscheinlich, dass mehr Menschen diese Ideen nachempfinden und den Inhalt des Trainings maßgeblich erfahren können.

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Es ist sehr wichtig, Anleitungen zu haben, die für die Menschen eines bestimmten Zeitalters absolut geeignet und verständlich sind und ein komplettes System zur Unterstützung der Teilnehmer anzubieten. Am allerwichtigsten ist aber, dass es eine Anleitung ist, die zum raschen Erkennen zeitlosoffener Intelligenz führt. Unfehlbare Instruktionen durch einen fähigen Lehrer können die maßgebliche Erfahrung unserer wahren Natur an viele Menschen auf einmal vermitteln. Doch damit dies geschehen kann, muss das Teaching offen, direkt und zugänglich sein und darf nicht verborgen auf einem verstaubten Bücherregal liegen. Vertrauen auf offene Intelligenz ist ein Teaching für Menschen, die alle Konzepte hinter sich lassen können. Sie sind völlig offen und können von sich sagen: „Ich habe alles ausprobiert! Ich will bloß eine einfache und direkte Methode. Wenn du mich unterrichtest, dann werde ich zuhören.‖ Wenn Menschen wirklich offen für das Gesuchte sind – mit ganzem Herzen einhundert Prozent offen – dann wird sich eine Situation ergeben, in der sie ein direktes Teaching vernehmen, und nichts wird sie davon abhalten können. Falls sie sich jedoch mehr zu ihrer früheren Praxis und den Ideen hingezogen fühlen, auf ein Ziel in der Zukunft hinzuarbeiten, dann ist das ihre Entscheidung. Ich versuche nie, jemanden zu überzeugen, der nicht bereit oder interessiert ist. Ich warte einfach auf diejenigen, die wirklich bereit sind. Ich glaube an Anziehungskraft und nicht an Werbung! Und was ist nun ein direkter Lehrer? Ein Lehrer ist in Wirklichkeit der allerbeste Freund. Die Beziehung zwischen einem Lehrer und den Menschen, die zu ihm kommen, ist von großer Intimität, vollkommenem Wohlbefinden und Liebe geprägt. Ein erfahrener Lehrer hat bereits die maßgebliche Erfahrung vollkommen offensichtlicher offener Intelligenz in seinem oder ihrem Leben gemacht, und hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen diese offene Intelligenz auf liebevolle Weise zu vermitteln und sie zu unterstützen. Direkte Lehrer können dank ihrer unfehlbaren Ruhe, Weisheit, Klarsicht und ihrem Geschick in allen Lebenslagen auf verlässliche und überzeugende Weise lehren. Wenn Lehrer die volle Kapazität ihrer wahren Natur manifestieren, wollen andere Menschen naturgemäß von ihnen lernen. Sie sind mit ihrer eigenen wahren Natur so sehr vertraut, dass sie aufgrund ihrer tiefgehenden Vertrautheit und Zuversicht auf andere eine ungeheure Anziehungskraft ausüben. Diese schauen sie an und sagen: „Ich will das, was sie haben! Es sind Menschen wie ich, und wenn sie diese Eigenschaften verkörpern können, dann kann ich das auch!‖ So viele Menschen möchten inneren Frieden haben und vollkommen, liebevoll und weise sein. Ein direkter Lehrer kann es ihnen ermöglichen, diese innewohnenden Gaben zu erkennen. Ein direkter Lehrer besitzt die Kraft, andere Menschen in offene Intelligenz einzuführen, und kann ihnen durch klare, eindeutige Sprache und andere hilfreiche Umstände helfen, vollkommene Vertrautheit mit offener Intelligenz zu erlangen. Darüber hinaus ist die Kraft des Lehrers in schriftlichen und

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mündlichen Teachings offenkundig, in denen Schlüsselanweisungen und grundlegende Anleitungen gegeben werden, welche allen, die sie hören oder lesen, von unmittelbarem Nutzen sind. Ein direkter Lehrer kann außerdem Studien- und Praxiszentren als Hilfe zur Verfügung stellen. Doch es hat natürlich auch immer sehr prominente Lehrer gegeben, deren Lehrmethoden keine Resultate brachten, oder die ihre Schüler in irgendeiner Weise ausnutzten. Deshalb schenken viele Menschen weltweit Gurus oder spirituellen Lehrern überhaupt keinen Glauben mehr. Manche haben negative Erfahrungen gemacht und verspüren daher keinen Drang mehr, einen Lehrer aufzusuchen. Das ist nur allzu verständlich. Erleuchtungslehren sind ein Gebiet menschlicher Aktivität, wo ein bestimmtes Resultat versprochen wird, das aber selten erfüllt wird! Wenn ein Versprechen gegeben oder impliziert wird und sich dann kein Resultat einstellt, kann dies offensichtlich zu vermindertem Vertrauen führen. Das ist ein Aspekt dieser Angelegenheit. Doch wenn wir argumentieren, dass unter keinen Umständen ein Lehrer notwendig ist, dann nehmen wir einen entgegengesetzten Standpunkt ein – ein Extrem. Man könnte den Standpunkt vertreten, dass kein Lehrer notwendig ist, weil Versprechen nur sehr selten erfüllt werden. Doch das ist eine zu starke Vereinfachung. Ich befürworte gewiss nicht, alle Lehrer abzuschaffen! Doch es ist wichtig, unterscheiden zu können zwischen dem, was hilfreich ist, und dem, was nicht hilfreich ist. Wenn wir etwas Neues erlernen wollen – Rohre verlegen, Kochen, Tennis spielen oder was auch immer – dann ist es klug, sich von jemandem beraten zu lassen, der mehr Erfahrung auf dem Gebiet hat. Wenn wir beispielsweise den Mount Everest besteigen wollen, würden wir das nicht ohne einen Führer versuchen. Wir wollen von jemandem lernen, der den Mount Everest aus eigener Erfahrung kennt und weiß, wie man seinen Gipfel erreicht und welche Bedingungen entlang des Weges herrschen. Ohne Führer und eigene vorherige Erfahrung könnten wir uns verirren, in eine Schlucht stürzen, von einer Lawine verschüttet werden oder der Höhenkrankheit erliegen. Sowohl bei Bergführern als auch bei Lehrern gibt es unterschiedliche Arten von Führern. Bei gewissen Führern ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir den Gipfel erreichen. Die unfehlbare und unmissverständliche Methode eines direkten Lehrers kann uns bis zum Gipfel bringen. Wir können Vertrauen in die Fähigkeiten von jemandem haben, der den Grundzustand selbst realisiert und vielen anderen geholfen hat, dasselbe zu tun. Nur wir können entscheiden, welches Teaching am besten zu uns passt. Doch wenn wir uns für etwas entscheiden, dann müssen wir uns ein hundertprozentig dazu verpflichten. Das ist keine geringe Verpflichtung. Wir können es nicht an manchen Tagen versuchen und an anderen nicht. Wenn wir eine Übungspraktik wie Vertrauen auf offene Intelligenz wählen, aber uns dem nur teilweise hingeben, dann vertrauen wir ab und zu auf offene Intelligenz und verbringen den Rest der Zeit damit, in gewöhnlicher Art und Weise auf unsere Storys

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einzugehen. Aber wenn wir eine hundertprozentige Verpflichtung eingehen, entwickelt sich ein innewohnendes Vertrauen und daraus entsteht Gewissheit. Selbst wenn wir eine wirklich felsenfeste Entscheidung getroffen haben, kann das Engagement für eine Weile nachlassen. Das ist ganz normal. Falls wir das Gefühl haben, dass unser Engagement nachlässt, dann müssen wir einfach wieder unseren Entschluss erneuern, auf offene Intelligenz zu vertrauen und uns nur darauf verlassen. So einfach ist das. In Wahrheit entscheiden wir uns immer für etwas– entweder für unsere Daten oder für Vertrauen auf offene Intelligenz. Daher ist die Entscheidung ganz einfach. Am einfachsten ist ein hundertprozentigerEntschluss, dann muss man nicht mehr darüber nachdenken. Zuerstkommt die Einführung ins Vertrauen auf offene Intelligenz, und sobald wir dies vollkommen verstanden haben, können wir uns problemlos aus ganzem Herzen dazu verpflichten. Ein anderer Ausdruck für Verpflichtung ist Enthusiasmus. Wir müssen wirklichen Enthusiasmus für die wahre Natur unseres Seins empfinden. Das Wort „Enthusiasmus‖ hat seinen Ursprung in dem griechischen Wort für „in Gott‖. Eine andere Definition könnte lauten „ein lebhaftes Interesse am Ruhen zu haben‖. Enthusiastisch zu sein bedeutet, unseren natürlich ruhenden Zustand so zu belassen, wie er ist. Es sollte nie einen Moment ohne Enthusiasmus und Engagement geben. Selbst wenn wir intensive Emotionen wie Wut, Traurigkeit und Depression empfinden, können wir nichtsdestotrotz weiterhin vollkommenen enthusiastisch sein und uns engagieren, offene Intelligenz als die Wurzel dieser Wahrnehmungen zu erkennen. Wenn wir shoppen gehen, sollten wir anspruchsvolle Konsumenten sein. Das schließt Unterscheidungsvermögen bei Teachings ein, denen wir uns verschreiben wollen. Wir sollten uns fragen, was wir von der Praxis erwarten können, an der wir interessiert sind. Wie jeder gute Konsument, sollten wir vor dem Kauf herausfinden, ob die versprochenen Resultate wirklich geliefert werden. Wenn wir einen Fernseher, einen MP3-Player oder ein Auto kaufen wollen, wählen wir ein Geschäft, das dieses Produkt an viele zufriedene Kunden geliefert hat. Wir würden nicht weiterhin in ein Geschäft gehen, wo wir immer und immer wieder auf den nächsten Tag vertröstet werden, doch geliefert wird es nie. Wenn wir so viel Unterscheidungsvermögen beim Kauf eines Fernsehers besitzen, sollten wir dann nicht zumindest das gleiche Maß an Unterscheidungsvermögen aufbringen, wenn es um den wichtigsten Aspekt des menschlichen Lebens geht? Bei der Suche nach einer Übungspraxis sollten wir das gleiche Urteilsvermögen anwenden wie in der Geschäftswelt. Heutzutage haben wir zahlreiche Informationenüber viele Dinge. Auch über viele verschiedene Methoden und Übungspraktiken stehen uns Informationen zur Verfügung. Wir sollten sehr vorsichtig sein, wen wir als unseren Lehrer auswählen und welcher Methode wir folgen wollen. Wollen wir denn nicht die effektivste Methode finden? Vertrauen auf offene Intelligenz hat durch alle Zeiten hindurch vielen Millionen

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Menschen geholfen, und es kann auch dir helfen, wenn du dich ernsthaft dafür entscheidest, ganz gleich wer du bist oder wo du lebst. Dies ist die leichteste und direkteste aller Übungspraktiken. Frage: Wie würdest du Erleuchtung genau beschreiben? Antwort: Erleuchtung wird heutzutage auf vielerlei Arten beschrieben, besonders durch das Internet und die wachsende Anzahl von Büchern zu diesem Thema. Es gibt allerdings nur sehr wenige Weisheitstexte, die direkt über Erleuchtung sprechen und zudem eine unfehlbare Anleitung zu ihrer Realisierung geben. Das „E-Wort‖ wird im Balanced View Training nicht verwendet, weil seine eigentliche Bedeutung durch jahrelange Fehlinterpretationen völlig unklar geworden ist und seine Verwendung nur Verwirrung stiften würde. Wenn wir es „Erleuchtung‖ nennen, wird es leicht mit einer bestimmten Tradition, Religion, historischen Persönlichkeit oder einem Land in Zusammenhang gebracht. Es gibt einfach zu viele Missverständnisse über die Bedeutung des Wortes, um es bei Menschen mit äußerst unterschiedlicher Herkunft verwenden zu können. Daher nennen wir es einfach „vollständiges Vertrauen in offene Intelligenz erlangen‖ oder „vollkommene mentale und emotionale Stabilität verwirklichen‖. Was allgemein als Erleuchtung bezeichnet wird, ist die vollständige Offenbarung der makellosen Weite nondualeroffener Intelligenz, die alles umfasst und transzendiert. Die höchst nutzbringenden Qualitäten, die offener Intelligenz innewohnen, werden entsprechend dem Maß unseres Vertrauens auf offene Intelligenzoffensichtlich, und unser Leben wird für andere zu einer Quelle großen Benefits. So einfach ist das. Frage: Sind diese Teachings denn nicht das Gleiche wie die Teachings anderer Lehrer, bei denen es um Stille, Leere, Leben in der Gegenwart oder Erleuchtung geht? Antwort: Ich möchte mich nicht über andere Teachings äußern. Ich sage nur, dass es zwei Arten von Teachings gibt. Es gibt Teachings, die auf Ursache und Wirkung basieren und sich darauf konzentrieren, bestimmte Zustände wie Stille, Leere oder Gegenwärtigkeit zu erreichen. Das sind einige der gängigen, zeitgenössischen Themen. Die andere Art von Teaching geht über Kausalität hinaus und erfordert keine Erklärungsmodelle. Das ist das Teaching vom Vertrauen auf offene Intelligenz, in dem alles in jedem Moment absolut gleichwertig und makellos ist. Das Ziel ist bereits präsent, und nichts muss sich ändern. Alles entfaltet sich in einem kontinuierlich offenem Fluss reiner Präsenz. Es gibt viele Methoden, die Menschen in die Lageversetzen können, einen Einblick in offene Intelligenz zu erhaschen, doch diese Erfahrung ist vergleichbar mit einer Katze, die eine Maus beobachtet. Der Beobachter identifiziert sich mit offener Intelligenz und befasst sich mit dem Beobachten von Erscheinungen in offener Intelligenz, so als seien diese etwas anderes als offene Intelligenz.

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Offene Intelligenz und die darin auftauchenden Erscheinungen werden also weiterhin auf zutiefst dualistische Weise wahrgenommen. Derartige Erlebnisse unterscheiden sich grundlegend von der kompletten Auflösung aller Daten im Elementarraum offener Intelligenz. Und das ist es, was das Balanced View Teaching anbietet. Ich kann euch nur empfehlen, dieses Training auszuprobieren. Vertrauen auf offene Intelligenz bringt sofortige und nachweislich positive Resultate. Ich fordere euch nicht auf, mir zu glauben, sondern schlage vor, es auszuprobieren und selbst herauszufinden, indem ihr einfach für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraut, und dann schaut, was passiert.

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DIE AUFRECHTERHALTUNG VON OFFENER INTELLIGENZ IN SCHLAF UND TRAUM KAPITEL ZWANZIG

„Wenn wir beim Einschlafen offene Intelligenz aufrechterhalten, haben wir uns auf völlig neue Weise direkt in offene Intelligenz eingeführt. Wenn wir im Schlaf ungestört offene Intelligenz aufrechterhalten können, fällt es uns viel leichter, uns auch tagsüber unabgelenkt offener Intelligenz erfreuen zu können.”

Wenn wir abends ins Bett gehen, schlafen wir normalerweise gleich ein und wachen dann ein paar Stunden später wieder auf. Die meisten von uns haben während dieser Zeit keinerlei Kontrolle über das, was mit ihnen geschieht. Wenn wir einschlafen, schlafen wir einfach. In diesem Zustand können wir nichts bewusst tun, und folglich glauben wir, dass wir Schlaf und Traum hilflos ausgeliefert sind. Wir wissen nicht, wie und was passiert, doch etwas geschieht mit uns, und wir haben keinerlei Kontrolle darüber. Wenn wir die offene Intelligenz nicht erkennen, welche die Grundlage von Schlaf und Traum ist, verlieren wir uns einfach in diesen Welten. In einem Traum kann alles Mögliche passieren. Er kann total verrückt und absurd sein oder völlig grandios. Es tauchen all diese trügerischen Bilder auf. An manche können wir uns erinnern und an andere nicht. Im Allgemeinen haben wir beim Träumen keine Ahnung, dass es sich um einen Traum handelt und sehen ihn als real an. Über den Wachzustand ließe sich dasselbe sagen, denn er ist in Wahrheit nur eine traumähnliche Erscheinung innerhalb der unveränderlichen Realität offener Intelligenz. Wenn wir unseren Körper und die verschiedenen Ereignisse zwischen Geburt und Tod für unsere wahre Identität halten – und gleichzeitig die ihnen zugrundeliegende offene Intelligenz ignorieren, die allein als wahrhaft existent angesehen werden kann – dann entfremden wir uns von der zeitlosen Freiheit und dem vollkommenen Frieden, die unsere wahre Natur sind. Nichterkennen von offener Intelligenz bedeutet, in den Glauben versunken zu sein, dass unsere Gedanken, Emotionen und Erlebnisse bestimmen, wer wir sind, und zu meinen, diese Zustände seien real. Wir haben unser ganzes Leben lang geglaubt, dass die alltäglichen Zustände des Wachseins, Träumens und Schlafens unsere Identität ausmachen. Die meisten von uns sind zutiefst davon überzeugt, dass unsere Geburt, unser Leben und unser Tod festlegen, wer wir sind. Wir meinen, ohne sie nicht existieren zu können, da unser Identitätsgefühl von ihnen abhängig ist. Wenn wir jedoch auf offene Intelligenz vertrauen, finden wir zusehends heraus, dass wir von keinerlei Vorstellung abhängig sind. Wir sind weder vom Körper oder Geist abhängig, noch vom Wachsein, Träumen oder Schlaf. Wir sind auch nicht von Luft, Erde oder Sonne abhängig und nicht einmal vom Universum! Es ist ganz wichtig, über alle von uns erlernten, gewöhnlichen

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Beschreibungen unserer Identität hinauszugehen, und wir tun dies, indem wir einfach offene Intelligenz aufrechterhalten. Ich möchte euch etwas über eine sehr wirkungsvolle Übung mitteilen, die euch im kritischen Moment des Einschlafens helfen kann, grundlegende offene Intelligenz zu entdecken. Wenn wir abends ins Bett gehen, können wir beim Einschlafen offene Intelligenz aufrechterhalten. Während wir dies tun, erkennen wir, wie die gesamte Aktivität des Verstandes – das Aufkeimen und sich Ausbreiten von Gedanken und Emotionen – allmählich in einen formlosen Zustand verschmilzt, nämlich den Zustand des Schlafs. Hierbei handelt es sich immer noch um einen Geisteszustand und nicht um wirkliche Freiheit. Dies ist nur ein weiteres Datum innerhalb offener Intelligenz. Wenn wir in diesem kritischen Augenblick entdecken, dass alle Konzepte in einen formlosen Zustand verschmelzen, dann können wir uns eine sehr wichtige Frage stellen: „Was ist sich dieses formlosen Geistes bewusst?‖ Diese Frage führt direkt zur Grundlage reineoffene Intelligenz. Indem wir auf diese offene Intelligenz vertrauen, die bei dieser Untersuchung offenbart wird, können wir klar unterscheiden zwischen dem Elementarraum offener Intelligenz, der unsere wahre Identität ist, und dem formlosen Zustand, der bloß ein weiterer Geisteszustand ist. Wenn wir diese offene Intelligenz entdeckt haben, die in allen Zuständen und unter allen Umständen unveränderlich ist, wird es leichter, offene Intelligenz den ganzen Tag hindurch und auch nachts aufrechtzuerhalten. Wir brauchen keine große Sache daraus zu machen. Es ist genau so einfach wie beim Einschlafen für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wir wenden bei allen Daten, inklusive Einschlafen, Träumen und Schlaf, nur diese eine Übung an. Wenn offene Intelligenz sich beim Einschlafen mühelos einstellt, stellt sie sich eben mühelos ein. Falls sie sich nicht mühelos einstellt, versuchen wir nicht, offene Intelligenz zu erzwingen. Irgendwann wird es ganz natürlich passieren, und wir schlafen völlig bewusst ein und bleiben im Schlaf bewusst. Wir brauchen das nicht jede Nacht zu üben. Wir brauchen nur einmal auf diese Weise beim Einschlafen bewusst zu bleiben, um zu entdecken, dass auch Schlaf und Traum Daten innerhalb offener Intelligenz sind. Wenn wir beim Einschlafen offene Intelligenz aufrechterhalten, haben wir uns auf völlig neue Weise direkt in offene Intelligenzeingeführt. Wenn wir im Schlaf ungestört offene Intelligenz aufrechterhalten können, fällt es uns viel leichter, uns auch tagsüber unabgelenkt offener Intelligenz zu erfreuen. Manche Menschen üben sich darin, die ganze Nacht bewusst zu bleiben, selbst im Tiefschlaf. Das wichtigste bei dieser Übung ist, aus eigener Erfahrung zu sehen, dass Traum und Schlaf Erscheinungen offener Intelligenz sind. Die drei Kategorien, mit denen wir unsere24-Stunden Erfahrung beschreiben – Wachzustand, Träumen und Schlaf – werden völlig transzendiert. Wir erkennen, dass alle drei nur Daten innerhalb der allumfassend reinen Sicht offener Intelligenz sind.

