Die BKW im Spannungsfeld zwischen Markt und Regulierung

... von den gleichen Organisationen bekämpft, die Kern- oder Gaskraftwerken, ... konnten wir 140 Partner aus 15 Kantonen und dem Fürstentum Lichtenstein.
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Die BKW im Spannungsfeld zwischen Markt und Regulierung

Es gilt das gesprochene Wort

Referat von Dr. Fritz Kilchenmann, Verwaltungsratspräsident der BKW FMB Energie AG, anlässlich der Generalversammlung vom 16. April 2010

1. Das Geschäftsjahr 2009

Die BKW kann für das Geschäftsjahr 2009 ein solides Ergebnis vorlegen. In einem schwierigen wirtschaftlichen und regulatorischen Umfeld stieg die konsolidierte Gesamtleistung um 2.8% auf 3'592.6 Mio. CHF. Im operativen Geschäft konnte das Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Wertminderungen (EBITDA) auf 501.6 Mio. CHF gesteigert werden (+6%). Die Stabilisierung der Finanzmärkte führte gegenüber 2008 zu einem um 196 Mio. CHF markant höheren Finanzergebnis. So resultiert ein Konzerngewinn von 298.5 Mio. CHF oder +160 Mio CHF gegenüber dem Vorjahr.

Die Bilanzsumme erhöhte sich in der Berichtsperiode um 530 Mio. CHF auf 6’519 Mio. CHF. Die Eigenkapitalquote reduzierte sich trotz gestiegenem Eigenkapital wegen der höheren Bilanzsumme per Bilanzstichtag von 51.3% auf 49.8%. 2. Aktionariat und Kursentwicklung Die Zahl der Aktionäre ist auf rund 9‘000 angestiegen und entwickelte sich seit der Börsenplatzierung im Jahr 2003 erfreulich. Der Aktienkurs liegt heute um die 80 CHF gegenüber 32 CHF bei der Börsenplatzi erung. Entgegen der positiven Börsenentwicklung verlor die BKW-Aktie im Jahr 2009 20%. Auch den übrigen Stromtiteln erging es nicht besser. Sie scheinen zur Zeit w eniger Phantasie zu verbreiten als andere Titel.

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3. Was bringt die Strommarktöffnung? Das letzte Jahr brachte die erste Etappe der Strommarktöffnung gemäss dem neuen Stromversorgungsgesetz. Hoffnungen auf sinkende Strompreise erfüllten sich bisher nicht. Warum ist das so? Es können erst Stromverbraucher ab 100'000 kWh Jahresverbrauch ihren Liefera nten frei wählen. Nur wenige machen davon Gebrauch, weil die Stromversorger vor Ort gute Angebote und Versorgungssicherheit bieten. Das Stromangebot in Europa ist zwar wegen der starken wirtschaftlichen Rezession flexibler geworden, aber die Grosshandelspreise an den Strombörsen sind nicht zusammengebrochen. Der schweizerische Strommarkt ist, europaweit gesehen, klein, stark zersplittert und damit kompliziert. Er bietet kaum Anreize für neue Anbieter, einzusteigen. Das Stromversorgungsgesetz bringt der Strombranche massive Zusat zkosten und Ertragseinbussen, um die Anforderungen der Regulatoren zu erfüllen. Vier eidgenössische Behörden mischen sich jetzt ein, und jede will Erfolge zeigen. Die Stromunternehmen wurden geradezu überschwemmt von zahlreichen Verfahren und mussten Unmengen an Daten liefern. Daraus resultieren vor allem im Netzbereich Ertragseinbussen in Millionenhöhe. So wird die Bereitschaft nicht gefördert, in die vom Gesetz postulierte Sicherheit der Stromversorgung zu investieren und zusätzlich noch einen Preiswettbewerb unter Kunden anzukurbeln. Schliesslich ist ein kontinuierliches Anwachsen der staatlichen Steuern und A bgaben im Strombereich zu verzeichnen. Ich zähle nur auf, was seit der Marktöffnung neu dazugekommen ist oder bevorsteht. (1) Zur Förderung der erneuerbaren Energie wie Windturbinen und Solaranlagen zahlen die Konsumenten auf jeder Kilowattstunde Strom eine Abgabe. (2) Die Eidgenössischen Räte sind daran, diese Steuer bereits kurz nach ihrer Einführung um 50 % bis auf 0,9 Rp./kWh zu erhöhen. (3) Darin enthalten ist e ine Abgabe zur Finanzierung von Gewässerschutzmassnahmen. (4) Die Wasserzinsen für die Nutzung der Wasserkraft werden ab 2011 um 25% erhöht. (5) Der Kanton Bern will eine eigene Stromabgabe bis zu 1 Rp./kWh einführen. (6) Die Mehrwertsteuer steigt ab 2011 auf 8%. Allein diese fiskalischen Massnahmen erhöhen den Strompreis bis 2011 um gut 2 Rp./kWh oder, je nach Endabgabepreis, um 10 – 25%. Wie soll der Strom dann billiger werden?

