EY Public Services Newsletter, Ausgabe 115 März 2014

Daniela Mattheus. Ernst & Young GmbH. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Telefon +49 30 25471 19736 [email protected]. Karen Svenja Ditschke.
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Tipps und Trends Deutschland

Neuer Schwung in Sachen Gender Diversity Die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen, vor allem in Vorständen und Aufsichtsräten, ist regelmäßig Gegenstand öffentlicher und politischer Diskussionen. Mit der Initiative aus Brüssel und der Repositionierung der neuen Bundesregierung zur „Gender Diversity“ ist die Debatte erneut in Bewegung geraten. Noch liegt das Augenmerk auf der Privatwirtschaft. Die Gleichberechtigung von Frau und Mann – auch und gerade in Führungsetagen – ist aktuell eines der zentralen gesellschaftspolitischen Themen. Der Blick zu unseren europäischen Nachbarn zeigt, dass politische Entscheidungsträger kritischen Diskussionen gerne mit genderbezogenen Mindestquoten für Spitzengremien begegnen. Norwegen gilt dabei als Vorreiter: Bereits 2003 wurde ein entsprechendes Gesetz für die Besetzung von Verwaltungsräten verabschiedet; seit 2006 sind feste Quoten verbindlich. Dem norwegischen Beispiel folgend, haben weitere EU-Mitgliedstaaten in den Folgejahren ähnliche Rechtsvorschriften mit Fokus auf die Besetzung erlassen. Dabei gelten die Systeme Belgiens (2011), Frankreichs (2011) und Italiens (2011) als vergleichbar, während die Regelungen Spaniens (2007), Islands (2010) und der Niederlande (2011) als weicher eingestuft werden.

Und sie kommt doch: Dessen ungeachtet schienen Bestrebungen für eine gesetzliche Regelung in Deutschland die deutsche Quote lange aussichtslos. Die letzte Bundesregierung missbilligte eine flächendeckende starre

Regelung und setzte stattdessen auf die „Flexi-Quote“: Ganz im Sinne des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) sollten individuelle Zielquoten ermöglicht und die personalpolitische Dispositionsfreiheit in den Unternehmen damit erhalten werden. Vor diesem Hintergrund scheiterten noch im April 2013 die zentralen Initiativen für eine gesetzliche Frauenquote der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Auch die von Justizkommissarin Viviane Reding im November 2012 initiierte Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter europäischer Unternehmen schien – nicht zuletzt aufgrund der Abwehrhaltung Deutschlands – in Gefahr. Doch das zaghafte „Entgegenkommen“ der Wirtschaft und der wachsende Veränderungsdruck haben die Quoten-Skepsis der Union bröckeln lassen. So wurde im Koalitionsvertrag Ende November 2013 vereinbart, einen Frauenteil von mindestens 30 Prozent in Aufsichtsräten gesetzlich zu verankern. Diese Regelung soll ab dem Jahr 2016 für Aufsichtsrats-Neubesetzungen in voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen gelten; bei Nichterfüllung sollen quotierte Sitze freibleiben. Ganz im Sinne des „Flexi-Modells“ soll ab 2015 zudem eine verpflichtende Berichterstattung über verbindliche selbstgesteckte Quotenziele für den Aufsichtsrat, den Vorstand und die oberste Management-Ebene für börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen gelten. Jüngsten Pressemitteilungen zufolge plant der neue Bundesjustizminister Heiko Maas noch bis Ende März einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.

Bislang: nachrangige Betrachtung des Einige EU-Mitgliedstaaten haben auch Maßnahmen für öffentliche Unternehmen eingeführt: öffentlichen Sektors Dänemark, Finnland und Griechenland (über die Gesetzgebung) sowie Österreich und Slowenien (durch behördliche Verordnungen) regulieren Gender Diversity in den höchsten Entscheidungsgremien staatseigener Unternehmen. Auch die norwegischen (staatseigene und kommunale Unternehmen), belgischen (staatseigene Unternehmen), französischen (öffentliche Behörden und Verwaltungsinstitutionen) und italienischen (staatseigene Unternehmen) Regelungen haben den Anwenderkreis entsprechend erweitert.