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Wenn wir beim Träumen offene Intelligenz aufrechterhalten, erkennen wir, dass alle Bestandteile eines Traums willentlich verändert oder manipuliert werden können. Wir können aktiv in unsere Träume eingreifen und sie verändern, wenn wir das wollen. Wir können unsere Träume bewusst erleben und ein Meister der Illusion des Träumens werden. Wenn wir uns den Launen unserer Träume ausgesetzt fühlen, scheinen sie völlig außerhalb unserer Kontrolle zu liegen. Doch mit der maßgeblichen Erfahrung, Träume kontrollieren zu können, erleben wir direkt, dass offene Intelligenz nicht nur über alle Erscheinungen hinausgeht, sondern dass sie auch Kontrolle über alle Erscheinungen hat. Trotzdem ist die Neuanordnung der Bilder in einem Traum - ob im Wachtraum oder Schlaftraum - ein Zeitvertreib, auf den wir uns nicht einlassen müssen. Das ist kein an sich erstrebenswertes Ziel. Diese Fähigkeit ist lediglich ein natürliches Nebenprodukt völliger mentaler Kontrolle, die sich durch die Übung des Vertrauens auf offene Intelligenz einstellt. Was am wichtigsten ist, ist offene Intelligenz maßgeblich als die reine Weite zu erkennen, in der alle Bilder auftauchen. Es ist völlig unnötig, zu versuchen, diese am Tag oder in der Nacht auftretenden Bilder zu analysieren. Alle Bilder, sowohl Traumbilder als auch Bilder im Wachzustand, sind ureigene Erscheinungen offener Intelligenz. In dieser Hinsicht sind sie identisch. Wenn wir offene Intelligenz, indem wir auf sie vertrauen, bei der direkten Begegnung mit allen Phänomenen als unseren Daseinsgrund zur Kenntnis nehmen, kommen wir auf sehr eindrucksvolle Weise zu der Erkenntnis, dass alle auftretenden Bilder immer nur offener Intelligenz zuzuschreiben sind. Wir brauchen also ihretwegen nichts zu unternehmen. Indem wir auf offene Intelligenz vertrauen, lernen wir sie mehr und mehr als die wohlwollende Realität unseres Daseins kennen, und alle Phänomene werden als wohlwollend und vollkommen gesehen, genau so wie sie sind. Sie müssen nicht analysiert, verbessert oder verändert werden. Genau genommen braucht man überhaupt nichts mit Erscheinungen zu machen. Falls wir die Gewohnheit haben, die Bilder in unseren Träumen zu analysieren, ist dies die perfekte Gelegenheit, dem ein endgültiges Ende zu setzen, denn die absolute Realität und die Bedeutung aller Bilder sind ein und dasselbe. Sie alle sind nur vorübergehende Formen offener Intelligenz, und das ist alles, was wir über Träume zu wissen brauchen. Obwohl die meisten Menschen glauben, der Wachzustand sei real und der Traumzustand irreal, sind der „Wachtraum‖ und der „Schlaftraum‖ insofern identisch, als beide bloß Daten innerhalb der unwandelbaren Realität offener Intelligenz sind. Der Weisheitsnutzen makellosoffener Intelligenz ist völlig unbeschränkt und wurde nie zu irgendetwas geformt. Auch wenn die verschiedenen Phänomene, die im Wachzustand und im Traum erscheinen, unglaublich real zu sein scheinen, finden wir bei ihrer Untersuchung heraus, dass man eine Erscheinung nicht festhalten oder bewahren kann. Wenn wir angesichts von Erscheinungen offene Intelligenz aufrechterhalten, können wir

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uns in dem Wissen entspannen, dass wir diese Erscheinungen überhaupt nicht zu fürchten brauchen. Wir können ganz beruhigt sein, dass alle Erscheinungen – sei es ein Vorkommnis am Tag oder ein Traumbild in der Nacht – nichts anderes als Erscheinungen offener Intelligenz sind. Dieses Verständnis bildet eine große Hilfe beim Umgang mit unseren tagsüber auftretenden Daten. Der surreale Inhalt unserer nächtlichen Träume kann zu einer sehr tiefgreifenden Auflösung unserer Daten führen, so dass es uns tagsüber leichter fällt, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Wenn wir lernen, selbst mit unseren furchterregendsten Traumbildern zu ruhen, können wir mit den Bildern, denen wir in unserem Wachzustand begegnen, wesentlich besser umgehen. Wenn wir morgens aufwachen, tauchen alle Daten unseres Wachzustandes, die während der Nacht geruht haben, sofort wieder auf. Wenn wir jedoch im Moment des Aufwachens und bei der Rückkehr von Gedanken auf offene Intelligenz vertrauen, entdecken wir, dass wir uns nicht wieder in der Sturzflut aus Gedanken und Emotionen verlieren müssen. Es ist nur eine lang beibehaltene Angewohnheit, den Gedanken, die morgens beim Aufwachen auftreten, klein beizugeben. Es kann manchmal scheinen, dass es unmöglich ist, uns inmitten der unmittelbar heranstürmenden Gedanken empowert zu fühlen. Wenn wir jedoch offene Intelligenz aufrechterhalten können, sehen wir, dass wir uns von den Gedanken und Sinnesempfindungen nicht beherrschen lassen müssen. Wenn wir morgens beim Aufwachen offene Intelligenz beibehalten, können wir leicht erkennen, wie der Verstand funktioniert, und wir geraten nicht in gewohnheitsmäßige Verhaltensmuster, bei denen wir uns mit vorübergehenden Phänomenen identifizieren. Es ist ratsam, morgens direkt beim Aufwachen zu ruhen. Ansonsten drängt sich vielleicht der Gedanke auf, dass nach dieser wunderbaren Erholung im Schlaf all dieser Mist wieder hochkommt! Anstatt unsere Gedanken, Emotionen oder Bilder zu beschreiben, in ihre endlosen Storys einzutauchen und uns dabei mit gewissen Phänomenen zu identifizieren und andere abzuweisen, können wir alle Phänomene als gleichwertig betrachten und die Erleichterung offener Intelligenz unser ständiger Trost sein lassen. Gedanken und Gefühle besitzen kein unabhängiges Wesen und verschwinden von selbst. Darum ist es unnötig, etwas gegen sie zu unternehmen. Warum sollten wir denn etwas gegen sie unternehmen müssen, wenn sie ohnehin von selbst verschwinden? Nur wenn wir nicht erkennen, dass Gedanken sich von selbst auflösen und an sich frei und perfekt sind, haben wir das Gefühl, etwas gegen sie unternehmen zu müssen. Wenn wir uns allerdings darin schulen, in allen Erscheinungen Vollkommenheit zu sehen und auf offene Intelligenz vertrauen, die der Kern und die Essenz aller Erscheinungen ist, erkennen wir, dass die Illusion einer persönlichen Identität und ihrer Funktionsweise unwirklich ist und kein Problem darstellt.

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Mit fortlaufender Übung gelangen wir zu der Erkenntnis, dass offene Intelligenz nicht nur unseren Wachzustand durchdringt, sondern auch unseren Schlaf und alles, was im Schlaf enthalten ist. Wenn wir diese Präsenz offener Intelligenz in den Vorgang des Einschlafens bringen, werden wir alsbald sehen, dass offene Intelligenz in allen Erscheinungen gegenwärtig ist. Wenn wir uns mehr und mehr empowert fühlen, sind wir schließlich vielleicht mutig genug, folgende Frage zu stellen: „Wenn offene Intelligenz an die Stelle von Wachsein, Träumen und Schlafen tritt, könnte dann Bewusstsein nicht auch an die Stelle von Geburt und Tod treten?‖ Die Frage mag keine große Bedeutung haben, solange sie bloß eine philosophische Idee bleibt, doch wenn man offene Intelligenz direkt als unwandelbare Grundlage aller Phänomene begreift, dann könnte etwas ganz Außerordentliches geschehen. Man könnte zu der Erkenntnis gelangen, dass selbst Geburt und Tod nur vorübergehende Daten innerhalb unwandelbarer offener Intelligenz sind. Allerdings kann es nur zur unumkehrbaren Erkenntnis dieser Wahrheit kommen, wenn man vollkommen mit offener Intelligenz vertraut ist. Bloßes theoretisches Wissen reicht nicht aus. Höchstwahrscheinlich hat uns noch nie jemand diese äußerst wichtige Wahrheit über uns mitgeteilt: Träume und Schlaf, Geburt und Tod sind nur Daten inmitten unwandelbarer, zeitloser offener Intelligenz. Jedes auftretende Datum ist vollkommen und identisch. Es ist gleichwertig mit jedem anderen auftretenden Datum. Es hat nie irgendeine Differenzierung, Einbeziehung oder Ausgrenzung gegeben, denn offene Intelligenz ist unteilbar – und ihre ureigenen Erscheinungen können niemals diese Einheit beeinträchtigen. Dies ist von größter Wichtigkeit. Die Übungspraxis, beim Einschlafen auf offene Intelligenz zu vertrauen, kann uns helfen, vertrauter mit der grundlegenden Natur von offener Intelligenz zu werden. Wenn wir dann beim Schlafen und Träumen offene Intelligenz aufrechterhalten, können wir die Erfahrung machen, dass alle Geisteszustände nur aus offener Intelligenzbestehen und von ihr transzendiert werden. Wenn wir entdecken, dass allumfassende, über alles hinausgehende offene Intelligenz unserer Grundzustand ist, wird vollkommenes mentales Gleichgewicht zu unserer gelebten Erfahrung, und wir werden uns glücklich schätzen, diese Kostbarkeit mit allen zu teilen.

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VOLLKOMMEN OFFENE WAHRNEHMUNG KAPITEL EINUNDZWANZIG

„Mit offener Wahrnehmung betrachtet man Daten nicht als etwas Separates. Es gibt nichts als unteilbare offene Intelligenz, die sich gleichsam als Betrachter, Betrachten und Betrachtetes manifestiert. Der Wahrnehmende ist unteilbar von der Wahrnehmung und dem Prozess des Wahrnehmens. All dies sind bloß Erscheinungsformen offener Intelligenz.”

Wenn wir unsere Wahrnehmung vollkommen entspannen, ohne uns auf all die von uns erlernten Beschreibungen zu konzentrieren, dann entdecken wir, dass offene Intelligenz bereits in uns präsent ist. Das ist möglicherweise eine völlig neue Erkenntnis für uns. Doch wir entdecken nichts Neues. Wir entdecken einfach unsere naturgegebene Art und Weise, die Welt zu sehen, wahrzunehmen und zu erleben. Dies ist kein Ziel, das es zu erreichen gilt, sondern etwas, das vom Anbeginn unseres Lebens an immer präsent war – sogar vor unserer Zeugung. Vollkommen offene Wahrnehmung bedeutet, unsere Wahrnehmung in die offene Weite zu entspannen, ohne näher auf Gedanken, Emotionen, Objekte oder Erfahrungen einzugehen, um ihre Bedeutung zu verstehen. Wenn wir den gewöhnlich genau festgelegten Fokusunserer Aufmerksamkeit vollkommen entspannen, sehen wir alles so, wie es ist: als eine grenzenlose, nahtlose Weite unwandelbarer, reiner offener Intelligenz, in der eine Unzahl flüchtiger Formen offener Intelligenz erscheinen und entschwinden. Wir haben gelernt, unsere Aufmerksamkeit auf Erscheinungen zu richten und diese zu beschreiben, so als hätten sie eine eigenständige Existenz. Doch wenn wir das tun, koppeln wir uns augenblicklich von unserer natürlichen Offenheit ab und reduzieren uns auf die Idee, ein getrenntes Wesen zu sein, das auf Denken und Beschreibungen angewiesen ist. Diese individualisierte Denkweise und das durch sie hervorgerufene, auf Angst basierende, emotionale Energiefeld engen uns sehr stark ein und reduzieren uns auf dieses emotionale Energiefeld. Dann leben wir auf einer Nadelspitze, und das ist sehr einengend und ungemütlich! Wenn wir den engen Fokus unserer Wahrnehmung entspannen, entdecken wir die unermessliche Offenheit des Gegenwärtigen, den Urgrund der Realität, der völlig über alle darin enthaltenen Informationen hinausgeht. In dieser unendlichen Weite benötigen wir keine unvollständigen Informationen zur Beschreibung von Geschehnissen. Wenn wir unsere eigene weit offene Wahrnehmung entspannen, treten wir in die ursprüngliche Dimension von Weisheit und Allwissenheit ein. Es herrscht vollkommen offene Wahrnehmung bei allem unmittelbar Erlebten, und das ist für alle Wesen, einschließlich uns selbst, von grundsätzlichem Benefit.

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All unsere künstlichen Ideen, die Welt und ihre Wesen auf unzählige Arten beschreiben zu müssen, sind bloß Konventionen, Glaubenssätze und reine Erfindung. Die absolute Einheit, die unsere wahre Identität ist, ist überall gleichermaßen präsent und bildet die alleinige Realitätsgrundlage aller Formen und Gegebenheiten. Wenn wir uns als unsere ein Leben lang akkumulierten Gedanken und Emotionen beschreiben, können wir uns nicht an dem erfreuen, was unmittelbar, weit offen, frei und zeitlos ist. Wenn wir hingegen die Dinge völlig offen wahrnehmen, wird sogar so etwas Banales wie der Kauf eines Hemdes zu einem Erlebnis und das Kaufhaus wird zum Tempel, denn alles wird als ein Tempel nondualer Gleichheit gesehen. Offene Intelligenz – vollkommen offene Wahrnehmung – ist der absolute Herrscher über alles. Sie ist die größte Monarchin, und alles ist in ihr vereint. Genau genommen ist sie all das, was sich in ihr befindet! Es hat niemals irgendeine Form der Trennung gegeben. Wir brauchen keine Puzzleteile zusammenzusetzen, um das Puzzle zu verstehen. Philosophische Beschreibungen und intellektuelles Verständnis sind eine Sache, doch um dies voll und ganz verstehen zu können, müssen wir es maßgeblich in uns selbst erfahren. Dazu entspannen wir uns einfach für kurze Momente, viele Male wiederholt, in der unmittelbaren Offenheit natürlich präsenter Liebe, Weisheit und Energie. Das ist der leichteste und zugleich älteste Weg. Diese Aussagen sind nichts Neues. Während der gesamten Menschheitsgeschichte hat es immer Menschen gegeben, die ihre wahre Natur durch Vertrauen auf offene Intelligenz entdeckt haben. Die natürliche Präsenz von Liebe, Weisheit und Energie ist allzeit weit offen und vollkommen entspannt. Sie ist niemals angespannt, verkrampft oder eingeschränkt. Sie hat nie eine separate Form angenommen und ist an keine Gedanken, Emotionen oder Erlebnisse gebunden. Da sie immer und ewig makellos, rein und vollkommen frei ist, braucht sie sich auf nichts zu stützen. Sie ist einzigartig, was soviel wie „Allsein‖ bedeutet. Sie ist die allumfassende, absolut vollkommene Gesamtheit. Würde sie von etwas abhängen, dann wäre sie unvollkommen, und das ist absolut unmöglich. Wir sollten uns nicht mit der Vorstellung von anderen Leuten begnügen, sondern selbst erfahren, was offene Wahrnehmung ist. Wenn wir uns daran halten, was verschiedene historische oder zeitgenössisches Personen über die absolute Realität gesagt haben, dann schränkt das unsere eigene Vertrautheit damit ein. Vollkommen offene Wahrnehmung kann uns nicht gegeben oder genommen werden. Falls uns jemand sagt, dass wir unsere wahre Natur nur durch seine Gnade realisieren können, dann entspannen wir uns einfach und erkennen, dass Gnade gleichbedeutend mit offener Intelligenz ist und nicht durch andere übertragen werden kann. Es spielt keine Rolle, wo wir uns befinden, wer wir sind, wie wir uns fühlen, was wir denken, welchen Job, welches Geschlecht oder welche Hautfarbe wir haben, wie alt wir sind oder auf welche Weise wir sonst noch unseren Körper und unseren Geist beschreiben – wir sind immer und ewig jenseits all dieser

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Beschreibungen. In jeder Epoche verändern sich die Beschreibungen von Körper und Geist radikal. Vor hundert Jahren wurden Körper und Geist auf eine bestimmte Weise beschrieben, heutzutage auf eine andere, und in hundert Jahren wird es wieder etwas völlig neues geben. Glücklicherweise verändert sich unser Grundzustand jedoch nie und ist jenseits aller Beschreibungen. Die Beschreibungen von Körper und Geist sagen nichts über unseren Grundzustand aus, und unser Grundzustand ist unabhängig von allen Aussagen über Körper und Geist. Herkömmliche Auffassungen besagen, dass wir von den Körperorganen, von der Atmung und von Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahmeabhängig sind, doch in Wahrheit ist unser Bewusstsein völlig unabhängig davon. Offene Intelligenz ist ewig, grenzenlos, allzeit frei und benötigt nichts, keine Atmung, keinen Körper und nicht einmal die Existenz des Universums. Wir sind der Ursprungszustand, in dem das gesamte Universum erscheint und wieder verschwindet. Wenn wir unmittelbar in jedem Augenblick vollkommen offener Wahrnehmung erfreuen, erfahren wir dies auf eine maßgebliche Weise, die unbestreitbar und unvorstellbar ist. Jeder besitzt mentale Klarheit, und es ist unerheblich, welcher Art von Gedanken, Emotionen und Erlebnissenwirfrüher gehabt haben. Das wahre Wesen mentaler Klarheit bleibt von diesen Dingen unberührt und ist immer vorhanden. Ganz gleich ob die Handlungen oder Gedanken moralisch oder unmoralisch, sozial oder unsozial waren, der sie beinhaltende Geist ist völlig klar, weit offen und frei. Die wundersame Entfaltung von Daten ist, was immer sie ist. Ob Horrorshow oder wunderschönes Märchen ist für offene Intelligenz, in der alles erscheint, unerheblich. Wahrnehmungen verändern zu wollen und zu denken, dass sie von einer bestimmten Qualität sein müssten, führt zu noch mehr Dualität. Natürlich sperrt sich der normale Verstand dagegen. „Wie können moralische und unmoralische Auffassungen gleichwertig sein? Wie können antisoziales und soziales Verhalten gleichwertig sein?‖ Doch die Weisheit des klaren Geistes muss nicht alles in eng begrenzte Kategorien unterteilen, die der Verstand begreifen kann. Die natürliche Aktivität des klaren Geistes bleibt entspannt, ungeachtet aller Erscheinungen. Alle Geschehnisse gleichen einer endlosen, lichterfüllten Explosion des Weisheitsgeistes. Wie man diese Erscheinungen auch beschreibt, sie sind allesamt in gleicher Weise frei und offen. Sie sind unteilbar von offener Intelligenz und haben weder Anfang, Mitte noch Ende. Als ich heute Morgen meine Haare föhnte, fiel mir auf, wie der Fön die Luft von hinten ansaugt, sie aufwärmt und dann vorne wieder hinausbläßt. Wenn der hintere Teil blockiert ist, kann die Luft nicht ungehindert durchfließen, und der Apparat würde überhitzen und schmelzen. So etwas Ähnliches passiert, wenn wir unsere Wahrnehmung schulen, sich auf Daten zu konzentrieren, anstatt auf die Offenheit zu vertrauen, in der die Daten erscheinen. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf alles richten, was erscheint, und all dies zu definieren

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versuchen, werden der natürlich vorhandene, Lebenspendende Fluss weit offener Intelligenz und der unaufhörliche Fluss gewaltiger Liebes- und Weisheitsenergie blockiert. Auf diese Weise wird der moderne Verstand trainiert. Wir brauchen uns nicht zu bemühen, um mit offener Wahrnehmung vertraut zu werden. Wenn wir wiederholt Körper und Geist entspannen, beginnt offene Wahrnehmung, die unsere wahre Natur ist, auf natürliche Weise zu fließen, und wir entdecken spontan auftretende, elementare Güte, Herzlichkeit und Mitgefühl. Mit offener Wahrnehmung betrachtet man Daten nicht als etwas Separates. Es gibt nichts als unteilbare offene Intelligenz, die sich gleichsam als Betrachter, Betrachten und Betrachtetes manifestiert. Der Wahrnehmende ist unteilbar von der Wahrnehmung und dem Prozess des Wahrnehmens. All dies sind bloß Erscheinungsformen offener Intelligenz. Wir schulen uns im Glauben, es gäbe einen separaten Beobachter. Wenn wir jedoch unerschütterliche offene Intelligenz aufrechterhalten und Vertrauen in sie erlangen, brauchen wir uns über keine dieser philosophischen Auffassungen Gedanken zu machen. Wir entspannen uns und belassen offene Intelligenz so, wie sie ist, und alle Fragen werden beantwortet. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, suchen wir nicht nach offener Intelligenz, sondern wir sind einfach so, wie wir sind. Wenn das, was sucht, sich selbst sucht und meint, sich anderswo zu finden, wird alles ganz schön verwirrend! Vertraue nur auf offene Intelligenz, auf die Quelle des Suchens. Diese nackte offene Intelligenz wird nie durch Erscheinungen abgelenkt. Allzeit leere offene Intelligenz ist der Urgrund aller Dinge. Alle in allzeit leerer offener Intelligenz auftretenden Daten sind bereits vollkommen entspannt, da sie nichts als reine offene Intelligenz sind, klar wie der Himmel. Keinerlei Bemühungen sind notwendig, um als die Essenz dessen zu ruhen, was sucht. Wenn du als das ruhst, was sucht, wirst du recht bald erkennen, dass das, was sucht, nicht auf dich begrenzt ist. Es sitzt nicht unter deiner Haut. Wir reden hier von offener Intelligenz, und offene Intelligenz kennt keine Grenzen. Sie ist die reine Intelligenz der Natur, des Universums und aller Dinge, die darin enthalten sind. Offene Intelligenz ist kein Objekt, nach dem man suchen muss. Es ist immer als die Suche selbst da. Wenn wir uns dessen einfach erfreuen, ohne zu suchen und ohne die Erscheinungen zu beschreiben, dann entdecken wir, dass diese reine Wahrnehmung – welche frei ist von einem separaten Betrachter oder einem betrachteten Datum – überall zeitlos präsent ist. Doch wenn wir weiterhin unsere Aufmerksamkeit auf Daten richten, verstricken und verheddern wir uns immerzu in den Bezeichnungen und den Wörterbuchdefinitionen der Dinge. Wir müssen uns andauernd davon überzeugen, dass das Leben sinnvoll ist, indem wir eine endlose Kette von Wörtern aneinanderreihen. Aber jedes Wort im Wörterbuch ist eine bestimmte Definition von etwas, das eigenständig existiert – etwas Festgelegtes, Stabiles und Solides, das von allem anderen getrennt werden kann und das verlässlich ist. Doch wenn alle diese scheinbar festgelegten und stabilen Dinge in einen