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Die Strommarktöffnung ist bisher keine Erfolgsstory. Trotz dieser wenig erfreul ichen Entwicklung unterstützt die BKW die Strommarktöffnung nach wie vor. Sie hat sich seit Jahren intensiv darauf vorbereitet. 4. Herausforderungen der BKW Ziel und Zweck der BKW ist die sichere, umweltverträgliche und kostengünstige Stromversorgung ihrer Kunden mit einer angemessenen Rentabilität des Unternehmens. Sie will ihre bewährte Strategie der vertikalen Integration, der partnerschaftl ichen Zusammenarbeit und der regionalen Verankerung weiter verfolgen und ihre eigenständige Position stärken. Namentlich will sie ihre weitgehend CO 2-freie Stromproduktion erhalten und ausbauen. Bei der Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern sind zahlreiche Projekte in Bearbeitung und in Umsetzung. Kleinere Wasserkraftwerke bei Meiringen, bei Kandersteg und im Lötschental sind im Bau oder in Betrieb genommen worden. Die Erneuerung des Kraftwerks Hagneck am Bielersee wurde vom bernischen Grossen Rat im Januar dieses Jahres genehmigt. Im Kanton Graubünden erteilte eine G emeinde der BKW vor kurzem ebenfalls eine Konzession. Im Segment Windenergie wird der grösste Schweizer Windpark im Berner Jura mit acht neuen Turbinen erweitert. Im Segment Biomasse laufen in Grindelwald die Arbeiten für ein Holzheizwerk. Mehrere Biogasanlagen stehen im Bau oder in Planung. Viele weitere Projekte stehen im Bewilligungsverfahren oder kurz davor. Häufig we rden sie aber von den gleichen Organisationen bekämpft, die Kern- oder Gaskraftwerken, dem Ausbau der Kraftwerke an der Grimsel und Windprojekten im Jura o pponieren. Bei aller Freude über den zügigen Ausbau der dezentralen, auf erneuerbaren Que llen beruhenden Stromproduktion: Ohne Grosskraftwerke funktioniert eine zuverläss ige, CO2-arme Stromversorgung nicht. Die Kernkraftwerke müssen ab 2025 ersetzt werden. So sieht es auch die Energiestrategie des Bundesrates. Die BKW und die Axpo reichten 2008 beim Bund je ein Rahmenbewilligungsgesuch für die Standorte Mühleberg und Beznau ein. Auch die Alpiq hat ein solches Gesuch für ein Kraftwerk in der Gegend von Gösgen eingereicht. Die behördliche Prüfung dieser Gesuche wurde 2009 vorangetrieben. Man ist sich zwar einig, dass vorerst zwei Ersatzkraf twerke genügen, aber über die Reihenfolge der Standorte fehlt weiterhin ein Konsens unter den Projektanten. Wir sind der Auffassung, dass dort gebaut werden soll, wo die bestehenden Anlagen still gelegt und abgebrochen werden, wenn der Ersatz steht. Das sind die Standorte Beznau und Mühleberg. Für den Kanton Bern steht viel auf dem Spiel: die Versorgungssicherheit, die grosse volkswirtschaftliche Bedeutung und

