Dunja Wegmann Der Daker

die ersten Legionäre herannahen. Die Drei duckten sich noch tiefer, um den Blicken der Späher zu entgehen, trotzdem musste etwas die Aufmerksamkeit.
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Todeslogistik

Dunja Wegmann   

Der Daker    Band 2   

Gladiator aus Liebe    Historischer Liebesroman    © 2010  AAVAA Verlag UG (haftungsbeschränkt)  Quickborner Str. 78 – 80, 13439 Berlin    Alle Rechte vorbehalten    www.aavaa‐verlag.de    1. Auflage 2010    Cover: Zeichnung von Bianca Elmenhorst    Printed in Germany  ISBN 978‐3‐941839‐65‐6  2

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            Alle Personen und Namen sind frei erfunden.  Ähnlichkeiten mit lebenden Personen   sind zufällig und nicht beabsichtigt. 

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„This is my way,  and no excuses.  I’m not what you say –   is real.  Expect nothing in return.  Let’s not abuse this here.   No excuses!”    H‐Blockx, “No excuses”      Mit besonderem Dank     An Daniel Schulten     Für den technischen Support.   Und für seine Hartnäckigkeit,   die Worte des Ansporns und   den nötigen Schubs    in die richtige Richtung. 

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Kapitel 1    Eine  Fliege  surrte  um  Carus´  Kopf  und  ließ  sich  auf  seiner  knolligen  Nase  nieder.  Noch  im  Halbschlaf  schlug er nach ihr und öffnete dann erst seine Augen.  Im  ersten  Moment  fand  er  sich  nicht  zurecht,  hatte  er  doch  die  gewohnte  Umgebung  des  Steinbruchs  erwartet.  Aber  schon  kam  ihm  die  Erinnerung  an den  gestrigen  Tag;  an  den  Kampf,  die  Flucht  und  den  herrlichen See.  Ruckartig  setzte  er  sich  auf  –  und  da  lag  tatsächlich  die  glatte  Oberfläche  des  Wassers  vor  ihm.  Er  sah  Argon  am  Ufer  sitzen  und  still  auf  den  See  hinausbli‐ cken. Leise erhob er sich und gesellte sich zu ihm.   „Ich habe so tief und fest geschlafen wie einer dieser  Felsen hier“, sagte Carus, und Argon sah zu ihm auf.   „Ja, und Kilian schläft sogar immer noch.“  „Soll ich ihn wecken?“   Argon schüttelte den Kopf.   „Nein,  wir  haben  keine  Eile.  Ich  bezweifle,  dass  sie  uns  überhaupt  suchen  werden.  Sie  haben  so  schon  mehr als genug zu tun.“  Schweigend  dachten  sie  an  die  vielen  Toten,  die  der  Aufstand gefordert hatte.  5

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„Argon, wegen unseres Gesprächs gestern Abend, da  ...“, brach Carus die Stille.  „Ich weiß, was du sagen willst. Doch mein Entschluss  steht  fest.  Ich  habe  ihr  mein  Wort  gegeben,  und  das  werde ich halten. Sie war die Einzige, die für mich da  war, als ich keine Hoffnung mehr hatte. Ihr Leben und  ihre  Ehre  hat  sie  selbstlos  für  mich  aufs  Spiel  gesetzt.  Kann es einen größeren Liebesbeweis geben?“   Argon  sah  seinen  Freund  fragend  an,  und  Carus  seufzte mit einem ergebenen Kopfschütteln.   „Ich wünschte, ich könnte dir widersprechen.“  Hinter  sich  hörten  sie  ein  genüssliches  Gähnen.  Sie  drehten  sich  zu  Kilian  um,  der  sich  gerade  ausgiebig  reckte und streckte.   „Hat der Herr wohl geruht?“, fragte Carus lachend.   „Oh  ja,  durchaus.  Und  nun  verlangt  es  mich  nach  einem Bad“, gab Kilian würdevoll zurück.  Im nächsten Moment rannte er an den beiden vorbei  und warf sich in das Wasser.   „Ich  glaube,  davon  kriege  ich  nie  genug!“,  rief  er  in  Richtung Ufer.   „Das ist ja soweit gut und schön. Doch um ehrlich zu  sein, habe ich langsam einen Riesenhunger“, brummte  Carus, „und Wasser macht meinen Bauch nicht satt.“  6

