Ausgeliefert? - Stadt Remscheid

Diakonie Sprintpool in Wuppertal haben wir diesbezüglich gute Erfahrungen ..... feld möglicher Maßnahmen die Frage zu stellen: „Was wäre wenn ...?“ Dies ...
3MB Größe 84 Downloads 303 Ansichten
Runder Tisch gegen häusliche Gewalt Remscheid

Dokumentation zum Fachtag in Remscheid, 4. Juli 2013

Ausgeliefert? Ausländerrechtliche und sozialrechtliche Rahmenbedingungen für von Gewalt betroffene Migrantinnen im Kontext sozialer Arbeit

2

Inhalt

Vorwort 4 1. Begrüßung

5

2. Vorträge

6



Vortrag 1: Aufenthaltsverlängerung, -beendigung und Rückkehroptionen nach Gewalterfahrung



Vortrag 2: Schutz und finanzielle Leistungen in der Jugendhilfe, der Grundsicherung und der Sozialhilfe

6

18

3 . Expertinnenrunde

28

4 . Zusammenfassung

36

5. Anregungen und Kritik

37

6. Vorbereitungsteam

38

Impressum

39

3

Vor wor t

Liebe Leserin, lieber Leser, im Juli 2013 haben sich über 80 Personen zum Fachtag „Ausgeliefert? – Ausländerrechtliche und sozialrechtliche Rahmenbedingungen für von Gewalt betroffene Migrantinnen im Kontext sozialer Arbeit“ zusammen gefunden.

Frau Prof. Dr. Dorothee Frings hat in zwei sehr eingehenden Vorträgen die Problembereiche beleuchtet. Diese Vorträge sind hier ebenso dokumentiert wie die fachlich fundierten Fragen dazu aus dem Publikum. In 2 Gesprächsrunden konnten praktische Fälle gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus dem Bergischen Städtedreieck der Jobcenter, Ausländerbehörden, Fachberatungsstellen und Frauenfacheinrichtungen geklärt werden.

Fachkräfte aus der sozialen Arbeit und aus sonstigen Beratungsorganisationen fühlen sich häufig überfordert mit der komplizierten ausländerrechtlichen und sozialrechtlichen Situation, in denen sich ratsuchende Migrantinnen befinden, insbesondere wenn Gewalt eine Rolle spielt. Denn es sind vielfältige rechtliche und praktische Aspekte zu berücksichtigen, wenn man ein Beratungsergebnis erreichen möchte, das den Klientinnen belastbare Perspektiven aufzeigt.

Ich danke allen am Gelingen dieses Fachtages Beteiligten sowie dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter, das mit seiner Förderung sowohl den Fachtag als auch diese Dokumentation ermöglicht hat. Ich wünsche mir sehr, dass die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen werden, die schwierige Situation von Migrantinnen, die häusliche Gewalt erleben mussten, zu verbessern.

Beate Wilding Oberbürgermeisterin der Stadt Remscheid

4

1. Begrüßung

Herzlich Willkommen Herzlich Willkommen zum Fachtag „Ausgeliefert“ des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt Remscheid. Der Runde Tisch gegen häusliche Gewalt Remscheid wurde durch die Initiative des Sozialdienstes katholischer Frauen e. V. und der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Remscheid ins Leben gerufen. In diesem Kreis treffen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachdienstes Jugend, Soziales und Wohnen, der Justiz, der Polizei, der Kindertageseinrichtungen, der OGGS, der Schulen und der Träger von Beratungseinrichtungen und des Frauenhauses. Ziel des Runden Tisches ist es • einen Informationsfluss zu Aspekten häuslicher Gewalt zu fördern • Möglichkeiten und Grenzen der Unter stützungsmöglichkeit der beteiligten Institutionen kennen zu lernen • Konstruktive Formen der Zusammen arbeit zu entwickeln, um in Remscheid angemessene Angebote der Gewalt prävention sowie Hilfen bei häuslicher Gewalt weiter zu entwickeln • Herstellung von Öffentlichkeit für das Problem häuslicher Gewalt Im Laufe der Arbeit am Runden Tisch mussten wir immer wieder feststellen, dass die Kenntnis über rechtliche Hintergründe bei häuslicher Gewalt von Migrantinnen bei den Mitgliedern unvollständig war. Die Bezüge zwischen Ausländerrecht und Sozialrecht sind umfangreich. Daher haben wir uns entschlossen, eine Fortbildung zu machen und weil wir davon ausgegangen sind, dass viele in der Sozialen Arbeit Tätige sich ebenfalls dafür interessieren würden, haben wir uns entschlossen, diesen Fachtag gemeinsam mit den Runden Tischen aus Solingen und Remscheid und in Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsbeauftragten der 3 Städte zu organisieren.

Die Durchführung des Fachtags wurde ermöglicht durch eine Förderung durch das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Wir bedanken uns sehr dafür. Was führt zum Gelingen unseres heutigen Fachtags? • viel juristischer Input von Frau Prof. Dr. Dorothee Frings • praktische Beispiele zusammengestellt von einem Expertinnenteam aus Beratungs- stellen aller 3 Städte unter Koordination von Emel Ferik vom Stadtteilzentrum Lindenhof • Lösungsstrategien aus der Praxis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jobcenter und der Ausländerbehörden moderiert von Gisela Köller-Lesweng, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Solingen • eine Zusammenfassung des Tages von Roswitha Bocklage, Gleichstellungs beauftragte der Stadt Wuppertal Und außerdem • Raum für Vernetzung durch das Team der Klosterkirche • angeregte Gespräche durch Sie alle Die Arbeitsergebnisse werden von Frau Stefanie Kaps protokolliert, Fotos macht Herr Michael Baumgart. Und nun übergebe ich das Wort an unsere Referentin, Frau Prof. Dr. Dorothee Frings. Sie lehrt Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialrecht für die Soziale Arbeit an der Hochschule Niederrhein. Christel Steylaers Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Remscheid

5

2. Vor träge Prof. Dr. Dorothee Frings Lehrt Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialrecht an der Hochschule Niederrhein seit 1997, davor 15 Jahren Anwältin mit Schwerpunkt Migrationsrecht, spezialisiert auf Zusammenhänge von Migrationsund Sozialrecht mit dem besonderen Fokus auf frauenspezifische Problemlagen.

