Das KPD-Dezernat der Gestapo Düsseldorf

d) Der Fall Josef Hz. - eine wissentlich falsche Anschuldigung? (151) e) Der Fall Lucia B. (152) ... 2 Der Hitler-Stalin-Pakt und die Jahre 1939 bis 1941 (264). 2. 1.
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Thomas Gebauer

Das KPD-Dezernat der Gestapo Düsseldorf

disserta Verlag

Thomas Gebauer

Das KPD-Dezernat der Gestapo Düsseldorf

Gebauer, Thomas: Das KPD-Dezernat der Gestapo Düsseldorf, Hamburg, disserta Verlag, 2011 ISBN: 978-3-942109-75-8 Herstellung: disserta Verlag, ein Imprint der Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Heinich-Heine-Universität Düsseldorf Das KPD-Dezernat der Gestapo-Düsseldorf Vorgelegt von Thomas Gebauer M.A. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. Phil.) durch die Philosophische Fakultät der der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf D 61 Gutachter: Professor Dr. Düwell Professor Dr. Rusinek Tag der Disputation: 15. September 2010

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. © disserta Verlag, ein Imprint der Diplomica Verlag GmbH http://www.disserta-verlag.de, Hamburg 2011 Hergestellt in Deutschland

Danksagung Die vorliegende Dissertation wurde am 15. September 2010 vom Dekanat der Heinrich-Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf angenommen. Anlass genug verschiedensten Menschen zu danken, die dies möglich gemacht haben. So habe ich ganz besonders meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Kurt Düwell, zu danken für die Inspiration zu diesem Thema sowie seine Geduld und seine mich immer wieder motivierende Beratung. Ein weiterer Dank gilt dem Zweitgutachter, Herrn Professor Dr. Bernd Rusinek, für sein Wirken als Zweitgutachter sowie seine konstruktive Kritik und Anregungen. Den Mitarbeitern des Landesarchivs Nordrhein-Westfalens - Abteilung Rheinland gilt ebenso mein Dank für die Bereitstellung des Materials sowie die ein oder andere Hilfestellung bei der Auswertung des Archivmaterials. Ein besonderer Dank gilt auch Herrn Dr. Peter Dohms für seine Beratung und zahlreichen Anregungen. Aber ganz besonders möchte ich meiner Familie danken, die mir dieses Studium überhaupt erst ermöglicht hat, für ihre Geduld und Unterstützung sowie allen Freunden, die mich durch Ermutigungen und Anregungen stets motiviert haben.

Mönchengladbach, Juni 2011

Inhaltsverzeichnis Einführung (1) 1. Die Gestapo Düsseldorf (5) 1. 1 Die Geheime Staatspolizei (5) 1. 1. 1 Die Gründung des Geheimen Staatspolizeiamtes (5) 1. 1. 2 Das zweite Gestapo-Gesetz (17) 1. 1. 3 Die Übernahme durch Heinrich Himmler und das dritte Gestapo-Gesetz (23) 1. 2. Die Staatspolizeistelle Düsseldorf und ihre Beamten (28) 1. 2. 1 Die Staatspolizeistelle Düsseldorf (28) 1. 2. 2 Karrieren bei der Gestapo Düsseldorf (44) 1. 3. Maßnahmen und Methoden der Gestapo gegen den Widerstand der KPD (54) 1. 3. 1 Die Schutzhaft (54) 1. 3. 1. 1 Die ersten Verhaftungswellen 1933 bis 1934 (57) a) Der Fall Wolfgang Langhoff (59) b) Beispiele unbekannter Parteimitglieder (67) 1. 3. 1. 2 „Rückfällige Schutzhäftlinge“ (74) 1. 3. 1. 3 Die 7-Tage Schutzhaft (75) 1. 3. 1. 4 Die längere Schutzhaft von 1935 bis 1939 (79) 1. 3. 1. 5 Die Sonderaktion vom April 1937 in Düsseldorf (82) 1. 3. 1. 6 Schutzhaft während des 2. Weltkrieges (87) 1. 3. 1. 6. 1 Die Verhaftungen am Morgen des Ausbruchs (87) a) Der Fall Karl S. (90) b) Der Fall Anton M. (94) c) Der Fall Alfred S. (98)