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Teilchenbeschleuniger gelegt würden, fänden wir heraus, dass sie nur aus Raum bestehen. Raum ist die eine Grundrealität, die alle Dinge gemeinsam haben. Die unvollständigen Wörterbuchdefinitionen sind daher nicht nur irreführend, sie können uns weder etwas über unseren ursprünglichen Zustand noch über irgendeinen Zustand sagen! Solange der grundlegende Aspekt der definierten Phänomene fehlt, ist die Definition unvollständig und ungenau. Wir können diese Situation bereinigen, indem wir jedem Wort im Wörterbuch die absolute Bedeutung hinzufügen, die lautet: „Die reine Präsenz unteilbarer und bewusster natürlicher Intelligenz, dynamisch und unbeschränkt, ohne eigenständige Realität.‖ Wenn wir diese Redewendung allen Wörterbuchdefinitionen hinzufügen, dann fangen wir langsam an zu verstehen, was die Dinge wirklich sind. Jedes Wort im Wörterbuch hat infolgedessen zwei Aspekte: Den Aspekt der Beschreibung oder des Etiketts und seinen allzeit leeren, allzeit präsenten und klaren Aspekt - die bewusste Intelligenz, auf dem alle Dinge beruhen. Diese zwei zusammen machen auf untrennbare Weise allzeit leere offene Intelligenz aus, die sich als alles durch uns Wahrnehmbare manifestiert. Mit anderen Worten, es gibt keine Dualität! Offene Intelligenz ist unsere wahre Natur, und um diese Natur auf maßgebliche Weise in jedem Moment zu erfahren, ist vollkommen offene Wahrnehmung bei allem Erlebten notwendig. Wenn wir einfach immer und immer wieder davon hören, wird Gewissheit darüber erwachen. Wir brauchen nichts anderes. Während wir uns entspannen, entdecken wir, dass unsere Wahrnehmung auf natürliche Weise lockerer und immer offener und freier wird. Alle Erscheinungen werden dann als untrennbar von ruhender Offenheit gesehen. Nachdem wir so viele Jahre in konstanter Angst gelebt haben, weil wir unsere Aufmerksamkeit auf diese vorübergehenden Daten gerichtet haben, wird die Leichtigkeit eine willkommene Entdeckung sein. Wenn man erst einmal, wenn auch nur für einen Moment, vollkommene mentale Entspannung gekostet hat, wird der Geist ganz natürlich immer wieder zu dieser Erleichterung zurückkehren. Kurze Momente, viele Male wiederholt, werden kontinuierlich. Frage: Wir alle machen jeden Tag die ganz reale Erfahrung der unterschiedlichen Aspekte von Glücklich sein und Traurigkeit, Gut und Böse, Positivem und Negativem. Daher finde ich es sehr schwierig, mich mit der Idee anzufreunden, dass alle Dinge gleich sind, weil das einfach nicht meiner persönlichen Erfahrung entspricht. Bitte erkläre noch einmal, wieso alle Dinge gleich sind. Antwort: Alle Dinge sind letztendlich gleich, weil alle Dinge die gleiche unwandelbare Essenz haben. Der elementare Raum des Geistes ist immer von vollkommener Gleichheit und Gleichmäßigkeit, und alle darin erscheinenden Dinge bestehen einzig und allein aus diesem Elementarraum. Offene Intelligenz ist die Wirklichkeit, wohingegen die in ihm auftauchenden und verschwindenden inneren und äußeren Phänomene wie die Bilder in einer Fata Morgana sind. Ob wir die Bilder als gut oder schlecht, schmerzlich oder angenehm bezeichnen,

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verändert nichts an ihrem trügerischen Wesen. Die ihnen allen zugrundeliegende Realität ist dieselbe. Wir alle haben bemerkt, wie sich mit den Jahren unser Spiegelbild im Einklang mit unserer körperlichen Erscheinung verändert. Doch die meisten von uns haben auch die Erfahrung gemacht, dass sich das, was das Spiegelbild betrachtet, niemals ändert. Mein Spiegelbild hat sich mit den Jahren verändert. Das Gesicht eines jungen Mädchens hat sich nun in ein Gesicht mit Falten und grauem Haar verwandelt, doch das, was wahrnimmt, bleibt von all diesen körperlichen Veränderungen unberührt. Das Gesicht ist anders, doch der Kern meiner Identität ist immer gleich geblieben. Wenn wir das Gleichgewicht und die Unwandelbarkeit dessen erkennen, was wahrnimmt, können wir die Gedanken und Erscheinungen kommen und gehen lassen, ohne sie benennen oder ihnen Bedeutung beimessen zu müssen. Unsere Lebensenergie schwindet dahin, wenn wir an der Wichtigkeit von etwas festhalten, das nichts als eine Erscheinung in offener Intelligenz ist. Ganz gleich ob wir eine mentale Erscheinung als Ärger oder Freude bezeichnen, beide sind aus demselben Elementarraum gemacht. Wenn wir meinen, dass es gute und schlechte Dinge gibt, verlassen wir die völlig unkomplizierte, große Gleichheit und begeben uns in den Bereich von Trennung und endloser Komplexität. Wenn wir Gedanken und Emotionen eine eigenständige Bedeutung beimessen, übersehen wir die unwandelbare Grundlage all dieser Gedanken. Wir nehmen ihre Präsenz einfach nicht wahr. Wenn wir grenzenlose offene Intelligenz entdecken, sehen wir, dass alle Erscheinungen ihren Ursprung darin haben. Dann wird die Gleichheit aller Dinge offensichtlich. Wenn du mit deinem Finger die Worte „Angst‖ und „Glück‖ in die Luft schreibst, besteht dann wirklich Angst oder Glück? Beide sind bloß Luft und Raum und sind vollkommen gleichwertig. Auf den Elementarraum offener Intelligenz zu vertrauen, bedeutet, alles Erlebte vollkommen offen wahrzunehmen. Es bedeutet völlige Gelassenheit, ohne sich an etwas klammern oder es fortdrängen zu müssen. Es bedeutet, nicht zu versuchen, das Unbeschreibbare zu beschreiben oder zu definieren. Offene Intelligenz offenbart sich überall als eine ungeteilte nonduale Weite. Man braucht nicht darüber nachzudenken, damit herumzuspielen oder ein philosophisches Buch darüber zu schreiben. Es ist total simpel. Unsere Identität könnte wirklich nicht einfacher sein! Durch zeitlos freie offene Intelligenz wissen wir, dass wir existieren. Ohne offene Intelligenz wüssten wir nicht einmal, dass wir da sind. Wo sollte man es suchen, und wer wäre der Suchende, da beides Datenoffener Intelligenz sind? Wenn man sagt, man sei auf der Suche nach offener Intelligenz, entfernt man sich davon, denn offene Intelligenz ist das, was wahrnimmt. Falls wir uns Sorgen über das Abnehmen der natürlichen Ressourcen auf dem Planeten machen, dann müssen wir die allerwichtigste natürliche Ressource erkennen – offene Intelligenz – und darauf vertrauen. Dank der Kraft offener

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Intelligenz, ihrer Weisheit, Klarsicht und ihrer meisterlichen Fertigkeiten können wir sodann beginnen, die vielen Probleme zu lösen, die sich durch den Raubbau an den natürlichen Ressourcen der Erde ergeben haben. Wenn wir auf Weisheit bauen, sind wir auf natürliche Weise uns und allen Wesen von Nutzen und setzen dies in unmittelbarer Art und Weise um. Persönliche Geschichten über Dinge, die uns früher einmal geplagt und aufgeregt haben – Geschichten über Angst, Verärgerung, Eifersucht, Stolz oder Verlangen – können uns immer weniger und schließlich gar nichts mehr anhaben. Wir haben Geschichten erzählt, die auf Ursache und Wirkung basieren: „Ich bin verärgert, weil...‖ oder „Ich bin eifersüchtig, weil...‖. Doch nun erkennen wir, dass wir etwas sind, das jenseits von Kausalität ist. Wo sind jetzt all diese Ursachen und Wirkungen geblieben, da es einfach nur entspannte offene Intelligenz gibt? Wo einst eine Geschichte war, ist jetzt keine Geschichte mehr. Bei den meisten stellt sich dies nach und nach ein. Wenn wir weiterhin bei allem Erlebten auf offene Intelligenz vertrauen, verschwinden beunruhigende Zustände, die uns früher einmal aufgeregt hätten, nach und nach von selbst wie die Flugbahn eines Vogels am Himmel. Wir verbleiben wie der Himmel – stets frei. Frage: Ich hege große Zweifel an meiner Fähigkeit, diese Art von offener Wahrnehmung haben zu können, die du beschreibst. Ich habe einen sehr stressigen Job mit viel Erfolgsdruck und hoher Verantwortung und arbeite jeden Tag von früh bis spät. Wenn ich mich einfach so entspannen würde, wie du es beschreibst, könnte ich meinen Job nie erledigen. Antwort: Deine eigenen Lebensumstände bilden immer die perfekte Gelegenheit, um auf offene Intelligenz zu vertrauen, egal welcher Art sie sind. Ob du einen sehr stressigen Job hast oder nichts tust, wie immer deine Daten auch aussehen mögen, sie bilden die perfekte Gelegenheit, um auf offene Intelligenz zu vertrauen. Das weiß ich ohne jeden Zweifel. Du musst allerdings gewillt sein, Vertrauen auf offene Intelligenz in deinem Leben zur Priorität zu machen und im Verlauf des Tages hier und da einige Augenblicke finden, dies zu praktizieren. Jeder kann das, ganz gleich was man tut. Du musst dich nur dazu entschließen. Auf lange Sicht gesehen werden diese wenigen Augenblicke offener Intelligenz dich in deinem Job viel effizienter, produktiver und in jedem Bereich deines Lebens erfolgreicher machen. Wenn du fortfährst, für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen, wirst du schon bald auf offene Intelligenz vertrauen, ohne dies aktiv zu versuchen. Die meisten Menschen machen allmähliche Fortschritte. Ganz gleich wie viel Zweifel, Zynismus oder Skeptizismus du im Moment hegen magst, wenn du weiter jeden Tag auf offene Intelligenz vertraust, kann ich dir garantieren, dass du schließlich zu mir kommen und sagen wirst: „Ich hätte nicht gedacht, dass mir das je passieren würde, doch es ist passiert!‖Vertrauen auf offene Intelligenz ist eine rasche und zuverlässige

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Methode. Lass dich nicht zu der Auffassung verleiten, du bräuchtest irgendetwas anderes. Selbst wenn dein Tag voller stressiger Aktivitäten ist, denke daran, dass dein ganzes Leben eine freifließende Erscheinung offener Intelligenz ist. Dieser Grundzustand ist allzeit präsent und ist sich jederzeit der stressigen Aktivitäten bewusst. Weite Offenheit ist die wahre Natur deines Geistes; sie ist nie etwas anderes. Es ist von höchster Dringlichkeit, dass du das über dich weißt. Reduziere deine Identität nie auf profane Vorstellungen. Unser menschliches Wesen ist höchst einfach. Heutzutage gibt es sehr viele Menschen, die das realisieren können. Zu anderen Zeiten ist es Menschen nicht ganz so leicht gefallen, diese Botschaft zu verstehen, aber heute schon. Offene Intelligenz ist vollkommene Liebe, große Herrlichkeit und außergewöhnliche Energie, ohne von irgendwas und irgendwem getrennt zu sein. Kraft unseres Grundzustandes sind wir grenzenlos und frei von Angst. Weder negative noch positive Geisteszustände müssen verteidigt oder geschützt werden, denn ihr Ursprung ist offene Intelligenz, und offene Intelligenz kann nichts geschehen. Selbst das eigene Leben braucht nicht beschützt zu werden, weil das, was du bist, nicht von einem Leben abhängt. Du selbst bist die ewige Essenz des Lebens. Entwickle einfach großen Enthusiasmus fürs Vertrauen auf offene Intelligenz und halte auf heitere, fürsorgliche und entspannte Weise durch. Kurze Momente, viele Male wiederholt, werden dich weiterbringen.

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ENTSCHEIDUNGSFINDUNG OHNE ENTSCHEIDUNGSPROZESS KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

„Falls es dir also schwer fällt, Entscheidungen zu treffen, frage dich Folgendes: ‚Welche Entscheidung wird mir und vielen anderen den größten Nutzen bringen?’ Das ist eine einfache und gradlinige Richtlinie, um Entscheidungen zu treffen.”

Viele Menschen mühen sich lange ab, bevor sie Entscheidungen treffen, indem sie sich jede mögliche Alternative vorzustellen versuchen. Sie quälen sich selbst, indem sie sich alle möglichen Szenarien vorstellen, was falsch laufen könnte, und tadeln sich dann für ihre Unentschlossenheit. Da ist es doch gut zu wissen, dass Gedanken und Emotionen überhaupt nicht zur Entscheidungsfindung benötigt werden! Gedanken und Emotionen bilden eine sehr begrenzte Grundlage für gute Entscheidungsfindung und sind nur ein kleiner Teil unseres Potenzials. Wenn wir ein Rezept für einen wundervollen Kuchen haben, aber nur einige der benötigten Zutaten verwenden, dann wird kein Mensch unseren Kuchen essen wollen! Wenn mansich nur auf seine Gedanken und Emotionen verlässt, ist das gewissermaßen so, als nähme man nur einen Teil der benötigten Zutaten, um eine gute Entscheidung zu treffen. Haben wir denn nicht bemerkt, wie unser zwanghaftes Nachdenken und Emotionalisieren funktionieren? „Oh nein, ich muss eine Entscheidung treffen. Ist dies die richtige Entscheidung oder hätte ich die andere Alternative wählen sollen?‖ Im Anschluss an unsere Entscheidung herrscht dann wieder das große Grübeln mit entsprechenden Emotionen: „Tue ich wirklich das Richtige? Wird das gut für mich ausgehen?‖ Die Auffassung, dass wir andauernd über alles nachdenken müssen, um zu einer Schlussfolgerung zu gelangen, ist lediglich eine Angewohnheit. In der vollkommenen Gelassenheit, die durch Aufrechterhalten von offener Intelligenzentdeckt wird, liegt eine Weisheit, die in sich nicht-konzeptionell, nutzbringend und absolut vollkommen ist. Je mehr wir auf offene Intelligenz vertrauen, desto klarer wissen wir, dass wir all unsere Gedanken und Emotionen nicht bis ins Detail zu kontrollieren brauchen. Wir können nicht planen, was passieren wird. Genau genommen ist das Einzige, worauf wir zählen können, unsere Unwissenheit über zukünftige Geschehnisse! Wozu sich also so viele Gedanken über zukünftige Geschehnisse machen? Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen und der natürlichen Ordnung der Dinge zu vertrauen beginnen, haben wir Einsichten, die sich wahrlich lohnen. Sie unterscheiden sich von den Ideen, die wir zuvor hatten. Es sind weise

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Einsichten. Je mehr wir auf offene Intelligenz vertrauen, desto mehr vertrauen wir dieser Weisheit. Unsere Entscheidungen sind dann im Einklang mit der natürlichen Ordnung der Dinge und alles ist auf mühelose Weise einfach so, wie es ist. Früher habe ich mich auch mit Entscheidungen abgemüht, aber jetzt nicht mehr. Frage: Ich habe eine Erkrankung, die viele Entscheidungen über medizinische Behandlungen mit sich bringt, und bin mir sehr unsicher, wie ich die richtigen Entscheidungen treffen soll. Wie kann ich das, was du sagst, auf praktische Weise anwenden, um diese äußerst wichtigen Entscheidungen zu treffen? Antwort: Wenn wir geübter im Vertrauen auf offene Intelligenz werden, entdecken wir, dass wir in allen Situationen entspannt sein können. Wir wissen mit jeder Situationen umzugehen. Heutzutage stehen uns sehr unterschiedliche Auswahlmöglichkeiten offen, wie wir unser Leben gestalten wollen, und zudem eine große Auswahl an gesundheitlichen Alternativen. Wenn eine Entscheidung über eine Behandlungsmethode gefällt werden muss, entscheidet sich der eine, zu einem Arzt zu gehen, ein anderer einen ayurvedischen Fachmann aufzusuchen, während ein dritter vielleicht einen Ernährungsfachmann konsultiert. In manchen Ländern geht man vielleicht zu einem Schamanen oder Heiler. Bei einem Notfall macht der eine vielleicht unzählige Telefonate, um den Notfalldienst zu alarmieren, während sich ein anderer entscheidet, überhaupt niemanden um Hilfe zu rufen. Wie dem auch sei, all das ist völlig in Ordnung. All das geschieht in, von, als und durch dieselbe unveränderliche, unwandelbare offene Intelligenz. Im Fall einer Erkrankung kann man sich entscheiden, keinerlei Eingriffe durchführen zu lassen. Ich kenne verschiedene Menschen, die eine sehr beängstigende Diagnose erhielten, sich aber gegen jede Art von invasiver Behandlung entschieden. Ich denke da insbesondere an eine Frau, die mit Krebs diagnostiziert wurde und sich gegen jede Art von medizinischer Behandlung entschied. Während ihres letzten Lebensjahres sah sie alle ihre Kinder und nahm am Vorabend ihres Todes mit einem ihrer Söhne eine Mahlzeit ein. Sie wollte ihm sagen, wie dankbar sie sei, dass er ihr Sohn ist, und dass sie ein wundervolles Leben miteinander geteilt hatten. Am nächsten Tag war sie tot. Sie wusste, dass sie Alternativen hatte. Diese Entscheidungen ergaben sich aus ihrer Selbstkenntnis und der umfassenden Entspanntheit mit ihrer menschlichen Natur. Daher konnte sie genau sehen, welche Vorgehensweise die richtige für sie war. Das liegt im Ermessen jedes Einzelnen. Keiner kann sagen, welche Vorgehensweise die richtige für uns ist. Wenn wir tiefgehend auf offene Intelligenz vertrauen, haben wir eine Fülle von Auswahlmöglichkeiten und können, statt nur eine Option zu sehen, alle Optionen sehen. Wenn wir unsere wahre Identität vollkommen anerkennen, wird es uns leicht fallen, so zu handeln wie die Natur. Schließlich sind wir Natur – die

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menschliche Natur – und wir sind auf profunde Weise an der offenen Intelligenz beteiligt, welche vollkommen ruhig und gelassen ist. Selbst Chaos, Verwirrung und Krieg erscheinen und verschwinden in der natürlichen Ordnung. Wenn wir in allen Situationen vollkommene mentale Ruhe bewahren, agieren wir wie die Natur und sind in Einklang mit der natürlichen Ordnung der Dinge. Die offene Intelligenz, die durch uns sieht, berührt, schmeckt und empfindet, ist ungeachtet der emotionalen oder physischen Zustände immer entspannt. Alle Entscheidungen, die unser Leben betreffen, sind perfekt, und wir handeln mit völliger Gelassenheit. Wenn ich im Westen über Ruhen oder Gelassenheit spreche, denken die Leute oft, dass dies Faulenzen bedeutet, doch das ist nicht gemeint. Die Gelassenheit unserer ureigenen offenen Intelligenz führt zu klugem Handeln. Menschen, die auf offene Intelligenz vertrauen, ohne dies zu forcieren, haben immens viel Energie, Liebe und Weisheit, die überall Benefit verbreiten. Körper und Geist dienen nur einem Zweck – uns selbst und anderen von Nutzen zu sein. Aus dieser inneren Gelassenheit heraus begegnen wir uns und anderen auf eine natürliche und freundliche Weise. Falls es dir also schwer fällt, Entscheidungen zu treffen, frage dich Folgendes: „Welche Entscheidung wird mir und vielen anderen den größten Nutzen bringen?‖ Das ist eine einfache und gradlinige Richtlinie, um Entscheidungen zu treffen. Frage: Beginnen wir andere Entscheidungen zu treffen, wenn wir mehr auf offene Intelligenz vertrauen? Antwort: Dazu werde ich dir etwas aus meinem eigenen Leben erzählen. Ich bin verheiratet und habe Kinder und Enkelkinder. Ich habe also zumindest teilweise ein Familienleben geführt. Doch vor zehn Jahren fasste ich dann den Entschluss, allein in einem Haus in einer Kleinstadt in Kalifornien zu leben. Das ergab sich ganz natürlich, da ich mein Leben mehr und mehr dem Wohl aller widmete, und das Balanced ViewTraining mein Hauptanliegen wurde. Ich habe vollkommene, liebevolle und wunderbare Beziehungen mit allen Mitgliedern meiner Familie, einschließlich meines Mannes. Alle Beziehungen sind besser denn je. Es hat sich einfach so ergeben, dass ich ein anderes Leben zu führen begann. Alles ist einfach, wie es ist, und man muss sich über nichts Gedanken oder Sorgen machen – alles geschieht ganz natürlich. Frage: Es fällt mir sehr schwer, Entscheidungen zu fällen, und ich finde die Periode der Entscheidungsfindung sehr stressig. Ich bin auch gestresst, wenn ich mich auf etwas vorbereiten muss, wobei meine Leistung beurteilt wird – bei einer Rede vor anderen Leuten beispielsweise. Kannst du mir diesbezüglich einen nützlichen Rat erteilen? Antwort: Unsere naturgegebene Art zu sprechen ist völlig ungezwungen und erfordert kein Studium und keine Vorbereitung. Alles geschieht auf völlig

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entspannte Weise. Das erfahren wir, indem wir einfach auf offene Intelligenz vertrauen, ganz gleich was geschieht. Wenn wir uns allerdings mit einer persönlichen Identität identifizieren, arbeiten wir wahrscheinlich tagelang an einer Rede, lesen mehrere Bücher durch und verbringen beim Nachschlagen von Einzelheiten viele Stunden im Internet, um sicherzustellen, dass sie alles enthält. Wir sind so nervös, dass wir in der Nacht vor der Rede kaum schlafen, weil wir darüber nachdenken, was sonst noch in der Rede vorkommen sollte! Stürze dich also nicht in ein Szenario, bei dem deine Identität auf einer Ansammlung deiner Gedanken, Emotionen, Erlebnisse und Vorstellungen basiert. Falls du dich einfach entspannen kannst, hast du großes Glück, denn das bedeutet, dass du bereits maßgebliche Offenheit erfahren hast. Dadurch kannst du dich entspannen und musst dich nicht auf deinen Verstand verlassen. In dieser Offenheit verfügst du über ein besseres Verständnis. Dann brauchst du dich nicht aufzuregen und dir wegen all der Reden Sorgen zu machen, die du vielleicht noch zu geben hast. Die herkömmliche Denkweise bewertet intellektuelle Fähigkeiten sehr hoch. Wenn jemand demonstrieren kann, dass seine intellektuellen Fähigkeiten höher sind als die der anderen, dann gehört er zur Spitze! Aber wenn wir mit dem vertraut werden, was wir wirklich sind, dann sind intellektuelle Fähigkeiten ein geringer Lohn, verglichen mit der lebenswichtigen Kenntnis ursprünglicher offener Intelligenz. Das andauernde Streben nach intellektuellem Können ist ein Beweis für die Unfähigkeit, sich zu entspannen. Wenn aber vollkommenes Vertrauen in offene Intelligenz vorherrscht, ergeben sich klare Sprache und klares Handeln, ohne auf Denken zurückgreifen zu müssen. Der Wohlklang und der Tanz offener Intelligenz erscheinen ganz von selbst. Daraus strömen die erhabensten Worte hervor, so dass man Gedanken in keine bestimmte Form oder Sprache pressen muss. Das heutzutage so hochgeschätzte intellektuelle Können wird in makelloser Weisheit überflüssig. Entspanne dich völlig. Auch wenn du dazu neigst, alles intellektuell zu hinterfragen, zu untersuchen und darüber zu spekulieren, entspanne dich als der Kern all dieser intellektuellen Spekulationen. Je nach Situation hast du gewisse Gedanken, Emotionen und Erlebnisse. Das ist an sich kein Problem. Ob du die Dinge intellektuell analysierst, oder ein sehr gefühlsbetonter Mensch bist – alles ist die magische Entfaltung offener Intelligenz. Frage: Bereitest du dich denn auf deine Vorträge vor oder improvisierst du einfach? Antwort: Nein, ich plane nicht, was ich sagen werde. Die Worte sind ein Ausdruck des dynamischen Benefits und der vollkommenen Empfänglichkeit für alles, was hier und jetzt geschieht. Es besteht keine Notwendigkeit, etwas auswendig zu lernen, zu studieren, einen Entwurf zu machen, nervös zu werden oder sich zu fragen, was die Leute davon halten werden. All das ist unnötig.