Vortrag 1:

!"#$%&'()&*+$,)-%.$,"%./012$$%34."%.0"%30 56788$',9:&49%$%00 %(7'0;$A2(*"$A)"9-.&&& ,-&@9$*-()A2(//=)>,*",.5*,(*-&5#BB*-&#:*"& "! >;)"*-:&*,-*/&4"*5;"*-&@9$*-()A2(/& J*>A2(*"$A)"9-.*-&*"2*,:*-U&:,*&,)"*& @9$*-()A2(/7*"$*/6.9-.&*"/=)>*"(%&& "! +K"&:,*&V-(>,=529-.&*,-*"&!*"/4*567*&,/(&:,*& J*>A2(*"$A)"9-.&-,=)(&:*"&*,-,":&,-&:*"&E*.*2&9-A3);-.,.&7#B&V,-5#BB*-& #:*"&7#B&e*,/(9-./3*A"U&#:*"&& •! >*--&*,-*&'92:9-.&#:*"&@9$*-()A2(/.*/(AY9-.&7#"2,*.(U&:A//&D,-:&,-& '*9(/=)2A-:&.*3#"*-&>9":*&9-:&*,-&E*=)(/A-/4"9=)&A9$&:,*&@9$*-()A2(/\ *"2A93-,/&MW#".*"*=)(O&3*/(*)(&M]&Gg&@9$*-()_O%&& •! W=)>,*",.5*,(*-&5C--*-&A3*"&A9`"*(*-U&>*--&:*"&@/N2A-("A.&:*"&T9Y*"& *":*-U&:,*&@V&.*"A:*&>*.*-&:*"&V)*&*"(*,2(&>9":*%&& –! i9":*&/,*&A9/&A-:*"*-&J"K-:*-&*"(*,2(U&>,"5(&/,=)&:,*&F"*--9-.&-,=)(&A9$&:,*& @V&A9/%&& –! i9":*&/,*&>*.*-&:*"&V)*&*"(*,2(U&/#&,/(&*22*&>,":&),*"&7#-&:*-&_*">A2(9-./.*",=)(*-&)#=)&.*);-.(U&*3*-/#& 3*/(*)*-&/("*-.*&1*>*,/A-$#":*"9-.*-%&&

Eine häufige Diskussion ist: Wann gilt eine Frau als getrennt lebend? Ganz kurze Trennungen werden für die Aufenthaltsberechnung nicht berücksichtigt, wenn die Lebensgemeinschaft anschließend wiederhergestellt wird. Beispiel: Eine Frau lebt ein Jahr lang mit ihrem Ehemann zusammen, geht dann für zwei Wochen in ein Frauenhaus, kehrt zu ihrem Mann zurück und trennt sich endgültig nach Ablauf von drei Jahren in der Lebensgemeinschaft. Hier werden die zwei Wochen nicht von der Drei-Jahres-Frist abgezogen. Anders sieht dies aber aus, wenn die Frau sich etwa für sechs Monate trennt. Hier gehen die Gerichte überwiegend davon aus, dass nur die Zeiten für die Frist mitzählen, nachdem das Paar erneut zusammen gelebt hat.

10

2. Vorträge

Frage: Wie lässt sich ein Härtefall in Hinblick auf die Rückkehr ins Herkunftsland begründen? FRINGS: Es macht Sinn, Auskünfte beim Bundesamt für Migration einzuholen. Eine klassische Anfrage ist: Wird in meinem Herkunftsland Ehebruch geahndet? Im Zweifel sollte hier immer eine erfahrene Migrationsanwältin eingeschaltet werden. Frage: Ich habe eine Frage zu häuslicher Gewalt. Wie ist folgender Fall zu bewerten: Eine Frau bekommt keine Aufenthaltserlaubnis, obwohl ihr Mann gewalttätig gegen sie ist und dies sogar zu einem Krankenhausaufenthalt geführt hat. Trotzdem will die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis nur erteilen, wenn sie eine Arbeit nachweisen kann. FRINGS: Das war vermutlich die Variante, bei der die Frau die Misshandlung nicht ausreichend belegen konnte. Wichtig ist die Dokumentation von allen Tatsachen, sowohl zur Gewalt als auch zum Trennungszeitpunkt. Beweisfragen sind entscheidend, in der Dokumentation von physischer und psychischer Gewalt sind gerade Sie als Fachfrauen der Sozialen Arbeit gefragt, das sind wertvolle Unterstützungen in juristischen Verfahren. Frage: Woran macht sich fest, dass eine Ehe eine Zwangsehe ist? Was ist mit der Grauzone „arrangierte Ehe”? FRINGS: Eine Zwangsehe liegt nicht vor, wenn beide Ehegatten der Eheschließung zustimmen, dabei kann das Motiv durchaus sein, es den Eltern recht machen zu wollen. Eine Zwangsehe setzt voraus: Der Wille wurde gebrochen, es gab keine freie Entscheidung, die Zustimmung wurde in einer hilflosen Lage abgepresst. Beispiel: Eine junge Frau wird in den Sommerferien in dem Land der Herkunft ihrer Eltern verheiratet und ist dort ausgeliefert, weil sie sich nicht an Institutionen oder unterstützende Personen wenden kann. Hier liegt auch bei einer formalen Zustimmung eine Zwangsverheiratung vor. Aber auch die arrangierte Ehe kommt häufig vor und ist tatsächlich keine Zwangsehe. Von außen werden Menschen zusammengebracht und können sich in einem Vorstellungsverfahren entscheiden. In vielen Moscheen werden Frauen bei der Eheschließung gefragt, ob sie sich frei entscheiden konnten.

