Dornröschen wird erweckt

Der erste Anruf. Dienstag, 15. August ... Und jetzt also der Anruf von Joseph Hofstät- ter, warum? .... Nummern zu groß, dazu ein verknittertes. Hemd mit offenem ...
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Stephan Steinbauer

Dornröschen wird erweckt Roman

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© 2016 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: fotolia: young beautiful woman wirh flowers Datei: 120714556 Urheber: cofeee Printed in Germany Taschenbuch: Großdruck: eBook epub: eBook PDF: Sonderdruck

ISBN 978-3-8459-2176-1 ISBN 978-3-8459-2177-8 ISBN 978-3-8459-2178-5 ISBN 978-3-8459-2179-2 Mini-Buch ohne ISBN

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Der erste Anruf Dienstag, 15. August Josefine Karloff legte die Stirn in Falten. Ihre Mutter hielt ihr den Telefonhörer hin. ‚Für dich – Joseph Hofstätter‘, sagte sie mit leicht fragendem Unterton. Was wollte der denn von ihr? Joseph Hofstätter, der beste Freund von Josef Johann Barta. Der Freund ihres verflossenen Verehrers. Oder sollte sie doch Liebhaber sagen? Oder einfach nur Bekannter? Nein, das war zu wenig. Die Beziehung war ans Ende gekommen, ohne Streit, ohne neuerliche nervenaufreibende Gefühlsausbrüche. Sie hatte Bartas Briefe einfach nicht mehr beantwortet. Er saß in Wien, bereitete sich auf seine Prüfungen an der Universität vor, sie lebte in Frankfurt am Main.

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Der Abstand war groß genug, um sie vor unliebsamen Nachstellungen zu schützen. Und jetzt also der Anruf von Joseph Hofstätter, warum? Hatte Barta ihn vorgeschickt? Sollte er sie ausspionieren? Sollte er gar versuchen, die zerbrochene Beziehung wieder zu kitten? Zuzutrauen war es den beiden. Josefine nahm den Hörer. ‚Ja bitte?’, sagte sie und zwang sich zu einer emotionslosen Stimme, konnte aber ein leichtes Zittern nicht verhindern. Joseph Hofstätter sprach ruhig und sachlich. Er hatte während der Semesterferien einen Job bei einem Frankfurter Konzern und würde sich einfach mal gerne mit Josefine treffen, ein wenig plaudern. Das klang recht unbestimmt. Josefine war misstrauisch, wollte aber nicht unhöflich sein. Schließlich war sie eine Tochter aus bestem Haus, hatte Erziehung und war geübt, auch in

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schwierigen Situationen Contenance zu bewahren. Mit routinemäßiger Freundlichkeit nahm sie Josephs Einladung an und fragte, wo das Treffen stattfinden sollte. Joseph war überfordert. Er kannte schon in Wien, seiner Heimatstadt, nur wenige passende Lokale. In Frankfurt aber kannte er kein einziges. Die Arbeitskollegen hatten von Äppelweinschenken in Sachsenhausen erzählt. Zögerlich schlug er eine solche vor. ‚Da kannst du mit deiner Freundin hingehen, nicht mit mir!‘, fauchte Josefine unwirsch in den Hörer und biss sich gleich darauf auf die Lippen. Verdammt! Das war zu unfreundlich, das hatte sie nicht gewollt. Aber die Worte ließen sich nicht wieder einfangen. Sie lauschte auf Josephs Reaktion, aber er blieb stumm. ‚Also gut‘, fügte sie eilig hinzu, ‚ich suche etwas Nettes aus. Hol mich doch am Freitag

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um 18 Uhr von zu Hause ab, Adresse hast du?’ Er sagte ja, sie legten auf. ***** Josefine versuchte, sich an Joseph Hofstätter zu erinnern. Sie hatte ihn zwei oder dreimal getroffen. Erstmals in Wien, damals als ihre Beziehung mit Barta noch frisch und hoffnungsvoll war. Barta hatte sie damals voll Stolz seinen Freunden präsentiert. Erst jetzt schien ihr, sie, die Millionenerbin wäre für Barta nur so etwas wie eine Trophäe gewesen. Verliebt war sie damals noch nicht. Eher neugierig und geschmeichelt von Bartas zuvorkommender Höflichkeit und seinem unermüdlichen Werben, seinem – wie ihr damals schien – weltmännischem Charme. Er hatte sie zum Wiener Opernball ausgeführt, das war auch für eine 19jährige Tochter aus der besten Frankfurter Gesellschaft durchaus beeindru7

