bedeutende nebenpflichten - Allen Overy Event Deutschland

Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) lässt Ge- sundheitsdaten von Mitarbeitern als besonders sensible. Daten einen entsprechenden Schutz zuteil werden.
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RECHT

ESSAY

BEDEUTENDE NEBENPFLICHTEN

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Immer mehr Firmen wollen die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter fördern. Ein Baustein hierzu ist ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Bei einer Einführung sind aber einige rechtliche Herausforderungen zu beachten.

Zum Gesundheitsmanagement in einem Betrieb gehört auch, dass der Arbeitgeber Maßnahmen trifft, die die Arbeitssicherheit gewährleisten. 96

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etriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist kein eigener juristischer Bereich, sondern beschreibt einen disziplinübergreifenden Katalog von Maßnahmen, durch die Gesundheitsrisiken erkannt und verhindert sowie die allgemeinen Bedingungen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit verbessert werden. Als positive Folgen können unter anderem eine Reduktion der Fehlzeiten und Produktionsausfallkosten erreicht, innerliche Kündigungen vermieden oder aber chronische Krankheiten bei Arbeitnehmern verhindert werden, die trotz Arbeitsunfähigkeit zur Arbeitsstätte kommen. Die gesetzliche Grundlage bildet dabei insbesondere das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Hier sollen zusammenfassend die gesundheitsrelevanten rechtlichen Aspekte eines BGM-Systems gezeigt werden.

Arbeitsschutzrechtliche Pflichten

Weisungen, Maßnahmen ergreifen, um die Umsetzung der Anweisungen sicherzustellen. Dies kann beispielsweise durch die Einführung von Berichtspflichten geschehen. Auch die Einrichtung eines betriebsärztlichen Dienstes oder eine Einbindung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit stellen in diesem Zusammenhang mögliche organisatorische Maßnahmen dar. § 11 ArbSchG sowie § 3 Abs. 1 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) verpflichten den Arbeitgeber dazu, unter besonderen Umständen eigene Angebote für arbeitsmedizinische Untersuchungen der Mitarbeiter vorzuhalten. Der Arbeitgeber hat die von ihm zu Grunde gelegte Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren (§ 6 ArbSchG). Neben den sich aus dem Arbeitsschutzrecht ergebenen Fürsorge- und Schutzpflichten des Arbeitgebers ist dieser seinen Arbeitnehmern auch vertraglich zur Durchführung von Präventionsmaßnahmen verpflichtet. Gesetzliche Grundlage hierfür ist § 618 Abs. 1 BGB, nach dem der Arbeitgeber Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leistung vorzunehmen sind, so zu regeln hat, dass der Verpflichtete gegen Gefahren für Leib und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Der Maßstab nach § 618 Abs. 1 BGB wird unter Rückgriff auf die Regelungen des Arbeitsschutzrechtes bestimmt. Diese werden somit in das Arbeitsverhältnis übertragen und zu Vertragspflichten transformiert. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Pflichten, kann er sich dadurch gegenüber einem betroffenen Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig machen.