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Uns wird beigebracht, dass wir viel lernen und uns externes Wissen einverleiben müssen, um klug zu sein oder uns gut ausdrücken zu können. All diese Aktivitäten werden mit der Idee einer persönlichen Identität in Zusammenhang gebracht, die all diese Dinge tut. Die persönliche Identität ist lediglich ein herkömmlicher Glaubenssatz. Bei näherer Betrachtung können wir nicht wirklich nachweisen, dass sie eine eigenständige Existenz besitzt. Das ist eine riesige Erleichterung, denn wenn wir diese persönliche Identität nicht länger füttern müssen, können wir uns einfach entspannen und diese Erleichterung genießen. Wir haben bereits alles, was wir brauchen – Denkvermögen, Weisheit, Wissen und Sprachvermögen – all diese Dinge sind bereits präsent. Frage: Ich stimme wirklich mit dem überein, was du vorhin über zu vieles Nachdenken gesagt hast. Ich gehöre zu den Menschen, die immer alles intellektuell begreifen müssen. Antwort: Falls du ein großer Denker bist, entspanne dich einfach! Die Menschheit erkennt jetzt, dass unser Denken zu vielen Problemen geführt hat. Wir haben in unserem eigenen Lebensraum viele Probleme geschaffen, und obwohl wir viele wohlüberlegte Problemlösungen gefunden haben, scheinen doch viele weiterhin unüberwindbar. Bedeutet dies, dass wir sie nicht lösen können und dass wir zum Aussterben verdammt sind? Nein, das bedeutet es nicht. Es bedeutet vielmehr, dass ein Wandel notwendig ist, eine Verlagerung von primitivem Denken zu einer Vertrautheit mit offener Intelligenz, die zwar das Konzept von Ursache und Wirkung miteinschließt, aber selbst stets unberührt von Kausalität bleibt. Offene Intelligenz ist die alleinige Ursache und die alleinige Wirkung. Diese Intelligenz weiß, dass alle Ursachen unverursacht sind. Wenn du mit diesen Ideen über Ursache und Wirkung herumspielst und nicht weißt, dass alle Ursachen unverursacht sind, dann führen deine Bemühungen im Grunde genommen nirgendwo hin. Das ist die Katastrophe, der wir als Menschen heute gegenüber stehen. Es ist eine innere Katastrophe und eine Katastrophe für uns als Spezies. Viele Leute denken: „Okay, also Weisheit, das ist etwas, worüber ich scharf nachdenken muss. Ich muss mindestens drei Universitäten besuchen und meinem Namen jede Menge Titel voranstellen: B.A., Ph.D., M.D. und vielleicht noch B.S.‖ Wir streben weiter auf diese Art nach Weisheit, weil wir keinen anderen Wegkennen. Doch durch diese Denkweise erreichen wir nur „herkömmliche Weisheit‖. Das ist ein Wissen, dass auf Daten basiert, aber sicherlich keinesfalls echte Weisheit. Wollen wir uns mit diesen intellektuellen Errungenschaften identifizieren, oder wollen wir auf die Weisheit vertrauen, die in der Natur selbst verwurzelt ist und die durch ungezwungeneEntspanntheit erschlossen wird? Es gibt viele Leute, die in ständiges Nachdenken verwickelt sind – und obendrein noch über das

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nachdenken, was sie gedacht haben! Diese Art des Denkens ist in Wirklichkeit ein Hindernis. Wenn man völlig entspannt ist, gibt es keine großen Entscheidungen mehr. Wisst ihr, was große Entscheidungen sind? Das sind Entscheidungen, die viel Nachdenken, Emotionalität, Stimmungsumschwünge und Zweifel bei der Entscheidungsfindung mit sich bringen. Wenn hingegen völlig aufgeschlossene Gelassenheit bezüglich aller Erscheinungen herrscht, verschwinden unnötiges Denken und Emotionalität gewissermaßen aus unserem Leben und werden überflüssig. Vertrauen auf offene Intelligenz besitzt ungeheure Kraft, Energie, Stärke und Kreativität. Der menschliche Intellekt bekommt eine nie da gewesene, geistige Kraft. Wenn sich der Verstand im suboptimalen Zustand befindet und alles aussortiert und zu deuten versucht, wird er völlig entkräftet, denn sein natürlicher Zustand wird nicht erkannt. In aufrechterhaltener offener Intelligenz liegt eine ungeheure intellektuelle und emotionale Kraft, und damit die Kraft, uns und anderen von Nutzen zu sein. Das ergibt sich ganz natürlich, wenn man für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraut.

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DIE EIGENSCHAFTEN OFFENER INTELLIGENZ KAPITEL DREIUNDZWANZIG

„Jeder hat offene Intelligenz. Sie gehört keiner Kategorie, Institution, Philosophie oder Religion an und hat niemals einem Land oder einer Person gehört. Sie ist ein großer Schatz, der allen gleichermaßen zusteht. Wir können entweder damit vertraut werden oder weiterhin in der Armut von Daten leben.”

Der natürliche Zustand des menschlichen Geistes ist allzeit vollkommen klar und entspannt. Er ist von Natur aus offen und erfüllt von offener Intelligenz. Dieser klare Geist registriert unterschiedliche Eindrücke, die man Gedanken nennt. Die meisten Menschen lernen, dass der Geist aus diesen Gedanken besteht, und schenken ausschließlich ihnen Aufmerksamkeit. Wir lernen jedoch nie etwas über das vollkommen entspannte, klare, stabile, erkenntnisreiche und meisterhafte Wesen unseres Geistes selbst. Die meisten von uns wissen nicht einmal, dass es diese klare mentale Grundlage gibt. Selbst wenn wir etwas über offene Intelligenz hören, sind wir derart von unseren Fehlern überzeugt, dass wir nicht daran glauben können. Falls wir zumindest theoretisch daran glauben können, meinen wir dennoch, dass dies unmöglich auf uns zutreffen könnte! Das liegt daran, dass wir uns geschult haben, jedem einzelnen Gedanken Beachtung zu schenken und zu glauben, dass diese Gedanken unsere Identität definieren. Trotz aller Versuche sind wir nicht in der Lage, die negativen Gedanken vollends loszuwerden. Wir halten unsere Identität für die Summe all unserer Gedanken und Erlebnisse, die wir im Laufe unseres Lebens gehabt haben, und für die meisten von uns ergibt sich daraus ein eher zwiespältiges Bild. Wenn wir der Ansicht sind, eine Ansammlung all unserer Gedanken und Daten zu sein, fühlen wir uns wie ein Tischtennisball bei einem Schlagabtausch. Einem Gedanken folgt umgehend der nächste, und immerzu suchen wir nach besseren Gedanken und wollen die unangenehmen vermeiden. Wir suchen bessere Emotionen und bessere Erlebnisse und wollen die bitteren vermeiden. Doch das gelingt uns nicht auf Dauer, weil es nicht gelingen kann. Wie wir sicherlich inzwischen erkannt haben, besitzen Gedanken und Erlebnisse ein Eigenleben. Auch wenn wir unser ganzes Leben lang versuchen, sie zu zähmen und zu kontrollieren, können wir auf diese Weise kein dauerhaftes Glück finden. Wahres Glück kann einfach nicht gefunden werden, indem man versucht, das Unkontrollierbare kontrollieren zu wollen. Anstatt sich von Gedanken und Emotionen beherrschen zu lassen und sie zähmen zu wollen, ist es viel besser, sich zu entspannen und unser wachsendes Vertrauen in stabile offene Intelligenz zu genießen. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, entdecken wir, dass wir bereits heil und vollkommen sind und es immer waren. Wir entdecken die Leichtigkeit des Seins, die vom Inhalt

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des Geistes unbeeinflusst ist. Offene Intelligenz aufrechtzuerhalten, bedeutet, von der Identifikation mit den Gedanken, die wie ein Pingpongball hin- und herspringen, abzulassen und die zugrundeliegende Basis offener Intelligenz zu entdecken. Beim Vertrauen auf offene Intelligenz gibt es nichts zu suchen und niemanden, der sucht. Wenn du meinst, es gäbe jemanden, der etwas sucht, wirst du immerzu auf einen sich stetig weiter entfernenden Horizont blicken. Zu suchen und sich zu bemühen, ist so ähnlich, wie in einem Hamsterrad herumzurennen und zu hoffen, eines Tages den Horizont zu erreichen. Falls du dich also für einen Suchenden hältst, entspanne dich einfach. Blas die Suche ab und vertraue einfach für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz. Der Suchende und das Gesuchte erscheinen und verschwinden innerhalb der perfekten Stabilität offener Intelligenz - ihrem gemeinsamen Ursprung. Es gibt gewisse Formen von Weisheit, die erlernt werden können, indem man viele Daten zusammenfügt, beispielsweise beim Studium eines wissenschaftlichen Fachgebietes. Doch tiefgründige, das Wesen aller Dinge kennende Weisheit, geht darüber hinaus. Tiefgründige Weisheitskraft erfordert weder Lernen noch Studium. Sie erfordert weder eine gekünstelte Art des Denkens, Handelns oder Sprechens, noch muss man bestimmte Arten von Gedanken, Emotionen oder Erfahrungen ansammeln, um weise zu sein. Sie steht über der Plackerei des Denkens und wird nicht beim Lesen eines philosophischen Buches geboren. Sie benötigt keine Meinungen, und muss weder etwas beweisen, noch für oder gegen etwas argumentieren. Sie sieht alles wahrlich so, wie es ist, und ruht in vollkommenem Frieden und Gleichmut. Sie besitzt erstaunliches Klarsichtsvermögen und enorme Energie, um sich selbst auf meisterliche Weise in die Tat umzusetzen. Die tiefgründige Weisheit offener Intelligenz hat ihren eigenen natürlichen Moralkodex und eine eigene Ethik und benötigt kein Regelwerk. Wenn wir auf die Weisheit offener Intelligenz vertrauen, sind unsere Handlungen auf natürliche Weise liebevoll und hilfreich. Da wir alles durchdringende offene Intelligenz entdeckt haben, identifizieren wir uns nicht mehr so sehr mit unseren individuellen Bedürfnissen, sondern sind in zunehmendem Maße allen von Nutzen. Jeder hat offene Intelligenz. Sie gehört keiner Kategorie, Institution, Philosophie oder Religion an und hat niemals einem Land oder einer Person gehört. Sie ist ein großer Schatz, der allen gleichermaßen zusteht. Wir können entweder damit vertraut werden oder weiterhin in der Armut von Daten leben. Wenn wir mit offener Intelligenz vertraut werden, haben wir eine ausgewogene Sicht, die über Kausalität hinausgeht. Wir erkennen, dass alle Gedanken, Emotionen und Erlebnisse aus demselben Stoff gemacht und in Wirklichkeit unsere Verbündeten sind. Sie sind allesamt Erscheinungen offener Intelligenz, allesamt Spiegelbilder unserer eigenen Vollkommenheit, und wir erkennen, dass

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sie uns nie geschadet haben. Wir haben sie nur deshalb als schädlich angesehen, weil wir uns in dem Glauben trainiert haben, dass sie uns schaden können. Wenn unsere Sicht ausgewogen ist, wird das heilsame Wesen aller Phänomene zu unserer dauerhaften Erfahrung werden. Falls wir trotz allem manche Erscheinungen weiterhin für Monster halten, dann nehmen wir sie auch als solche wahr. Wenn wir meinen, dass uns unsere Gedanken und Emotionen beherrschen, dann werden sie das auch. Je mehr wir uns allerdings mit stabiler offener Intelligenz identifizieren, desto mehr erkennen wir, dass offene Intelligenz durch nichts beeinträchtigt wird und dass die Bezeichnungen, die wir allem angeheftet haben, lediglich Beschreibungen sind, die wir unteilbarer Vollkommenheit angeheftet haben. Nachdem wir offene Intelligenz entdeckt haben, sehen wir in allem ihre Essenz und demonstrieren daher selbst in äußerst angstbesetzten Situationen Furchtlosigkeit! Jenseits aller Bezeichnungen von Gedanken als gut und schlecht liegt die natürliche Weisheit, die vollkommen spontan und allzeit präsent ist. Unser natürlicher Zustand ist bei allen Geschehnissen vollkommen entspannt. Das ist „improvisierte‖ Weisheit, Weisheit ohne Nachdenken, weder vor noch nach einer Entscheidung. Wenn wir in dieser Weisheit etabliert sind, brauchen wir weder lange nachzudenken, um zu einer Entscheidung zu kommen, noch müssen wir sie bedauern oder rechtfertigen. Universelle Weisheit wird uns durchströmen, und wir erkennen sie, weil der Ausdruck dieser Weisheit so eindeutig ist. Ich kann freilich den ganzen Tag hier sitzen und über diese Dinge reden, doch sofern nicht jeder damit in seiner eigenen Erfahrung vertraut wird, kann man nicht wissen, wovon ich spreche. Wir können uns nicht in diese Sache hineindenken. Wir können zwar durch Nachdenken ein oberflächliches Verständnis erlangen, doch das ist nicht ausreichend. Wir müssen die Grundlage aller Dinge auf maßgebliche Weise erfahren, damit diese Weisheit in uns völlig lebendig werden kann. Das liegt für jeden im Bereich des Möglichen. Jeder kann das schaffen. Das ist wie bei einem Dimmerschalter. Wenn man ihn aufdreht, wird das Licht allmählich heller. Je mehr wir auf offene Intelligenz vertrauen, umso heller wird ihr Licht. Wir wissen das nur nicht über uns, weil uns dieses Wissen nie offen zugänglich war. Wenn wir uns nur für die Beschreibungen halten, die andere an uns weitergereicht haben, haben wir nicht die Sicht offener Intelligenz und stecken in Daten fest. Wir wissen nur, was uns beigebracht wurde, und das ist im Allgemeinen von Weisheit weit entfernt. Der einzige Weg, um wahre Weisheit voll und ganz zu realisieren, ist sich zu entspannen und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen – auf die Grundlage aller Gedanken – wird die bislang stets ignorierte Weisheit in zunehmendem Maß offensichtlich. Wenn wir uns entspannen und den Gedanken und Emotionen einfach ihren freien Lauf lassen, dann öffnet sich unser Geist, und das klare Licht der Weisheit erwacht auf ganz natürliche Weise. Die Basis von gewöhnlichem Denkens auch nur ein einziges Mal zu erkennen, ist eine große Bestätigung, denn wir bekommen offene

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Intelligenz, die unwandelbar, dauerhaft und ewig frei von Leid ist, flüchtig zu sehen. Um unsere innere Zwietracht zu beenden, haben wir nach verschiedenen Wegen gesucht. Doch in nur einem einzigen Augenblick klarer offener Intelligenz finden wir den Schlüssel zur Linderung allen Leidsin uns. Da es nachts dunkel ist, ist das Licht der Sterne und Planeten problemlos sichtbar, doch tagsüber überstrahlt das helle Sonnenlicht alles, und keiner der Sterne und Planeten ist sichtbar. Das matte Licht der Sterne und Planeten ist noch da, aber es wird vollkommen von der Sonne überstrahlt. Stabile offene Intelligenz ist wie der von reinem, hellem Tageslicht erfüllte klare Himmel. Gedanken und Sinneseindrücke können weiterhin erscheinen, doch sie werden jetzt vom strahlenden Licht offener Intelligenz gänzlich überstrahlt. Wenn die wahre Natur des Geistes offensichtlich ist, sind Sinneseindrücke immer noch da, doch sie bilden nicht mehr die Grundlage für unsere Deutungen über den Sinn des Lebens. Das klare Licht offener Intelligenz wird jetzt als die einzige Realität gesehen, die allen Erscheinungen zugrundeliegt, und diese Grundwahrheit gibt dem Leben in allen Lebenslagen den eigentlichen Sinn. Wahres Glück lässt sich nur durch diese Offenbarung der eigentlichen Natur unseres Geistes finden. Wenn wir uns selbst damit beschenken, indem wir auf völlig ungekünstelte Weise für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, bis sie spontan und kontinuierlichwird, bescheren wir uns selbst den größten und kostbarsten Schatz, den das Leben zu bieten hat. Was ich sage, trifft auf jeden zu. Das reine Licht offener Intelligenz scheint durch alle Augen. Das ist keine mysteriöse oder esoterische Angelegenheit. Am einfachsten lässt es sich folgendermaßen beschreiben: Wenn wir mit offener Intelligenz vertraut werden, fühlen wir uns einfach die ganze Zeit besser. Wenn wir uns der Leichtigkeit unseres eigenen Seins erfreuen, werden wir über alle Maßen weise. Was bedeutet es eigentlich, weise zu sein? Es bedeutet zu wissen, welchen Berg wir besteigen müssen. Jeder kann den Berg besteigen, den er möchte, doch die Besteigung der meisten dieser Berge lohnt sich nicht. Wenn wir entschlossen sind, auf offene Intelligenz zu vertrauen, öffnet sich eine sehr kraftvolle Quelle der Weisheit in uns. Mit ihrer völlig ausgewogenen Sicht ergreifen wir nur die weisesten Maßnahmen. Es kommt spontan gewaltige Energie auf, die zu einem höheren Niveau an Weisheit und Wissen führt, welche Aktivitäten gewidmet sind, die allen Wesen dienen. Allumfassendeoffene Intelligenz enthält alles Wissen – nicht nur Dinge, die wir persönlich gelernt haben, sondern alles Wissen, vergangenes, gegenwärtiges und zukünftiges. Es mag unvorstellbarerscheinen, dass der scheinbar in unserem eigenen Körper konzentrierte Geist in Wirklichkeit alles Wissen enthält. Je mehr wir jedoch mit offener Intelligenzalsder Grundlage aller Gedankenvertraut werden, desto mehr entdecken wir, dass dem wirklich so ist. Instinktives Wissen beginnt sich in uns zu manifestieren und versorgt uns mit allem, was wir in jeder Lebenslage wissen müssen. Außerdem stellen wir fest, dass unser Handeln viel gekonnter und effizienter ist als je zuvor.