2.5 Antragsverfahren

!%&,(.*+$,#(',$%0 •! i,":&:*"&@-("A.&-A=)&]&G0&@9$*-()J&.*/(*22(U&/#&*"(*,2(&:,*&@9/2;-:*"\ 3*)C":*&,=)6.U&-A=)&*,-*"&F"*--9-.&M7#"&@32A9$&7#-&:"*,&bA)"*-O& $"K)*,/B,Y*2&*.9-./$"*,)*,(&#:*"& D#-(A5(7*"3#(*&B,(&@-.*)C",.*-%&& "! '#59B*-(A6#-&7#-&TAR-A)B*-&,B&EA)B*-&:*/&J*>A2(/=)9(0!,2$4&K!"*24)3"%.0 aA=)&*,-*"&F"*--9-.&5A--&:,*&@9$*-()A2(/*"2A93-,/&*7*-(9*22&A9=)&*=5& :*"&@"3*,(U&$K"&*,-&W(9:,9B&#:*"&*,-*&@9/3,2:9-.&7*"2;-.*"(&>*":*-%&& !"#$%&'()*+,--,&-./)(0#%/)**")A2(*-&:,*&_*"2;-.*"9-.&:*"&@V&-A=)&]&I&@3/%&L& @9$*-()JU&>*--&/,*&3*"*,(/&/*,(&*,-*B&bA)"&3*,B&/*23*-&@"3*,(.*3*"&3*/=);`,.(&/,-:& 9-:&:,*/*&1*/=);`,.9-.&>*,(*"&3*/(*)(%&& V/&.*-K.(&A9=)&*,-&T,-,j#3%& +"A9*-U&:,*&,B&S*"59-`/2A-:&*,-*-&1)#23*)#4)#.,*)A3*-U&5C--*-&:*-&@3/=)29//&-A=)& :*B&1*"9$/A-*"5*--9-./.*/*(*"6.5*,(&$*/(/(*22*-&2A//*-%&& SA-:*2(&*/&/,=)&9B&*,-*-&-$-5)6%&'().*78&'(42&&*M]&?&@3/%&?&9-:&@3/%&G&1*/=)_O& #:*"&*,-*-&3*(",*32,=)*-&@3/=)29//&,-&*,-*B&9-./)48)#23*M]&P&@3/%&?&1*/=)_OU&/#&5A--& ),*"$K"&*,-*&@V&-A=)&]]&0^&#:*"&0gA&@9$*-()J&*"(*,2(&>*":*-%&&& ',*&@V&*":*-U&>*,2&/,*&-,=)(&A9$&:*"&F"*--9-.&#:*"&:*-&J"K-:*-&$K"&:,*&F"*--9-.& 3*"9)*-%&& !! W,*&5C--*-&*":*-%&& !! i9":*&*--&*,-*&+"A9U&:,*&3,/)*"&.*:92:*(&>9":*U& ,*.*-:*-&V,-.",m&,-&:A/&E*=)(&A9$&4*"/C-2,=)*&+"*,)*,(&9-:&A9$&/*k9*22*&W*23/(\ 3*/6BB9-.&M:,*/*&.,2(&A2/&F*,2&:*/&E*=)(/&A9$&5C"4*"2,=)*&Z-7*"/*)"()*,(O&:A"%& !! :,*&f-(*-/,(;(&:,*/*/&V,-.",m/&:*-&p)A"A5(*"&*,-*"&_*"$#2.9-.&)A(%& !! :,*&_*"$#2.9-.&:9"=)&4",7A(*&@5(*9"*&A9/.*K3(&>,":U&A3*"&5*,-*&TC.2,=)5*,(U&W=)9(*--&:,*&+"A9&A2/&A22*,-/(*)*-:*&j9-.*&+"A9&,-&A-:*"*-&F*,2*-&:*/& eA-:*/&-,=)(&K3*"2*3*-/$;),.&>;"*%&

Es gibt die Möglichkeit, Informationen der deutschen Botschaften in den Herkunftsländern zu erlangen, um sie für die Beweisfrage zu nutzen. Frage: Was ist mit lesbischen Frauen? FRINGS: Sie haben es schwerer, politische Verfolgung nachzuweisen als homosexuelle Männer, weil Lesben in vielen Herkunftsländern nicht verfolgt, sondern einfach ignoriert werden.

P(*0!*O)+$,#(',$%0

5.1 Das Asylverfahren

•! _*"4c,=)(9-.U&/,=)&,-&*,-*&,*/*-*&@9$-A)B**,-",=)(9-.&*--&7#"&:*"&_*"/=)2*449-.&& "! B,-:*/(*-/&A=)(&bA)"*&,-&'*9(/=)2A-:&B,(&*,-*B&@9$*-()A2(/6(*2&7*"3"A=)(&>9":*-U&& "! /*=)/&bA)"*&:,*&W=)92*&3*/9=)(&>9":*&9-:&& "! :*"&@-("A.&/4;(*/(*-/&0h&bA)"*&-A=)&:*"&72&#)%&)*9-:&& "! )C=)/(*-/&:"*,&T#-A(*&-A=)&i*.$A22&:*"&H>A-./2A.*&.*/(*22(&>9":*%& V,-&E#6)&&).&-.&I#2'(&3*/(*)(&#)-*&*,-*&T,-:*/(*--&& "! *,-*&*"$#2."*,=)*&f-(*."A6#-&,-&'*9(/=)2A-:&A-./2A.*&.*/(*22(&>9":*%&& 1*,&:*"&V"B*//*-/A9/K39-.&/,-:&:,*&$AB,2,;"*-&9-:&/#-/6.*-&/#,":&:,*/*"&A9$& *,-*-&V"B*//*-/A-/4"9=)&"*:9,*/*-&>#":*-&>A"&#:*"&& –! );Y*&A9/.*>,*/*-&>*":*-&5C--*-&#:*"&& –! .*.*->;"6.&*,-&@9/>*,/9-./."9-:&7#"2,*.(%&&

•!

S,*"$K"&.*-K.(&*/&*":*-&/#22&M]&LL&@3/%&?&a"%&Q&@9$*-()JO%&

•!

V3*-$A22/&-A=)&V"B*//*-&,/(&*--&:,*&4*"/C-2,=)*&1*("*99-.&&& *,-*"&B,-:*"j;)",.*-&EK=55*)"*",-&,B&19-:*/.*3,*(&-,=)(&.*>;)"2*,/(*(&,/(%&&&&&&&&&&& H9&3*"K=5/,=)6.*-&,/(&),*"3*,&:A/&@2(*"&9-:&:*"&J"A:&:*"&W*23/(/(;-:,.5*,(%&

16

2. Vorträge

R>0!2*7')4$S$%3$0M4%*":*-&9-:&:,*&,-:,7,:9*22&.K-/6./(*&W("A(*.,*&&&&& 7*"$#2.(&>*":*-%& •! +"A9*-&:K"$*-&-,=)(&,-&$A2/=)*"&W,=)*")*,(&.*>,*.(&>*":*-n&&&& 3*/(*)(&:,*&a#(>*-:,.5*,(&*,-*/&V">*"3/*,-5#BB*-/U&/#&,/(&&& ),*",%+:')-2'!7&+,..-+0%$(1-(' "#$%&'#$!()*!0$%=+1&'!-12!%5H)-,+#&'*,)&'#! G,#)&'7#'-$9,1$83! •!3,(&a,*7*"94//:-./*"94:D-,/&X:-D*$",/(*(\& •!+43,9,*-4-.*))(9,-.*U&B/29U&Y&;E&BD/%&0U&;&B:$*-()P&

45+67#+8#'#$9#+!012#$*'-,*3! 1(:7,*"*-7*^& B:_Q4,"U&14,/#-4"D*,(U&`*"6_ =*"("4./4"D*,(-*)3*"&*(>%&

"#$%&'#$!()*!+#,-./!%)&'#+#(!012#$*'-,*3! •! 3,(&B:$*-()49(&8:3&+43,9,*--4>)8:.&XYY&;Z&[&?C& B:$*-()P\& •! 3,(&94-.$",/5.*3&B"D*,(/4:$*-()49(U&T94:*"&W4"(*&@NU& 1*9D/(A-7,.*&XYY&0MU&0ZU&0Z4U&;]U&;0&B:$*-()P\^&& •! B:$-4)3*U&T9*,D*"*>)(&

0(7)/-,#$*#>!(-$&'(-,! 1$8#?,@+*#!A#&'*%=5%).5$#$3! F:34-,(A"*&B:$*-()49(*S&& BB!CD!07%E!F!7)%!D!012#$*'G!