Die Pflichten des Arbeitgebers zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sind schwerpunktmäßig in den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts geregelt. Ausgangspunkt ist das ArbSchG, ergänzt durch Nebengesetze und Verordnungen, die zentrale Rechtsnormen enthalten. So ist der Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG dazu verpflichtet, die jeweils erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung derjenigen Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Diese Verpflichtung umfasst den allgemeinen präventiven Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Aus Direktionsrecht diesem Grund hat ein Arbeitgeber Im Rahmen des ArbeitsverhältnisEin etabliertes Betriebliches Gesundheitsmanagement hilft den Anteil an Maßnahmen zu ergreifen, die zu eises stellt der Arbeitnehmer seine Fehlzeiten und innerlichen Kündigunnem Schutz der Arbeitnehmer vor Dienste zur Verfügung und erhält gen bei Arbeitnehmern zu reduzieren. Krankheiten führen bzw. beitragen, als darauf bezogenen Ausgleich das Auch chronische Krankheiten können soweit ihm dies möglich und zumutverhindert werden. entsprechend vereinbarte Entgelt. bar ist. Die Pflicht zum präventiven Aufgrund seines Direktionsrechts Gesundheitsschutz erfasst demnach ist es dem Arbeitgeber möglich, einauch den Schutz der Arbeitnehmer vor leicht übertrag- seitig die Art und Weise der dem Arbeitnehmer obliebaren Krankheiten oder sonstigen Gesundheitsrisiken genden Vertragserfüllung zu konkretisieren. Wie aus § während ihrer Arbeitstätigkeit. Die sogenannte arbeits- 106 Satz 2 der Gewerbeordnung (GewO) ersichtlich ist, bedingte Gesundheitsgefahr regelt § 2 Abs. 1 ArbSchG. umfasst das Direktionsrecht auch Ordnung und VerhalDas Arbeitsschutzgesetz enthält auch ausdrückliche ten der Arbeitnehmer im Betrieb. Die Reichweite des DiWeisungen, welche Maßnahmen der Arbeitgeber zur Si- rektionsrechts richtet sich vor allem nach dem Arbeitscherstellung der Arbeitssicherheit zu treffen hat (§ 3 vertrag sowie den Grenzen anderweitiger gesetzlicher Abs. 2 ArbSchG). Er ist insbesondere zur Bereitstellung Regelungen, wobei die Prämisse gilt: Je präziser der Arder hierzu erforderlichen Mittel verpflichtet. Er hat des beitsvertrag, desto beschränkter das Direktionsrecht. Weiteren für eine handlungsfähige Arbeitsorganisation Im Rahmen der Abwägung der Interessen von Arbeitzu sorgen. Ergänzt wird dies durch die in § 4 ArbSchG geber und Arbeitnehmer sind bei der Weisung darüber beschriebenen allgemeinen Grundsätze für die Auswahl hinaus die Grundrechte des Arbeitnehmers zu beachten. und Gestaltung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes. § 4 Nr. 7 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 ArbSchG er- BGM als Nebenpflicht mächtigt den Arbeitgeber wiederum dazu, dem Beschäf- Der Begriff der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten tigten „geeignete Anweisungen” zur Umsetzung der Maß- wird als Gegenbegriff zu den Hauptleistungspflichten nahmen zu erteilen. Die Vorschrift konkretisiert somit das verwendet. Gegenüber letzteren, die nach ihrer Art Weisungsrecht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss und Verknüpfung den Typus des betreffenden Schuldim Rahmen seiner Arbeitsorganisation, ergänzend zur verhältnisses kennzeichnen, sind Nebenpflichten die Information der Mitarbeiter und zur Erteilung konkreter sonstigen Pflichten innerhalb des Schuldverhältnisses. D E Z E M B E R

