Du bist jetzt Sammler, nicht mehr Jäger - Buch.de

2. Casimir Brown. Du bist jetzt Sammler, nicht mehr Jäger. Der etwas andere Weg aus deiner Suchterkrankung. Ein biografischer Roman ...
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Casimir Brown

Du bist jetzt Sammler, nicht mehr Jäger Der etwas andere Weg aus deiner Suchterkrankung

Ein biografischer Roman

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© 2017 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2017 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: fotolia: Alcoholism Datei: 94738279 Urheber: Trifonenko Ivan Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck

ISBN 978-3-8459-2274-4 ISBN 978-3-8459-2275-1 ISBN 978-3-8459-2276-8 ISBN 978-3-8459-2277-5 Mini-Buch ohne ISBN

AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Einführung Ich bin ein seltenes „Exemplar“ meiner Art, das eine sehr schwere Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit unbeschadet überstanden hat. Mit 21 Jahren war ich Patient in der geschlossenen Abteilung einer Psychiatrie und wurde einem Ärztegremium als sogenannter „Fall“ präsentiert. Die Ärzte kamen zu dem Schluss, dass ich auf Grund meiner selbstzerstörerischen Lebensweise vielleicht noch ein, höchstens zwei Jahre zu leben hätte. Ich galt als unbelehrbarer und hoffnungsloser Fall, der auf Grund seiner Erkrankung 28 Mal in stationärer Behandlung war. Ich nahm an unzähligen Therapien teil und besuchte Tausende Meetings diverser Selbsthilfegruppen. All diese Maßnahmen konnten mich allerdings nicht von meinem zerstörerischen Han4

deln abhalten. Ich glich einem Raubtier, das nicht satt wurde, und schon bald zeigte ich in allen Lebensbereichen süchtige Verhaltensweisen. Beziehungen, Kaufen, Arbeiten oder das Internet lebte ich exzessiv – und ich konnte einfach nicht stoppen. „Entweder-oder“ war mein Lebensmotto, entweder ich trank bis zur Bewusstlosigkeit oder überhaupt nicht, entweder kaufte ich vierzig CDs oder keine. So wurde ich für mein direktes Umfeld sehr schnell zu einem Garant für Enttäuschung und Zerstörung. Ich war einfach nicht mehr aufzuhalten. Außerdem litt ich seit meinem 14. Lebensjahr unter starken Depressionen und Panikattacken. Ein Arztbesuch wegen einer Erkältung änderte dann plötzlich alles, nicht sofort, aber es war der Beginn eines vollkommen anderen, meines zweiten Lebens.

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Vor wenigen Wochen feierte ich meinen fünfzigsten Geburtstag, und das ist auf Grund meiner Vergangenheit nicht selbstverständlich und mit Begriffen wie „Glück“, „Zufall“ oder „Wunder“ einfach nicht zu erklären. Ich unterscheide mich im Krankheitsbild nicht von den Millionen anderen Süchtigen. Wir alle habe abenteuerliche Geschichten zu erzählen. Eines haben wir mit Sicherheit gemeinsam: Unsere Suchterkrankung hat uns und unser Umfeld systematisch vernichtet. Jetzt wäre es daher auch ein wenig ermüdend, ein weiteres Buch mit Saufeskapaden zu schreiben, von einem Tiefpunkt zu erzählen, den Besuch in Selbsthilfegruppen und einem neuen nüchternen Lebensweg. Die meisten bisher publizierten Bücher präsentieren sich hier doch ziemlich schematisch. Ich glaube aber, dass sich mein persönlicher Weg sehr von den meisten Lebensgeschichten unter6

scheidet. Das liegt aber nicht daran, dass ich etwas Besonderes bin, sondern ich wurde im wahrsten Sinne des Wortes zu meiner neuen Erkenntnis einfach „hingespült.“ Ich stelle mittlerweile fest, dass ich rein gar nichts zu meinem Überleben beigetragen habe. Somit bin ich nicht willentlich zu meinen Überlegungen gelangt. Ich habe dieses Buch geschrieben, um einen möglichen anderen Weg aus der Sucht zu erzählen. Es ist wichtig, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg findet, um ein trockenes oder cleanes Leben zu leben. Der Genesungsprozess spielt überhaupt keine Rolle, es kommt nur auf das Ergebnis an. Dieses Buch wird zu vielen Diskussionen anregen, weil ich die bestehenden Behandlungsmethoden in Frage stelle. Ich bin unfreiwillig ein Profi auf dem Gebiet der Sucht und der Angst, aber das macht mich nicht zu einem besonderen Men7