!"#$"%&'()*(+#""*", O"#(8&P9*,>)D*)4-79:-./4-/Q":>)&*R("*3&:-.*69A"(*& B-/Q"J>)*&4:$&@R,/(*-8/,>)*":-.& 1#-7*".":QQ*S&B-.*))&Y&;M&B:$*-()P&8:3&+43,9,*--4>)8:.&8:&*,-*3&7*:(/>)*-&W,-7& D*."J-7*(&B-/Q"J>)*&4:$&!""#$%&'(!""#()*+,-#,$:-*,-.*/>)"A-6(&X1PT&bb& 3,(&`#)-:-./*"/(4://(4c:-.U&N38:./6#/(*-&:-7&W4:5#-U&W,-7*".*97U& @9(*"-.*97U&N-(*")49(/=#"/>)://U&`#)-.*97U&TB$!#+'@,*! %)#!QGI!RRSN#)%*1$8#$>!K)$9#+8#,9!#*&E&

•! e*,/(:-.*-&7*"&8+-#,2/("9#&Xf:c*"_W,-7_@,-",>)(:-.\&g*"7*-&4:>)&$J"& !*"/#-*-&3,(&*,-*"&':97:-.&*"D"4>)(%&&&

19

2. Vorträge

3. Eigenständiges Aufenthaltsrecht

D)/(&$J"&*,-&h4)"&*"(*,9(%&b-&7,*/*3& *"/(*-&h4)"&,/(&7*"&T*8:.&=#-&1PT&bb_e*,/(:-.*-&-,>)(&.*$A)"9,>)&$J"&7*-& B:$*-()49(%& •! f,(&7*"&@"(*,9:-.&,/(&,33*"&7,*&@"g*"D/*"94:D-,/&=*"D:-7*-%& •! @/&D*/(*)*-&B-/Q"J>)*&4:$&1PT&bb_e*,/(:-.*-U&W,-7*".*97U&@9(*"-.*97U& N-(*")49(/=#"/>)://U&`#)-.*97%&& •! ',*&e*,/(:-.*-&,-&D*/#-7*"*-&e*D*-/94.*-U&,3&+"4:*-)4:/&:-7&7*"& h:.*-7),9$*&g*"7*-&#)-*&@,-/>)"A-6:-.*-&*"D"4>)(%&&

B-/Q"J>)*&4:$&TB$)&*,-*3&h4)"&3://&7*"&e*D*-/:-(*")49(&,-&7*"&V*.*9&7:">)&*,.*-*/& @,-6#33*-&.*/,>)*"(&/*,-%&& •! b-&B:/-4)3*$A99*-&64--&=#-&7*"&1,>)*":-.&7*/&e*D*-/:-(*")49(/& 4D.*/*)*-&g*"7*-%&& •! ',*/*&V*.*9:-.&g,"7&*-.&4:/.*9*.(%&& •! @/&.,D(&6*,-*-&P":-7/4(8&,3&B:/9A-7*""*>)(U&-4>)7*3&+"4:*-&3,(&W,-7*"-& :-(*"&7"*,&h4)"*-&-,>)(&4"D*,(*-&D"4:>)*-%&& •! @/&/#99(*&-4>)&*,-*3&h4)"&,33*"&*,-&!94-&=#".*9*.(&g*"7*-&6'!%$)+$>'

4. Aufenthalt zur Arbeit und zum Studium

•! ',*&B@&-4>)&Y&0M&B:$*-()P&/*(8(&=#"4:/U&74//&7*"&e*D*-/:-(*")49(&$J"&7,*&+"4:& :-7&4:>)&7,*&W,-7*"&.*/,>)*"(&,/(%&& •! @"$#"7*"9,>)&,/(&-,>)(&-:"&*,-&@,-6#33*-U&g*9>)*/&7,*&V*.*9D*74"$*&:-7&7,*& N-(*"6:-i/6#/(*-&4D7*>6(U&/#-7*"-&*/&74"$&4:>)&:-(*"&T*"J>6/,>)5.:-.&7*"& +"*,D*("A.*&6*,-&e*,/(:-./4-/Q":>)&3*)"&D*/(*)*-%&& •! W,-7*".*97U&W,-7*"8:/>)94.&:-7&@9(*"-.*97&g*"7*-&D*,&7*"&@""*>)-:-.&7*/& T*74"$/&D*"J>6/,>)5.(&:-7&6)(&.*$A)"7*-%&& •! '4/&.,9(&-,>)(&$J"&74/&`#)-.*97%&& •! +J"&7,*&T94:*&W4"(*&@N&-4>)&Y&0Z4&B:$*-()P&g,"7&*,-&$*/(.*9*.(*/& f,-7*/(*,-6#33*-&=#"4:/.*/*(8(%& •! +J"&*,-&1(:7,:3&3://&7*"&e*D*-/:-(*")49(&#)-*&@"g*"D/(A5.6*,(&.*/,>)*"(& /*,-%&B:/"*,>)*-7&,/(&*,-*&P4"4-5**"69A":-.&-4>)&Y&GM&B:$*-()P%&`A)"*-7& 7*/&1(:7,:3/&74"$&)49D(4./&.*4"D*,(*(&g*"7*-&X0;]&.4-8**"&;C]&)49D*&&& O4.*&,3&h4)"\%&& •! @/&D*/(*)*-&B-/Q"J>)*&4:$&W,-7*"D*("*::-.&[&4:>)&O4.*/3:c*"&[&-4>)&Y&;C& BD/%&?&a"%&;D\&1PT&Lbbb%&&

K)&Y&;E4&B:$*-()P&*"$#9.(&#)-*&1,>)*":-.&7*/& e*D*-/:-(*")49(/U&g*--&/,>)&7,*&K:-.*&+"4:&,-&*,-*"&/>):9,/>)*-*"& D*":j,>)*-&B:/D,97:-.&D*k-7*(*"&*,-&1(:7,:3&4:$.*-#33*-&)4(%&& •! e,*.(&*,-&BD/>),*D*),-7*"-,/&=#"&g,*& –! P*$4)"&,3&F*"6:-i/94-7& –! W"4-6)*,(& –! .*9*D(*/&+43,9,*-9*D*-&3,(&*,-*3&4:/9A-7,/>)*-&W,-7U&

64--&7,*&1,>)*":-.&7*/&e*D*-/:-(*")49(/&49/&L#"4://*(8:-.&$J"&7,*& @"(*,9:-.&-,>)(&=*"94-.(&g*"7*-%& '4/&.,9(&*D*-/#&$J"&7,*&B@&g*.*-&f*-/>)*-)4-7*9*"&g*.*-& B"D*,(/4:/D*:(:-.%& •! `,"7&7,*&B@&74.*.*-&-4>)&@"3*//*-&*"(*,9(U&D*,&L*"9A-.*":-.&*,-*"& D,/)*",.*-&B@&8:"&L*"3*,7:-.&*,-*"&4:d*".*g)*-&FA"(*&XY&;E&BD/%&C& 14(8&;&B:$*-()P\U&/#&g,"7&7,*&+"4.*&7*"&1,>)*":-.&7*/&e*D*-/:-(*")49(/& 8:3,-7*/(&3,(D*"J>6/,>)5.(%&&

Wenn Frauen arbeiten, ist der Aufenthalt leichter zu erwirken.

