Die Hallen der Unendlichkeit - PDFDOKUMENT.COM

Gegend herum oder donnerte auf seiner ural- ten Harley-Davidson durch das Kreisgebiet. Über diesen Mann wurde viel gemunkelt und getratscht. Es galt als unberechenbar, wenn nicht gar gefährlich. Die ersten Häuser Schlicherums tanzten vor ihren Augen im Rhythmus des Pedaletretens auf und ab. Gleich waren sie zu ...
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H. H. T. OSENGER

Die Hallen der Unendlichkeit Jugendroman

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© 2013 AAVAA Verlag Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2013 Umschlaggestaltung: AAVAA Verlag Coverbild: Beate Ati Schmitz Printed in Germany Taschenbuch: ISBN 978-3-8459-0986-8 Großdruck: ISBN 978-3-8459-0987-5 eBook epub: ISBN 978-3-8459-0988-2 eBook PDF: ISBN 978-3-8459-0989-9 Sonderdruck:Mini-Buch ohne ISBN AAVAA Verlag, Hohen Neuendorf, bei Berlin www.aavaa-verlag.com eBooks sind nicht übertragbar! Es verstößt gegen das Urheberrecht, dieses Werk weiterzuverkaufen oder zu verschenken! Alle Personen und Namen innerhalb dieses eBooks sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Für H.! Wen sonst?

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Inhalt Die Schicksalsgemeinschaft Vergebliche Suche Ein merkwürdiger Bundesgenosse Die Suche nach dem ersten Übergang Der Irrgarten der Hallen Die Wasserstadt Im Turm des alten Marchese Kurze Rückkehr zur Erde Capitano El Loco Der Chor der Sieben Die Unterwassergaleere Heiliger Bombastus! Ein düsterer Gastgeber Intermezzo: Eine sehr gerechte Version der Erde Manchmal nehmen die Dinge ihren Lauf und man kann nichts dagegen tun Die Bartbeere 5

Ein gereimtes Wort als Preis Die Halle des maßlosen Reichtums und des immerwährenden Glücks Kein echtes Wiedersehen Mike spielt Karten Gespräch mit einem Desperado Salvatores Wahn Acht Gefährten Der Irrtum Einfacher als gedacht Das Ziel Freiwillige vor! Hallgard Alles noch mal von vorn? Ungefähr zwei Wochen später Nachwort des Autors

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Die Schicksalsgemeinschaft Vergebliche Suche

Die beiden Jungen traten in die Pedale ihrer Fahrräder als gelte es, ihr Leben zu retten. Und so war es auch! Naja, oder zumindest fast so! Tatsache war, dass über den Köpfen der Jungen eine gigantische und fast pechschwarze Gewitterwolke hing. Immer wieder warfen Lars und Mike, beide fünfzehn Jahre alt, furchtsame Blicke nach oben, wo aus einem Dunkelblaugrau jeden Moment der Regen wie aus Eimern herabstürzen musste. Und wenn dieses Dunkelblaugrau Blitze schleudern sollte, dann waren alle Gegenstände aus Metall bestens dazu geeignet, diese Blitze anzuziehen. Das galt auch für ihre Fahrräder, das wussten sie genau. Sie setzten ihre Hoffnung 7

darauf, zu Hause anzukommen, bevor der halbe oder dreiviertel Weltuntergang, der offensichtlich bevorstand, so richtig losging. Sie keuchten vor Anstrengung, der Schweiß lief ihnen in Strömen. Das lag natürlich auch an der schwülen, mit Feuchtigkeit vollgesogenen Luft. Gestern war es noch so schön gewesen, mit warmer, aber klarer Luft. Abends hatten sie vor dem Zelt, dass sie auf dem Golfplatz Hummelbachaue aufgeschlagen hatten, gesessen und die Sterne beobachtet. Kein Wölkchen war am Himmel gewesen. Und jetzt das! Den Norfer Hof hatten sie schon längst hinter sich gelassen, sie bogen gerade auf die Kommunalstraße 20 ein, die im weiteren Verlauf St.-Antonius-Straße heißen würde. Eine leichte Kurve, und da, nur noch wenige hundert Meter entfernt, lag Schlicherum vor ihnen, das Dorf, in dem Lars und Mike wohnten. Zum Greifen nah! „Wir schaffen es noch!“, schrie Mike in den Fahrtwind. 8