schen. Ich bin nicht außergewöhnlich, sondern mein Lebensweg ist einfach ein wenig anders. Seit Jahren besuche ich keine Selbsthilfegruppen und gehe weder zu Psychiatern noch Psychologen. Ich spreche mittlerweile kaum noch über meine Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, da ich dieser Erkrankung kein Podium zur Verfügung stellen will. Sie ist seit Jahren nicht mehr Mittelpunkt meines Lebens – und so soll es auch bleiben. Bill Wilson, der Gründer der Anonymen Alkoholiker, schrieb „Der Alkohol ist verschlagen, trügerisch und mächtig.“ Ein Mineralwasser wäre dann folglich ehrlich, offen und schwach. Natürlich hatte Wilson diesen Satz als Metapher gebraucht, um die Wirkung des Alkohols zu beschreiben. Aber richtig wäre doch zu sagen, der Alkoholiker ist besoffen ein verschlagenes, hinterhältiges, lügendes 8

Individuum, das unter Alkoholeinfluss komplett die Kontrolle verliert. Die Substanz Alkohol ist nicht mächtig, sie ist sozusagen neutral, vergleichbar einem Glas Wasser oder einem Kuchenstück. Erst der Konsument hebt das Ethanol auf ein entsprechendes Podest und lässt es zum Mittelpunkt seines Denkens und Handelns werden. Es ist ja nicht so, dass eine Flasche Wodka mit gezogener Waffe vor dir stünde und dich zwingen würde, sie auszutrinken. Du bist die Person, die in den Supermarkt fährt, eine Flasche Gin kauft, um sie gleich während der Rückfahrt auszutrinken. Selbsthilfegruppen behaupten, man könne dem Alkoholismus mit dem eigenen Verstand nicht beikommen. Erst der vollständige Zusammenbruch, der Tiefpunkt, bringe die Wende im Leben des Alkoholikers. Erst jetzt könne er die Chance zur Umkehr nutzen. Ich glaube schon, dass ein Süchtiger relativ 9

schnell begreift, was sein Konsum anrichtet, an ihm persönlich und an seiner Umwelt. Er ist ja noch immer ein denkendes Wesen. Er weiß genau um die möglichen Gefahren eines Alkoholrausches. Seine Vergangenheit hat ihm ja bereits zahlreiche Abgründe gezeigt. Ein Rückfall bedeutet nicht, dass er überhaupt nicht anders kann. Er zeigt nur, dass der Betroffene nicht aufhören will. Da ist ein entscheidender Unterschied zwischen Können und Wollen. Zwischen Ausgeliefertsein und persönlicher Entscheidung. Er ist kein willenloses Geschöpf, das gegen seinen Willen in ein Glas Whiskey getunkt wird. Keine böse Macht, die ihn zwingt, zur Tankstelle zu fahren und Spirituosen zu kaufen. Er trifft seine Entscheidung, und wenn er wieder trinkt, dann wollte er nicht aufhören. Diese Erkenntnis ist ausschlaggebend, um langfristig abstinent leben zu können. 10

Sich auf den persönlichen Tiefpunkt zu verlassen, ist sehr gefährlich. Denn die meisten Süchtigen verpassen einen Tiefpunkt nach dem anderen, bis sie in irgendeinem Zimmer oder auf einer Straße einfach verrecken. Die Realität widerspricht der Argumentation des Tiefpunktes als Voraussetzung für ein künftiges abstinentes Leben. Es sei denn, man meint damit den Tod, aber dann kann der Betroffene nicht mehr wirklich viel in seinem Leben verändern. Die Frage nach dem „Warum“ spielt eigentlich auch keine Rolle. Denn es ändert nichts zu wissen, warum jemand süchtig geworden ist. Zumal kein Mensch zurzeit in der Lage ist, diese Antwort abschließend zu beantworten, meistens spricht man von einem Zusammenspiel verschiedener ungünstiger Faktoren. Genetische Einflussfaktoren und das soziale Umfeld spielen eine Rolle. Manchmal war der 11