21

2. Vorträge

5.1 Leistungs ansprüche

:(#$;#()*+,-)!,)#$,!./$2#?$@(*#"A$$ T9*,D*"*>)(/"*.*9:-.&Y&;E4&B:$*-()P& BD/>),*D*),-7*"-,/&g*.*-&P*$4)"&,3& F*"6:-i/94-7U&Y&;E&BD/%&?&B:$*-()P& L*"9A-.*":-.&g*.*-&FA"(*U&Y&;E&BD/%& C&14(8&;&B:$*-()P&

BD/>),*D*),-7*"-,/&g*.*-&+43,9,*& #7*"&P*/:-7)*,(/.*$A)"7:-.&7:">)& VJ>6"*,/*U&Y&;E&BD/%&E&B:$*-()P& L#"JD*".*)*-7*"&B:$*-()49(&g*.*-& f*-/>)*-)4-7*9IB"D*,(/4:/D*:(:-.&

B-/Q"J>)*&4:$&1PT&bb_e*,/(:-.*-& B-/Q"J>)*&+43,9,*-9*,/(:-.*-&&&&&&&& XB@&-4>)&Y&;E&BD/%&C&14(8&;&*=*-(:*99& *"/(&-4>)&7"*,&h4)"*-\& `#)-.*97& F,9$*-&,-&D*/#-7*"*-&e*D*-/94.*-& h:.*-7),9$*9*,/(:-.*-&&

e*,/(:-.*-&-4>)&B/29DeP& B-/Q"J>)*&4:$&+43,9,*-9*,/(:-.*-& *"/(&-4>)&7"*,&h4)"*-& `#)-.*97& F,9$*-&,-&D*/#-7*"*-&e*D*-/94.*-& -:"&-4>)&@"3*//*-& h:.*-7),9$*9*,/(:-.*-&

6. Asylverfahen

M)&4:>)&-4>)&Y&G& B/29DeP&k-4-8,*"(&g*"7*-U&g*--&7,*/&8:3&@")49(&7*"&P*/:-7)*,(&X1>):(8& =#"&T*7"#):-.\&*"$#"7*"9,>)&,/(%&& •! e*,/(:-.*-&-4>)&B/29DeP&g*"7*-&,-&7*"&V*.*9&-:"&4-&7*3&n"(&*"D"4>)(U& 7*3&7,*&B-("4./(*99*",-&$J"&7,*&o*,(&7*/&L*"$4)"*-/&8:.*g,*/*-&,/(%&& •! N)#8*!9-%!T+-1#$'-1%!-,%5!)$!9#+!%#,7#$!K5((1$#!J)#!9)#! Q-((#,1$*#+?1$M>!?-$$!9-%!Q5H)-,-(*!9)#!K5%*#$!67#+$#'(#$>!%5J#)*!%)#! $5*J#$9)8!%)$9E!! •! N)#8*!9-%!T+-1#$'-1%!-1U#+'-,7!9#+!K5((1$#!-7#+!)$!LAV>!%5!?-$$!9-%! W+*,)&'#!Q5H)-,-(*!9)#!K5%*#$!67#+$#'(#$!1$9!%)&'!9)#%#!/5$!9#+! H1%*@$9)8#$!K5((1$#!#+%*-X#$!,-%%#$E!!

22

2. Vorträge

N-0+)-(&O*.+"#%'

6.1 Residenzpflicht

•! '*"&B:$*-()49(&,/(&gA)"*-7&7*/&B/29=*"$4)"*-/&4:$&74/&e4-7& aV`&D*/>)"A-6(%&& •! B:d*")49D&7*/&e4-7*/&7J"$*-&e*,/(:-.*-&-:"&*"D"4>)(& g*"7*-U&/#g*,(&/,*&7*-&N3/(A-7*-&-4>)&:-4Dg*,/9,>)&/,-7%&& •! V)+9!#)$#!0%O,7#J#+7#+)$!-,%5!-1U#+'-,7!9#%!N-$9#%!LAV!)$! #)$#(!T+-1#$'-1%!1$*#+8#7+-&'*>!%5!?-$$!9-%!W+*,)&'#! Q5H)-,-(*!9)#!K5%*#$!$1+!67#+$#'(#$>!J#$$!#)$#! Y$*#+7+)$81$8!)$!LAV!1$(W8,)&'!)%*E!!

',*/*&V*.*9:-.*-&.*9(*-&*-(/Q"*>)*-7&4:>)&$J"&+"4:*-U&7,*&JD*"&*,-*& ':97:-.&=*"$J.*-%&&

7. Erziehungshilfen

P)94-7&9*D*-&XY&G&1PT&Lbbb\%& +J"&3,-7*"KA)",.*&+"4:*-U&7,*&=#-&og4-./=*")*,"4(:-.&D*7"#)(&/,-7*"&)A:/9,>)*& P*g49(&*"9*D*-U&D*/(*)(&74/&!"#D9*3U&74//&/,*&/*9D/(&7,*&e*,/(:-.&-,>)(&D*4-("4.*-& 6)4iU&D*("*:(*/&`#)-*-U&/*9D/(&-4>)&Y&C0&1PT&Lbbb& D*4-("4.*-%&&& @/&)4-7*9(&/,>)&:3&*,-*&V*.*99*,/(:-.&Xp/#99*-q\^&7,*/&g,"7&K*7#>)&=#-&7*-&h:.*-7_ A3(*"-&#i&49/&p$"*,g,99,.*&e*,/(:-.q&:3,-(*"Q"*5*"(%&&

Frage: Gelten diese Leistungen nur für Frauen, die in Deutschland aufgewachsen sind? FRINGS: Die Leistungen gelten für alle, die sich legal in Deutschland aufhalten. Noch so ein Mythos: Es bestehe für Frauen kein Anspruch, wenn sie verheiratet sind. Falsch! Die Leistungen der Jugendhilfe hängen nur vom Alter ab!

23

2. Vorträge

Frage: Was ist in einem Fall, in dem niemand bereit ist zu klagen, auch der Jugendhilfeträger nicht? FRINGS: Die politischen Ebenen einschalten! Auch der Landschaftsverband kann Unterstützung bieten; er hat den Auftrag, zur Klärung von Rechtsfragen beizutragen. Frage: Was ist, wenn die Zuständigkeiten unklar sind? FRINGS: Das Jugendamt, wo sich das Kind aufhält, ist vorleistungspflichtig. Geld kann verschoben werden, Kinder nicht.

