Das Mysterium der Saslong

18.12.2015 - Gröden: Freitag, Super G (12.15),. Samstag: Abfahrt (12.15); Alta Badia: Sonntag, RTL (9.30/12.30), Montag,. Parallel-RTL (18.00); Madonna:.
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SPORT

FREIT AG, 18. DEZEM BER 20 15

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IM SKIZIRKUS

Michael Smejkal

Wenn auch der Kamerafahrer Angst bekommt

Kjetil Jansrud ist einer der Norweger, die auf der mysteriösen Saslong in Gröden immer gut zurechtkommen.

BILD: SN/APA/AFP/OLIVIER MORIN

Das Mysterium der Saslong Faktum 1: Die Herrenabfahrt im Grödnertal ist eine der ungewöhnlichsten Abfahrten im ganzen Jahr. Faktum 2: Österreicher sind hier chancenlos. Warum eigentlich?

ST. CHRISTINA. Die Anzeigetafel und

die mitlaufenden Zeiten sind in diesen Tagen im Zielraum der Abfahrt im Grödnertal eigentlich überflüssig. Was soeben auf der Strecke passiert ist, das erkennt man auch an der Körpersprache der Athleten. Die sieht bei den Österreichern derzeit ganz schlecht aus: Wie geprügelte Hunde schlichen Max Franz, Hannes Reichelt und der Rest auch nach dem zweiten Training aus dem Ziel, in dem es nur einen Unterschied zum Vortag gab: Seit dem Videostudium gibt es noch mehr Gründe, warum die Österreicher hier wieder einmal chancenlos sind. „Nach dem oberen Gleitteil fehlen mir sechs Stundenkilometer auf Svindal. Da kann man dann zusehen, wie er mir bis ins Ziel davonfährt“, meinte etwa Max Franz, dem 1,68 Sekunden auf den Trainingsschnellsten Aksel Lund Svindal gefehlt haben. Das verheißt für die samstägige Abfahrt nichts Gutes, denn Franz sah sich

schon im Training am Limit. Und nicht einmal ein Seitenhieb auf das Material wäre berechtigt: Der junge Norweger Alexander Aamodt Kilde fuhr in den oberen Kurven seinem Atomic-Teamkollegen Franz um 1,2 Sekunden davon. Die Saslong und die Österreicher, das wird langsam zum Mysterium. Mit 17 Siegen durch elf verschiedene Läufer sind die Österreicher auf der seit 1969 im Weltcup vertretenen Abfahrt die erfolgreichste Nation, doch seit Walchhofers Abgang reiht sich Niederlage an Niederlage. Walchhofer war 2008 auch der letzte ÖSV-Fahrer, der hier gewinnen konnte. Warum das so ist, das stellt alle vor ein Rätsel. „Fix ist hier nur eines: Svindal fährt mir von oben bis unten davon“, meinte Hannes Reichelt, dem die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben stand. Doch das ist nicht das einzige Rätsel hier: Auf der Strecke sind immer die gleichen Fahrer schnell: Etwa der Amerikaner Steven Nyman, den man nicht als Siegfahrer be-

zeichnen kann, der aber im Grödnertal allen davonfährt. 2006, 2012 und 2014 hat er hier gewonnen, am Samstag kann er den Rekord von Franz Klammer und Kristian Ghedina (vier Siege) einstellen. Markant an dieser Abfahrt ist der Schatten des mächtigen Langkofels,

BILD: SN/GEPA/PRANTER

MICHAEL SMEJKAL

„Sie fahren Kurven, wo es keine gibt.“ Robert Trenkwalder,

Ex-ÖSV-Abfahrtstrainer

dessen ladinischer Name Saslong der Abfahrt den Namen gibt. Die Sonne zieht während des Rennens rund um das 3180 Meter hohe Massiv, der plötzlich auftretende Schatten löst eine Thermik aus. Das hat ÖSV-Coach Toni Giger schon vor einem Jahrzehnt nachgewiesen. Wann es jedoch Rücken- und wann Gegenwind gibt, bleibt unklar. Aber dass immer nur die Österreicher

Vonn hat neue Rekorde im Visier Noch fehlen der US-Amerikanerin einige Siege auf einen Allzeit-Skirekord. VAL D’ISÈRE. Vor genau elf Monaten hat Lindsey Vonn mit ihrem 62. Sieg im alpinen Ski-Weltcup zur bisherigen Damen-Rekordlerin Annemarie Moser-Pröll aufgeschlossen. Jetzt fährt die 31-jährige US-Amerikanerin um ihren bereits 72. Erfolg und bekommt Allzeit-Rekordler Ingemar Stenmark immer mehr ins Blickfeld. Der Schwede hat 86 Weltcupsiege auf dem Konto. „Das ist mathematisch möglich, aber leichter gesagt als getan. Ich muss nur weiter gewinnen, dann werden wir sehen“, sagte Vonn in Val d’Isère. Sollte Vonn ihr in diesem Jahr eingeschlagenes Sieg-Tempo beibehalten, würde sie den „Schweiger aus dem Norden“ schon in der