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„Quoten-Nachzügler“ Deutschland hingegen konkretisiert mit Blick auf den öffentlichen Sektor im Koalitionsvertrag nur wenig. So „fehlen“ für Unternehmen im Einflussbereich des Bundes und für die Bundesverwaltung Angaben zum anvisiertem Frauenanteil und Umsetzungszeitraum. Etwas spezifischer wird für das Wissenschaftssystem eine Mindestquote von 30 Prozent genannt. Zudem könnte insbesondere die Pflicht zur Berichterstattung individueller Quotenziele relevant sein, da diese für „börsennotierte oder mitbestimmungspflichtige Unternehmen“ gelten soll. Damit setzt die Politik für den öffentlichen Sektor weiterhin auf das schon – mehr oder minder erfolgreich – etablierte Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung. So greift der Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK, 2009) die DCGK-Empfehlung zur „angemessenen Berücksichtigung von Frauen“ in Aufsichtsräten denn auch nur in abgeschwächter Form auf: Die Forderung nach einer „gleichberechtigten Teilhabe“ beschränkt sich auf das Überwachungsorgan und die Offenlegung seines realisierten Frauenanteils. Zudem wird jene Gender Diversity nur von 12 von 22 Kodizes diverser Gebietskörperschaften aufgegriffen (so die wissenschaftliche Auswertung bestehender Public Kodizes von Papenfuß/Müller, 2013). Neben dem PCGK treffen nur zwei weitere Kodizes Aussagen zur Besetzung der Geschäftsführung; ein Kodex fordert die Offenlegung realisierter Frauenanteile. Wie das Mitte Januar veröffentlichte Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) belegt, besteht auch faktisch „erheblicher Nachholbedarf“. Zwar liegt der Anteil von Frauen in Aufsichts-/Verwaltungsräten betrachteter Bundesbeteiligungen (60 von den 87 unmittelbaren Beteiligungen, Beteiligungsberichts 2012) im Jahr 2013 mit 18,1 Prozentpunkten über dem durchschnittlichen Wert der Dax-Unternehmen (17,2 Prozent, Women-On-Board-Index Stand 30.11.2013), aber dennoch deutlich unterhalb der von deutschen (30 Prozent) bzw. europäischen (40 Prozent) Politikern geforderten Mindestquoten. Eine ähnliche Tendenz zeigt eine Untersuchung von 449 öffentlichen Unternehmen (Papenfuß/Behrens/Sandig, 2013): Die Gesamtrepräsentation in den Aufsichtsräten liegt bei den Bundesländern bei 17,3 Prozent; die Städte kommen der Zielvorstellung mit 26,9 Prozent am nächsten.

Schon heute Impulse setzen Angesichts der aktuellen Entwicklungen erscheint es für öffentliche Unternehmen

empfehlenswert, eine angemessene Beteiligung von Frauen bereits heute aktiv zu verfolgen. Wie das Beispiel anderer EU-Mitgliedstaaten lehrt, könnten öffentliche Unternehmen im Zuge der neu entfachten Quotendiskussion in den Fokus geraten. Als erster Hinweis der Politik kann gewertet werden, dass das Bundesfamilienministerium im Jahr 2013 erstmals einen Public Women-on-Board-Index beauftragt hat, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Informationen des damit beauftragten Vereins „Frauen in die Aufsichtsräte“ (FidAR) zufolge, soll die Repräsentation von Frauen in Führungsgremien der 220 größten öffentlichen Unternehmen laufend dokumentiert werden, mit ersten Ergebnissen wird Ende März gerechnet. Entscheidend für ein gutes Diversity Management ist die Festlegung konkreter Zielgrößen und eines Zeitplans. Dabei können eine langfristige Nachfolgeplanung und eine systematische Übersicht über die „Ziel-Zusammensetzung“ des Aufsichtsrats/Vorstands unterstützen (siehe dazu EY Public Services Newsletter, März 2013, S. 7 ff.).

Empfehlungen des Public Corporate Governance Kodex (Stand: 30.06.2009) „Bei Vorschlägen zur Wahl von Mitgliedern des Überwachungsorgans […] ist auch auf eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen hinzuwirken.“ PCGK Ziff. 5.2.1 „Geschäftsleitung und Überwachungsorgan sollen jährlich über die Corporate Governance des Unternehmens berichten (Corporate Governance Bericht). […] Der Bericht umfasst auch eine Darstellung zum Anteil von Frauen in Überwachungsorganen.“ PCGK Ziff. 6.1

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Auszüge aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode (2013) „Die Koalition wird im Einflussbereich des Bundes eine gezielte Gleichstellungspolitik vorantreiben, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen und in Gremien zu erhöhen und Entgeltungleichheit abzubauen. Dazu entwickeln wir einen Gleichstellungsindex und führen für die Bundesverwaltung eine proaktive Umsetzung des Bundesgleichstellungsgesetzes und des Bundesgremienbesetzungsgesetzes ein.“ S. 102 „Auch für die wissenschaftlichen Führungsgremien wollen wir einen Anteil von mindestens 30 Prozent erreichen. Generell werden wir den Frauenanteil im Wissenschaftssystem durch am Kaskadenmodell orientierte Zielquoten nachhaltig erhöhen.“ S. 103 g

Ansprechpartner Daniela Mattheus Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Telefon +49 30 25471 19736 [email protected]

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