8. Unionsbürgerinnen

T)Ai,.(*U&7,*&,)"*&OA5.6*,(&:-$"*,g,99,.&4:$.*D*-&3://(*-&:-7&49/& 4"D*,(//:>)*-7&.*3*97*(&/,-7&X4:>)&1>)g4-.*"*&:-7&fJc*"&=#-&W9*,-6,-7*"-\&$J"& g*,(*"*&/*>)/&f#-4(*&D8g%& !! -4>)&*,-*3&h4)"&7*"&@"g*"D/(A5.6*,(&4:$&:-D*$",/(*(*&o*,(%&& !! +J"&+43,9,*-4-.*))94-7&.*9*D(&)4D*-%&&

Frage: Gibt es eine Mindestgrenze für das Einkommen? FRINGS: Ein Beschäftigung sollte mehrere Wochenstunden oder 100 € im Monat umfassen. Die Höhe ist nicht so wichtig, es muss Arbeit im Sinne des Arbeitsrechts sein. Frage: Eine bulgarische Prostituierte war selbstständig tätig. Hätte sie Anspruch auf Sozialleistungen gehabt? FRINGS: Ja, wird die Einkommensteuererklärung als Beleg für die Erwerbstätigkeit gebraucht, kann diese auch rückwirkend eingereicht werden. Frage: Eine Klientin ist während der Prostitution schwanger geworden. Bekommt sie Geld, wenn sie den Verdienst für die Vergangenheit nachweisen kann? FRINGS: Ja, auch als schwangere Frau und Mutter von Kleinkindern können und sollten Frauen sich arbeitsuchend melden.

24

2. Vorträge

!"#V+-2+1-'/-+0%$(10,(0O2R"#-'

8.1 Schwierige Leistungs ansprüche

•! N-,#-/DJ".*",--*-U&7,*&,-&'*:(/>)94-7&*"/(349/&4:$&B"D*,(//:>)*&/,-7U& )4D*-&-4>)&Y&H&BD/%&0&14(8&;&a"%&0&:-7&a"%&;&1PT&bb&6*,-*&e*,/(:-./4-/Q"J>)*%&& •! ',*&h#D>*-(*"&=*"g*,.*"-&*-(/Q"*>)*-7&7,*&e*,/(:-.*-%&& •! ',*&1#8,49.*",>)(U&4:>)&7,*&=*"/>),*7*-*-&1*-4(*&7*/&e1P&aV`&D*g*"(*-&&& 7,*&1,(:45#-&:-(*"/>),*79,>)%&a4>)&*,-*"&B:l4//:-.&=*"/()9://694:/*9&7*/&1PT&bb&.*.*-&@N_V*>)(U&,-/D*/#-7*"*&.*.*-&7*-& P9*,>)D*)4-79:-./.":-7/4(8&7*"&L*"#"7-:-.&8:"&1#8,49"*>)(/6##"7,-,*":-.& XB"(%&C&Ln&MM?I;]]C\%&L,*9*&P*",>)(*&.*gA)"*-&,3&@,9=*"$4)"*-&e*,/(:-.*-U& g*,9&7,*&V*>)(/94.*&/#&:-694"&,/(%&& •! +J"&7,*&+"4:*-)A:/*"&*-(/(*)(&/#&*,-*&)*,69*&1,(:45#-U&g*,9&7,*&+"4:*-&4:$& 7,*&F,9$*&4-.*g,*/*-&/,-7U&7,*&+,-4-8,*":-.&,-&7*"&V*.*9&K*7#>)&*"/(& .*",>)(9,>)&.*9(*-7&.*34>)(&g*"7*-&3://%&&

1. Vorrangig sollte immer versucht werden, eine Erwerbstätigkeit zu finden und sei sie noch so gering. Der Anspruch auf aufstockende Leistungen ist dann völlig unzweifelhaft. Wenn das nicht möglich ist, kann eine menschenwürdige Existenzsicherung oft nur durch ein Eilverfahren bei den Sozialgerichten gesichert werden. 2. Wenn die Frau dann Leistungen des Jobcenters bekommt, sollte auch darauf geachtet werden, dass sehr schnell mit den Sprach- bzw. Integrationskursen begonnen wird, um dann die Berufsplanung anzugehen.

W-07()-2-'G$0(,#>-('

8.2 Besondere Ausnahmen

N-,#-/DJ".*",--*-&gA)"*-7&*,-*"&1>)g4-.*"/>)4iU&g*--&7*3&W,-7&-4>)&7*"& P*D:"(&*,-&V*>)(&4:$&+43,9,*-9*D*-&3,(&7*3&L4(*"&8:/(*)(%& XT1P&=%&?]%0%;]0?&_&T&C&B1&ECI0;&V\& '4/&3://&4:>)&74--&.*9(*-U&g*--&7*"&L4(*"&6*,-*-&.*/,>)*"(*-&B:$*-()49(&,-& '*:(/>)94-7&)4(U&K*7#>)&7:">)&@"g*"D/*,-6#33*-&8:3&N-(*")49(&7*/&W,-7*/& D*,("4.*-&g,"7&:-7&7*/)49D&*,-*&B:$*-()49(/64"(*&49/&+43,9,*-4-.*))4i*"&-4>)&7*"&P*D:"(&*,-*/&W,-7*/&-,>)(&,-&,)"&F*"6:-i/94-7& 8:"J>6"*,/*-&6)&4:/&7,*/*3& BD6#33*-U&g*,9&7*"&=#-&7*"&=#-&7*"&T:-7*/"*.,*":-.&@-7*&;]00&*"69A"(*& L#"D*)49(&"*>)(/:-g,"6/43&,/(%&&

25

2. Vorträge

8.3 Sonstige Sozial leistungen für Unionsbürgerinnen

!7(0%+1-'!7&+,..-+0%$(1-('4R2'U(+7(09R21-2+((-(' •! @/&D*/(*)*-&,-&7*"&V*.*9&B-/Q"J>)*&4:$&W,-7*".*97U&g*--&3,-7*/(*-/&*,-& @9(*"-(*,9&,-&'*:(/>)94-7&/*,-*-&`#)-/,(8&)4(%&& •! @")A9(&7*"&4-7*"*&@9(*"-(*,9&,-&*,-*3&4-7*"*-&@N_1(44(&W,-7*".*97U&/#&g,"7&-:"& 7,*&',l*"*-8&.*84)9(%&& •! '4/&.,9(&4:>)&$J"&W,-7*"U&7,*&,-&*,-*3&4-7*"*-&@N_1(44(&9*D*-%&& •! @,-&B-/Q":>)&4:$&@9(*"-.*97&D*/(*)(U&g*--&74/&W,-7&,-&'*:(/>)94-7&,3& F4:/)49(&7*"&f:c*"&9*D(*"&4D*"&7,*&f:c*"&,-&'*:(/>)94-7&D*/>)Ai,.(&,/(%&& •! B-/Q"J>)*&4:$&N-(*")49(/=#"/>)://&D*/(*)*-&-:"U&g*--&f:c*"&:-7&W,-7&,-& '*:(/>)94-7&,-&*,-*3&F4:/)49(&9*D*-%&& •! B-/Q"J>)*&4:$&`#)-.*97&D*/(*)*-U&/,*&/,-7&K*7#>)&74=#-&4D)A-.,.U&74//&*,-& @,-6#33*-&=#"9,*.(U&g*9>)*/&e*,/(:-.*-&-4>)&1PT&bb&-,>)(&*"$#"7*"9,>)&34>)(%&& •! T*,&7*-&h:.*-7),9$*9*,/(:-.*-&D*/(*)*-&6*,-*&@,-/>)"A-6:-.*-%&& •! @/&D*/(*)*-&,-&7*"&V*.*9&6*,-*&B-/Q"J>)*&4:$&B:/D,97:-./D*,),9$*-U&*/&/*,& 7*--&7,*&@9(*"-*"&15*$*9(*"-&X@N_TJ".*"\&7*"&K:-.*-&+"4:&9*D*-&,-& '*:(/>)94-7*"&/,*&g4"&8:=#"&,-&'*:(/>)94-7&D*/>)Ai,.(&X*-(g*7*"&74/& 1(:7,:3&D4:(&4:$&7*3&T*":$&4:$*"&7,*&B"D*,(/9#/,.6*,(&,/(&:-$"*,g,99,.\%&&