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Argon sah sich um.   „Hier  wächst  kein  Baum  und  es  gibt  nur  ein  paar  vertrocknete  Sträucher.  Früchte  werden  wir  nicht  finden. Wir müssen uns etwas erjagen.“  „Und  wie  sollen  wir  das  machen?“,  erkundigte  sich  Carus.   „Mit  unseren  Händen,  denn  die  einzige  Waffe,  die  wir haben, ist das Messer von Crassus.“  Carus sah wieder auf den See hinaus.   „He,  Kilian,  bring  einen  Fisch  mit,  wenn  du  raus  kommst!“   „Was?“, kam es aus dem Wasser zurück.   „Einen Fisch! Wir haben Hunger!“, rief Carus laut.   Vom Ufer aus beobachteten Argon und er, wie Kilian  untertauchte.   „Das  kann  ewig  dauern.  Nun  sind  wir  frei,  aber  müssen verhungern“, murmelte Carus missmutig.  Plötzlich  tauchte  Kilian  wieder  auf,  in  seiner  Hand  hielt er einen zappelnden Fisch.   „Das – das gibt’s doch gar nicht“, stotterte Carus.   „Kann  mir  mal  einer  von  euch  helfen?“,  rief  Kilian  ungeduldig.   Mit einem Sprung war Carus im Wasser.   7

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„Ich kann sie fangen, aber nicht töten“, gab Kilian mit  einem verlegenen Grinsen zu.   Carus packte den Kopf des Fisches und brach ihm das  Genick.   „Hoffentlich kannst du ihn wenigstens essen“, meinte  er  trocken  und  drückte  ihm  den  Fisch  wieder  in  die  Hand.  Dann schlug er Kilian so heftig auf den Rücken, dass  diesem beinahe seine Beute entglitten wäre.   „Gut gemacht, Gallier! Besorge noch zwei von denen.  Wir werden inzwischen ein Feuer machen.“   Und so saßen sie schon kurz darauf um ein prasseln‐ des  Feuer,  jeder  von  ihnen  einen  auf  einen  trockenen  Zweig gespießten Fisch in der Hand.  „Woher  kannst  du  das,  dieses  Fischefangen?“,  fragte  Carus mit vollem Mund.   „Ich bin an einem See aufgewachsen. Als Kinder war  das  unser  liebstes  Spiel.  Wie  es  scheint,  verlernt  man  manche Dinge nie.“  Kilian lächelte bei der Erinnerung.   „Wirst  du  auch  in  deine  Heimat  zurückkehren?“,  wollte Argon wissen.   „Ich weiß es noch nicht“, antwortete Kilian nachdenk‐ lich.  „Auf  mich  warten  weder  Frau  noch  Kinder,  wie  8

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bei Carus. Vielleicht heure ich einfach auf irgendeinem  Schiff in Ostia an und warte ab, wohin das Meer mich  trägt.“  Er  zuckte  leichthin  mit  den  Achseln.  „Und  wo  ich gerade von Ostia spreche, sollten wir über unseren  weiteren  Weg  nachdenken.  So  schön  und  friedlich  es  hier  auch  ist,  so  wollen  wir  doch  sicher  nicht  hier  bleiben.  Lasst  uns  also  weiterziehen.  Und  hoffen  wir,  dass wir die Berge bald hinter uns haben.“   Carus  warf  das,  was  er  von  seinem  Fisch  übrig  gelassen  hatte  –  was  nicht  viel  war  –  in  den  See  und  bedecke die Feuerstelle mit Steinen.  „Soweit es mich betrifft, ich bin bereit, Argon.“   Auch Kilian erhob sich.   „Wir sollten noch trinken, denn wer weiß schon, wie  lange wir diesmal ohne Wasser auskommen müssen“,  riet er, bevor sie sich wieder daran machten, sich durch  die Berge Richtung Süden zu kämpfen.    Und sie brauchten noch zwei Tage und zwei Nächte,  bis  sie  auf  der  letzten  Anhöhe  standen  und  in  ein  grünes Tal hinunterblickten, das von dem blauen Band  eines  Flusses  durchzogen  war.  An  dessen  Ufer  erkannten  sie  vereinzelte  Häuser  mit  angrenzenden  Feldern  und  Wiesen.  Am  auffälligsten  war  jedoch  die  9