d) Der Fall Karl H. (100) e) Der Fall Emil Rische (101); 1. 3. 1. 6. 2 Arnold Dunder und die Sonderaktion „Gewitter“ (105) 1. 3. 1. 7 Schutzhaft gegen vorbestrafte Kommunisten und „Hochverräter“ (107) a) Der Fall Christian H. (108) b) Der Fall Katharina L. (110) c) Der Fall Felix S. (112) d) Der Fall Rudolf P. (115) e) Der Fall Peter J. (117) f) Der Fall des jüdischen Alfred O. (121) 1. 3. 1. 8 Schutzhaft gegen kommunistische Emigranten (123) a) Der Fall Peter N. (123) b) Der Fall Arnold R. (126) 1. 3. 2 Verschärfte Vernehmung und die Anwendung körperlicher Gewalt (128) 1. 3. 3. Denunziation (142) 1. 3. 3. 1 Denunziationen durch Nachbarn und Angehörige (142) a) Der Fall Michael N. (144) b) Der Fall Otto Pankok (147) c) Der Fall Hermann M. (150) d) Der Fall Josef Hz. - eine wissentlich falsche Anschuldigung? (151) e) Der Fall Lucia B. (152) f) Der Fall Eduard G.(155) g) Der Fall Else I. gegen Josef W (157) h) Der Fall Magdalena F. gegen Johann D. (161) i) Der Fall Emmi S. (162) j) Der Fall des Schiffsführers Rudolf E. (163)

k) Der Fall Arnold B. (165) 1. 3. 3. 2 Denunziationen durch Parteiorgane (170) a) Der Ortsgruppenleiter Hutmacher (171) b) Der Scharführer D. (174) c) Der Fall Willi S. (177) d) Der Blockverwalter Hans Kling (178) 1. 3. 4 Der Einsatz von V-Leuten (180) a) Das schnelle Ende einer KPD-Gruppe in Oberkassel (185) b) Das schnelle Ende einer Mönchengladbacher KPD-Gruppe (190) c) Eine KPD-Gruppe in Rheinhausen (201) d) Reinhold Meves - Ein Mitglied der Uhrig-Römer-Gruppe (204) e) Der Fall der Gruppe um Philipp Spengler (211) 1. 3. 5 Die Postkontrolle (224) a) Der Fall Christian N. (228) b) Der Fall Matthias K. (230) 1. 3. 6. Die Schlussberichte - Vom „Harmlosen Bürger“ zum „Staatsfeind“ (231) 2. Die Geschichte der KPD am Niederrhein (241) 2. 1. Die Situation der KPD im NS-Staat (241) 2. 1. 1 Die Jahre 1933 bis 1939 (241) 2. 1. 2 Der Hitler-Stalin-Pakt und die Jahre 1939 bis 1941 (264) 2. 1. 3 Die eigenverantwortlichen Widerstandsgruppen 1941 bis 1945 (271) 2. 2. Die Organisation der KPD am Niederrhein 1933 - 1935 (274) 2. 2. 1 Der Wiederaufbau (274) 2. 2. 2 Der erste große Schlag gegen die Bezirksleitung 1934 - 1935 (296)