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Da wir hier über die innewohnende Weisheit offener Intelligenzsprechen, ist es wichtig, eine klareVorstellung zu haben, was offene Intelligenz eigentlich ist. Durch offene Intelligenz wissen wir, dass wir existieren. Sie ist die ursprüngliche Essenz oder reine Intelligenz, durch die alles in Erfahrung gebracht wird. Ohne unzerstörbareoffene Intelligenz wären wir uns unserer eigenen Existenz nicht bewusst. Offene Intelligenz ist der ewige Grund, in dem alle Phänomene erscheinen und entschwinden, und er ist unbeeinflusst von Veränderungen wie Geburt und Tod. Offene Intelligenz besitzt vier primäre Eigenschaften. Die erste ist vitale Offenheit. Wenn wir Intelligenz als „offen‖ bezeichnen, heißt das, dass sie letztendlich unbeschränkt und erscheinungslos ist, obwohl sie alle Erscheinungen enthält. Sie ist nie zu etwas geformt worden und hat sich nie in irgendetwas verwickelt. Sie ist völlig offen und frei. Sieist all das, was in ihr erscheint. Offene Intelligenz ist nie in irgendeiner Weise verunreinigt, fehlerhaft oder befleckt. Wenn wir vollständig auf offene Intelligenz vertrauen, können wir die vollkommene Offenheit aller Dinge erkennen. Diese Offenheit ist keine Leere – sie ist die ureigene zentrale Lebenskraft offener Intelligenz. Man kann sie auch den ursprünglichen Elementarraum nennen, der alle Dinge in sich birgt und über sie hinausgeht. Kein in offener Intelligenz erscheinendes Phänomen hat ein Wesen, eine Wirklichkeit oder Identität, die unabhängig und eigenständig ist. Offene Intelligenz ist die alleinige Realität aller Dinge. Es spielt keine Rolle, wie viel Macht wir in der Vergangenheit einer Erscheinung zugeschrieben haben. Wenn wir beim Auftauchen dieser Erscheinung ruhen, finden wir heraus, dass ihr wahres Wesen makellos freier Raum ist. Das lässt sich, wie gesagt, nicht durch Nachdenken herausfinden. Wir erkennen dies, indem wir uns in der natürlichen Leichtigkeit offener Intelligenz entspannen, die der Kern unserer ureigenen Natur ist. Die zweite Eigenschaft offener Intelligenz ist Unbeschreiblichkeit. Unbeschreiblichkeit bedeutet, dass offene Intelligenz in keinerlei Weise charakterisiert oder in Worte gefasst werden kann. Daher versuchen wir dies auch nicht länger. Wenn wir erkennen, wie absurd es ist, offene Intelligenz durch die Verwendung von Begriffen definieren zu wollen, um sie begreifen zu können, lassen wir von sämtlichen Konzepten ab. Offene Intelligenz geht über alle Beschreibungen hinaus. Der Versuch, sie zu beschreiben, führt bloß zu noch mehrDaten. Statt uns auf Beschreibungen zu verlassen, vertrauen wir auf diese große Leerheit, die nicht beschrieben werden kann und nicht beschrieben werden braucht. Darin liegt wahre Freiheit. Offene Intelligenz als unbeschreiblich zu beschreiben, ist kein innerer Widerspruch. Letzten Endes muss überhaupt nichts gesagt oder beschrieben zu werden. Die dritte grundlegende Eigenschaft offener Intelligenz ist ihrespontane Präsenz. Sie ist bereits voll und ganz in uns präsent und ist daher keinZiel. In makellos freiem Raum existiert weder eine Destination noch ein Ziel. Offene Intelligenz ist zeitlos und ortsungebunden,sie hat keine Peripherie, und ihr

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Zentrum ist überall! Sie ist in jedem einzelnen Augenblick vollkommen und identisch. Es besteht keine Veranlassung für Gedanken wie: „Bin ich schon am Ziel? Wann werde ich soweit sein? Ich war schon da, doch dann ist sie mir wieder entglitten.‖ All diese Gedanken erscheinen und verschwinden ausschließlich in offener Intelligenz. Es ist unmöglich, sich außerhalb von offener Intelligenz zu begeben. Kein Ziel zu haben, bedeutet wahre Freiheit. Wenn wir die Idee eines Ziels aufgeben, dann entdecken wir, dass das, was wir gesucht haben, bereits präsent ist. Es ist nicht notwendig, darüber nachzudenken, zu schreiben oder zu sprechen. Ruhe einfach! Ruhen ist Trumpf. Wo es kein Ziel gibt, sind keine Anstrengungen nötig. Es sind keine Bemühungen notwendig, um Licht zu Licht oder Raum zu Raum zu machen. Wenn wir einen Kreis um einen kleinen Teilbereich des Himmels ziehen, wird dieser Bereich dadurch nicht tatsächlich vom Rest des Himmels abgetrennt, denn der Himmel ist unteilbar. In gleicher Weise ist es unmöglich, irgendetwas von makelloser offener Intelligenz abzutrennen. Da alles als gleich und vollkommen rein wahrgenommen wird, ist Vertrauen auf offene Intelligenz gleichbedeutend mit vollkommen offener Wahrnehmung des Hier und Jetzt – grenzenlos und frei – ohne etwas tun zu müssen. Die vierte grundlegende Eigenschaft offener Intelligenz ist Unteilbarkeit. Die Sonne offener Intelligenz durchstrahlt alle Daten. Alle Daten werden als eine ungeteilte, sich selbst erkennende offene Intelligenzwahrgenommen. Alle positiven, neutralen und negativen Datenkommen aus dem elementaren Raum offener Intelligenz hervor und werden bei ihrem Erscheinen automatisch aufgelöst. Daher sind alle Daten eine ungeteilte, nonduale Weite offener Intelligenz, die in jeder Hinsicht vital, dynamisch, unwandelbar, unveränderlich und ungeschaffen ist. Die vier primären Eigenschaften offener Intelligenz lauten demnach: Offenheit, Unbeschreiblichkeit, spontane Präsenz und Unteilbarkeit. Wenn wir unser Augenmerk auf diese Eigenschaften richten, entdecken wir, dass sie allzeit offene Pforten in unsere offene Intelligenz sind – Pforten, die sanft geöffnet werden, indemman für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraut. Dann entdecken wir, dass offene Intelligenz eine nie versiegende Quelle der Liebe, Weisheit, Energie und großen Nutzen bringenden Mitgefühls ist. Frage: Einerseits finde ich das alles sehr inspirierend, doch es deprimiert mich auch. Ich glaube nicht, dass es mir angesichts meiner Lebensumstände jemals möglich sein wird, das zu realisieren, worüber du sprichst. Antwort: Zuallererst möchte ich dir versichern, dass dich absolut nichts daran hindern kann, diese Weisheit zu erkennen. Komm einfach weiterhin hierher, höre dir die Teachings an, und wenn du weiter auf offene Intelligenz vertraust, werden Zuversicht und Gewissheit in dir erwachen. Experimentiere einfach für kurze Momente damit, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Forciere

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nichts. Entspanne Körper und Geist völlig und sieh, was passiert. Das ist ganz leicht. Probiere aus, ob das für dich von Nutzen ist. Höre dir weiterhin das Teaching an, und es wird auf jeden Fall seine Wirkung entfalten. Deine Lebensumstände sind kein Hindernis, um auf offene Intelligenz zu vertrauen. Sie sind in Wirklichkeit die perfekte Gelegenheit, um bewusst zu werden. Alles, was man zwischen der ersten und letzten Seite im Buch des Lebens beschreiben kann, ist immer nur eine Erscheinung, die auf offene Intelligenz selbst zurückzuführen ist. Alle Dinge, sowohl innerlich als auch äußerlich, geschehen aufgrund ein und desselben offenen Intelligenz. Es mag Beschreibungen unserer Lebensumstände, unserer äußeren Umstände, unserer Identität und Destination geben, doch wir können nur auf die ruhende Essenz offener Intelligenz zählen. Entspanne dich einfach darin. Darüber hinaus ist es hilfreich, die Unterstützung zu nutzen, welche die Balanced View Organisation anbietet. Es gibt viele wundervolle Trainer, die vierundzwanzig Stunden am Tag per Telefon oder E-Mail zu deiner Unterstützung zur Verfügung stehen. Wir bieten Treffen und Trainings auf persönlicher Ebene an, via Telekonferenz und im Internet. Balanced View bietet Vier Mainstays: Vertrauen auf offene Intelligenz, den Trainer, das Training und die Gemeinschaft. Sie sind immer für dich als Refugium und Zuflucht da. Gehe ganz behutsam von Tag zu Tag vor. Ich vergleiche meine schmerzlichen Erfahrungen jederzeit mit den deinen! Ich garantiere dir, dass meine schlimmer sind! Wenn ich ununterbrochen auf offene Intelligenz vertrauen kann, kannst du das auch. Gib dem Training eine Chance, und es wird schon bald seine Magie entfalten. Frage: Wie bist du zu dieser Weisheit gekommen? Antwort: Weisheit ist überall und nirgendwo! Sie ist an keinem bestimmten Ort und in keiner bestimmten Person zu finden. Allzeit makelloseoffene Intelligenz ist niemals ortsgebunden, und deshalb müssen wir nirgendwo hinreisen, um sie zu erlangen. Wir befinden uns zurzeit in Kalifornien, doch nehmen wir einmal an, wir würden jemanden auf der Straße fragen, wo Kalifornien liegt, und bekämen die Antwort: „Ganz einfach, man muss nur etwa 40.000 Kilometer in diese Richtung gehen, und dann ist man in Kalifornien.‖ Nun, es ist wahrscheinlich besser, diesen Rat nicht zu befolgen. Oder wir treffen auf jemanden, der sagt: „Nun ja, wenn man vier Jahre lang auf diesem Fels dort sitzt, eine bestimmte Körperhaltung einnimmt und fest an Kalifornien denkt, dann kann man eventuell dort hingelangen.‖ Doch das würden wir natürlich auch nicht tun. Vielleicht haben wir aber das große Glück, jemanden zu treffen, der uns mitteilt: „Wach auf, du bist doch schon in Kalifornien!‖ Das ist die Person, der wir zuhören wollen!

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JENSEITS VON URSACHE UND WIRKUNG KAPITEL VIERUNDZWANZIG

„Unsere wahre Natur ist zeitlos, unverursacht und ungeschaffen. In Wirklichkeit ist unser ursprünglicher Zustand niemals durch Zeit und Raum oder Ursache und Wirkung eingeschränkt. Das ist eine Tatsache. Alles ist ein perfekter Ausdruck von Liebe, Weisheit und Energie, die über alle Begriffe und Bezugspunkte hinausgehen.”

Offene Intelligenz ist das, was uns alles bewusst werden lässt. Ohne offene Intelligenz wären wir uns nicht einmal unserer eigenen Existenz bewusst. Unsere ureigene offene Intelligenz ist unsere direkte Verbindung zum Daseinsgrund und ist in keiner Weise davon trennbar. Sie ist von Natur aus frei, bereits präsent und vollkommen verwirklicht. Sie verwirklichen zu wollen, ist so, als wolltest du die Farbe deiner Augen verwirklichen. Du hast sie bereits! Du musst dich nur entspannen und erkennen, dass die Farbe deiner Augen bereits so ist, wie sie ist. Methoden zu verwenden, um den Daseinsgrund zu erreichen, ist wie das Polieren von Holz, in der Hoffnung, einen Diamanten zu erhalten. Das eine führt einfach nicht zum anderen! Um es noch treffender zu sagen: Wenn der Diamant bereits als unsere eigene wahre Natur vorhanden ist, wozu dann das Holz polieren? Wenn wir Ursachen verfolgen, um zum Unverursachten zu gelangen, verlieren wir uns in unergiebigen und unnötigen Bemühungen. Vom Moment unserer Geburt an wird uns gesagt, wir seien mit Fehlern behaftet, und dass diese beseitigt werden müssten. Uns wird gesagt, wir leben in Zeit und Raum, dass alles eine Ursache und jede Ursache eine Wirkung hat, und dass alles im Leben sich um Bemühungen und Errungenschaften dreht. Wir halten diese Auffassungen für wahrhaftig und versuchen daher unsere Mängel zu beheben, um nicht mit Fehlern behaftet zu sein. Wenn wir jedoch unsere Fehler durch verschiedene Methoden zu beheben suchen, tun wir nichts anderes als Daten aufeinanderzutürmen und die Symptome unserer Unvollkommenheit neu zu ordnen. Mit jedem Versuch, uns selbst instand zu setzen, entfernen wir uns in Wirklichkeit einen Schritt von der hier und jetzt präsenten Vollkommenheit. Wir glauben Fortschritte zu machen, doch wir drehen uns in Wirklichkeit im Kreis wie ein Hamster in seinem Rad, wenn wir ein imaginäres Ziel verfolgen, das immer außerhalb unserer Reichweite bleibt. Daten weitere Daten hinzuzufügen, führt nie zu dem, was nicht aus Bestandteilen zusammengesetzt ist. Unser eigentliches Wesen ist bereits vollkommen, es braucht nicht instand gesetzt zu werden und bleibt von jeglichen Erscheinungen unberührt. Viele menschliche Glaubenssätze, die sich um eine persönliche Identität drehen, sind ganz und gar mit den Begriffen Zeit und Raum und Ursache und Wirkung verflochten. Wir sind jedoch jenseits von Zeit und Raum und unberührt von Ursache und Wirkung. Unsere wahre Natur ist zeitlos, unverursacht und

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ungeschaffen. In Wirklichkeit ist unser ursprünglicher Zustand niemals durch Zeit und Raum oder Ursache und Wirkung eingeschränkt. Das ist eine Tatsache. Alles ist ein perfekter Ausdruck von Liebe, Weisheit und Energie, die über alle Begriffe oder Bezugspunkte hinausgehen. Der einzige Weg, um diese Wahrheit zu realisieren, ist nichts zu tun – weil das, was ist, bereits präsent ist und nicht erneut erlangt werden muss. Solange wir nicht wissen, dass unsere persönliche Identität nur als Ausdrucksform ursprünglich reiner offener Intelligenz existiert, kein unabhängiges Wesen besitzt und nicht verändert werden braucht, bleiben wir frustriert und verwirrt. Offen Intelligenz ist bereits verwirklicht. Alles, was wir tun müssen, ist für kurze Momente, viele Male wiederholt, zu offener Intelligenz zurückzukehren, bis sie kontinuierlich wird. Wenn wir auf diese Weise bei auftretenden Gedanken, Emotionen und Erfahrungen offene Intelligenz behutsam aufrechterhalten, offenbart sie sich nach und nach als die einzige Realität. Dann entwickeln wir uns weiter. Wir entwickeln uns von primitiven, an Zeit und Raum, Ursache und Wirkung gebundenen Denkweisen, zu einer gänzlich neuen Wahrnehmungsweise. Wir entwickeln uns nicht wirklich zu etwas Neuem. Wir öffnen uns lediglich unserer eigenen, wahren Natur – der ursprünglichen Intelligenz, durch die uns alles bewusst wird. Entdecke das in dir, was zeitlos, ungeboren und unverursacht ist. Es kann nicht durch Denken gefunden werden, sondern nur durch Vertrauen auf offene Intelligenz. Die wahre Natur unseres Seins ist bereits in sich vollkommen und drückt sich in großer Hilfsbereitschaft und Nützlichkeit aus. Dieser Nutzen ist von Natur aus präsent, und wir können nach und nach vertrauter damit werden. Auf diese Weise wird unsere innewohnende Kraft, uns und anderen Benefit zu bringen, in unserem Leben etabliert. Indem wir uns nicht von starren Ideen wie Ursache und Wirkung oder Zeit und Raum ablenken lassen und einfach auf offene Intelligenz vertrauen, gehen wir allmählich über die Beschränkungen von Bezugssystemen hinaus. Wir gehen über Wörter und Begriffe und das Bedürfnis, über alles nachdenken zu müssen, hinaus und entdecken nach und nach, dass wir von der Neigung befreit sind, an Daten festzuhalten und sie endlos zu vermehren. Es ist wesentlich einfacher, alles als untrennbar von offener Intelligenz zu sehen, anstatt an Konzepten wie Zeit und Raum oder Ursache und Wirkung festzuhalten. Wenn wir vertrauter mit offener Intelligenz werden, brauchen wir diese Konzepte immer weniger. Wir vertrauen einfach beim Erscheinen eines jeden Gedankens auf offene Intelligenz, welche vollkommen frei von Gedanken ist, und entdecken so, dass der Gedanke und offene Intelligenz eins sind. Das Vorhandensein von Gedanken und die Abwesenheit von Gedanken sind nicht-zwei. Das ist es, was Nondualität bedeutet. Sie sind völlig untrennbar. Die Grundlage eines jeden Gedankens ist jederzeit vollkommen entspannt. Wenn wir nur den dynamischen Ausdruck des Gedankens kennen, dann wissen wir nichts über seinen ursprünglichen Zustand

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– offene Intelligenz – welche allzeit vollkommen entspannt ist und nie Form angenommen hat. Lasst uns einen Augenblick lang den Begriff „Raum‖in Betracht ziehen, der sich gewöhnlich auf das dreidimensionale Feld des Alltagslebens bezieht. Wir alle haben ein gewisses Verständnis dieses Konzepts. Wir können diesen Ausdruck jedoch auch anders verwenden, nämlich als Hinweis auf etwas, was völlig über das herkömmliche Modell hinausgeht. Der Ausdruck „Elementarraum‖ weist auf eine unbeschreiblich reine Präsenz hin, die überall ist, aber keinen festen Standort besitzt. Man kann sie auch „Metaraum‖ nennen. Die Vorsilbe „Meta‖ bedeutet soviel wie „Jenseits‖. Der Metaraum beinhaltet den dreidimensionalen Raum, beschränkt sich jedoch nicht darauf. Er beinhaltet Zeit und ist dennoch völlig jenseits von Zeit. Gleichermaßen ist der Metaraum jenseits von Kausalität und beinhaltet dennoch Ursache und Wirkung. Er lässt sich nicht durch Ideen und Theorien definieren, denn er ist der Ursprung und die Grundlage aller Ideen und Theorien und bleibt dennoch unberührt von jeglichen mentalen Regungen. Man kann nicht sagen, dass ein Teil dieses Raumes die Ursache ist, die einen anderen Teil des Raumes bewirkt. Das Ganze ist eine unteilbare, nahtlose Weite offener Intelligenz, welche alles beinhaltet und über alles hinausgeht. Absolut nichts ist davon ausgenommen. Da sie die Quelle und der Kern aller Phänomene ist, hat sie absolute Kontrolle über alle Phänomene. Was ganz und gar ungeschaffen ist, hat keine Ursachen. Es ist niemals zu Dingen oder Gedanken oder zu irgendetwas anderem geformt worden! Die einzige Möglichkeit, um mit der natürlichen Leichtigkeit dieses Elementarraums vertraut zu werden, ist ihn einfach zuzulassen, indem man offene Intelligenz aufrechterhält. Wir entspannen den Geist für kurze Momente, viele Male wiederholt, bis diese Entspannung kontinuierlich wird. Wenn wir mit elementarem Unterscheidungsvermögen irgendeine „Ursacheund-Wirkung-Methode‖ untersuchen, die uns zum ursprünglichen Wesen unseres Seins führen soll, entdecken wir, dass der ursprüngliche Zustand sehr selten durch solche Methoden und Programme verwirklicht wird. Es ist sehr wichtig, dies zu begreifen, denn die meisten von uns sind es gewohnt, Methoden und Praktiken anzuwenden und zu hoffen, dass sie zu einem endgültigen Ziel führen. Zeitlose Freiheit ist keine Destination; sie ist jetzt hier. Keine Methode oder Übungspraktik kann verwirklichen, was bereits präsent ist. Die meisten Menschen stellen bei allen Ereignissen eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung her. Wir haben einen Gedanken, dann haben wir eine Emotion, dann haben wir ein Erlebnis und halten das Ganze für eine direkte Verkettung von Ursache und Wirkung. Wir wenden dieselbe Art von Schlussfolgerung an, wenn wir sagen: „Jetzt habe ich die Lösung für mein Problem. Wenn ich dies und jenes tue, wird alles besser. Wenn ich diese und jene Übung praktiziere, werde ich wahres Glück finden!‖ Wenn wir uns als menschliche Wesen sehen, die auf Ursachen basieren und sich in Zeit und Raum

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befinden, leugnen wir innewohnendes Glück.

unsere

wahre

Identität

und

schmälern

unser

Wir führen unser Unglücklichsein auf verschiedene Ursachen und Wirkungen zurück und geben anderen Menschen und Umständen oder uns selbst die Schuld. Alles auf Ursachen zurückzuführen, führt zu Verwirrung und Leid und dazu, dass wir uns und andere verurteilen. Wenn wir jeden Gedanken und jede Emotion auf eine Ursache zurückführen und meinen, sie sei etwas Eigenständiges, das die Macht besitzt, uns zu beeinflussen, dann bringen wir uns sogar um unsere ureigene, grenzenlose Kraft und vergeuden sie an etwas Imaginäres. Wer oder was wir wirklich sind, kann niemals durch irgendetwas beeinflusst werden. Wenn wir unser Leben darauf gründen, dass alles auf individuelle Ursachen zurückzuführen ist, dann ist dies wirklich sehr primitiv und macht unser Dasein nicht leichter. Wir entscheiden uns, ein Opfer unserer Daten zu sein, und solange wir das tun, leiden wir weiter. Wir müssen einfach begreifen, dass uns diese Denkweise keine wirkliche Erleichterung oder Linderung verschaffen kann. Und warum nicht? Weil sie nicht auf der wahren Natur der Dinge basiert. Der Grundzustand kann durch nichts Schaden nehmen. Er ist die alleinige Ursache und die alleinige Wirkung aller Erscheinungen und bleibt dennoch von jeglicher Erscheinung unbeeinflusst. Offene Intelligenz ist untrennbar vom klaren Licht der Weisheit, das ganz und gar über alles Denken hinausgeht. Was bedeutet, offene Intelligenz geht über Denken hinaus? Es bedeutet, dass sie keine Wörter oder Begriffe verwenden muss, um zu irgendwelchen Schlussfolgerungen zu gelangen. Offene Intelligenz ist makelloses Wissen, das klare Licht der Weisheit, welches alles weiß. Sie kennt jede Erscheinung, so wie sie ist, und versteht ihre Beschreibung vollkommen und ist sich dennoch bewusst, dass diese Beschreibung kein separates Wesen besitzt. Offene Intelligenz weiß, dass sie selbst die Essenz aller Dinge ist. Wenn wir uns entscheiden, auf offene Intelligenz zu vertrauen und die unmittelbare Erleichterung vollkommener mentaler Entspannung in jedem identischen Moment zulassen, dann realisieren wir eine Weisheit, die über verstandesmäßiges Denken hinausgeht. Wenn wir dann doch einmal verstandesmäßiges Denken verwenden, betrachten wir es lediglich als ein praktisches Werkzeug und nicht als Selbstzweck. Wir sind uns dieser Weisheit so sicher, dass wir uns schließlich nicht mehr auf Denken verlassen müssen. Stattdessen verlassen wir uns auf die tiefgründigen Erkenntnisse und die daraus entstehenden meisterlichen Aktivitäten, die in echter Weisheit inbegriffen sind. So wie wir keine Befriedigung in den Trugbildern einer Fata Morgana oder eines Hologramms finden, können wir ohne ein Verständnis ihrer zugrundeliegenden Essenz auch keine Befriedigung in den verschiedenen weltlichen Phänomenen finden. Wenn wir unablässig versuchen, Befriedigung oder Erfüllung in etwas zu finden, das kein eigenständiges Wesen besitzt, sind wir immerzu frustriert und verwirrt.