Einmal mehr Schnellste: US-Skistar Lindsey Vonn. BILD: SN/GEPA PICTURES

nächsten Saison einholen. Im laufenden, noch jungen Weltcupwinter hat Vonn bereits vier Mal gewonnen, darunter beide Abfahrten und den Super G in Lake Louise sowie den Riesentorlauf von Aare. Im aktuellen Winter stehen aber noch sechs Abfahrten und sieben Super-G-Rennen auf dem Programm, Riesentorläufe sind es ebenfalls noch sechs. Zudem findet heute, Freitag, in Val d’Isère der erste Saisonbewerb in der Kombination statt, in der Vonn fünf Weltcup-Events gewonnen hat. Und die Trainingsbestzeit am Donnerstag für die Weltcupabfahrt am Samstag in Val d’Isère lässt hier auch einen SN, APA Sieg vermuten.

Gegenwind haben, ist auch nicht anzunehmen. Gigers einstiger Abfahrtscoach Robert Trenkwalder, der hier Aksel Lund Svindal und Erik Guay berät, hat sich selbst oft über die Eigenheiten dieser Abfahrt gewundert. „Es ist eine tolle Abfahrt, aber kaum eine gibt einem so viele Rätsel auf wie diese“, sagt der jetzt in Diensten von Red Bull stehende Coach. „Hier sind immer die Gleichen schnell.“ Dass die meist aus Norwegen (Svindal, Jansrud) oder den USA (Nyman, Ganong, Sullivan) kommen, ist auch eines der vielen kleinen Rätsel. Dem könne man auch nicht mit dem Videostudium auf die Schliche kommen. „Ich habe einst Werner Franz verboten, die Videos anderer zu studieren. Am Ende hat er nicht mehr gewusst, wo er fahren soll.“ Das sei auch ein aktuelles Problem im ÖSV-Team. Trenkwalders Kurzanalyse: „Sie fahren Kurven, wo es keine gibt.“

Es scheint, als hätte der halbe SkiWeltcup gerade den Beruf gewechselt: Bode Miller kommentiert für NBC, Tina Maze und Didier Cuche für Eurosport, Benjamin Raich feiert kommenden Dienstag sein Debüt im ORF, Maria Höfl-Riesch kommentiert in der ARD, Marco Büchel im ZDF. Doch nur einer springt Samstag mit der Kamera über die Kamelbuckel: Hans Knauß. Dafür erntet der Steirer von seinem Alterskollegen Marco Büchel (beide Jahrgang 1971) höchstes Lob. „Das ist Wahnsinn. Ich könnte das nicht mehr.“ Büchels Erleuchtung kam im März in der Hölle, einem Streckenabschnitt auf der Garmischer Kandahar. „Ab der Passage hatte ich nur mehr Angst. Ich dachte, ich sei mit einem Irrsinnstempo unterwegs.“ Am Abend habe er seine eigene Fahrt auf Video gesehen. „Ich war in Wahrheit lächerlich langsam unterwegs.“ Das ist Knauß keineswegs. In Beaver Creek verlor er nur rund 13 Sekunden, trotz flatternder Skihose, Handkamera und fehlender Stöcke. Das verdient auch deshalb Respekt, weil der Steirer im Weltcup kein Kind von Traurigkeit ist. Büchel und Cuche wollten übrigens heuer zusammen mit Daron Rahlves die Streif für das TV abfahren und sich dabei gegenseitig überholen. „Nach der Besichtigung habe ich Didier gefragt: Willst du das wirklich? Und wir haben beide nur mehr den Kopf geschüttelt“, erzählte Büchel. WWW.SALZBURG.COM/IMSKIZIRKUS

Weltcupprogramm Damen Val d’Isère: Freitag, Kombination (10.30/13.45), Samstag, Abfahrt (10.30); Courchevel: Sonntag, Riesentorlauf (10.30/13.30). Herren Gröden: Freitag, Super G (12.15), Samstag: Abfahrt (12.15); Alta Badia: Sonntag, RTL (9.30/12.30), Montag, Parallel-RTL (18.00); Madonna: Dienstag, Slalom (17.45/20.45).