2. 2. 3 Die Zerschlagung der RGO am Niederrhein - Von Funktionären und ahnungslosen Helfern (305) 2. 2. 4 Max Dahlhaus und der technische Apparat (317) 2. 2. 5 Bernhard Hesse - Im Wald versteckte Untergrundzeitungen (325) 2. 3 Die Gruppe um Siegfried Steineberg und Maria Wachter (336) 2. 3. 1 Die Flugblätter (338) 2. 3. 2 Die Zerschlagung (349) 2. 3. 3 Die Suche nach “Maria” (356) 3. Schriften der KPD an Rhein und Ruhr (363) 3. 1. Untergrundzeitungen (371) a) Die Rote Fahne (371) b) Pressedienst der KPD - Ruhrgebiet (388) c) Der Funke (396) d) Die Niederrheinische Arbeiterzeitung (400) e) Der Pionier (407) f) Die Freiheit (415) g) Inprekorr - Internationale Pressekorrespondenz (422) 3. 2. Flugblätter (432) 3. 2. 1. Flugblätter in Essen (432) a) Unterdrückter Wahlkampf (432) b) “Hört die Stimme der Kommunisten!” (435) c) Im Zeichen des Kreuzes (437) 3. 2. 2. Die ersten Flugblätter in Duisburg (442) a) “Heraus mit Ernst Thälmann!” (442) b) “Der Kanzler an sein Volk!” - Eine perfekte Tarnung (444)

3. 2. 2. 1 Der Fall Adolf S. (448) a) “Entlarvt die Lüge vom Hakenkreuz-Sozialismus!” (448) b) “Belogene SA! Betrogenes Volk!” (450) 3. 2. 3 Die Aktion zum “Roten Kampfmai” in Düsseldorf (456) 4. Die Knöchel-Organisation (461) 4. 1. Wilhelm Knöchel (461) 4. 2. Die Geschichte des Friedenskämpfers (462) 4. 3. Die Knöchel-Organisation wird zerschlagen (476) a) Die ersten Verhaftungen (476) b) Die Knöchel-Organisation in Berlin (493) c) Die Knöchel-Organisation in Wuppertal (501) d) Die Knöchel-Organisation in Duisburg (510) e) Die Knöchel-Organisation in Amsterdam (518) f) Das seltsame Angebot des Wilhelm Knöchel an die Geheime Staatspolizei (533) g) Wilhelm Knöchels Tod (543) Schlussbetrachtung (546) Abkürzungsverzeichnis (555) Literaturliste (556) Primäre Quellen (556) a) Archivmaterial (556) b) Primärliteratur (556) Sekundärliteratur (558)

Einführung „Die Merkmale, die eine Despotie von den freiheitlichen Regierungsformen unterscheiden, kulminieren in der Stellung der politischen Polizei zum Staatsganzen. Sie wird aus dem Verwaltungsorganismus herausgelöst und zum Lieblingskind und Hausmittel der Diktatoren.“1

So treffend beschrieb ausgerechnet Rudolf Diels, der erste Chef der Gestapo, in seinen 1949 unter dem Titel Lucifer Ante Portas – Zwischen Severing und Heydrich publizierten Erinnerungen die Stellung und die Funktion der Geheimen Staatspolizei im NS-Staat. Der entscheidende Unterschied der Politischen Polizei in einer Diktatur und der in einer Demokratie ist, dass sie in einer freiheitlichen Regierungsform bei Handlungsbedarf im Rahmen ihrer Vollzugsgewalt an die Gesetze gebunden und ihre Maßnahmen richterlichen Prüfungen unterworfen waren. Die Gestapo oder auch später die Stasi in der DDR besaßen die Vollmacht Personen ohne gesetzliche Grundlage zu verhaften und beliebig lang ohne richterliche Prüfung zu inhaftieren und zu verhören. Für solche Zwecke wurde auch von Hitlers Ministerpräsident in Preußen Hermann Göring eine neue politische Polizei eingerichtet, die allein dem Zweck der Machtsicherung und der Unterdrückung der Opposition dienen sollte. Zuerst wurde das Geheime Staatspolizeiamt eingerichtet, dann wurden die politischen Polizei-Abteilungen sämtlicher Polizeipräsidien in Preußen aus dem Polizeibehördenapparat ausgegliedert und dem Gestapa als Staatspolizeidienststellen in Berlin unterstellt. Die vorliegende Arbeit soll nun die Arbeit der Gestapo in Düsseldorf darstellen, insbesondere ihr Vorgehen gegen den kommunistischen Widerstand. Dabei gilt es zwei Legenden zu überprüfen. Zum einen muss noch einmal der Frage nachgegangen werden, ob die Geheime Staatspolizei so allmächtig und allgegenwärtig war, so dass jeglicher Widerstand unmöglich war. Eng damit verknüpft ist entsprechend dann die Frage, ob der Widerstand der deutschen Kommunisten tatsächlich so von vornherein zum Scheitern verurteilt war wie in der bisherigen Forschung dargestellt. Dazu ist es natürlich unerlässlich zunächst noch einmal in groben Zügen die Geschichte der Geheimen Staatspolizei in Berlin darzustellen, um dann ausführlicher auf die Entstehung der ihr unterstellten Gestapo Düsseldorf einzugehen. Dabei soll sowohl ihr Aufbau und ihre Struktur als auch ihr Personal dargestellt werden. Dies ist vor allem im Hinblick auf das KPD-

