Das Berlin-Ultimatum

Er ließ ein Handy in Abduls Schoß ... Abdul steckte das Handy ein, ohne auf die Adresse zu schauen, und warf ... »Kann ich Ihnen etwas bestellen?«, fragte er.
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Peter Schlifka

Das Berlin-Ultimatum

Explosiv

Abdul Khalid wird erpresst: »Wenn Sie diese Aufgabe wie befohlen ausführen, lasse ich Sie frei und Sie werden nie wieder von mir hören. Wenn Sie sich allerdings weigern oder versagen, werde ich Ihre kleine Freundin töten. Langsam und qualvoll«, erklärt ihm ein Unbekannter. Khalid erhält einen Rucksack, mit dem er ein Berliner Restaurant betreten soll. Kurz darauf kommt es in dem Lokal zu einer Explosion. Eine Terrorgruppe bekennt sich zu der Gewalttat und stellt der Bundesregierung ein Ultimatum. Bei Nichterfüllung der Forderungen werde ein weiterer, diesmal noch verheerenderer Anschlag folgen. Doch es ist nicht alles so, wie es scheint. Für die Kommissarin Anna Gransee und den Afghanistanveteranen Peter Bach beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Können die beiden die Täter stoppen, bevor es zu spät ist, oder erlebt die Welt ein zweites 11/09? Hunderte Menschenleben und Deutschlands politische Zukunft stehen auf dem Spiel.

Peter Schlifka wurde 1956 im mecklenburgischen Stavenhagen geboren. Beeinflusst von seinem Elternhaus beschäftigte er sich seit frühester Kindheit mit Belletristik. Schlifka studierte Gesellschaftswissenschaft und Kriminalistik. Lange Jahre war er als Kriminalbeamter in Berlin tätig, seine Berufserfahrung spiegelt sich in seinen Romanen wider. Derzeit ist er Verantwortlicher für Sicherheit und Sicherheitstechnik in einem großen Berliner Museum.

Peter Schlifka

Das Berlin Ultimatum Thriller

Dieses Buch wurde vermittelt durch die Berliner Literaturagentur Wortunion

Besuchen Sie uns im Internet: www.gmeiner-verlag.de © 2017 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2017 Lektorat: Dominika Sobecki Herstellung: Mirjam Hecht Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart unter Verwendung eines Fotos von: © tool. / photocase.de Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 

Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

7.15 Uhr Seine heile Welt zerbrach, einen Moment nachdem Anastasia ihm die Tür geöffnet hatte. Ihr schönes blasses Gesicht wirkte traurig, während ihre Augen von ihm wegglitten. Er betrat das vertraute enge Zimmer und hielt ihr mit schiefem Grinsen den eben gekauften Rosenstrauß entgegen. Sie wich zurück, als hätte er ihr eine Schlange entgegengestreckt. Während sein Lächeln langsam erlosch, tauchte aus dem Schatten hinter der Tür eine vermummte Gestalt auf und hielt ihm eine Pistole an den Kopf, zeitgleich schloss Anastasia die Tür und hüllte den Raum in Halbdunkel. »Was ist hier los?«, rief Abdul Khalid mit schriller Stimme. »Nehmt mein Geld, aber …«, seine Stimme überschlug sich. »Setzen Sie sich!« Abdul schielte zu seiner Geliebten Anastasia hinüber. Sie stand mit nichts als einem Negligé bekleidet mitten im Zimmer. Im Dämmerlicht wirkte ihre blasse Haut fast durchsichtig. Aus ihrem Gesicht sprach nackte Angst. Tränen liefen ihr über die Wangen, und Abdul hätte sie am liebsten in den Arm genommen und ihr gesagt, dass alles gut sei, doch der Vermummte packte ihn am Arm und stieß ihn auf den nächststehenden Stuhl. »Setzen Sie sich, habe ich gesagt.« Abdul knallte so heftig gegen die Lehne, dass seine Brille verrutschte. Hastig schob er sie zurecht, hob die Arme und sah ergeben seinen Angreifer an. Er war nicht besonders tapfer, erst recht nicht tollkühn und hatte schnell begriffen, dass er kooperieren musste, um hier herauszukommen. Der Vermummte trat einen Schritt auf ihn zu und drückte ihm die Mündung der Waffe an die Schläfe. Abdul schluckte, 7