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Wie können wir unsere Hörigkeit gegenüber diesen lange beibehaltenen Neigungen überwinden? Wenn wir die offene Intelligenz erkennen, welche die Grundlage eines jeden Gedankens, jeder Emotion und jeder Erfahrung ist, und mit dieser offenen Intelligenz vertraut werden, durch die wir uns unserer Existenz bewusst sind, dann entdecken wir, dass wir bereits vollkommen frei sind und nie versklavt waren. Wir entdecken, dass wir keine konventionellen Weltanschauungen brauchen, um die Welt oder uns selbst zu beschreiben, da konventionelle Weltanschauungen überflüssig sind, wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen. Alle Gedanken, Emotionen und Erfahrungen sind nichts als die dynamische Energie reiner offener Intelligenz. Wozu brauchen wir noch zusätzliche Beschreibungen? Man kann sie nicht von der Realität trennen und gesondert beschreiben, denn sie besitzen kein eigenständiges Wesen. Sie haben eine Bezeichnung, doch diese Bezeichnung bezieht sich auf etwas, das nicht auffindbar ist und auch nichts anderes als offene Intelligenz ist. Diese Idee, dass wir zwischen gut und schlecht unterscheiden müssten, um eine moralische und ethische Ordnung in uns zu errichten, ist bloß ein Glaubenssatz – und ein ungemein einschränkender obendrein. Zum einen postuliert dieser Glaubenssatz, dass wir als etwas Eigenständiges existieren, das von allem anderen durch eine persönliche Identität getrennt ist. Überdies wird behauptet, dass alle Dinge ebenfalls eine eigenständige, voneinander und vom Daseinsgrund getrennte Existenz besitzen und Teil eines Gesamtgefüges von Zeit und Raum und Ursache und Wirkung sind. Die meisten von uns glauben unser ganzes Leben lang an diese Weltanschauung und lassen sich dadurch einschränken. Und deshalb fällt es uns sehr schwer, gut gelaunt zu sein! So wie es am unbefleckten Himmel nirgends einen Makel gibt, ist auch unsereureigeneoffene Intelligenz makellos und allzeit rein und frei. Sie ist der Ursprung und die Essenz aller Phänomene, und nichts ist separat davon – Ursache und Wirkung und Zeit und Raum mit eingeschlossen. Wenn wir nur diese Erklärungen und Beschreibungen kennen, dann leben wir ein sehr oberflächliches Leben, ohne jede Kenntnis der zugrundeliegenden Einheit, die alle Vielfalt durchdringt. Das makellos Wissende, das jenseits von Kausalität ist, weiß alles über Ursache und Wirkung und Zeit und Raum und weiß auch, dass es die alleinige Ursache aller Erscheinungen ist. Das ist die alles umfassende Sicht, die alles kennt und alle Beschreibungen von Ursachen und Wirkungen völlig transzendiert. Wir sind die allumfassende unermessliche Weite offener Intelligenz, die alle Daten beinhaltet und transzendiert. So einfach ist das. Alle Daten, welcher Art sie auch sein mögen, sind in ihr enthalten. Alle sind vom Ursprung her frei, denn sie sind einzig und allein offene Intelligenz. Ganz gleich wie wir eine Erscheinung benennen – ob positiv oder negativ, gut oder schlecht, heilsam oder schädlich, Ursache oder Wirkung, Zeit oder Raum – sie ist in Wahrheit nichts anderes als offene Intelligenz. In dieser ausgewogenen Sicht liegt vollkommene Freiheit.

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Frage: Ich durchlebe Zeiten intensiver Traurigkeit und Depression und kann sehr deutlich erkennen, dass die Ursachen für diese Traurigkeit aus der Vernachlässigung, dem Missbrauch und der schlechten Behandlung herrühren, die ich in meiner Vergangenheit durchgemacht habe. Doch du scheinst zu sagen, dass diese Dinge keine Macht über mich haben. Wie ist das möglich? Antwort: Ich habe vollstes Verständnis für deine Frage und möchte sie so beantworten, dass es dir hilft. Nehmen wir einmal an, diese Traurigkeit taucht auf, überkommt dich, und du verlierst dich völlig darin. Du denkst: „Ich fühle mich wieder einmal traurig.‖ Zuerst erscheint dieses „Ich‖, dann das „Ich bin traurig‖, und anschließend kommt „wieder einmal‖. Am Anfang steht die Idee einer persönlichen Identität, gefolgt von der Vorstellung, dass in dieser persönlichen Identität etwas erscheint, das du Traurigkeit nennst, und mit dem „wieder einmal‖ schleppst du alle früheren Daten heran und sagst: „Ich bin traurig, weil dies und jenes in der Vergangenheit passiert ist, und die Traurigkeit kehrt aufgrund dieser Ursachen immer wieder zurück.‖ Du beschreibst und bezeichnest alle Erscheinungen. Du könntest aber auch einen anderen Weg wählen und dir das Datum Traurigkeit anschauen und feststellen: „Das ist nur so real, wie ich es mache.‖ Wenn du dem Gedanken der Traurigkeit nachhängst, dann billigst du ihm ein unabhängiges Wesen zu und gehst auf ihn ein. Wenn du näher auf ihn eingehst, wiederholst du die Geschichten über deine Traurigkeit, die beschreiben, woher sie kommt und was sie bedeutet. Wenn du jedoch stattdessen auf offene Intelligenz vertraust, die von allen Geschichten unberührt ist, und die Gelassenheit des Seins offensichtlich sein lässt, dann demonstrierst du in dem Moment Herrschaft über die Erscheinung der Traurigkeit. Du erkennst, dass das Wesen der Traurigkeit in Wirklichkeit entspannte offene Intelligenz ist. Traurigkeit und offene Intelligenz sind nichtzwei. Jeder Gedanke und jede Emotion kann auf diese Weise durch offene Intelligenz gemeistert werden. Das bedeutet völlige Freiheit bei allem unmittelbar Erlebten, ganz gleich welches Erlebnis man hat. Du dachtest, dass Traurigkeit dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterliegt und dass du diesem Gesetz auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert bist. Doch das, was ganz und gar jenseits dieser Kausalität ist, sitzt hier auf deinem Stuhl! Wir sollten wissen, dass wir mehr sind als das, wofür wir uns aufgrund unserer herkömmlichen Vorstellungen halten. Um frei zu werden, müssen wir alles so einfach wie möglich halten, und wir tun dies, indem wir zwei unkomplizierte Ausdrücke verwenden: „Die allumfassende reine Sicht offener Intelligenz‖ und „Daten‖. Wenn wir die individuellen Daten als eigenständig existent betrachten, sie definieren und bezeichnen, dann hat es den Anschein, als gäbe es eine ganze Menge Dinge, mit denen wir uns befassen müssten. Da ist diese Person, und sie muss herausfinden, wie sie sich fühlt und dann auf ihr Leben zurückblicken und all ihre Erfahrungen hervorkramen, um herauszufinden, warum sie sich so fühlt und

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daraufhin all die anderen Leute, einschließlich Mama und Papa, Ehefrau und Ehemann, in Augenschein nehmen und herausfinden, was diese falsch gemacht haben. Was für ein Durcheinander! Es ist viel leichter und zudem effektiver, sich einfach zu entspannen. Beim Vertrauen auf offene Intelligenzerfahren wir, dass offene Intelligenz und Daten miteinander verschmelzen, denn sie waren schon immer miteinander verschmolzen. Daten sind untrennbar von offener Intelligenz und bestehen nur aus dieser ursprünglich reinen, nondualen Weite. Wenn wir unerschütterlich für kurze Momente, viele Male wiederholt, ruhen, kann garantiert keine Erscheinung mehr die Aufrechterhaltung offener Intelligenz bedrohen oder behindern. Wir entdecken, dass offene Intelligenz sich selbst aufrechterhält. Wenn wir uns einfach in die offene Wahrnehmung entspannen, lockert sich die Vorstellung, etwas Begrenztes zu sein. Wir halten uns nicht länger nur für diesen vergänglichen Körper oder eine Person mit einem bestimmten Namen. Stattdessen wird die Grenzenlosigkeit unseres Wesens immer deutlicher. Unsere Identität wird nicht mehr so sehr durch die Person bestimmt, die hier sitzt. Sie ist nicht länger durch jemanden eingeschränkt, der geboren wurde und sterben wird. Manche Menschen mögen es gar nicht, wenn ich über offene Wahrnehmung oder die Leichtigkeit des Seins oder über Erscheinungen als etwas ursprünglich Reines, gänzlich Positives und Heilsames spreche. Sie hören das möglicherweise nicht gerne, weil es ihnen das Gefühl gibt, unrein, schlecht oder negativ zu sein. Es lässt sie an all ihren Beurteilungen über sich selbst und andere zweifeln. Sie empfinden nicht unbedingt eine Abneigung gegen die von mir benutzten Begriffe, aber die Worte rufen in ihnen Emotionen und intensiven Widerstand hervor. Sie denken: „Das ist unmöglich – ich bin nicht rein, ich bin nicht hilfreich, ich bin nicht weise! In Anbetracht meiner Vergangenheit kann ich kein Glück im Leben erwarten!‖ Ich nenne das „das große Nein‖. Wenn ich Wörter wie „rein‖, „purer Raum‖ oder „vollkommen positiver Daseinsgrund‖ verwende, meine ich damit den unendlich weiten Daseinsgrund, der unbefleckt und makellos ist und immer nur das ist, was er ist. Auch wenn es viele Bezeichnungen gibt, um Dinge zu beschreiben, so ist doch alles ursprünglich rein und makellos. Wir erkennen dies, indemwir bei allen Erscheinungen unerschütterlich auf offene Intelligenz vertrauen. Frage: Ich habe eine Frage über Ursache und Wirkung. Ich habe neulich unreines Wasser getrunken und eine Magenverstimmung bekommen und deshalb ein Mittel eingenommen, welches das Problem behoben hat. Theoretisch sind Ursache und Wirkung nicht real, doch im wirklichen Leben sind sie von Bedeutung. Antwort: Das verhält sich folgendermaßen. Wir sind so daran gewöhnt, dualistisch zu denken und alles in Gegensätzen zu sehen, dass wir entgegnen: „Entweder es handelt sich um Ursache und Wirkung oder es ist jenseits von

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Kausalität.‖ Ich sage jedoch „Kausalität‖ und „jenseits von Kausalität‖ sind nichtzwei. Kausalität erscheint innerhalb von dem, was jenseits von Kausalität ist. Sie besteht ausschließlich daraus und ist untrennbar davon. Das kann nur durch Vertrauen auf offene Intelligenz verstanden und realisiert werden. Nur wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf die Kraft offener Intelligenz vertrauen, wird offensichtlich, dass ihre reine Präsenz alleErfahrungendurchdringt. Du unterstellst einige Dinge bezüglich deiner Situation, die du vielleicht noch einmal überdenken solltest. Du denkst, dass das unreine Wasser die Ursache für deine Bauchschmerzen war und die Bauchschmerzen der Grund, weshalb du die Arznei eingenommen hast, und weil du die Arznei eingenommen hast, fühlst du dich wieder besser. Du siehst das alles als eine direkte Verkettung von Ursache und Wirkung, doch man kann diese Situation auch anders betrachten, und diese Überlegungen sind genauso stichhaltig, wenn nicht noch stichhaltiger. Wir können alle Ereignisse als etwas in Wirklichkeit Unverursachtes sehen, als nicht in Beziehung zueinander stehende Erscheinungen, die auf unvorhersehbare Weise als die dynamische Energie offener Intelligenz auftauchen und vergehen. Da alle Ereignisse in Zeit und Raum lediglich flüchtige Daten innerhalb offener Intelligenz sind, gleichen sie einem Traum und ähneln einer Erscheinung in einer Fata Morgana oder in einem Hologramm. Wenn wir unterstellen, dass ein Ereignis ein anderes verursacht, verleihen wir Ereignissen mehr Realität als sie tatsächlich haben. Kann ein Traumbild etwas verursachen? Kann eine Welle in einem Trugbild als Grund für eine andere Welle gesehen werden? Kann sie überhaupt als existent bezeichnet werden? Wenn wir das trügerische Wesen aller Phänomene erkennen, verleihen wir Ereignissen nicht länger die Macht, andere Ereignisse hervorzubringen. Wir werden durch offene Intelligenz empowert, der alleinigen Realität, die allen Erscheinungen zugrunde liegt.Wir wissen, dass der ursprüngliche Elementarraum die einzig wahre Kraft ist, die einzig wahre Ursache und Realität. Alle Erscheinungen, Ursache und Wirkung inbegriffen, sind eine situationsgebundene Weisheitserscheinung zeitloser offener Intelligenz. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, entdecken wir, dasswirin der direkten Begegnung mit allen Datenvölligfrei sind. Je tiefer diese Erkenntnis ist, desto leichter können wir mentale, emotionale und physische Phänomene meistern. Warum also nicht weiterhinauf offene Intelligenz vertrauen und schauen, was passiert? Beim Vertrauen auf offene Intelligenz als Krankheit wirst du entdecken, dass die Erfahrung von Erkrankung dir und allen Wesen von enormem Nutzen sein kann. Du kannst entdecken, dass sie eine offene Pforte in dein grenzenloses, zeitloses Wesen ist. Doch wenn du weiterhin nur auf Ursachen, Wirkungen und Umstände schaust, kannst du das nie erfahren. Wenn du entdeckst, dass Krankheit und Schmerz dich niemals wirklich beeinträchtigen können, wird jeder körperliche und geistige Zustand eine Einladung zum

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Vertrauen auf offene Intelligenz und ein Einstieg in noch tieferes Ruhen in reiner offener Intelligenz, deiner wahren Natur. Kraft des Vertrauens in offene Intelligenzentdeckst du in dir die enorme Energie der Liebe und Weisheit. Das ist das beste Heilmittel. Wenn du offene Intelligenz aufrechterhältst, hast du tiefgehende Erkenntnisse und weißt, wie man mit mentalen und physischen Daten umgeht. Zudem denkst du nicht länger auf solch eingeschränkte Weise darüber nach.

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MITFÜHLENDER BENEFIT KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

„In offener Intelligenz werden alle unsere schönen Träume wahr. Menschen können einen guten Lebensstandard haben und die Welt kann zu einem Ort werden, wo Menschen einander und ihrer Umwelt von tiefgreifendem Nutzen sind.”

Wenn wir völlige Gelassenheit und offene Wahrnehmung bei allem Erlebten haben – insbesondere bei negativen Erlebnissen – entdecken wir eine bereits in uns vorhandene, vorzügliche Hilfsbereitschaft, die immer scheint wie die Sonne. Es herrscht eine natürliche Leichtigkeit des Seins, bei der niemand ein Fremder ist. Mitgefühl braucht nicht herbeigeführt oder entwickelt zu werden – es ist immer auf natürliche Weise in offener Intelligenz präsent. Genau genommen ist Mitgefühl das gleiche wie offene Intelligenz und kann nur in offener Intelligenz gefunden werden. Herbeigeführtes und entwickeltes Mitgefühl ist begrenzt, verglichen mit vorurteilsfreiem, unaufhaltsamem Mitgefühl. Wahres Mitgefühl ist total unschuldig und frei. Wir können dieses Mitgefühl nur kennenlernen, indem wir sehen, dass offene Intelligenz völlige Herrschaft über alles hat, was in unseren Gedanken, Emotionen und Erfahrungen erscheint. So wie der Lotus aus dem Morast hervorkommt und doch völlig unbefleckt davon ist, erscheint auch die wunderschöne Blume des Mitgefühls aus unseren abgründigsten und dunkelsten Emotionen, Gedanken und Erfahrungen. Wie ist das möglich? Wenn wir in offener Intelligenzverbleiben, ohne den Gedankenfluss abzuändern, beginnen wir – manchmal rasch, manchmal langsam – zu sehen, wie diese Gedanken, die uns so sehr gequält haben, von sich aus frei sind und sich von selbst auflösen. Wir brauchen nicht über diese qualvollen Daten nachzudenken, um sie zu verstehen. Sie verschwinden ganz von selbst, wie eine im Wasser gezogene Linie. Das ist absolut garantiert. Wenn wir uns inmitten dieses inneren Morasts entspannen, entdecken wir etwas Unglaubliches über uns: eine Weite des vollkommenen Friedens und der Freiheit, welche der ursprüngliche Zustand des „Morasts‖ ist. Wir haben durch unser andauerndes Hinterfragen all unserer Daten und das Befragen anderer über deren Daten so viel Leid verursacht. Wenn wir die gleichmütige Natur in uns entdecken, die alle Erscheinungen als gleichwertig sieht, dann empfinden wir für uns selbst Mitgefühl. Wenn wir dieses Mitgefühl auf solch absolut vollkommene Weise erkennen, sehen wir, dass dies nicht nur auf uns zutrifft, sondern auf alle. Wir durchleben einen dramatischen Wandel. Unsere Daten drehen sich nicht länger nur um uns, sondern wir sehen, dass jeder diese Probleme hat. Wir sagen uns: „Jeder hat diese abgründigen und dunklen Gedanken, nicht nur ich. Da ich ein Heilmittel für mich gefunden habe, kann ich vielleicht auch anderen helfen.‖

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Das ist die eigentliche Geburtsstunde von Weisheit. Wir sehen, dass alles Gute, Schlechte, Schöne und Hässliche an uns gleichwertig ist. Dann blicken wir andere aus dieser klaren Perspektive an und alle sehen plötzlich fantastisch aus! Ganz gleich was sie tun, wir verstehen sie voll und ganz und wissen, wie ihnen zu helfen ist. Falls wir handeln müssen, handeln wir spontan und mit Geschick. Wir lassen uns auch nicht mehrdurch andere irritieren. Jemand kann zu uns sagen: „Du bist der wunderbarste Mensch, der je auf Erden gelebt hat‖, und jemand anderes sagt: „Du bist so ein widerlicher Typ‖, und keins von beiden berührt uns, weil wir ihre Beweggründe vollauf verstehen. Wir wissen, dass das, was wir wirklich sind, jenseits dieser beiden Beurteilungen ist. Das ist keine Passivität, sondern radikale Freiheit, die an nichts gebunden ist. Mitgefühl kommt ohne herkömmliche Konstrukte aus. Aus der Perspektive dieser vollkommenen Freiheit sind althergebrachte Erklärungsansätze nicht länger notwendig. Durch die Befreiung von Energie, die nicht länger an den Glauben gebunden ist, Gedanken und Emotionen besäßen ein unabhängiges Wesen, empfinden wir ungemein tiefes Mitgefühl. Wenn wir tiefgehendes Mitgefühl für uns selbst empfinden – wahren Selbstrespekt – empfinden wir umgehend auch Mitgefühl für andere, denn wir wissen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Wir sind nicht länger voreingenommen und meinen, unsere Ideenseien richtig und die der anderen falsch. Wenn wir von all unseren starren Datensätzen ablassen, wird enorme Menge Energie freigesetzt. Das ist die Energie der Weisheit, über alle Maßen hilfsbereit und darauf ausgerichtet, von Nutzen zu sein. Wir werden auf natürlich Weise mitfühlend. Selbst wenn wir die tiefe Angewohnheit hatten, andere Menschen kritisch zu beurteilen, wird sich dies von selbst auflösen, je mehr wir auf offene Intelligenz vertrauen, ohne irgendetwas tun zu müssen! Wenn wir entdecken, dass der Urgrund unseres Seins unwandelbare, makellose Weisheitsenergie ist, dann können wir bedingungslos lieben. Wir lieben uns selbst bedingungslos und können andere genauso lieben. Das menschliche Leben ist eine kostbare Gelegenheit, sich selbst und anderen von Nutzen zu sein. Dieser Nutzen für uns und andere ist bereits in uns vorhanden und muss nicht erst gefunden werden. Es ist ganz unkompliziert und einfach, damit Fühlung aufzunehmen. Wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, können wir uns selbst nutzen und dies ermöglicht es, auch anderen von großem Nutzen zu sein. Daraus ergeben sich Liebe, Weisheit und Energie, die es uns ermöglichen, über alle selbstgesteckten Grenzen des Machbaren hinauszugehen. Ganz gleich wie versiert wir bereits sind, eine ganz neue Sicht der Dinge stellt sich ein, wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen und in Kontakt mit dem Benefit kommen, der für uns etwas ganz Natürliches ist. Es stellt sich eine ganz neue Art des Sehens ein. Dazu gehört auch, dass wir erkennen, wie wir auf eine neue Weise von Nutzen sein können.