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Im Arbeitsverhältnis gibt es besonders umfangreiche ten. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) lässt GeNebenpflichten. Dies liegt darin begründet, dass nicht, sundheitsdaten von Mitarbeitern als besonders sensible wie beispielsweise bei einem Kaufvertrag, ein einmaliDaten einen entsprechenden Schutz zuteil werden. Ein ger Leistungsaustausch stattfindet, sondern eine in der praktisches Beispiel für die Erfassung, Verarbeitung Regel längerfristig angelegte Dauund die Speicherung von Gesunderschuldbeziehung eingegangen heitsdaten ist die Durchführung von wird, bei der eine Einbindung des Krankengesprächen, die durch VorArbeitnehmers in die Betriebsorgesetzte mit den Beschäftigten nach ganisation des Arbeitgebers erfolgt. deren Krankheitsrückkehr geführt Als Rechtsquellen sind Tarifverwerden. träge und Betriebsvereinbarungen, Ein Rückkehrgespräch ist grundaber auch der Arbeitsvertrag anzusätzlich zulässig. Dabei darf nach führen. dem Grund der Erkrankung aus Nebenpflicht des Arbeitgebers rechtlichen Gründen nur gefragt im Arbeitsverhältnis ist die sogewerden, wenn der Arbeitgeber dienannte Fürsorgepflicht, die der sen kennen muss, um zu beurteilen, Treuepflicht des Arbeitnehmers geob von einem Mitarbeiter eine AnDie Einrichtung eines betriebsärztgenüber steht. Zu den anerkannten steckungsgefahr ausgeht, um festlichen Dienstes kann eine organiFürsorgepflichten des Arbeitgebers zustellen, ob ein Arbeitnehmer noch satorische Maßnahme sein, um die Umsetzung der Anweisungen des zählen etwa der Umgang mit den den Anforderungen seines ArbeitsArbeitgebers durch den Arbeitnehmer Personalakten des Arbeitnehmers platzes gewachsen ist oder um ihm sicherzustellen. und der Schutz des Arbeitnehmers. gesundheitliche WiedereingliedeDie Bestimmung der arbeitsrechtlirungsmaßnahmen anzubieten. Rechen Fürsorgepflicht und ihrer Reichweite ist angesichts gelmäßig liegen solche Gründe nicht vor. der generellen Regelung des § 241 Abs. 2 BGB als rechtIn der Folge sind entsprechende Datenerhebungen liche Basis im Einzelfall schwierig. Hier ist auf die dazu zumindest teilweise rechtswidrig. Zudem bleibt typiergangene Rechtsprechung zurückzugreifen. scherweise eine datenschutzrechtlich nötige Belehrung darüber aus, zu welchen Angaben sie verpflichtet sind Pflichten des Arbeitnehmers und welche sie in ihrem eigenen Interesse machen sollAus der Treuepflicht des Arbeitnehmers folgt nach überten bzw. nicht machen sollten. Ferner muss darüber bewiegender Auffassung eine Pflicht zu gesundheitsförlehrt werden, was mit den aus den Rückkehrgesprächen derndem Verhalten. Relevant ist diese insbesondere gewonnenen Daten geschieht. Eine Speicherung ist in für eine Sanktionierung (von der Abmahnung bis zur der Regel ebenfalls nicht zulässig. Kündigung) von Mitarbeiterverhalten im Rahmen des BGM. Fazit Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer in der Führung Ein BGM stellt Unternehmen vor vielfältige rechtliche seines Privatlebens nicht durch arbeitsvertragliche Herausforderungen. Diese sind allerdings beherrschBindungen beschränkt. Dieser Grundsatz ist durch sein bar und sollten Unternehmen nicht davon abhalten, ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf freie EntfalBGM einzuführen oder zu betreiben. Ein rechtliches tung seiner Persönlichkeit sowie das aus Art. 2 Abs. 1 Coaching der involvierten Führungskräfte ist wesentGG resultierende allgemeine Persönlichkeitsrecht gelicher Baustein der BGM-Planung und versetzt diese setzlich verankert. Die ihn treffende Treuepflicht, die erst in die Lage, das BGM erfolgreich umzusetzen. Die nicht in grundgesetzlich geschützte Rechtspositionen Glaubwürdigkeit des BGM hängt ganz wesentlich hierdes Arbeitnehmers eingreifen kann, gebietet ihm ledigmit zusammen. Diese ist essenziell, da ein BGM auf eine lich, seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis kontinuierliche Verbesserung im gesamten Unternehso zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im men gerichtet ist und daher auf Dauer angelegt werden Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden sollte. Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs billigerweise verlangt Tobias Neufeld werden kann. Wichtig ist, dass die Treuepflicht nicht zu Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht im streng verstanden wird, um rechtswidrige Eingriffe in die Düsseldorfer Büro der internationalen Kanzlei Lebensführung zu vermeiden. Maßnahmen im Rahmen Allen & Overy LLP des BGM, die lediglich der allgemeinen Gesunderhaltung dienen, ohne dass sie einen konkreten Bezug zur Arbeitsleistung der Arbeitnehmer darstellen, sind daher • Seit 2010 Partner bei Allen & Overy LLP und seit 2002 Anwalt grundsätzlich nur auf freiwilliger Basis umsetzbar. • Referent für arbeitsrechtliche Aspekte im Rahmen des neuen Zertifi-

Datenschutz Der Arbeitgeber hat im Rahmen des BGM des Weiteren die datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beach98

zierungslehrganges zum “BGM-Manager” • Co-Autor des Fehlzeitenreport 2011 (Hrsg: Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Universität Bielefeld, Beuth Hochschule für Technik Berlin) H U M A N

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