Lars sparte sich den Atem, eine Antwort zu brüllen. Er nickte nur. Weiter, nur weiter! Bald war es geschafft. Schon näherten sie sich dem Haus aus dunkelroten Backsteinen, das auf der Hälfte der Strecke zwischen der letzten Kurve der Landstraße und dem Ortseingangsschild lag. In diesem Haus wohnte ein Außenseiter und Sonderling, der überall nur als der verrückte Lubronski bekannt war. Er sprach nie mit jemandem, meistens latschte er allein in der Gegend herum oder donnerte auf seiner uralten Harley-Davidson durch das Kreisgebiet. Über diesen Mann wurde viel gemunkelt und getratscht. Es galt als unberechenbar, wenn nicht gar gefährlich. Die ersten Häuser Schlicherums tanzten vor ihren Augen im Rhythmus des Pedaletretens auf und ab. Gleich waren sie zu Hause! Zum Greifen nah! Und dann, als sie genau auf der Höhe des Backsteinhauses waren, passierte es!

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Weder Lars noch Mike konnten hinterher sagen, was zuerst geschah. Vermutlich prasselten die ersten schweren Regentropfen herunter, bevor der Blitz in die Erde fuhr. Oder vielmehr die unzähligen Blitze, die sie regelrecht einkesselten. Mit Entsetzen sahen die Jungen, wie vor ihnen, in den Radweg und die Straße, auch seitlich von ihnen in den Acker und auch hinter ihnen, endlos lange und dünne, fast zierliche, zittrige Strahlen aus reiner Energie in den Boden fuhren. Für den Bruchteil einer Sekunde waren sie umzingelt von Blitzen, die scheinbar das Erdreich spalten wollten wie eine Axt das Feuerholz. Fast im gleichen Augenblick wurden sie von einem gewaltigen Donnergrollen umgeworfen, das sie nicht nur mit dem Gehör, sondern mit dem ganzen Körper empfanden. Die Räder schepperten auf den Boden, allerdings war das damit verbundene Geräusch nicht zu hören. Es wurde durch das Gewitter restlos übertönt. Mike und Lars purzelten über den Radweg. Schließlich blieben sie irgendwo lie10

gen, halbblind durch grelle Blitze und halbtaub durch krachenden Donner. Irgendwann einmal, nach Sekunden oder Minuten, sie wussten es selbst nicht, begannen sie sich langsam und benommen wieder aufzurichten. Und der nächste Augenblick hielt einige Überraschungen für sie bereit. Eine davon sollte eine sehr böse Überraschung sein. Als erstes bemerkte Mike, dass der Boden trocken war. Kein Wunder, es regnete ja auch nicht. Also wieso sollte der Boden nass sein? Aber andererseits musste er feststellen, dass seine Kleidung feucht, ja regelrecht pitschnass war. Mike warf einen Blick auf seinen Freund Lars, der gerade ein etwas dummes Gesicht machte. Mike kam nicht auf den Gedanken, darüber eine spöttische Bemerkung zu machen, die Lars bestimmt erwidert hätte, denn der Gesichtsausdruck von Mike war keinesfalls intelligenter. Dann wandten beide Jungen den Blick nach oben und sahen in einen 11