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Anhand des Nutzens, den wir in unserem Leben an den Tag legen, können wir einschätzen, ob wir auf offene Intelligenz vertrauen. Diese nützlichen Aktivitäten können sich auf unser eigenes Leben beziehen oder auf Menschen oder Angelegenheiten, die uns wichtig sind. Es ist für jeden Einzelnen und für alle von uns auf der ganzen Welt von höchster Dringlichkeit, diese natürliche Ressource des gegenseitigen Nutzens zu erschließen. Wenn wir für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertrauen, ergeben sich die notwendigen Erkenntnisse und meisterlichen Fertigkeiten auf natürliche Weise, um sich um alles im Leben zu kümmern. Das schließt die Fähigkeit mit ein, nicht nur mit einigen ein liebevolles und inniges Verhältnis zu haben, sondern mit allen Menschen, ohne je darüber nachdenken zu müssen. Es herrscht eine völlig angstfreie, innige Intimität. Wir haben uns schon immer nach dieser namenlosen Liebe gesehnt, in der alles einheitlich und ungeteilt ist. Dies ist kein Zustand der Isolation oder der Passivität, sondern die Realität, die als der Grundzustand natürlich präsent ist. Wenn wir mit der natürlichen Ordnung der Dinge vertraut werden, erkennen wir, dass sie entspannt, geordnet und auf ihre eigene Weise nutzbringend ist. Alles ist bereits vollkommen. Wenn wir völlig entspannt sind, erkennen wir diese natürliche Ordnung. Wir kennen die Bedeutung des Menschseins. Wenn wir Körper und Geist in allen Situationen völlig entspannen, beginnen wir uns als Teil der natürlichen Ordnung zu fühlen. Es ist das Wesen eines jeden Menschen, ganz gleich wie abscheulich oder heilig unser Verhalten gewesen ist, uns und anderen von Nutzen zu sein. Es können nur die wahrhaft von Nutzen sein, die dies verinnerlicht haben. Wir sind nicht das, wofür wir uns in der Vergangenheit gehalten haben. Wir sind nicht unser biografischer Werdegang – wir sind zeitlos. Alles ist schön und gut – selbst die Dinge, die nicht schön und gut zu sein scheinen! Diese Erkenntnis bedeutet wahre Glückseligkeit. Wahre Freude ergibt sich nicht, indem man sich in einen Zustand der Freude zu versetzen sucht, sondern durch die Erkenntnis, dass Freude und Leid nicht voneinander getrennt werden können. Wahre Glückseligkeit bedeutet, unser Leben nicht länger von Stimmungen leiten zu lassen. Bedeutet das nun, dass wir keine Stimmungen mehr haben werden? Nein, es bedeutet nur, dass es keine Trennung zwischen Glückseligkeit und anderen, zufällig auftretenden, Stimmungen gibt. Einen Moment lang erleben wir vielleicht eine unglaubliche Ekstase und im nächsten empfinden wir großes Leid, doch wir erkennen alle Erscheinungen als von Natur aus gleichwertig. Jedes Erlebnis, ganz gleich ob positiv oder negativ, ist wie eine Sternschnuppe in der unermesslichen Weite des Raums, die keine Spur hinterlässt. Sie erscheint aus dem Raum und entschwindet darin. Erscheinungen als ungleich zu sehen, kann niemals zu großem Benefit führen. Erscheinungen als ungleich zu sehen, ist eine suboptimale Lebensstrategie. Dabei reduzieren wir uns auf unsere niedrigste Funktionsebene, was nur eine von vielen Alternativen ist, um ein Leben zu führen. Wenn wir uns jedoch entscheiden, als die Grundlage aller Erscheinungen zu ruhen, dann leben wir optimal als das, wozu wir bestimmt sind. Auf diese Weise werden wir so 197

intelligent wie die Natur. Nirgends gibt es etwas zu verändern. Wenn wir dies realisieren, ist das für uns von enormem Nutzen. Dann können wir einfach auf völlig freie Weise wir selbst sein, weil wir vom Inhalt unserer Gedanken und Emotionen befreit sind. Wir müssen sie nicht verändern oder umändern. Undifferenziertheit bedeutet, dass nichts differenziert zu werden braucht! Das ist wahre Freiheit. Das Gefühl, nicht getrennt zu sein, ist derart offensichtlich, dass der Nutzen für die Allgemeinheit sich einfach auf natürliche Weise ergibt. Wir werden für alle zu einer Quelle des Benefits. Frage: Ich bin daran interessiert, mein volles Potenzial in meinem Leben, meinen Beziehungen und meiner Arbeit zu erreichen. Ich habe eine Menge Bücher gelesen, die erklären, wie man Zugang zu seiner innewohnenden Energie und Kraft erhält, und es würde mich interessieren, was du davon hältst. Antwort: Die reine Energie und Kraft aller Dinge, so wie sie sind, ist untrennbar von offener Intelligenz. Wenn du nach Energie oder Kraft, oder wie immer du das nennen magst, suchst, so ist diese nur in deiner eigenen offenen Intelligenz zu finden. Diese Kraft oder Energie ist völlig entspannt. Die größte Kraft, der du jemals begegnen wirst, ist die Kraft der Offenheit deiner eigenen offenen Intelligenz. Alle Erscheinungen jedweder Art sind einzig und allein Projektionen davon. Offene Intelligenz und ihreBenefit bringenden Kräfte werden sich weiter verstärken, sobald sie einmal erkannt sind. Nur in offener Intelligenz finden wir eine Weisheit, die ohnegleichen ist. Woher wissen wir, dass sie ohnegleichen ist? Weil es Dinge gibt, die auf offene Intelligenz vertrauende Menschen tun können, die niemand anders tun kann. Sie können große Dinge bewerkstelligen, die sehr vielen Wesen helfen: Sie können Nahrung für die Hungernden, medizinische Versorgung, Ausbildung und Obdach bereitstellen, Menschen in offene Intelligenz einführen und ihnen helfen, damit vertraut zu werden. Und was am wichtigsten ist, wenn man auf offene Intelligenz vertraut, besitzt man allzeit perfekte mentale Stabilität und die Fähigkeit, mit Geschick und Klarsicht zu agieren. Wo immer Menschen als diese vorzügliche Realität offener Intelligenz ruhen, sind unglaubliche Kräfte präsent, die völlig jenseits von Kausalität sind. In Wahrheit besitzt jeder diese und noch andere Kräfte, doch sie bleiben solange inaktiv, bis wir unsere eigeneoffene Intelligenz entdecken. Sie sind nichts Individuelles, sondern wohnen dem von sich aus vollkommenemGrundzustand aller Dinge inne. Die Menschheit muss sich mit diesen Kräften vertraut machen. Wir müssen als Menschheit mit diesen Kräften vertraut werden. Frage: Ich würde sehr gerne etwas dazu beitragen, die Welt vor dem Untergang zu retten, doch ich bezweifle, dass ich wirklich etwas bewirken kann. Ich verspüre auch Angst und Unsicherheit, dass meine persönlichen Bedürfnisse nicht unmittelbar erfüllt werden, wenn ich mein Leben in den Dienst anderer stelle. Kannst du mir dazu einen Rat erteilen? 198

Antwort: Nur durch Vertrauen auf offene Intelligenz können wir die Kraft reiner Weisheit abrufen, und dabei beziehen sich Gedanken, Emotionen und alles andere stets auf das Wohl des Ganzen. Die Lösung aller Probleme ist allzeit im ursprünglichen Wesen der Realität enthalten. Wenn wir Lösungen für Probleme suchen, für unsere eigenen, die unserer Familie, Gemeinschaft und der Welt, finden wir diese in den wirksamen und nutzbringenden Kräften zeitloser Weisheit, die untrennbar von unserer eigenen offenen Intelligenz sind. Wenn wir einfach immer wieder auf offene Intelligenz vertrauen, wird offene Intelligenz, dieder spontane Grund aller Dinge ist, schließlich völlig offensichtlich. Wenn wir natürlich als dieser spontane Grund ruhen, wissen wir zusehends, wie wir in jeder Situation geschickt agieren können. Wenn wir hören, dass wir nichts gegen Erscheinungen unternehmen müssen, ist dies weder eine Empfehlung, nur faul herumzuliegen, noch bedeutet es, dass wir einen Freifahrtschein haben, um tun und lassen zu können, was wir wollen, oder dass wir in Untätigkeit oder Passivität verfallen sollten. Wenn wir Verbindung mit der Superintelligenz der natürlichen Ordnung aller Dinge aufnehmen, verfügen wir über große Kraft und Intelligenz in unserem Leben. Die praktische Anwendung dieser Kraft findet ihren Ausdruck in der Welt als herausragende Fähigkeiten und Weisheit. Wenn wir wirklich vertraut mit offener Intelligenz sind, besitzen wir herausragende Fähigkeiten, um überaus hilfreich zu sein, und wir wissen in jeder Situation, was getan und wie gehandelt werden muss. Nur durch die Praxis des Vertrauens auf offene Intelligenz für kurze Momente, viele Male wiederholt, können wir alles verwirklichen, was wir jemals erreichen wollten. Wir werden sehen, wie wir in allen Situationen von größerem Nutzen sein können, als wir jemals für möglich gehaltenhätten. Wir können die notwendige Weisheit entdecken, um die gewaltigen Probleme zu lösen, denen sich die Menschheit ausgesetzt sieht. Wir können nicht leugnen, dass wir eine Menge Probleme haben. Sie bedürfen einer Lösung, und diese kann nur durch Weisheit gefunden werden. Auf diese Weise können wir als eine globale Basisbewegung zusammenkommen und gemeinsam Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen, um unsere individuellen Probleme und die der Welt zu lösen. Die Probleme der Welt wurden nicht dadurch gelöst, dass Menschen sich in ungewöhnliche, andersartige Bewusstseinszustände versetzt haben. Einzig und allein offene Intelligenz, die jenseits von Zeit, Raum und Kausalität ist und an keinerlei Konventionen hängt, kann die Lösungen für bislang ungelöste Probleme erkennen. Bislang unlösbare Probleme – wie unzureichende Mengen an sauberem Trinkwasser und nahrhaftem Essen, Umweltzerstörung, endlose zwischenmenschliche Konflikte und Kriege, Atomwaffen etc. – sind allesamt lösbar. Allerdings kann die Denkweise, die diese Probleme geschaffen hat, diese nicht lösen. Sie können nur durch die Kraft offener Intelligenz und daraus resultierende Erkenntnisse

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bewältigt werden. Und diese sind in keinem althergebrachten Bezugsrahmen zu finden. Es gibt niemanden, der nicht von Nutzen sein möchte. Selbst ein Bandenmitglied oder ein Asozialer möchte von Nutzen sein. Doch ihre Sicht der Dinge geht in die falsche Richtung. Jeder hat den Drang, frei und von Nutzen zu sein. Solange uns niemand aufzeigt, wie man das voll und ganz in sich selbst verwirklicht, wissen wir allerdings nicht, wie. Wenn uns dies nicht gezeigt wird oder wir es nicht selbst herausfinden, verbringen wir unser ganzes Leben damit, uns mit wenig zufriedenzugeben und uns lediglich mit einem flüchtigen Einblick unserer Genialität zu begnügen. Wenn wir nur an den Dingen interessiert sind, die in unserem Geist erscheinen und ein selbstbezogenes Leben führen, sind wir der Kraft unseres eigenen Wesens gegenüber blind. Wir sind in unserer eigenen persönlichen Identität gefangen, sind angespannt und verängstigt und beginnen nach Wegen zu suchen, uns weiterzuentwickeln und unsere persönliche Identität zu festigen. Wir möchten vielleicht den Anschein erwecken, nützlich zu sein, sodass andere eine gute Meinung über uns haben. Doch dadurch schränken wir unsere wahre Identität ungemein ein. Unsere wahre Identität hat kein Bedürfnis, allgemeine Bekanntheit zu erlangen. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, nehmen wir die souveräne ursprüngliche Realität zur Kenntnis, die keinen Stolz kennt. In offener Intelligenz werden alle unsere schönen Träume Realität. Menschen können einen guten Lebensstandard haben und die Welt kann zu einem Ort werden, wo Menschen einander und ihrer Umwelt von außerordentlichem Nutzen sind. Gib dich nie mit einem Image zufrieden, das darauf basiert, dass du dich herausputzen und mit anderen wetteifern müsstest, um zu demonstrieren, was du drauf hast und wie toll du bist. So verschwendest du dein Leben. Selbst wenn du dich dadurch ab und zu besser fühlen solltest, sei dir bewusst, dass du dich wesentlich besser fühlen kannst, indem du einfach Vertrauen auf offene Intelligenz erlangst! Jenseits der persönlichen Identität befindet sich etwas so unglaublich Unermessliches und Tiefgründiges. Ich lade euch alle ein, zu entdecken, was das ist, indem ihr für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz vertraut.

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ES LIEGT AN DIR UND ES LIEGT AN MIR! KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

„Durch die Kraft aufrechterhaltener offener Intelligenzwird ein kraftvolles Mitgefühl in uns aufsteigen, das die Fähigkeit und die Entschlossenheit besitzt, direkte Veränderungen zu bewirken. Wir finden Lösungen sowohl für persönliche als auch für globale Probleme, indem wir über solche Daten wie „ich gegen den Rest der Welt” hinausgehen.

„It’s up to you and it’s up to me!‖ lautet der Titel eines Lieds in der Balanced View Gemeinschaft. Als ich Anfang 2007 im indischen Ort Rishikesh Vorträge hielt, wurden unsere Treffen täglich durch einige musikalische Einlagenabgeschlossen. Einer unserer liebenswerten Teilnehmer schrieb diesen Song und sang ihn mehrmals für uns. Der Refrain lautet: „It’s up to you and it’s up to me; together there’s nothing we can’t be! It’s up to me, and it’s up to you; together there’s nothing we can’t do!‖ Es liegt wirklich an uns, den Wandel herbeizuführen, den wir auf der Welt sehen wollen. Der Wandel beginnt an der Basis. Wo befindet sich diese Basis? Wir sind die Basis! Jeder Mensch in Europa, Asien, Afrika, Südamerika, Australien und Nordamerika ist die Basis. Sie ist überall dort, wo es Menschen gibt, selbst in Gefängnissen. Sie ist überall dort, wo Menschen auf offene Intelligenz vertrauen. Die vereinigende Natur offener Intelligenz verbindet uns miteinander, und es ist unsere Aufgabe, die mögliche Heilung und Einheit der Welt herbeizuführen. Wenn wir auf offene Intelligenz vertrauen, sind wir empowert, sowohl Lösungen für unsere eigenen Angelegenheiten zu finden als auch für globale Probleme. Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass die Erschließung dieser Weisheitsressource nur möglich ist, wenn wir eingehend damit vertraut werden. Je vertrauter wir mit der in offener Intelligenz innewohnenden Weisheit werden, desto weniger werden wir von der zwanghaften Neigung beherrscht, nur uns selbst zu betrachten und unsere Aufmerksamkeit auf eigene, persönliche Belange zu richten. Das führt zu der tiefgreifenden Erkenntnis, dass nicht nur wir Essen, Unterkunft und Kleidung benötigen, sondern alle Menschen. Wir wissen, dass viele Menschen auf der Welt diese grundlegenden Dinge nicht besitzen. Anstatt diese Tatsache unter den Teppich zu kehren oder uns deswegen ohnmächtig zu fühlen, müssen wir uns eingehend damit befassen und uns entschließen, etwas dagegen zu tun. Durch die Kraft aufrechterhaltener offener Intelligenzwird ein kraftvolles Mitgefühl in uns aufsteigen, das die Fähigkeit und die Entschlossenheit besitzt, direkte Veränderungen zu bewirken. Wir finden Lösungen sowohl für persönliche als auch für globale Probleme, indem wir über solche Daten wie „ich gegen den Rest der Welt‖ hinausgehen.

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Die herkömmliche Art, sich mit dem Geist zu befassen, ist Gedanken, Emotionen und Empfindungen nachzugehen und diese dann als positiv, negativ oder neutral zu bewerten. Wir versuchen, mehr positive anzuhäufen und die negativen loszuwerden. Statt uns größeren Nutzen zu bringen, führt ein derartiger Umgang mit unserem Geist zu mehr Anspannung und Unbehagen in uns und anderen, und er kann unsere Probleme nie dauerhaft lösen. Ganz gleich wie fortschrittlich Wissenschaft und Technik vom herkömmlichen Standpunkt aus erscheinen mögen, ihr Nutzen ist bestenfalls von eingeschränkter Natur, solange er sich innerhalb der Grenzen konventionellen Denkens bewegt und nicht auf den größtmöglichen Nutzen für die Allgemeinheit ausgerichtet ist. Solange Wissenschaft und Technik nicht in Einklang mit der Weisheit allumfassender offener Intelligenz sind, sind sie Teil des Problems. Wir können unsere Probleme auf individueller und globaler Ebene nur dann wirklich lösen, wenn wir als Alternative zu diesen herkömmlichen Denkweisen mit offener Intelligenz vertraut werden. Wir müssen uns von allen althergebrachten Bezugspunkten lösen, um offene Intelligenz entdecken und von ihrer innewohnenden Weisheitskraft geleitet werden zu können, die über herkömmliches Denken hinausgeht. Das ist unsere einzige Hoffnung. Glücklicherweise sind die aus offener Intelligenz hervorgehenden Kräfte außerordentlichen Benefits ungemein wirkungsvoll und voll und ganz in der Lage, alle erforderlichen Veränderungen für die Menschheit herbeizuführen – damit diese nicht nur überleben, sondern gedeihen kann. Hierbei handelt es sich um Veränderungen, die der normale Verstand sich nicht einmal vorzustellen vermag. Die Krise, der die Menschheit heute gegenübersteht, ist nicht nur eine Krise der Umwelt, wie Armut, Umweltverschmutzung, Terrorismus und nukleare Bedrohung. Diese Krise hat ihren Ursprung im menschlichen Geist. Die Konflikte und die Umweltzerstörung, die überall auf der Welt offensichtlich sind, spiegeln wider, wie wir mit unseren eigenen Gedanken und Emotionen umgehen. Chronischer Ärger, Gewalt, Verzweiflung, Depression, Alkoholund Drogenabhängigkeit sind heutzutage weit verbreitet. Jeder ist innerlich zerrissen, und folglich sind auch unsere Familien, Gemeinschaften und die Welt als Ganzes voller Konflikte. Der innere Zustand jeder einzelnen Person hat Auswirkungen auf zwischenstaatlicher und globaler Ebene. Der unaufhörliche innere Kampf, Gedanken und Emotionen korrigieren und kontrollieren wollen, führt nie zu innerem Frieden. Allen schlechten oder bestenfalls mittelmäßigen Resultaten dieser Vorgehensweise zum Trotz, machen wir immer und immer wieder dieselben törichten Dinge. Der beste Weg, um uns aus diesem selbstzerstörerischen Prozess zu befreien, ist Vertrautheit mit offener Intelligenz zu erlangen, indem wir Körper und Geist für kurze Momente, viele Male wiederholt, entspannen, bis sie kontinuierlich wird. Jeder ist dazu in der Lage. Wenn wir mit unserer ureigenen offenen Intelligenz vertraut werden, finden wir

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Lösungen, die alle bisherigen Erfindungen in den Schatten stellen. Wenn immer mehr Menschen auf der Welt lernen, sich offener Intelligenz zu erfreuen, werden wir empowert, Veränderungen herbeizuführen, die dem Planeten und dessen Bewohnern wahrlich von Nutzen sind. Gegenseitige Bereicherung ist eine natürliche menschliche Veranlagung. In der Gewissheit offener Intelligenz wissen wir, dass wir wirklich dazu in der Lage sind. Wenn wir die Menschheit als Ganzes verbessern wollen, müssen wir uns an das wenden, was wirklich etwas bewirken kann. Offene Intelligenz ist die Quelle kraftvoller Weisheit und ist von Natur aus ohne Limitierungen. Wenn wir immer wieder auf stabile offene Intelligenzvertrauen, statt auf herkömmliches Denken, wird absolut deutlich, was getan werden muss, um der Welt dauerhaft Benefitzu bieten. Wir werden empowert sein, mit Geschick und Entschlossenheit das zu tun, was getan werden muss. Manchmal kommt die Frage auf: „Wie kann ich bei so viel Leid auf der Welt einfach weiter auf offene Intelligenz vertrauen? Wenn ich nur das tue, schalte ich dann nicht innerlich ab und ignoriere die großen Probleme, denen die Menschheit gegenübersteht?‖ Die Antwort lautet Nein. Vertrauen in offene Intelligenz zu erlangen, ist der beste Weg, um die Probleme der Menschheit zu lösen. Wenn wir offene Intelligenz aufrechterhalten, sehen wir uns als integralen Teil der natürlichen Ordnung und nicht als etwas davon Getrenntes. Durch die Kraft offener Intelligenz kommen wir immer mehr in der Leichtigkeit unseres natürlichen Wesens zur Ruhe, und dadurch kann die enorme Kraft zeitlosoffener Intelligenz ungehindert in uns fließen. Die Natur ist bei allen Geschehnissen entspannt, und wir sollten es ebenfalls sein. Die Natur ruht mit allen Extremen. Ob das Meer stürmisch und aufgewühlt oder unbewegt und ruhig ist, die Natur ruht mit allen Gegebenheiten. Sie doktert nicht an den großen Wellen herum, um sie kleiner zu machen, und versucht auch nicht, das unbewegte Meer zu Wellen anschwellen zu lassen. Sie ruht in sich selbst und lässt die Wellen sein, wie sie sind. Genau so sollten wir mit unseren Gedanken und Emotionen umgehen. Anstatt jede einzelne auftretende Woge von Gedanken und Emotionen kontrollieren zu wollen, vertrauen wir einfach auf offene Intelligenz und sehen jede Welle als perfekten Ausdruck dieser offenen Intelligenz. Auf diese Weise leben wir in Harmonie und Frieden mit allem, was von Moment zu Moment in unserem Geist erscheint. Wir identifizieren uns einzig und allein mit allumfassender offener Intelligenz – unserer wahren Natur. Vollkommene Entspannung ist unsere wahre Natur. Schaut euch die Bäume, Blumen, Vögel, die Erde und alle ihre Aspekte an. Sie sind unter allen Umständen in mühelosem Einklang mit der Natur. Der Wind mag stürmisch sein, doch seine Essenz ruht völlig. Es gibt keinerlei Widerstand. Alles ist einfach so, wie es ist, und da es keinen Widerstand gibt, ist die große Kraft und Gelassenheit offener Intelligenz auf mühelose Weise präsent.

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Wir können diese Kraft entdecken, indem wir auf offene Intelligenz vertrauen. Wenn wir in einem bestimmten Moment entschlossen handeln müssen, ist es am besten, der aus offener Intelligenz hervorgehenden Weisheit zu ermöglichen, uns die Kraft zum Handeln zu geben und exakt aufzuzeigen, wie wir handeln sollen. Wenn wir Vertrauen in offene Intelligenz erlangen, werden unsere Handlungen immer deutlicher von natürlicher Intelligenz geleitet. Ohne die maßgebliche Erfahrung unserer ureigenen offenen Intelligenz wird all dies bloß intellektuelles Verständnis bleiben. Wenn wir jedoch immer wieder die Präsenz offener Intelligenz erleben, sehen wir alles ganz deutlich. Wenn wir immer wieder auf offene Intelligenz vertrauen, erleben wir ihre außergewöhnliche Weisheit, welche die Macht hat, Probleme wie globale Erwärmung, Hungersnot, Wasserknappheit und ungenügende medizinische Versorgung zu lösen. Dauerhafte Lösungen für derart gravierende Probleme können nur durch offene Intelligenz gefunden werden. Indem wir uns in offener Intelligenz mit allem entspannen, was in uns geschieht, entdecken wir Weisheit. Dabei erleben wir die erstaunlichen Benefits von Weisheit hautnah. Akzeptiert bitte nicht einfach, was ich sage. Ich bitte euch, diese Dinge selbst zu testen, wie ein Wissenschaftler, der seine Hypothese testet, um herauszufinden, ob sie stimmt. Vertraue selbst auf offene Intelligenz, und dann schau, was dabei herauskommt. Wenn unsere offene Intelligenz erst einmal hinreichend etabliert ist, werden wir nicht mehr andauernd von Daten abgelenkt. An diesem Punkt wird der Benefit der natürlich auftretenden Weisheit ganz offensichtlich. Zuerst erfahren wir einen Nutzen auf persönlicher Ebene, einen unmittelbaren Nutzen für uns selbst. Wir erlangen mentalen Gleichmut, unerschütterliche Freude und inneren Frieden. Das ist keine Kleinigkeit! Wenn wir uns selbst derart von Nutzen sind, ist der unaufhaltsame Fluss mitfühlender Empfindungen und Handlungen nicht mehr zu stoppen. Dieses würdige, zuversichtliche und elegante Dienen wird von tiefgründiger Weisheit inspiriert unddurchdie unbegrenzten Energie offener Intelligenzangetrieben. Offene Intelligenz geht über bloßes Lernen und Denken hinaus. Aus ihr ergeben sich Lösungen, zu denen man durch herkömmliches Denken nie hätte gelangen können. Ich möchte nun einen sehr wichtigen Punkt ansprechen. Falls wir uns entscheiden, unsere wahre Identität als offene Intelligenz entdecken zu wollen, müssen wir uns ein hundertprozentigdazu verpflichten, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Robert Frost schreibt in seinem Gedicht „The Road Not Taken‖, „Two roads diverged in a wood, and I took the one less travelled by, and that has made all the difference.‖Falls wir unseren Glauben beibehalten, Gedanken und Emotionen besäßen die Macht, uns zu beherrschen, und wir nur zeitweise auf offene Intelligenz vertrauen, dann ist das der Weg, der nur allzu oft beschritten wird – der Weg der teilweisen Hingabe und der Halbherzigkeiten, der nicht zu wahrer mentaler Stabilität und Weisheit führt.