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Wertschöpfung eines Kernkraftwerks, Hunderte hoch qualifizierter Arbeitsplätze. Dafür trägt die BKW die Verantwortung. Im Dezember letzten Jahres erhielt die BKW vom Bund die unbefristete Betriebsbewilligung ab 2013 für das heutige Kernkraftwerk Mühleberg. Im umfangreichen Entscheid wird detailliert erläutert, dass das Kraftwerk sicher und zuverlässig arbeitet. Die Rechtsgleichheit mit den anderen schweizerischen Kernkraftwerken ist jetzt hergestellt. Eine Beschwerde von Kraftwerksgegnern ist vor dem Bundesverwaltungsgericht hängig. Zu den wichtigsten Projekten gehört das Investitionsprogramm KWO plus, an dem die BKW zu 50 Prozent beteiligt ist. Konzessionsverfahren für drei Teilprojekte werden vorbereitet: die Grimselseevergrösserung, ein Pumpspeicherkraftwerk zwischen dem Räterichsboden- und dem Oberaarsee sowie eine Leistungserhöhung zweier Kraftwerke in der Handeck und in Innertkirchen. Im Ausland konzentriert sich die BKW auf das Handelsgeschäft sowie auf Produktion und Vertrieb in Deutschland und Italien. Bei den erneuerbaren Energien steht die Windkraft im Zentrum. In beiden Ländern erwarb die BKW im letzten Jahr wichtige Beteiligungen an Windkraftanlagen, die in Betrieb oder im Bau stehen oder b ewilligt sind. Bei Grund- und Mittellastkraftwerken sind in diesen Ländern Gas- und Kohlekraftwerke unverzichtbar. Die BKW beteiligt sich an neuen Anlagen mit m odernster Technologie. Diverse Projekte werden nicht weiter verfolgt. Weil die Evaluation möglicher Projekte breit angelegt worden war, handelt es sich bei solchen Verzichten um einen normalen Planungsvorgang. Partnerschaften sind für die BKW von zentraler Bedeutung für die Positionierung und Weiterentwicklung des Unternehmens. Wir haben regional abgestützte Plattfo rmen entwickelt, die auf dem gleichen Geschäftsmodell basieren. Sie befassen sich mit dem Vertrieb von Strom in der Schweiz und bieten den Partnern viele Leistungen an. 2009 konnten wir 140 Partner aus 15 Kantonen und dem Fürstentum Lichtenstein verzeichnen.