Beispiel Kindergeld: Die Frau lebt hier, der Ehemann mit drei Kindern in Bulgarien. Er bekommt dort 20 € (fiktiv) Kindergeld pro Kind. Sie hat hier in Deutschland einen Anspruch auf das deutsche Kindergeld für drei Kinder abzüglich des Betrags von 60 €, die der Mann in Bulgarien erhält. Den Nachweis muss nicht die Frau erbringen, sondern die Kindergeldkasse muss dies mit Bulgarien regeln. Das nimmt natürlich Zeit in Anspruch. Wenn es verweigert wird, kann auch mit einer Unterlassungsklage beim Finanzgericht geklagt werden. Frage: Wer bekommt BAföG? FRINGS: Es wird keine Ausbildungsbeihilfe gezahlt, es sei denn, die Eltern arbeiten. Beispiel: Die Familie kommt zusammen nach Deutschland, weil die Tochter studieren will. Der Anspruch auf BAföG entsteht, sobald die Mutter hier eine Arbeit aufnimmt.

26

2. Vorträge

8.4 Praktische Hinweise

X2,:%+0"#-'L+(V-+0-' •! '*"&1(4(:/&49/&B"D*,(-*)3*",-&D,*(*(&-4>)&7*3&@N_V*>)(&4D/#9:(*-&1>):(8& =#"&*,-*"&T*-4>)(*,9,.:-.&.*.*-JD*"&'*:(/>)*-%&& •! N-,#-/DJ".*",--*-&6)Ai,.:-.&4:$-*)3*-%&& •! B:/-4)3*S &T:9.4",--*-&:-7&V:3A-,--*-&-#>)&D,/&@-7*&;]0?%& & &W"#45--*-&D,/&4:$&g*,(*"*/%&& & &1,*&6)&49/&14,/#-4"D*,(*",--*-&:-7&49/&&&& & &B647*3,6*",--*-&#)-*&P*-*)3,.:-.&4"D*,(*-%&& & &B:>)&*,-*&B:/D,97:-.&6)(&*"g*"D/(A5.&/,-7U&3J//*-&,)"*&e*,/(:-./4-/Q"J>)*&3*,/(&*"/(&=#"& 7*-&1#8,49.*",>)(*-&7:">)/*(8*-%&',*&@"$#9./4://,>)(*-&/,-7&D*/#-7*"/&.:(U&g*--&7,*& +"4:&4:$.":-7&=#-&1>)g4-.*"/>)4i*"&W"4-6)*,(U&,-/D*/#-7*"*&49/&+#9.*&=#-& P*g49(*"$4)":-.*-U&6*,-*&B9(*"-45=*&8:&*,-*3&L*"D9*,D&,-&'*:(/>)94-7&)4(%&

Frage: Eine polnische Frau möchte in Deutschland Fuß fassen. Sie möchte eine Frau, die schwer pflegebedürftig ist, pflegen. Stehen ihr Hartz IV-Leistungen zu? FRINGS: Sie muss sich anstellen lassen und entsprechenden Arbeitslohn bekommen, von dem sie leben kann. Hat sie einen Anstellungsvertrag, stehen ihr ergänzende Leistungen zu.

27

3. Exper tinnenrunde

Moderation: Gisela Köller-Lesweng Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Solingen

Vertreterinnen und Vertreter der Behörden:

Vertreterinnen der Beratungsstellen:

Achim Salzmann Stellvertretender Leiter des Ausländer- und Integrationsbüros der Stadt Solingen

Karin Heier Koordinatorin SKF-Frauenhaus Remscheid

Carola Fischer Ausländerbehörde Stadt Remscheid

Jana Alms Bereichsleiterin Jobcenter Stadt Remscheid gE

Sieghard Müller Sachgebietsleiter Jobcenter Stadt Solingen

Monika Maas Jobcenter Stadt Wuppertal (AöR), Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt

Eva Thomas Stadtteilarbeit in Solingen

Haiat Chanfouh vom Stadtteilfrauenprojekt des Vereins: „Internationales Frauenzentrum Solingen e. V.“

Sandra Latour Caritas – Migrationsberatungsstelle Solingen, Projekte EVA und Magdalena

Vorstellung der Fallbeispiele: Sevinç Brilling ASD Stadt Remscheid

Um die konkrete Bearbeitung der Einzelfälle detailliert dokumentieren zu können, haben die Expertinnen und Experten Ihre Antworten schriftlich nachgestellt. Diese geben somit nicht den Verlauf der Diskussion wieder, sondern sollen Ihnen als Leserin bzw. Leser darstellen, wie die Behörden und Beratungsstellen in Bezug auf die geschilderten Fallgestaltungen arbeiten.

