dies academicus

Autorität ist der Ort der Kooperation. Sonst würde sich alles auf politische. Manöver reduzieren. Der ursprüngliche Sinn der Universität liegt in dem Drang des ...
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dies academicus Stephansdom zu Wien Donnerstag 12. März 2009 + Herr Dompfarrer! Eure Magnifizenz! Spektabilitäten! Meine Damen und Herren!

644 Jahre nach der Gründung der Alma Mater Rudolphina Vindobonensis treffen wir uns wieder im Bereich des Domkapitels, das an der Gründung dieser Universität und an der Leitung am Anfang ihrer Geschichte stark beteiligt war. Das Domkapitel wurde am 16. März 1365 errichtet, vier Tage nach der Universität Wien. Rudolf wollte das neue Kapitel mit der Universität verbinden.

Schon damals wurden zwischen Universität, Staat und Kirche Finanzfragen, Autonomiefragen und Kooperationsfragen geregelt. Der plötzliche Tod des Stifters vier Monate später, mit noch nicht 26 Jahren und die Tatsache dass Wien kein Bischofssitz war, scheinen die Gründe zu sein, warum die Universität so viele finanzielle Schwierigkeiten hatte und warum sie erst 19 Jahre später mit einer theologischen Fakultät ausgestattet worden ist.

Die Kooperation zwischen Kirche und Universität war bereits bei der Gründung juristisch sehr genau geregelt. Die Geschichte erzählt uns von der Genehmigung durch eine päpstliche Bulle, steuerlichen Diskussionen und Vereinbarungen, rechtlichen Verwobenheiten zwischen Kirche und Universität beim Ernennen der Leitung und anderen präzisen Vereinbarungen über die Rechtsverhältnisse. Unter diesen erwähne ich die Tatsache, dass der Propst, der Leiter des Kapitels, auch Kanzler der Universität war. Die Lehrveranstaltungen wurden zunächst jahrelang in der Stephansschule an der Stephanskirche abgehalten.

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Heute sind die Beziehungen zwischen Staat und Kirche durch das Konkordat juristisch geregelt. Die theologischen Fakultäten sind in Wien immer noch – und zwar glücklich – in die Struktur der Universität integriert. Das ist im deutschen Sprachraum üblich. Im Rest Europas ist die Trennung das normale. Aber heutzutage ist die Kirche prinzipiell nicht mehr so wie im Mittelalter mit der Universität und mit dem Staat institutionell verbunden. Der Bischof, das Domkapitel und die Gemeinschaft der katholischen Studenten als solche haben nicht mehr eine starke institutionelle Verbundenheit mit der Struktur der Universitäten. Es gibt Gott sei Dank eine gesunde Trennung. Die Autonomie ist größer geworden. Aber das bedeutet noch längst keine Distanzierung. Auch nicht in Wien. Was verbindet uns? Wie sind Kirche und Universität verbunden? Heute gibt es kaum strukturelle Verwobenheit. Alles ist viel mehr der Freiheit der Personen überlassen. Ein Vorbild dafür ist die freie Kooperation der katholischen theologischen Fakultät mit den anderen Fakultäten und mit der Leitung der Universität. Das wesentlich Verbindende ist heute geblieben: die gemeinsame Suche nach der Wahrheit. Da ist eine Kooperation die Pflicht dieser Stunde. Wir alle sind der Wahrheit verpflichtet. Diese Leidenschaft für die Wahrheit, für den angstfreien Dialog über die Wahrheit, ermöglicht die wahre Kooperation. Die moralische Autorität ist der Ort der Kooperation. Sonst würde sich alles auf politische Manöver reduzieren. Der ursprüngliche Sinn der Universität liegt in dem Drang des Menschen nach Erkenntnis. Er will wissen, was das alles ist, was ihn umgibt. Er will Wahrheit. Aber, wie Jürgen Habermas sagt, die Wahrheits-Sensibilität wird immer wieder überlagert von der Interessens-Sensibilität. Habermas spricht von der Sensibilität für die Wahrheit als notwendigem Element im politischen Argumentationsprozess.

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Zum Schluss möchte ich diesbezüglich einige Zitate vorlesen. Sie stammen aus einer Rede von Papst Benedikt, die er in der größten Universität Europas, „La Sapienza“, vor einem Jahr halten sollte. Wegen der Turbulenzen gegen seine Präsenz auf der Universität hat er diese Rede allerdings kurzfristig abgesagt. „Die Gefahr der westlichen Welt ist es heute, dass der Mensch gerade angesichts der Größe seines Wissens und Könnens vor der Wahrheitsfrage kapituliert. (…) Die Vernunft beugt sich dann letztlich dem Druck der Interessen und der Frage der Nützlichkeit, die sie als letztes Kriterium anerkennt. (…) Aber wenn die Vernunft aus Sorge um ihre vermeintliche Reinheit taub wird für die große Botschaft, die ihr aus dem christlichen Glauben und seiner Weisheit zukommt, dann verdorrt sie wie ein Baum, dessen Wurzeln nicht mehr zu den Wassern hinunterreichen, die ihm Leben geben. Sie verliert den Mut zur Wahrheit und wird so nicht größer, sondern kleiner. (…) Wenn sie sich (…) aus Furcht um ihre Säkularität von den Wurzeln abschneidet, von denen sie lebt, dann wird sie nicht vernünftiger und reiner, sondern zerfällt“. (Ende des Zitats) Was ist die Funktion des Glaubens im Bereich der Universität, im Bereich der Vernunft? Die christliche Botschaft sollte von ihrem Ursprung her immer Ermutigung zur Wahrheit und so eine Kraft gegen den Druck von Macht und Interessen sein. Eine Funktion der Gemeinschaft der Christen kann heute genau das sein: Hüter der Sensibilität für die Wahrheit. Noch einmal mit Worten von Papst Benedikt die wichtige Aufgabe der an Christus Glaubenden: „Die Sensibilität für die Wahrheit wachzuhalten; die Vernunft immer neu einzuladen, sich auf die Suche nach dem Wahren, nach dem Guten, nach Gott zu machen und auf diesem Weg die hilfreichen Lichter wahrzunehmen, die in der Geschichte des christlichen Glaubens aufgegangen sind und dabei dann Jesus Christus wahrzunehmen als Licht, das die Geschichte erhellt und den Weg in die Zukunft zu finden hilft“.