ckend. Am Nachmittag vor dem Ball, als sie vom Friseur zurück in Bartas Wohnung kam, traf sie dort auf Joseph Hofstätter. Eigentlich hatte er kaum etwas mit ihr gesprochen. In Erinnerung blieben ihr nur seine schwarzen Haare, seine dunklen, verschatteten Augen und seine einfache, völlig unmodische Kleidung, die im deutlichen Gegensatz stand zu Bartas modischem Outfit. Ungelenk wirkte er, schüchtern, verschlossen. Deutlicher erinnerte sie sich an das Zusammentreffen mit Joseph Hofstätter in Pörtschach am Wörthersee. Das war im September ihres ersten Jahres mit Barta gewesen. Da war diese Beziehung von ihrer Seite eigentlich schon nicht mehr zu retten. Da lag jene Schwangerschaft hinter ihr, die auf groteske Art im Frühsommer in Mailand zustande gekommen war. Es war das erste Mal, dass sie mit einem Jungen ins Bett ging, und es sollte bis zum heutigen Tag das letzte Mal geblieben 8

sein. Sie wollten nur ein Bisschen herumalbern, dann war Barta übermütig geworden, sie ließ sich hinreißen, Barta versuchte, in sie einzudringen und erlitt einen vorzeitigen Erguss. Das war’s. Sie hatte überhaupt nichts gespürt. Aber es reichte aus für eine Schwangerschaft, die ihre ebenso besonnene wie resolute Mutter umgehend beenden ließ. Barta hatte schon triumphiert, sah sich schon als Schwiegersohn der Multimillionärin Irmgard Karloff-Bardolino. Aber da hatte er die Rechnung ohne die lebenstüchtige Witwe gemacht. Sie hatte doch nicht 2 vermögende Männer ins Grab gebracht, um das Erbe jetzt an einen Habenichts und Hochstapler zu verschenken. An Josefines Gefühle hatten beide nicht gedacht, der ehrgeizige Emporkömmling ebenso wenig wie die Hüterin des ererbten Vermögens, die ihre Tochter reparieren ließ wie einen Unfallwagen.

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Ja, damals in Mailand war sie wohl doch in Barta verliebt gewesen. Er hatte sie stets umschwärmt, trug sie auf Händen, verehrte sie und das tat ihr gut. Umso härter traf sie Bartas Reaktion, als er sich um seine Hoffnung betrogen sah, im gemachten Nest Platz nehmen zu können. ‚Sie haben einen Mann und Vater zutiefst unglücklich gemacht mit ihrem ruchlosen Spiel‘ – so stand es in seinem Brief. Das hatte sie so verletzt, dass sie mit 40 Grad Fieber ins Bett sank und tagelang nicht zur Besinnung kam. Den gemeinsamen Urlaub in Pörtschach sagte ihre Mutter ab. Dort im 5Sterne-Hotel am Wörthersee erholte sich Josefine allmählich, jedenfalls körperlich. Es gab reichlich Abwechslung und der kernige Tennis-Trainer wusste genau, wie man verwöhnten höheren Töchtern in aller Harmlosigkeit süße Träume beschert. Der um die Vaterschaft geprellte Barta aber heulte sich in Wien bei seinem Freund Joseph 10

Hofstätter aus und drohte mit Selbstmord. Dann hielt er die von ihrer Mutter verfügte Trennung von Josefine nicht länger aus, mietete eine Luxuskarosse, drängte den Freund, ihn zu begleiten und die beiden rasten nach Pörtschach. ‚Das will ich doch sehen, mit wem sie jetzt ins Bett geht‘ stieß Barta theatralisch zwischen den Zähnen hervor und Joseph Hofstätter klammerte sich ängstlich an den Türgriff, als der Wagen mit quietschenden Reifen über die Serpentinen des Semmering-Passes schoss. Josefine saß mit ihrer Mutter beim Abendessen im vollbesetzten Speisesaal des Luxushotels. Man war gerade bei der Vorspeise. Gedämpfte Klaviermusik im Hintergrund, gedämpfte Stimmen, beflissene Kellner umtanzten die Tische, an denen ein erlesenes Publikum in erlesener Kleidung sich an den erlesenen Köstlichkeiten labte. Dann fiel Josefines Blick auf die beiden jungen Männer, die den 11