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gerade  Straße,  die  im  Südwesten  bis  an  den  Horizont  reichte.  Darauf wies Argon nun und sagte „Alle Wege führen  nach Rom. So haben es die Kaiser von jeher gewollt.“  Erschöpft stützte Kilian seine Hände auf die Knie.   „Und  was  nun?“,  fragte  er  atemlos.  „Wir  können  wohl  kaum  die  Straße  nehmen.  So  wie  wir  aussehen,  würde uns schon die nächste Patrouille festnehmen.“  „Wir  werden  hier  bis  zur  Dunkelheit  warten.  Dann  schleichen  wir  zu  einem  der  Häuser  da  unten,  besor‐ gen  uns  Kleidung  und  etwas  zu  essen  und  setzen  danach unseren Weg fort“, entschied Argon.     So  harrten  sie  den  ganzen  Tag  zwischen  den  Felsen  aus und warteten, dass die Sonne unterging. Sie hatten  abwechselnd  die  Straße  beobachtet,  während  immer  zwei  geruht  hatten.  Nun,  da  die  Sonne  hinter  den  Gipfeln der Berge untergegangen war, machten sie sich  vorsichtig  an  den  Abstieg,  genau  darauf  achtend,  wohin sie ihre Füße setzten.  Und dann geschah es doch. Unter Carus´ Schritt kam  ein  Stein  ins  Rollen  und  riss  auf  seinem  Weg  ins  Tal  immer mehr kleinere und größere Steine mit sich. Wie  10

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erstarrt  blieben  die  Drei  stehen  und  lauschten  in  die  Dunkelheit.  Sie hörten aber nichts als das Gurgeln und Plätschern  des  fließenden  Wassers  und  das  Zirpen  der  Grillen,  sodass sie ihren Abstieg fortsetzten.  Unten angekommen gab Argon lautlos zu verstehen,  dass sie zuerst zum Fluss laufen sollten, um an dessen  Ufer entlang zum nächsten Haus zu gelangen.  Kilian  und  Carus  nickten  zum  Zeichen,  dass  sie  verstanden hatten. Am Fluss angekommen, stillten sie  zuerst ausgiebig ihren Durst. Den ganzen Tag war das  Wasser  so  nah  und  doch  noch  unerreichbar  gewesen.  Jetzt  endlich  konnten  sie  es  ihre  trockenen  Kehlen  herunter rinnen lassen.   Dann  schlichen  sie  auf  das  nächstgelegene  Haus  zu.  Aus  keinem  der  Fenster  schien  Licht,  einzig  der  inzwischen  aufgegangene  Mond  spendete  etwas  Helligkeit. Kilian stieß Argon in die Seite und deutete  auf einen kleinen Verschlag neben dem Wohnhaus.   Mit  einer  eindeutigen  Geste  bat  er  die  anderen,  auf  ihn zu warten. Er eilte in geduckter Haltung über den  Hof und öffnete lautlos die Tür.  Als er eintrat, gingen ihm beinahe die Augen über. Er  fand  außer  Brot  noch  getrocknete  Früchte,  und  ein  11

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toter  Hase  hing  von  einem  Balken  herab.  Kilian  griff  sich  den  Hasen  und  alles,  was  er  sonst  noch  tragen  konnte,  und  war  binnen  kürzester  Zeit  wieder  bei  seinen Freunden.  Die  bekamen  bei  seinem  Anblick  große  Augen,  wagten  aber  nicht,  etwas  zu  sagen.  So  schnell  sie  konnten  rannten  sie  zu  einem  nahe  gelegenen  Kie‐ fernwäldchen und ließen sich in das Dickicht fallen.   „Kilian“, stieß Argon atemlos hervor, „du solltest nur  etwas  zu  essen  holen,  nicht  diesen  armen  Bauern  ausplündern!“  „Ich  kann  dein  Gewissen  beruhigen,  denn  dieser  Bauer  ist  gewiss  nicht  arm.  Er  muss  ein  fruchtbares  Stück Land besitzen, denn er hat noch genug, um eine  ganze Legion zu bewirten.“  „Spart  euch  eure  Reden  und  gib  endlich  was  her,  Kilian!“, mischte sich Carus ein.   Ausgehungert machten sie sich über das Brot und die  Früchte her.  „Ah, das schmeckt herrlich, noch besser als der Fisch.  Aber – was willst du bloß mit diesem Hasen?“, fragte  Carus mit verständnislosem Blick auf das tote Tier, das  zwischen ihnen auf dem Waldboden lag.   „Der ist für später“, meinte Kilian.   12