es fühlte sich kalt und hart an. War dies die von Allah gesandte Strafe für seinen Ehebruch? Falls ja, dann wäre Allah ihm vielleicht gnädig, wenn er betete. »Ich möchte keinen Ärger«, sagte er und hörte die Angst in seiner Stimme. »Ich werde Ihnen eine Aufgabe übertragen, Herr Khalid«, entgegnete der Vermummte beunruhigend gelassen. Er sprach ausgezeichnet deutsch, konnte also keiner von Anastasias Bekannten sein. Die sprachen mit einem ausgeprägten russischen Akzent. Und wie ein Scherz sah es auch nicht aus. Wer zum Teufel also war das? Und woher wusste der Maskierte, wer er war? Natürlich kannte Anastasia seinen Namen. Ihm blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. »Wenn Sie diese Aufgabe wie befohlen ausführen, lasse ich Sie frei, und Sie werden nie wieder von mir hören. Wenn Sie sich allerdings weigern oder versagen, werde ich Ihre kleine Freundin töten. Langsam und qualvoll.« Anastasia schnappte nach Luft. Sie stand immer noch wie angewurzelt mitten im Zimmer, und Abdul fragte sich, warum sie nicht versuchte zu fliehen. Da fielen ihm die Fußfesseln um ihre Knöchel auf, die mit einer dicken, kurzen Kette verbunden waren. Damit war sie so hilflos wie er selbst. Er lächelte ihr aufmunternd zu, und sie sah ihn mit ihren großen ovalen Augen an, die ihn gleich zu Anfang in ihren Bann geschlagen hatten. »Und falls der Gedanke an den langsamen und qualvollen Tod Ihrer kleinen Freundin Sie nicht genügend motiviert«, fuhr der Vermummte fort und verstärkte den Druck auf Abduls Schläfe, »dann haben wir noch dies.« Er zog eine Fernbedienung aus der Tasche und schaltete den Fernseher an. Der Bildschirm blieb ein paar Sekunden dunkel, dann erschien das Standbild zweier Personen, die auf einem ungemachten Bett Sex hatten. Die auf allen vieren kauernde Frau 8

schaute in die Kamera, der Mann, der hinter ihr kniete, hatte die Augen geschlossen. Der Vermummte drückte einen weiteren Knopf, und das Paar begann, sich wild zu bewegen. Lustschreie erfüllten das Zimmer. Abdul wand sich, denn der Mann hinter der Frau war er selbst. Hatte Anastasia das eingefädelt? Hatte sie die versteckte Kamera installiert, ehe sie sich liebten? Er schaute zu ihr hinüber, doch sie schüttelte nur stumm den Kopf. Dies hatte nichts mit ihr zu tun. Er hätte es auch nicht glauben können. Abdul hatte Anastasia vor sechs Monaten auf einer Geschäftsparty kennengelernt. Er erinnerte sich, wie sich ihre Blicke immer wieder trafen. Ihre großen blauen Augen und das blonde, zu einem langen Zopf geflochtene Haar ließen ihn nicht los. Schließlich ließ sie ihre Begleiter stehen und gesellte sich wie zufällig zu ihm. Von Anfang an war er fasziniert von dieser attraktiven und lebenslustigen Frau. Trotzdem trafen sie sich in den ersten Wochen nur gelegentlich zum Essen. Aber bald war klar, dass sie sich ineinander verliebt hatten. Das Thema gemeinsame Zukunft hatten sie aber bisher immer vermieden, auch weil Abdul seine Familie nicht verletzen und entehren wollte. Und jetzt schien es keine Zukunft mehr zu geben. Der Vermummte schaltete den Fernseher aus, und es wurde still im Zimmer. »Ich habe mehr als zwei Stunden von eurem fröhlichen Gerammel. Bei verschiedenen Gelegenheiten aufgenommen. Alles genauso eindeutig wie das hier …« Der Vermummte lachte. »Aber das wissen Sie ja, nicht? Wenn Sie also die Aufgabe nicht ausführen, schicke ich Kopien an Ihre Frau, Ihre Mutter und an den Imam Ihrer Moschee.« Ruhig zählte er die Namen und Adressen auf. Sie stimmten alle. Abduls Atem ging schneller, er begann zu zittern. Wenn sie es erfuhren, war sein Leben ruiniert. Niemand würde ihm einen solchen Verrat an den Werten verzeihen, die sei9