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zit. b. Diels, Rudolf, Lucifer Ante Portas - Zwischen Severing und Heydrich, Zürich 1949, S. 122

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Dezernat besonders wichtig. Hierbei zeigt sich, dass ob „brutaler Schläger“ oder pflichtbewusster Beamter, die Beamten und Angestellten dieses Dezernats alle in ihrer Abneigung und Furcht vor der KPD miteinander verbunden waren. Aber auch ihre tatsächliche Personalstärke und ihre Arbeitsabläufe gilt es nachzuzeichnen, um zu verdeutlichen, was die Gestapo im Rheinland dem durch und durch organisierten kommunistischen Widerstand wirklich entgegen zu setzen hatte. Dabei drängt sich der Schluss auf, dass all die Macht und Brutalität der Geheimen Staatspolizei allein nicht wirklich ausreichte, um effektiv gegen den Widerstand einer Partei vorzugehen, welche die Illegalität schon vor Hitlers Machtergreifung „geprobt“ hatte. Schon allein durch ihre in Wirklichkeit geringe Personalstärke war es für die Geheime Staatspolizei unmöglich, die ganze Bevölkerung geschweige denn die Opposition im Untergrund zu kontrollieren. Denn trotz ihrer Befreiung von allen rechtsstaatlichen Fesseln, stieß die Gestapo gerade durch die Geschlossenheit der Widerstandsgruppen an ihre Grenzen und war somit auf fremde bzw. Hilfe von Aussen angewiesen. Bei dieser Hilfe handelte es sich vor allem um Denunzianten und Spitzel, welche die einzig wahre Möglichkeit für die Gestapo waren, um überhaupt an Informationen über den kommunistischen Widerstand zu kommen. Vor diesem Hintergrund drängt sich dann wiederum die Frage auf, ob der kommunistische Widerstand wirklich von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Wenn es freilich um das Ziel geht, Hitler durch einen selbst initiierten Volksaufstand zu stürzen, dann muss man den Widerstand der Kommunistischen Partei als gescheitert betrachten. Doch ansonsten muss man über die Widerstandsarbeit und die Organisation der KPD im Untergrund differenzierter urteilen. In früheren Arbeiten über den kommunistischen Widerstand neigte man dazu, bei aller Anerkennung für ihren Mut und ihre Motive, die Kommunisten im NS-Staat fast als weltfremde oder selbstmörderische Kamikaze darzustellen. Fest steht zwar, dass die Kommunistische Partei nicht auf den Terror der nationalsozialistischen Herrschaft vorbereitet war, aber andererseits rechnete sie seit 1930 mit ihrem Verbot und entsprechenden Repressionen. Daher konnte sie sich auch bald auf die Art und Weise ihrer Unterdrückung einstellen. Schon die Vorbereitungen auf die Illegalität ließ der Polizei bzw. der Gestapo nach dem 28. Februar 1933 keine andere Möglichkeit als zunächst nur mit willkürlichen Massenverhaftungen gegen den Erzfeind vorzugehen. Die KPD hat in der Zeit zwischen Hitlers Machtergreifung und der „Reichstagsbrandverordnung“ die drohende Gefahr zumindest realistisch genug eingeschätzt, um sich auf die gängigen, auf ein Parteiverbot folgenden Maßnahmen vorzubereiten. Die 2