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5. Einige persönliche Anmerkungen Heute leite ich letztmals eine Generalversammlung und werde Ende Mai mein Ma ndat nach 16 Jahren beenden. Gestatten Sie mir daher einen kurzen persönl ichen Rück- und Ausblick in drei Punkten. Zum ersten: Die BKW hat sich in dieser Zeit stark gewandelt. Allein Ihre Anwesenheit, weit über 1000 Aktionärinnen und Aktionäre, zeugt davon. Unser Geschäft e rstreckt sich heute über die ganze Schweiz und über angrenzende Gebiete im Ausland. Ein Kerngeschäft ist dabei weiterhin die Versorgung im schweizerischen Mittelland und im Jura. Die kantonalbernische Politik hat manchmal Mühe, diesen Wandel zu verstehen. Obwohl nur noch zu 52 Prozent der Aktien dem Kanton Bern gehören, darüber hinaus rund 9‘000 weiteren Miteigentümern im In- und Ausland, denken viele immer noch, die BKW sei eine rein bernische Angelegenheit. Von den jetzt historisch gewordenen sechs unabhängigen Überlandwerken haben zwei zur Alpiq fusioniert und drei kamen unter das Dach der Axpo. Die BKW steht vor der Herausforderung, sich eigenständig und unabhängig als vertikal integriertes Unternehmen weiter zu entwickeln. Die Strategie ist ambitiös. Sie erfordert das klare Bekenntnis aller Aktionäre, diese Entwicklung kräftig zu fördern und der BKW den nötigen unternehmerischen Spielraum zu geben. Damit zum zweiten Punkt, dem Tatbeweis: Die BKW will ihre weitgehend CO 2-freie Stromproduktion in der Schweiz und wo möglich auch im Ausland erhalten und ausbauen. Sie setzt auf Wasserkraft, Wind, weitere erneuerbare Energiequellen und auf Kernkraft. In der überschaubaren Zukunft braucht es beide Säulen; alles andere ist Wunschdenken. Wir wollen bis 2020 1500 Mio. CHF in die Säule „erneuerbare Ene rgien“ investieren. Die BKW hat sich hier eine starke Stellung aufgebaut, unter and erem mit der Tochtergesellschaft sol-E Suisse. Parallel dazu steht jetzt der Ersatz des Kernkraftwerks Mühleberg an. Die eine Säule gegen die andere auszuspielen, ist falsch. Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Mühleberg, bei den erneuerbaren Energien und bei der Energieeffizienz sind gleichermassen gefragt. Vom ideologischen Dogma gegen die Kernenergie muss Abstand genommen werden. Gerade der Kanton Bern braucht sta rke volkswirtschaftliche Impulse. In den letzten Monaten gingen wieder Hunderte, wenn nicht Tausende von Arbeitsplätzen in der Privatwirtschaft verloren. Grabenkämpfe um die Stromproduktion sind jedoch Gift für die Entwicklung unserer Region. Andere warten nur darauf, einzuspringen. Zum dritten Punkt, Stichwort Partnerschaft: Mitte März wurde die „Hauptstadtregion Schweiz“ („Région de la capitale suisse“) aus der Taufe gehoben. Die Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Wallis wollen mit 15 Städten zusammen diese Grossegion weiterbringen, was dem „Espace Mittelland“ nicht gelungen war. Auch hier

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ist der Tatbeweis zu erbringen. Die BKW kann mithelfen. Sie kooperiert seit Ja hren erfolgreich in diesen Kantonen. Mit Groupe e, deren unternehmerischer Schwe rpunkt in den Kantonen Freiburg und Neuenburg liegt, besteht eine zunehmend inte nsivere Kooperation. Die beiden Unternehmen sind zudem mit einer Kreuzbeteiligung verbunden. Die Zustimmung zu einem Ersatzkernkraftwerk in Mühleberg erscheint in den drei Kantonen nach Umfrageergebnissen solid. In Teilen der Kantone Solothurn und Wallis ist die BKW ebenfalls gut präsent. Kantonsübergreifende Projekte werden in langer Arbeit schrittweise aufgebaut, brauchen einen langen Atem und gegenseit iges Vertrauen. Patentrezepte gibt es nicht. Aber die Partnerschaften, welche die BKW in der neu konfigurierten Hauptstadtregion bereits aufgebaut hat, können als Erfolgsmodell für andere wirtschaftliche oder gesellschaftliche Projekte dienen. 6. Dank Im Namen der Generalversammlung und des Verwaltungsrates danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem Kader und der Unternehmensleitung für die vielfältige und grosse Arbeit, die Sie für das Unternehmen und unsere Kunden leisten. Die Arbeit ist spannend, anspruchsvoll, es gibt Erfolge und Rückschläge. Im vergangenen Jahr ist die BKW, dank Ihnen, gut vorangekommen. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Ausdauer, Erfolg und persönliche Befriedigung bei Ihrer Arbeit. Ihnen, verehrte Aktionärinnen und Aktionäre, danken Verwaltungsrat und Unternehmensleitung für Ihr Interesse an einer starken BKW. Ihre Unterstützung hilft wesentlich mit, dass sich unser Unternehmen im Strommarkt gut positionieren kann. Damit erkläre ich die Generalversammlung als eröffnet.