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Und als Carus die Augen verdrehte, fuhr er fort:   „Nun  schau  nicht  so  grimmig.  Es  hat  mich  einfach  überkommen, ich musste ihn mitnehmen.“  „Dann wirst auch du ihn tragen“, gab Carus murrend  zurück.  „Hört  auf  zu  streiten“,  beschwichtigte  Argon,  bevor  Kilian noch eine bissige Antwort zurückgeben konnte.  „Wir  müssen  uns  auf  den  Weg  machen.  Leider  haben  wir keine Kleidung gefunden, so sind wir mehr denn je  auf den Schutz der Nacht angewiesen.“     Und  so  liefen  sie  am  Rand  der  Straße  entlang,  ohne  Rast  zu  machen,  bis  die  Morgendämmerung  herauf‐ zog.  Dann  suchten  sie  erneut  Zuflucht  in  einem  angrenzenden  Waldstück  und  warteten.  Die  Sonne  stieg  höher,  ohne  dass  auch  nur  irgendjemand  vorbeigekommen wäre.   Umso  deutlicher  vernahmen  sie  das  Klappern  vieler  Hufe  auf  den  groben  Steinen.  Es  war  unmöglich,  die  Anzahl  der  Tiere  zu  schätzen.  Kurz  darauf  sahen  sie  die  ersten  Legionäre  herannahen.  Die  Drei  duckten  sich  noch  tiefer,  um  den  Blicken  der  Späher  zu  entgehen, trotzdem musste etwas die Aufmerksamkeit  eines der Legionäre erregt haben.  13

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Er  zügelte  sein  Pferd  und  blickte  angestrengt  zu  der  Stelle,  wo  Argon,  Kilian  und  Carus  völlig  regungslos  am Boden lagen.   „Vorne  halt!“,  befahl  der  Legionär,  und  der  Trupp  kam zum Stehen.   „Was  ist  los,  Ovidius?“,  fragte  der  Legionär  an  der  Spitze.   „Ich weiß es nicht genau, Zenturio. Mir war, als hätte  ich etwas gesehen.“  Er  stieg  vom  Pferd  und  trat  in  den  Wald  hinein.  Zweige  knackten  unter  seinen  Füssen.  Argon  wagte  kaum  noch  zu  atmen,  so  nah  war  der  Legionär  schon  an ihn herangekommen.   „Ich  werde  kurz  nachsehen,  Zenturio!“,  rief  Ovidius  seinem Vorgesetzten zu.   Und diesen kurzen Moment nutzte Kilian, um seinen  Hasen aus dem Versteck heraus hinter sich zu werfen.  Mit  einem  dumpfen  Ton  landete  er  auf  dem  weichen  Boden. Sofort fuhr Ovidius´ Kopf in die Richtung und  ging tiefer in den Wald hinein. Dann sah er schon den  toten Hasen.  „Ovidius,  was  ist  nun?“,  kam  eine  ungeduldige  Stimme von der Straße her.   14

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Er warf noch einen Blick auf das Tier und machte sich  dann  auf  den  Rückweg.  Erleichtert  atmeten  die  drei  Freunde in ihrem Versteck auf.  „Es war nur ein verendendes Tier“, hörten sie Ovidi‐ us melden, bevor sich der Trupp wieder in Bewegung  setzte.  Kilian  jedoch  konnte  seinen  triumphierenden  Blick  nicht verbergen.  „Ach,  Carus,  was  sagtest  du  doch  noch  zu  meinem  Einfall, den Hasen mitzunehmen?“   „Schon  gut,  schon  gut“,  brummte  dieser  in  seinen  Bart.   „Deine List hat uns allen das Leben gerettet“, meinte  Argon anerkennend. „Ich danke dir – auch im Namen  von  Carus.  Wir  wissen  beide,  dass  er  das  auch  meint,  aber  in  solchen  Dingen  einfach  nicht  geschickt  ist  in  der Wahl seiner Worte. Ist es nicht so, Carus?“   Doch  Carus  winkte  bloß  ab  und  murmelte  weiter  unverständlich vor sich hin.    Stunden  später  rumpelte  ein  Ochsenkarren  über  die  Straße.  Darauf  saß  schlafend  ein  fahrender  Händler,  der  voll  beladen  wahrscheinlich  auf  dem  Weg  nach  15