Polizei konnte ihre Massenverhaftungen nach der „Reichstagsbrandverordnung“ nur an Hand des vorliegenden Aktenmaterials von aktenkundigen Straßenkämpfern oder nach Bekanntheitsgrad von Kommunisten wie Ernst Thälmann vornehmen. Da die Nationalsozialisten nicht glaubten, dass ihre Machtübernahme von den Kommunisten in Deutschland so einfach akzeptiert würde, war es vor allem wichtig, Mitglieder des schon zur Zeit der Weimarer Republik verbotenen Rotfrontkämpferbundes in Gewahrsam zu nehmen, wie die Verhaftungswellen in Duisburg und Essen zeigen. Allerdings war die Polizei hier ganz auf das ihr vorliegende Aktenmaterial angewiesen. Ebenfalls von den Historikern stets unterschätzt wurde die Berliner Landesleitung. Sie war das Herz und die entscheidende Zentrale des kommunistischen Widerstandes in ganz Deutschland. Von dort aus wurden die Bezirke aufgebaut, mit Leitern besetzt und Instrukteure entsandt. Zudem war sie das entscheidende Bindeglied zwischen der emigrierten Parteiführung und den Bezirken. Ausserdem konnten durch die Berliner Landesleitung die durch Verhaftungen zerschlagenen Bezirksleitungen immer wieder neu aufgebaut werden. Weiter unterstützte sie finanziell die Bezirke, bei denen die heimlichen Beitragszahlungen der verbliebenen Mitglieder nicht mehr genug Geld einbrachten. Gerade die Geschichte und der Untergang des einst stärksten Bezirkes der KPD am Niederrhein verdeutlichen die Stellung der Landesleitung. So kann es kein Zufall sein, dass der Zusammenbruch des kommunistischen Widerstandes 1935 zeitlich mit der Zerschlagung der Landesleitung und der Verhaftung ihrer Mitglieder in Berlin zusammenfiel. Die Mitglieder der Bezirksleitungen waren auf sich allein gestellt und teils allein schon durch Geldmangel handlungsunfähig. Ihre entscheidenden Erfolge im Kampf gegen den kommunistischen Widerstand waren hauptsächlich den in die entsprechenden Kreise eingeschleusten Spitzeln zu verdanken. Dies war der große Schwachpunkt der Kommunistischen Partei im Untergrund: Als Massenpartei hatte die KPD den Überblick über ihre Mitglieder verloren, so dass V-Leute schnell in die höchsten Kreise vordringen konnten. Das hatte Klaus-Michael Mallmann ausführlich dargelegt. Er übersah jedoch lediglich, dass die sonstigen Mittel der Gestapo etwas gegen die Führung der illegalen KPD zu unternehmen, sehr dürftig waren. So war es nicht die Gestapo allein, die man als Widerstandsaktivist zu fürchten hatte, sondern ihre vielen Helfer im Volke. Es war nicht nur die Geheime Staatspolizei, sondern auch die Denunzianten, Spitzel und Blockwarte, die ein Klima der Angst schufen, indem man genau darauf acht geben musste, was man sagte. Für die KPD waren es besonders „falsche Genossen“, also Spitzel, die 3