ner Gemeinde heilig waren. Und das Schlimmste: Seine Kinder würden mit dem Wissen über die schrecklichen, schäbigen Sünden aufwachsen, die er begangen hatte. »Was soll ich für Sie tun?«, flüsterte er. »Eine ganz einfache Sache, die weniger als eine Stunde Ihrer Zeit in Anspruch nehmen wird.« Er zeigte auf einen schwarzen Rucksack, der auf dem Boden neben dem abgewetzten Sofa stand. »Sie bringen das hier zu einer Adresse, die im Adressbuch dieses Telefons gespeichert ist.« Er ließ ein Handy in Abduls Schoß fallen. »Es liegt nur 20 Minuten von hier. Höchstens eine halbe Stunde, falls Stau ist. Sie müssen vor acht da sein. Sie haben ja ein Navi in Ihrem Wagen. Wenn Sie also sofort aufbrechen, werden Sie rechtzeitig ankommen. Parken Sie direkt vor der Tür. Sobald Sie da sind, rufen Sie mich an. Verstanden?« Abdul nickte. Er hatte keine Ahnung, woher der Mann so viel über ihn wusste, aber da er es wusste, würde er ihm gehorchen müssen. Dann würde er diesem Albtraum vielleicht unversehrt entkommen und in sein normales Leben zurückkehren können. Noch heute würde er mit seinem Imam sprechen, nahm er sich vor. Er würde reinen Tisch machen, sich, wenn es sein musste, von allem trennen, was er besaß, und endlich mit Anastasia ein neues Leben beginnen. Abdul warf ihr einen verstohlenen Blick zu, sah ihr ängstliches, tränenüberströmtes Gesicht. Dann straffte er sich. »Versprechen Sie mir, dass ihr nichts passiert. Dann tue ich, was Sie wollen. Das andere«, Abdul zeigte mit verächtlichem Blick auf den Fernseher, »ist mir gleichgültig. Nur ihr darf nichts geschehen.« Der Vermummte senkte seine Waffe, trat einen Schritt zurück und bedeutete ihm aufzustehen. Abdul steckte das Handy ein, ohne auf die Adresse zu schauen, und warf sich den Rucksack über die Schulter. Das 10

Gewicht verblüffte ihn, und er fragte sich, was darin war. Anfangs hatte er gedacht, es handele sich um Drogen, aber dafür war er definitiv zu schwer. Der Vermummte schien seine Gedanken zu lesen. »Schauen Sie unter keinen, absolut keinen Umständen in den Rucksack, Herr Khalid. Egal, wie neugierig Sie sind. Sollten Sie es tun, werde ich es herausfinden. Dann ist unsere Verabredung hinfällig, und ich mache meine Drohung wahr.« Der Vermummte trat zur Seite und ließ Abdul vorbei. Abdul sah noch einmal Anastasia an, die ihm einen hoffnungsvollen Blick zuwarf. »Bitte tu, was er sagt«, flüsterte sie. »Er meint es ernst.« »Das werde ich«, erwiderte Abdul, öffnete die Tür und ging hinaus. Nicht nur deinetwegen, dachte er. Für uns.

7.55 Uhr

Karla Berger drückte die Tür des Restaurants auf und ging hinein. Sofort wurde sie von einer Wolke starken Kaffeedufts und den Gesprächsfetzen der am frühen Morgen überwiegend aus Geschäftsleuten bestehenden Kundschaft eingehüllt. Die Alltäglichkeit der Szene, sonst willkommen, wirkte heute befremdlich und bedrückend. Als Karla vor einigen Tagen zuletzt hier gewesen war, schien ihr Leben normal und auf einem geraden Gleis zu verlaufen. Zwar fühlte sie sich auch damals nicht glück11

lich, aber wenigstens wurde sie noch nicht von dem Geheimnis belastet, das sie nun mit sich herumschleppte. Ihr war übel und sie hätte sich am liebsten erbrochen. Sie wollte davonrennen, sich in einen Winkel verkriechen, wo sie niemand finden konnte. Wäre da nicht ihr Sohn gewesen, hätte sie längst Schluss gemacht. Ganz sicher. Denn was geschehen war, was sie herausgefunden hatte, war so furchtbar, dass es mit einem Schlag ihren Lebenswillen ausgelöscht hatte. Aber ihr kleiner Robert brauchte sie. Das hielt sie am Leben. Robert und die Gerechtigkeit, der zum Durchbruch verholfen werden musste. Der Mann, den sie treffen wollte, war bereits da. Herbert Liepert saß hinten in einer Nische, direkt neben dem Tresen. Er hielt eine Tasse Kaffee in der Hand und beobachtete die Tür. Sie hatte Fotos von ihm gesehen und erkannte ihn sofort. Und merkte, dass auch er sie erkannt hatte. Er nickte ihr unmerklich zu. Karla rang sich ein Lächeln ab und ging zu ihm hin. »Frau Berger, ich freue mich, dass Sie gekommen sind«, sagte er im Aufstehen und reichte ihr die Hand. Er war groß und breitschultrig, vermutlich Ende 50. »Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir zu reden«, erwiderte sie, zog ihre Jacke aus und setzte sich ihm gegenüber. »Kann ich Ihnen etwas bestellen?«, fragte er. Er war zurückhaltend und höflich, und zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie, wie ihre Last leichter wurde. »Im Augenblick nicht, danke.« »Am Telefon haben Sie gesagt, es sei sehr dringend.« Sie sah sich im Restaurant um, wollte sicher sein, dass niemand sie beobachtete. »Das ist es. Ich brauche Ihren professionellen Rat.« Erstaunt runzelte er die Stirn. »Nun dann, fragen Sie frei heraus.« 12