Speisesaal betraten. Sie erstarrte. Barta und sein Freund Joseph. Schon hatte Barta sie erspäht und steuerte ihren Tisch an, den zögerlichen Freund hinter sich herziehend. Barta hatte sich prächtig herausgeputzt, frisch geföhnte Löwenmähne, taubenblauer ClubBlazer mit Seidenschal und üppigem Stecktuch, perlgraue Flanellhose, glänzende Budapester Schuhe. Und daneben Joseph Hofstätter: die schwarzen, viel zu kurzen Haare unordentlich gescheitelt, die zwischen grün und grau changierende Popelinejacke um zwei Nummern zu groß, dazu ein verknittertes Hemd mit offenem Kragen, die Hose eine Handbreit zu kurz, dazu braune Schuhe mit Kreppsohle, die auf dem spiegelnden Parkett des Speisesaales leise quietschten. Nun stand das ungleiche Pärchen vor Josefines Tisch. Der Oberkellner hob missbilligend eine Augenbraue und sah Frau Irmgard Karloff-Bardolino fragend an, bereit, jederzeit den 12

Eindringlingen den Weg zum Ausgang zu weisen. Doch Frau Irmgard wiegelte mit einer dezenten Geste ab, begrüßte die unerwarteten Ankömmlinge mit der Grandezza einer Dame der Gesellschaft, orderte noch 2 Gedecke und der Juniorkellner schob den Herren mit verachtungsvoller Miene die Vorspeise auf den silbernen Platzteller. Es war ein langer Abend geworden, damals vor 2 Jahren, und eine lange Nacht. Auf einen Abendspaziergang über die Uferpromenade des Wörthersees folgte eine Sitzung im Foyer des Hotels, die um Mitternacht hinauf in die Suite verlegt wurde. Unermüdlich hatte Barta auf Josefine eingeredet, ihr seine Liebe geschworen und gebettelt und gefleht, sie möge ihn heiraten. Joseph Hofstätter aber sah sich genötigt, mit Josefines Mutter ein stundenlanges Gespräch zu führen. Der ungelenke, gesellschaftlichen Umgangsformen unkundige junge Mann von 21 Jahren empfand es als äu13

ßerst angenehm, dass die durchaus noch attraktive Mittvierzigerin den Gesprächsfaden nicht abreißen ließ. Sie warf ihm geschickt Stichworte hin, die er bedächtig aufgriff und in seiner etwas umständlichen Art zu Sätzen formte. Er sprach leise, mit wienerischem Singsang in der Stimme und in seinen dunklen, verschatteten Augen blitzte gelegentlich der Schalk auf, wenn ihm eine überraschende Pointe in den Sinn kam. Dass Irmgard KarloffBardolino ihn raffiniert über seinen Freund Barta ausfragte, schien er nicht zu bemerken. Um 4 Uhr morgens bereitete Frau Irmgard dem Besuch der beiden jungen Männer dann ein entschlossenes Ende. Damals, vor 2 Jahren in Pörtschach. ***** ‚Spröde, aber nicht unattraktiv‘, so hatte Frau Irmgard später ihren Gesprächspartner Joseph 14

Hofstätter beschrieben. Josefine schmunzelte, als ihr jetzt diese Worte wieder in den Sinn kamen. Sie hielt immer noch das Telefon in der Hand. Ihre Mutter blickte sie fragend an. ‚Er will mich treffen, am Freitag‘, sagte sie nur und erklärte der Mutter kurz den Grund für Josephs Aufenthalt in Frankfurt. Dann entschwand sie in ihr Zimmer und öffnete ihren Kleiderschrank. Josefine machte sich keine Illusionen über ihr Aussehen. Sie wusste, dass sie zwar hübsch war, aber es war nur der Zauber der Jugend, die vergängliche Frische junger Haut, der natürliche Glanz jugendlicher Haare, die straffe Figur eines mit 22 Jahren noch nicht zu voller Blüte gereiften Körpers. Oh ja, sie hatte es damals bei ihrem ersten Zusammentreffen mit Barta sehr wohl gespürt, dass er sie nicht umwerfend fand. Es hatte sie nicht überrascht. Sie kannte diese Blicke von Männern, wenn ihnen Traumfrauen vom Schlag einer Charlot15