eine besondere Bedrohung schufen. Ohne solche Zuträger, ob freiwillig oder unfreiwillig rekrutiert, wäre die Macht der Geheimen Staatspolizei trotz all dieser Möglichkeiten der Brutalität und Willkür sehr begrenzt gewesen. Ohne Hilfe von V-Leuten und Denunziationen hätte die Geheime Staatspolizei gegen die Untergrundarbeit der Kommunisten allein wenig ausrichten können. Die ersten Verhaftungswellen waren rein präventiv und wurden mit Hilfe des Aktenmaterials aus der Weimarer Republik durchgeführt. Die Kommunisten, die sich auf die Arbeit im Untergrund eingerichtet hatten, konnten sich jedoch lange oder in manchen Fällen sogar gänzlich ihrer Verhaftung entziehen. Flugblattaktionen zwischen 1933 bis 1935 stand die Gestapo oftmals eher ohnmächtig gegenüber. Dies verdeutlicht, warum Peter Steinbach in der Forschung von einer „Entdämonisierung“ der Gestapo sprach. Ihre Arbeitsweise war brutal und menschenverachtend, aber sie war kein übermächtiges Monster, das überall anwesend war und jeden Widerstand sofort im Keim zu ersticken vermochte. Gerade das belegt die Untergrundarbeit der Kommunisten, die sich im Alltag relativ schnell auf den Terror einstellten und Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Niemand in der Partei durfte sich mehr persönlich mit bürgerlichen Namen kennen, da es bei der KPD schnell bekannt geworden war, dass niemand den Verhörmethoden der Gestapo gewachsen sein würde. Treffen wurden nach Möglichkeit vor neugierigen Blicken geschützt abgehalten. So blieb Gestapo auf die Hilfe der Spitzel oder auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Doch zum Denunziantentum muss auch gesagt werden: „Kommunistische Umtriebe“ galt in der Bevölkerung als großes Zauberwort, um unliebsame Zeitgenossen loszuwerden. Daher hatten die Beamten der Gestapo Düsseldorf oft mit einem Heuhaufen von Anzeigen zu kämpfen, indem sich dann vielleicht die Stecknadel eines brauchbaren Hinweises verbarg. Doch repräsentative Beispiele belegen, dass solche Anzeigen aus der Bevölkerung von den Beamten und Angestellten der Gestapo durchaus sorgfältig geprüft wurden. Zudem erklärt die Tatsache, dass die Gestapo durch Denunziationen als „Schlichter für Alltagsstreitigkeiten“ eingespannt wurde, weshalb Anzeigen aus der Bevölkerung sowohl bei der Gestapo als auch innerhalb der NS-Führung umstritten waren. Diese Arbeit soll den Kampf der Gestapo Düsseldorf gegen den kommunistischen Widerstand nachzeichnen und die Arbeitsweisen und Methoden beider Seiten ausführlich darstellen.

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1. Die Gestapo Düsseldorf 1. 1 Die Geheime Staatspolizei 1. 1. 1 Die Gründung des Geheimen Staatspolizeiamtes Für die Entstehung des Geheimen Staatspolizeiamtes in Preußen sieht Gellately bei Göring zwei ganz besonders entscheidende Beweggründe. Zum einen die Bekämpfung aller politischen Feinde, speziell der Kommunisten, zum anderen aber der pure Selbstzweck, sich seine Machtposition unter den NS-Größen zu sichern. Als Innenminister Preußens war Göring hierfür in einer denkbar guten Position.2 Politische Polizei hatte es freilich in Deutschland schon vor 1933 gegeben. Deshalb musste die Gestapo nicht völlig neu erschaffen werden. Viel mehr ist sie in einem Prozess der Modifizierung und Umwandlung entstanden.3 Für weitere Informationen über die Tradition der Politischen Polizei in Deutschland, speziell zur Vorgeschichte der Entstehung der Gestapo sei hier auf den Aufsatz Kontinuitäten und Brüche – Von der Politischen Polizei der Weimarer Republik zur Geheimen Staatspolizei von Christoph Graf in dem von Gerhard Paul und Klaus-Michael Mallmann herausgegebenen Buch Die Gestapo – Mythos und Realität hingewiesen. Die Anfänge der Politischen Polizei gehen zurück bis in die Kaiserzeit. Die Führer der deutschen Revolution im November 1918 hatten zwar die Abschaffung der kaiserlichen Geheimpolizei gefordert, doch der sozialdemokratische Polizeipräsident Eugen Ernst hatte an der Notwendigkeit einer Politischen Polizei festgehalten. So entstand kurz nach der Novemberrevolution die Republikanische Preußische Politische Polizei als Anhängsel der Abteilung I des Berliner Polizeipräsidiums. Später wurde die Behörde als Abteilung I A bezeichnet. Dabei wurde allerdings der größte Teil der Beamten und Angestellten der kaiserlichen Geheimpolizei einfach in die republikanische Nachfolgebehörde übernommen. Diese Beamten standen jedoch der damals jungen Republik, wenn nicht sogar ablehnend doch zumindest skeptisch gegenüber. Darin sieht Christoph Graf das Problem und eine der Schwächen der Weimarer Republik.4