Auslöser ein Schockerlebnis in früher Kindheit oder aber einfach nur Langeweile. Zu wissen, weshalb man sich Jahre lang zugedröhnt hat, ändert überhaupt nichts an der Tatsache, dass man mit der jeweiligen Substanz nicht umgehen konnte und können wird. Das Wissen ändert nichts, genau so wenig, wie Wünsche etwas ändern. Folglich sollte man sich gewinnbringenderen Fragen zuwenden. Denn bei allen Maßnahmen, Therapien und Hilfestellungen ist eigentlich nur eines entscheidend – das nüchterne Ergebnis. Im wahrsten Sinne des Wortes sind die Erfolgsquoten von Therapien, Fachbüchern, Suchtbüchern und Selbsthilfegruppen doch sehr ernüchternd. Diverse Statistiken kommen zu dem Ergebnis, das mindestens 80 % der entgifteten Alkoholiker, also Alkoholiker nach einer stationären Entziehung, innerhalb eines Jahres rückfällig werden. Lediglich 15 % der 12

Betroffenen gelingt es, über mehrere Jahre trocken zu bleiben. Viele Jahre habe ich Selbsthilfegruppen für Süchtige besucht und an Tausenden Meetings teilgenommen, ich war auf zahlreichen Ländertreffen und habe jede nur erdenkliche Fachliteratur gelesen. Dort werden natürlich keine statistischen Erhebungen durchgeführt, aber aus meinen Erfahrungen heraus würde ich ungefähr das gleiche schlechte Ergebnis wie nach einer stationären Entgiftung vermuten. „Das haut einen jetzt aber nicht unbedingt vom Hocker.“ Vielleicht sucht man jetzt deshalb die Lösung im kontrollierten Trinken. Der Alkoholiker soll mittels Medikamenten oder Therapien lernen, sein Trinkverhalten künftig zu kontrollieren. Anstatt zwei Liter Weißwein soll er ab sofort nur noch zwei kleine Gläser Wein trinken. Dieses Vorhaben führt dann die ganze Thematik ad absurdum. Ein Alkoholiker, 13

der den totalen Rausch sucht, wird nun mit zwei Gläschen „ruhiggestellt“. Das ist wirklich ein Witz, denn es widerspricht dem Naturell eines jeden Süchtigen. Jeder Alkoholiker sucht seinen Kick im Vollrausch. Wenn ein Löwe ein Zebra gerissen hat, nippt er ja auch nicht nur vorsichtig an dem Blut, sondern er frisst solange, bis er nicht mehr kann. Es ist pervers und vollkommen unsinnig, einem Alkoholiker kontrolliertes Trinken beibringen zu wollen. Kontrolliertes Trinken ist absolut gegen die Natur des Alkoholikers. Und wenn ich nur dazugehören kann, wenn ich nur ein Glas Sekt trinken darf, dann verzichte ich dankend auf diese Gesellschaft. Das klingt radikal? Das klingt zu hart und direkt? Nein, tut es nicht, weil es um Dein Leben geht – und das ist essenziell, alles andere ist nur unbedeutender „Beilagensalat.“

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Die Erfolgsquoten diverser Behandlungsmethoden, Therapieformen und auch der Selbsthilfegruppen sind schlecht. Da lohnt es sich doch durchaus, das bestehende Behandlungssystem zu hinterfragen und eventuell neue Ansätze zur Heilung zu entwickeln. Vielleicht hätte ich eine Idee, und mein Buch „Du bist jetzt Sammler, nicht mehr Jäger“ erzählt von einer Möglichkeit, dauerhaft abstinent leben zu können. Eine relativ einfache Möglichkeit, aber vielleicht ist genau die Einfachheit der Schlüssel zum Erfolg. Es muss nicht immer kompliziert und dramatisch sein. „Du bist jetzt Sammler, nicht mehr Jäger“ unterscheidet sich von den üblichen Erzählungen über Süchte, Panikattacken oder Ängste. Aber das muss ja nicht zwangsläufig schlecht sein. Dies ist mein Leben. Ich habe zwei Leben gelebt, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Das Erste war geprägt von Exzessen, 15