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Doch wenn wir uns ernsthaft entschließen, Vertrauen in offene Intelligenz zum Wohl aller Wesen zu erlangen, dann nehmen wir den weniger begangenen Weg. Wir wählen den Weg, auf offene Intelligenz zu vertrauen, ganz gleich welche Gedanken, Emotionen oder Erfahrungen wir haben mögen. Wir geloben: „Ich werde niemals aufgeben, solange ich lebe. Ich werde solange auf offene Intelligenzvertrauen, bis ihre weise Intelligenz sich in all meinen Aktivitäten zeigt. Ganz gleich was geschieht, ich werde durchhalten, bis offene Intelligenz völlig spontan wird und ich nicht länger versuchen muss, offene Intelligenz aufrechtzuerhalten. Ich werde auf jeden Fall mir und anderen Wesen zuliebe damit fortfahren. Ich werde mich zur Unterstützung meiner Entscheidungen solange auf die Weisheitsressourcen stabiler offener Intelligenz verlassen, bis offene Intelligenz jederzeit offensichtlich ist.‖ Dies sind die zwei Alternativen: Eine halbherzige Entscheidung oder eine absolute Verpflichtung, die das erwünschte Resultat garantiert. Die Verpflichtung muss ein hundertprozentig sein, denn nur so kann Weisheit vollkommen lebendig werden. In Wirklichkeit können wir unsere Verpflichtung nur von einem Moment zum anderen einhalten. Unsere Entscheidung, auf offene Intelligenz zu vertrauen, muss immer wieder von Moment zu Moment durch die Übung des Vertrauens auf offene Intelligenz bekräftigt werden. Wir können geloben, dass wir uns in alle Ewigkeit zu verpflichten, doch wenn wir diese Verpflichtung leben, muss sie immer wieder durch unsere Entscheidung bekräftigt werden, von Gedanke zu Gedanke, von Emotion zu Emotion, von Erfahrung zu Erfahrung auf offene Intelligenz zu vertrauen, wann immer wir uns daran erinnern. Auf diese einfache Weise entwickeln kurze Momente offener Intelligenz allmählich eine Eigendynamik und werden kontinuierlich. Frage: Wie kann Vertrauen auf offene Intelligenz dazu dienen, zukünftige Führungskräfte zu formen? Antwort: So wie Vertrauen auf offene Intelligenz tiefe Einsichten hervorbringt, kann offene Intelligenz auch sehr weise Führungskräfte heranbilden. Menschen in leitenden Positionen müssen imstande sein, außergewöhnliche mentale Stabilität, Mitgefühl, ein hohes Maß an Klarsicht und herausragenden Aktivitäten in allen Situationen zu manifestieren. Diese Eigenschaften sollten die primären Kriterien für jede Führungskraft eines Landes sein. Kraft offener Intelligenz können Führungskräfte auf allen Ebenen der menschlichen Gesellschaft dieses Reservoir an Eigenschaften in Anspruch nehmen. In offener Intelligenz haben wir eine ausgewogene Sicht. Wir sind uns nicht nur bewusst, was wir denken und fühlen, sondern auch, was andere Menschen denken und fühlen. Wenn wir völlig in unsere eigenen Emotionen, Gedanken und Wünsche verstrickt sind, sind wir weder offen und aufgeschlossen genug, um zu verstehen, was andere denken und fühlen, noch können wir klar sehen, welchen Einfluss unsere Handlungen auf andere haben. Ohne diese instinktive geistige

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Verbundenheit mit allen Menschen auf der Welt ist es für jede Führungskraft schwierig, Entscheidungen zu treffen, die wirklich zum Wohl aller sind. Wenn wir uns für ein Individuum halten, das die Summe all seiner Gedanken, Emotionen, Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge ist, dann vergeuden wir unser gesamtes Leben bei dem Versuch, diese Identität zu fördern. Wir klammern uns an bestimmte Daten und lehnen andere Daten ab. Wir messen uns mit allen anderen Menschen und stellen unsere Fähigkeiten zur Schau, um zu beweisen, dass unsere Daten die richtigen sind. Wir gehen von der Annahme aus: „Meine Daten sind richtig und deine sind falsch. Und weil meine Daten richtig sind, bin ich etwas Besonderes, und da ich etwas Besonderes bin, sind meine Entscheidungen richtig, ganz gleich was du sagst!‖ Wir können den Eindruck erwecken, ein guter Zuhörer zu sein, damit wir bei anderen Menschen Gefallen finden, um so unsere eigenen Absichten voranzubringen. Diese Denk- und Lebensweise führt niemals zu wahrer Führungsqualität. Sie führt nur zu einem Fortbestand dieser aggressiven Form der Beziehung, von der wir in der heutigen Gesellschaft so viel zu sehen bekommen. Wenn wir hingegen auf offene Intelligenz vertrauen, entdecken wir in uns die Weisheit, die ohne Stolz und Aggressivität ist. Wir sehen alle Geschehnisse in zunehmendem Maße auf vollkommen ausgewogene Weise. Mit dieser ausgewogenen Sicht können wir auf spontane Weise zum Wohl aller handeln. Und nicht nur das, wir können auch viel mehr lachen! Frage: Du hast eine Anzahl von Problemen genannt, denen die Welt gegenübersteht. Kannst du etwas über die Probleme sagen, vor denen wirtschaftlich reiche Nationen wie Nordamerika stehen? Antwort: Alle Nationen haben Probleme, selbst Länder wie Nordamerika, wo es eine Unmenge an Ressourcen gibt. Die gesamten Vereinigten Staaten haben ein Maß an wirtschaftlichem Reichtum und Vorsprung, das für die meisten Erdbewohner unvorstellbar ist. Dennoch hat auch Amerika seine Probleme. Dieses Land besitzt alle materiellen Dinge, doch zum Teil sehr wenig Weisheit, was unsere wahre menschliche Natur betrifft. Es gibt so viel Ablenkung durch den Wunsch nach materiellen Dingen und ihrem Genuss zum eigenen Vergnügen, dass wir von diesem Lebensstil oft ganz hingerissen sind und uns nicht damit beschäftigen, wie diese Ressourcen auf alle Menschen verteilt werden können. Wir genießen solch unglaubliche Privilegien, und es ist illusorisch zu glauben, dass sie uns niemals entzogen werden können. Ich habe viele Freunde auf der Welt, die ungeheure politische Turbulenzen durchgemacht haben und unter den schwierigsten Bedingungen aus ihrem eigenen Land fliehen und anderswo Zuflucht suchen mussten. Ich möchte hier betonen, wie leicht uns so etwas zustoßen kann. Wir sollten niemals das Gefühl haben, vor solch unerwarteten Ereignissen sicher zu sein, denn sie können jedem zustoßen. Was Menschen in

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von Konflikten heimgesuchten Ländern zustößt, kann auch denen passieren, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr sicher und komfortabel leben. Der einzige Weg, auf alles vorbereitet zu sein, ist Vertrauen in offene Intelligenz zu erlangen und das in uns zu finden, was von jedweden Ereignissen unbeeinflusst ist. Indem wir inneren Frieden finden, können wir unser Herz öffnen und anderen helfen, ebenfalls Frieden zu finden. In Wahrheit kann man überall auf offene Intelligenz vertrauen. Die Menschen in den Vereinigten Staaten sind genauso von offener Intelligenz erfüllt, wie jeder andere auf der Welt. Und obgleich Amerika seine Probleme hat, besitzt es auch eine wunderbare Offenheit für neue Ideen. Diese Offenheit für Neues hat die Vereinigten Staaten schon immer zu einem fruchtbaren Nährboden für neue Lebensmodelle gemacht. Frage: Wenn alles ein perfekter Ausdruck offener Intelligenz ist, worin besteht dann die Notwendigkeit, die Welt zu retten und ihre Probleme zu lösen? Antwort: Alles ist ein perfekter Ausdruck offener Intelligenz – die Welt und all ihr Leid inbegriffen. Man könnte auch sagen, dass alles ein gleichwertiger Ausdruck natürlicher Intelligenz ist. Ob nun Lösungen für all die Probleme gefunden werden, denen sich die Menschheit ausgesetzt sieht oder nicht, oder ob die Welt gerettet wird oder nicht, die zeitlose, allen Dingen zugrundeliegende Intelligenz wird davon letztlich nicht beeinträchtigt. Doch wenn wir Vertrauen in offene Intelligenz haben, kommt auf natürliche Weise starkes Mitgefühl für alle leidenden Wesen sowieder feste Entschluss auf, alles zu tun, um wirkliche Linderung zu bringen. Die Aussage: „Da alles offene Intelligenz ist und deshalb die Welt nicht existiert, brauche ich nichts zu tun, um das Leid zu lindern,‖ ist eine extreme Sicht der Dinge. Derartig extreme Ansichten führen in Wirklichkeit dazu, dass das Leid auf der Welt andauert, und machen uns blind gegenüber dem Leid um uns herum und den praktischen Hilfsmöglichkeiten. Offene Intelligenz ist der Hauptfaktor und Stützpfeiler für unser individuelles Wohlbefinden und das Wohlbefinden der Menschheit im Allgemeinen. Wenn wir Vertrautheit mit offener Intelligenz erlangen und alle starren Bezugspunkte unseres herkömmlichen Denkens loslassen, wird eine Unmenge an Energie frei. Wir entdecken die Energie außergewöhnlicher Hilfsbereitschaft und Mitgefühls. Sie sind ein naturgegebener Aspekt unserer ureigenen offenen Intelligenz, ein inneres Gefühl der Wärme und des Wohlwollens. Wenn Liebenswürdigkeit und Mitgefühl ganz natürlich aus uns hervorquellen und sich auf andere Wesen ausbreiten beginnt, dann wissen wir, dass wir wirklich auf offene Intelligenz vertrauen. Das ist für uns und andere deutlich erkennbar. Weisheit ist das Verständnis, dass alles von Natur aus gleichwertig ist. Entweder wir verlieren uns in der Welt von Daten, Ursachen und Wirkungen, oder wir sehen alle Erscheinungen als Manifestationen von Weisheit. Wenn wir

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diese gleichwertige Sicht finden, überwiegt jederzeit vollkommene Weisheit und vollkommenes Verständnis. Dann ist es unmöglich, auf eine Weise zu handeln, die keine guten Resultate bringt. Weisheit überragt alles, ganz gleich ob wir Erscheinungen zuvor als gut oder schlecht, richtig oder falsch bewertet haben. Diese absolut vollkommene Weisheit, die alles bereichert und durchdringt, wird heutzutage besonders benötigt. Durch die natürliche Leichtigkeit vollkommen offener Intelligenz wissen wir, was auf einfache und nutzbringende Weise getan werden muss. An diesem Punkt der menschlichen Geschichte sollte es deutlich geworden sein, dass all unsere philosophischen Ideen über Gut und Böse, Sünde und Tugend uns weder befähigt haben, unsere eigenen individuellen Probleme zu lösen, noch die Probleme der Menschheit. Wenn wir die Tatsache betrachten, dass nahezu alle Kriege aufgrund solcher Ideen geführt wurden, müssten wir eigentlich daraus schließen, dass derartige Ideen zu den größten Problemen der Menschheit gehören! Nur die Weisheit, die über Wissenschaft und Philosophie hinausgeht, kann dauerhafte Lösungen für die riesigen Probleme bieten, denen der Planet und dessen Bewohner ausgesetzt sind. Frage: Aber gewiss nicht jede Form von politischem Aktivismus ist nutzlos. Hat es nicht viele Menschen gegeben, die durch ihr Handeln große Veränderungen auf der Welt bewirkt haben? Antwort: Es ist unbestreitbar, dass gute Dinge aus den politischen Aktionen von Menschen hervorgegangen sind. Doch ganz gleich, wie viel Gutes auf diese Weise zustande gekommen ist, durch die Weisheit offener Intelligenz kann unendlich mehr Gutes zustande kommen. Wir können die gewaltigen Probleme der heutigen Zeit wirklich nur dann lösen, wenn Menschen mit der ursprünglichen Weisheit vertraut werden, die allen Erscheinungen zugrunde liegt. Aus offener Intelligenz haben wir eine viel klarere und ausgewogenere Sicht als durch irgendeinen extremen politischen Standpunkt. Wahre Weisheit hat etwas, das weit über alle politischen oder philosophischen Ideale hinausgeht, ganz gleich wie wundervoll diese Ideale auch erscheinen mögen. Als junge Frau setzte ich mich eingehend mit politischen Themen auseinander und sah allerlei Extremismus auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Ich engagierte mich sehr für die liberalen Ideen jener Zeit, sah aber so viele Machtkämpfe, Konkurrenzdenken und Fanatismus innerhalb der Organisationen, für die ich mich engagierte, sodass ich von politischem Aktivismus sehr schnell enttäuscht war. Wir suchten nach Frieden, Liebe und der Beendigung des Krieges, doch aufgrund all der Machtkämpfe und Streitigkeiten unter den Leuten, fanden wir nur Uneinigkeit und verwässerten Idealismus! Meistens behauptete die stärkste Fraktion ihre Macht. Es gewann also die Gruppierung, die sich durch machtgetriebene Aktionen zum Sieg durchboxen konnte. Ich sah, dass diese Form der Entscheidungsfindung inadäquat war, um Frieden auf der Welt herbeizuführen. Ich dachte mir: „Was geht hier vor? Die

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meisten dieser Menschen, ich eingeschlossen, haben keinen inneren Frieden! Wie kann eine solche Gruppe von Menschen eine friedliche Welt erschaffen?‖ Es schien keinen Unterschied zu machen, auf welcher Seite man stand. Das Fehlen inneren Friedens, sei es aufgrund von Zorn, Stolz, Angst, Verlangen, Depression oder Unwissenheit, ruinierte letztendlich selbst die schönsten und friedfertigsten Ideale. Eine Demonstration für den Frieden ohne eigenen inneren Frieden kann niemals zu Frieden auf der Welt führen. Was sollte ich also tun? Ich erkannte schließlich, dass all meine Ideologien zu nichts führten. Sie halfen mir nicht, meine persönlichen Probleme zu lösen und konnten weder aufzeigen, wie man zielstrebig in einer Organisation zusammenarbeitet, noch trugen sie zu wirklichen Veränderungen auf der Welt bei. Wenn wir an diesen Ideologien festhalten, verlieren wir uns bloß in extremen Positionen. Glücklicherweise erkannte ich, dass wir alle erst einmal mit dem Ringen nach Frieden in uns selbst klarkommen müssen. Dort muss der primäre Konflikt gelöst werden, und nur dann können wir erfolgreich Organisationen gründen, die wirklich fürsorglich, friedfertig und nützlich sind. Wenn wir mit uns selbst nicht klarkommen und keinen inneren Frieden schließen, dann ist es ausgeschlossen, zu einem friedlichen Miteinander auf der Welt zu kommen. Politischer Extremismus hat zu immer mehr Konflikten unter den Völkern geführt. Auf Machtkämpfen und Hass basierende Revolutionen schaffen bloß Blutvergießen und eine neue Form der Knechtschaft. Auf extremen Standpunkten basierende Institutionen oder politische Bewegungen sind Orte des Schmerzes und des Chaos. Sie sind nur eine Kopie dessen, was in uns vorgeht. Wir kopieren unser inneres Leid und bringen es in eine Organisation ein! Kann eine solche Organisation Frieden auf der Welt schaffen? Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschheit die Fähigkeit besitzt, Organisationen zu formen, die von Weisheit geleitet sind. Doch sie dürfen nicht so hierarchisch und konfrontativ strukturiert sein, wie viele Organisationen heutzutage. Die ideale Organisation ist eine Form mitbestimmender Demokratie, in der Führungskräfte die Rolle haben, andere zu fördern und zu inspirieren, um so die Stärken, Begabungen und Talente jedes einzelnen in der Organisation hervorzubringen. In solchen Organisationen finden wir Würde, Vertrauen und gegenseitige Unterstützung, denn alle setzen ihre Fähigkeiten für ein gemeinsames Ziel ein. Wenn Menschen auf offene Intelligenz vertrauen, werden sie empowert, Institutionen und Organisationen zu gründen, die Orte des Glücks, der Freude und der gegenseitigen Unterstützung sind. Um das auf optimale Weise zu bewerkstelligen, müssen wir auf offene Intelligenz vertrauen, statt auf gewöhnliches Denken. Stabile offene Intelligenz führt zu einer neuartigen Denkweise, die sehr effektiv ist.

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Immer wenn wir anderswo nach Frieden suchen, müssen wir ihn zuerst in uns selbst suchen. Durch die Kraft offener Intelligenz kann die Menschheit den inneren Frieden finden, nach dem wir gesucht haben. Es gibt in jedem von uns etwas, das völlig friedlich ist. Wenn wir mit diesem Gleichmut vertraut sind, werden viele unserer angestrebten Ziele möglich. Wenn wir wissen, dass wir von Natur aus Einfallsreichtum, innere Würde und Zuversicht besitzen, können unsere Familien, Gemeinschaften, Institutionen und die gesamte Welt dies ebenfalls erkennen. Es lohnt sich wahrlich, nach so etwas zu streben und darauf hinzuarbeiten. Es liegt ganz an uns.

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BALANCED VIEW RESSOURCEN Jedem Interessierten steht eine Reihe von Ressourcen zu Verfügung, um mehr über das Balanced View Training in Erfahrung zu bringen. Die Hauptquelle für Information sind die Balanced View Webseiten www.balancedview.org undwww.greatfreedom.org. Dort befinden sich zahlreiche öffentliche Reden, Videos und Texte, einschließlich dieses Buches. Obwohl alle Medienformate kostenlos verfügbar sind, sind wir für jede Art der finanziellen Unterstützung dankbar. Die Reden können problemlos im MP3-Format auf einen Computer oder auf einen MP3-Player heruntergeladen werden. Sie variieren in Länge von einigen wenigen Minuten bis zu einer Stunde oder mehr und sind eine große Hilfe für jeden, der daran interessiert ist, Vertrauen in offene Intelligenz zu erlangen. Auf der Webseite wird zudem eine Übersicht der Balanced View Trainings weltweit aufgeführt. Veranstaltungsplattformen reichen von persönlichen Treffen vor Ort und öffentlichen Meetings bis hin zu Trainings und Meetings, die über eine kostenlose Telekonferenzbrücke angeboten werden. Viele erhalten ihre anfängliche Einführung ins Vertrauen auf offene Intelligenz aus den oben erwähnten kostenlosen Downloads. Weitergehende Unterstützung zum Vertrauen auf offene Intelligenz wird durch die Vier Mainstays von Balanced View und die drei Reihen schriftlicher Trainingsangeboten –Alltägliche offene Intelligenz: Die zwölf Empowerments, The Power of Benefit und The Principles of Benefit. Es wird ein Einführungstrainingangeboten, bei dem Teilnehmer direkte Anleitungen erhalten, um für kurze Momente, viele Male wiederholt, auf offene Intelligenz zu vertrauen. Dies ist die Voraussetzung für die Teilnahme an den Zwölf Empowerments, dem vorbereitenden Training von Balanced View,durch das die Teilnehmer in die ursprüngliche Natur des Geistes, offene Intelligenz und Daten eingeführt werden. Sie bieten zentrale Anweisungen, die eine direkte und maßgebliche Erfahrung offener Intelligenz hervorrufen. Eine Übersicht des Zwölf Empowerment Trainings ist auf der Webseite zu finden. Die Power of BenefitReihe unterstützt das Heranreifen der Kräfte außerordentlichen Benefits: vollständige emotionale und mentale Stabilität, tiefgreifende Klarsicht, unaufhaltsames Mitgefühl und herausragende Fähigkeiten in jedem Augenblick. Wer sich ernsthaft dafür entscheidet, die Vision von Balanced View – offene Intelligenz für alle – weiterzutragen, dem stehen neben der direkten Anleitung durch einen geprüften Balanced View TrainerThe Principles of Benefit zur Verfügung. Sie zeigen uns, wie man als Organisation und globale Familie zusammenarbeitet und bieten Strukturen, die Frieden, Harmonie und Respekt in allen Lebenslagen gewährleisten.

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Weitere Informationen über diese Trainings sind auf unserer Webseite zu finden. Die Vier Mainstays bilden den Rahmen für alle Angebote von Balanced View. Sie unterstützen die Teilnehmer während des gesamten Prozesses: 1) Vertrauen auf offene Intelligenz, 2) das Training, 3) der Trainer bzw. die Trainerin, und 4) die Gemeinschaft. Alle Balanced View Trainer verpflichten sich, jedem, der auf offene Intelligenz vertraut, jedwede Unterstützung zukommen zu lassen. Jede Bitte eines Teilnehmers um Unterstützung wird innerhalb von 24 Stunden beantwortet. Wir sind dankbar für Spenden von Teilnehmern, die das Balanced View Training unterstützen möchten. Wir heißen alle willkommen, ungeachtet ihrer Fähigkeit, einen Beitrag leisten zu können.

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Wir laden dich auf eine wundervolle Reise in die Bildung in der Natur des Geistes ein–eine enorme Ressource voller nutzbringender Wirkungskraft, Glück und Leichtigkeit, die spontan in dir existieren. Es handelt sich um eine Reise, die nur du unternehmen kannst. Niemand sonst kann sie für dich unternehmen. In diesem Buch findest du aber eine kontinuierliche Begleitung und Führung auf dem Weg, mit genauen Wegbeschreibungen, zentralen Punkten und grundlegenden Anleitungen ebenso wie eine weltweite Gemeinschaft von FreundInnen und MentorInnen, die dich darin unterstützen, die eine einfache Veränderung vorzunehmen, die das Leben einfach macht. Dieses Buch zu lesen und seine zentralen Punkte in die Praxis umzusetzen, wird dir ein Leben ermöglichen, das du niemals für möglich gehalten hättest, unabhängig davon, wie gut dein Leben bereits ist! Du schließt dich des Zeitalters menschlichen Empowerments und der Ära des außerordentlichen Benefits an.

www.balancedview.org