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vgl. Gellately, Robert, Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft - Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933 1945, Paderborn 1993, S. 45 3 vgl. Gellately, Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, S. 45 4 vgl. Graf, Christof, Kontinuitäten und Brüche – Von der Politischen der Weimarer Republik zur Geheimen Staatspolizei, in Mallmann, Klaus Michael / Paul, Gerhard, Die Gestapo - Mythos und Realität, Darmstadt

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Ganz so einfach sieht Johannes Tuchel dies in seinem Buch Zentrale des Terrors nicht. Er beschreibt, wie unzufrieden Hermann Göring mit dem war, was er als preußischer Innenminister an politischer Polizei vorfand. Dazu zitiert er ihn, wenn auch leider ohne nähere Quellenangabe, etwa so: Sehr schlimm sah es in der politischen Polizei aus. Hier stand ich fast überall den Vertrauensleuten der Sozialdemokraten, den bestbewährten Elementen und Kreaturen des Herrn Severing gegenüber. Sie bildeten die berüchtigte IA-Abteilung (Politische Polizei). Mit ihr konnte ich im damaligen Zustand so gut wie nichts anfangen. Zwar waren die allerschlimmsten Elemente schon unter meinem Vorgänger Bracht ausgemerzt worden. Aber jetzt galt es ganze Arbeit zu tun. Wochenlang arbeitete ich persönlich an der Umgestaltung, und schließlich schuf ich allein aus eigener Entschließung und eigener Überlegung das Geheime Staatspolizeiamt.5

Sachlich wertet Tuchel diese Aussage als eindeutig falsch. So war zum Beispiel der Anteil der Sozialdemokraten in der Abteilung I A bereits verschwindend gering gewesen. Was aber diese Aussage für die Geschichtswissenschaft so interessant und wichtig macht, ist, dass sie anschaulich demonstriert, wie entschlossen Göring als Ministerpräsident und preußischer Innenminister war, die politische Polizei für seine Zwecke umzuwandeln und zu instrumentalisieren.6 Zusätzlich wurde der oben genannte Text Görings auch von Christoph Graf in dessen Buch Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur mit Quellenangabe zitiert. Demnach müsste er aus Hermann Görings 1934 publizierter Selbstdarstellung Aufbau einer Nation stammen.7 Des Weiteren weist Graf daraufhin, dass Hermann Göring auch noch im nachhinein vor dem Militärgerichtshof in Nürnberg am 13. März 1946 aussagte, er habe die bestehende politische Polizei im Preußen der Weimarer Republik nicht so einfach übernehmen können. Seine Aussage dazu: Ich konnte nicht gut erwarten, dass diejenigen, die gestern noch die Polizei mit besonderem Nachdruck gegen uns einzusetzen bereit waren, heute mit dergleichen Loyalität für den neuen Staat eintreten.8

Zur Abwehr des „Terrors und der Putschgefahr von links“ habe er nicht nur eine „zuverlässige Politische Polizei“ in der Zentralstelle, sondern auch in den

1995, S. 73 - 75 zit. b. Tuchel, Johannes / Schattenfroh, Reinold, Zentrale des Terrors Prinz-Albrecht-Straße 8 – Das Hauptquartier der Gestapo, Berlin 1987, S. 66 6 vgl. Tuchel / Schattenfroh , S. 66 7 vgl. Graf, Christoph, Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur, Berlin 1983, S. 129 8 zit. b. Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem internationalen Militärgerichtshof, hrsg. Vom Sekretariat des Internationalen Militärgerichtshof, Nürnberg 1947, S. 290 5

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