herrlich blauen Frühsommerhimmel, den nicht ein einziges Wölkchen trübte. „Sag mal, hast du eine Ahnung, wohin das Gewitter verschwunden ist?“, fragte Lars. Mike verrenkte sich beinahe den Hals, als er vergeblich den Himmel nach der riesigen und düsteren Wolke absuchte, die eben noch wie ein Damoklesschwert über ihnen gehangen hatte. „Nee!“, sagte er dann ziemlich ratlos. Lars stand vorsichtig auf, tastete sich nach ernsthaften Verletzungen ab, befand sich für in Ordnung und wandte sich seinem Fahrrad zu. Dabei richtete er, ohne jede Absicht, den Blick in die Richtung, in die sie eben noch aus Leibeskräften geradelt waren. Seine Augen weiteten sich vor Schreck, er blieb bewegungslos stehen. Das konnte doch nicht wahr sein! Mit einem zitternden Zeigefinger deutete er zaghaft in die Richtung, in die sein Blick zielte. „Mike, sieh doch nur!“, stammelte er. „Was ist denn da?“, fragte Mike, der noch ziemlich durcheinander war. Und dann stand 12

er da und war verblüfft. „Wo ist denn Schlicherum geblieben?“ Vor den Jungen lag die Landstraße, die nach Rosellen weiterführte. Und an dieser Landstraße hätte eigentlich ihr Dorf liegen müssen, ihr Zuhause, der kleine Ortsteil der Stadt Neuss, wo ihre Elternhäuser standen. Keine Spur davon! Die Landstraße wand sich durch Felder und Äcker, von Bebauung nichts zu sehen! Die nächsten Häuser waren Kilometer entfernt und gehörten zu Rosellen. Schlicherum war weg! Eben noch zum Greifen nah gewesen, und nun einfach verschwunden! Fassungslos starrten die Jungen auf die Gegend, wo sich ihr Dorf hätte befinden müssen, das immerhin aus einigen hundert Häusern bestand. Wie konnte das einfach weg sein? „Ich begreife das nicht“, sagte Lars mühsam. „Das muss ein Traum sein.“ Mike sah sich in alle Himmelsrichtungen um. Das Haus des verrückten Lubronski war da, das Stadion, der Tennisclub, die Spitze des al13

ten Wasserturms, der in Norf stand, voraus Rosellen, alles wie gewohnt. Nur Schlicherum war weg! Er schüttelte ungläubig den Kopf. Lars griff sich mit beiden Händen an den Kopf, fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, dann gestikulierte er mit den Händen in der Luft, während er mit einer bestürzend optimistisch klingenden Stimme sprach. „Weißt du, eigentlich ist alles ganz klar: Wir sind von dem Gewitter überrascht und getroffen worden, ich meine, wir haben einen Blitz abgekriegt, oder so etwas! Und deshalb ist unsere Wahrnehmung gestört. Das ist die einzig logische Erklärung! Wir fahren jetzt einfach weiter, und dann ist unser Dorf wieder da! Na klar, genau so machen wir es!“ Mike warf dem Freund einen besorgten Blick zu. Der Stimme nach zu urteilen war Lars kurz vor dem Durchdrehen. Kein Wunder, Mike konnte auch nicht glauben, was geschehen war. „Was für ein Gewitter?“, fragte er. „Hat es überhaupt eines gegeben? Wo ist es denn so schnell hin?“ 14

„Weiß ich nicht!“, schrie Lars plötzlich los. „Keine Ahnung, ist mir auch scheißegal! Mann Gottes, wir müssen Schlicherum wieder finden, sonst ist unser Zuhause weg! Wo willst du denn heute Nacht pennen? Und wo sind unsere Eltern?“ Mike wurde leichenblass, als ihm durch die heftig und verzweifelt hinausgeschrieenen Worte des Freundes die Tragweite dessen klar wurde, was hier passiert war. Eilig nahm er sein mit Zelt und Ausrüstung bepacktes Fahrrad auf und fuhr los. Lars folgte ihm ohne Zögern. Sie legten nun ein Tempo vor, das eher noch höher war als vorhin, als sie vor dem Unwetter geflohen waren. Dabei nahmen sie den Blick nicht von der Gegend, wo eigentlich Häuser hätten stehen müssen. Nach kurzer Zeit hielten sie an. Mit Entsetzen mussten sie feststellen, dass sich an der Umgebung nichts geändert hatte. Sie standen auf einer Landstraße, die durch Felder führte.

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