28

3. Expertinnenrunde

Allgemeine Informationen Sieghard Müller: Für im Solinger Frauenhaus lebende Frauen (und deren Betreuerinnen) gibt es im Jobcenter Solingen spezielle Mitarbeiterinnen. Diese versuchen, nach besten Kräften zu helfen, wenn sie angesprochen werden. Wenn trotzdem mal etwas „schief läuft“, ist das kein böser Wille, sondern der Komplexität der Rechtsmaterie, des zu beachtenden Verfahrens und auch der in Jobcentern insgesamt zu bewältigenden Vielzahl von Fällen (in Solingen in der letzten Woche ca. 1.000 Vorsprachen ohne vorherige Terminvergabe) geschuldet. „Hartz IV“ ist ein „Massengeschäft“, auch wenn es immer um einzelne Menschen geht. Veranstaltungen wie diese helfen, erforderliche Kontakte zu personalisieren. Es ist immer vorteilhaft, wenn Mitarbeiter/innen aus dem Jobcenter die Namen von anrufenden oder schreibenden Sozialarbeiterinnen aus den diversen Beratungsstellen mit einem Gesicht in Verbindung bringen können (und umgekehrt). Das macht die Zusammenarbeit menschlicher und möglicherweise erfolgreicher. Jana Alms: Es gibt eine Vereinbarung mit dem Frauenhaus. Dieses stellt einen Kurzantrag per Fax. Es wird ein Termin vereinbart zur Vorsprache bei der Arbeitsvermittlung und dann im Leistungsbereich, Vermittlung in Arbeit, Sprachkurs etc. erfolgen in enger Absprache mit dem Frauenhaus. Frage aus dem Publikum: Wenn ein Attest in der Landessprache der Frau gefordert wird, ist die Wartezeit darauf häufig zu lang – was sagen Sie dazu? Sandra Latour: Stadtteilfrauen oder Übersetzungsbüros können genutzt werden, es kann ein Antrag beim Sozialamt auf Übernahme der Dolmetscherinnenkosten gestellt werden. Karin Heier: Zusätzliche Sachkosten vom Land für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen können für Sprachmittlung genutzt werden. Mit dem Übersetzungsdienst der Diakonie Sprintpool in Wuppertal haben wir diesbezüglich gute Erfahrungen gemacht.

Fallbeispiel 1: Nicht EU-Staatsangehörige/ „Gastarbeiter-Status“ • Ein Mann bringt seine Ehefrau durch Familienzusammenführung aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland. Er ist selbstständig und hat keine Krankenversicherung. • Sie sind seit 3,5 Jahren verheiratet, sie ist erst seit 1,5 Jahren in BRD. • In der Familie wird sie psychisch und physisch misshandelt. • Die Nachbarn alarmieren des Öfteren die Polizei, beim dritten Mal kommt die Frau ins Frauenhaus. • Die Frau sucht Hilfe bei Freundinnen und in der Frauenberatungsstelle. Fragen zur Fallgestaltung: • Wie sieht der Aufenthaltsstatus dieser Frau aus? • Wer übernimmt welche Kosten? • Wer ist verantwortlich?

Achim Salzmann: Die Ausländerin hat nach ihrer Einreise eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 30 AufenthG bekommen. Nach Wegfall der Verlängerungsvoraussetzung (Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft) ist zu prüfen, ob sie ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG erworben hat. Demnach ist dem (nachgezogenen) Ehegatten der weitere Aufenthalt zu ermöglichen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes.

29

3. Expertinnenrunde

Sofern häusliche Gewalt geltend gemacht wird, ist es enorm wichtig, dass entsprechende Nachweise erbracht werden können. Hierzu gehören z. B. ärztliche Atteste oder auch eine Anzeige gegen den Gewalttäter. Nur bei dem Nachweis erlittener physischer oder psychischer Misshandlung kann die Ausländerbehörde eine positive Lösung herbeiführen und ein weiteres Aufenthaltsrecht gewähren. Die Aufenthaltserlaubnis wird nach § 31 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 4 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht einmalig unabhängig von der Sicherstellung des Lebensunterhalts für die Dauer eines Jahres verlängert. Es soll zunächst die Gelegenheit eingeräumt werden, sich ohne Gefährdung des Aufenthaltsrechts eine eigene wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Die nach Ablauf der erstmalig eigenständig erteilten Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verlängerung richtet sich nach den allgemeinen Voraussetzungen des Aufenthaltsgesetzes. Demnach ist nach Ablauf eines Jahres die Sicherstellung des Lebensunterhalts „in der Regel“ erforderlich. Carola Fischer: In Remscheid wird genauso verfahren. Nach Bekanntwerden dieses Sachverhaltes ist also zunächst zu prüfen, ob eine besondere Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Dies ist in dem vorgenannten Fall offensichtlich – so wie es hier geschildert wird – der Fall. Nachweise über die häusliche Gewalt sind wichtig für die ausländerrechtliche Prüfung und Entscheidung, daher sollte die Frau entweder Arztberichte oder Nachweise einer polizeilichen Anzeige vorlegen. Monika Maas: Hält sich die Frau legal auf, müsste sie einen Aufenthaltstitel gem. § 30 Aufenthaltsgesetz erhalten haben. Bei Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit gilt das Assoziationsabkommen = Gleichstellung mit EUAngehörigen, allerdings nicht bei Selbstständigen, sondern bei ArbeitnehmerInnen. Die Kosten für den Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft übernimmt das Jobcenter, das örtlich für das Frauenhaus zuständig ist. Dies setzt voraus, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht. Falls die Frau einen Aufenthaltstitel hat, so hat sie i. d. R. auch einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Das Jobcenter, in dessen Bereich das Frauenhaus liegt, hat einen Erstattungsanspruch gegen das bisher am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Frau zuständige Jobcenter (§ 36 a). Falls sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, so kommt das Jobcenter nicht für die Kosten des Frauenhauses auf. Möglicherweise kann über die „Heranziehung“ der Ehemann zur Zahlung verpflichtet werden. Wir wissen nicht, wer dann für die Kosten aufkommt, wenn sie sich illegal hier aufhält.

30

Sieghard Müller: Wenn von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, die auch die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung ermöglicht, besteht – da die Frau schon länger als 3 Monate in der BRD lebt – ein Leistungsanspruch nach dem SGB II. Dieser Anspruch besteht aus der „Regelleistung“ (Pauschalbetrag für den Lebensunterhalt) und den Kosten der Unterkunft (im Frauenhaus). Die Antragstellung kann (mit Hilfe des Frauenhauses) wirksam per Fax erfolgen. Die erforderlichen Antragsunterlagen sind nachzureichen. Wenn unmittelbar vor dem (möglichen) SGB II-Leistungsbezug keine Krankenversicherung bestanden hat, entsteht durch den Bezug von ALG II Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Anmeldung und Beitragszahlung erfolgt durch das Jobcenter bei der gesetzlichen Krankenkasse, von der eine Bescheinigung über die Aufnahme vorgelegt wird. Hätte unmittelbar vor dem Leistungsbezug eine private Krankenversicherung bestanden, könnte diese während des Leistungsbezugs im sogenannten „Basistarif“ fortgesetzt werden. Für ALG II-Bezieher dürfen die privaten Krankenversicherungen nur die Hälfte des Beitragssatzes im Basistarif erheben. In dieser Höhe würde vom Jobcenter ein Zuschuss gewährt (§ 26 SGB II). Jana Alms: Die Frau ist Leistungsberechtigte gemäß § 7 Abs. 1 SGB II. In Remscheid existiert eine gesonderte Vereinbarung zur Antragstellung mit dem Frauenhaus. Bei Aufnahme in das Frauenhaus erfolgt ein Kurzantrag per Fax, so dass der Tag der Antragstellung dokumentiert ist. Eine Mitarbeiterin des Jobcenters teilt telefonisch die Termine für den Leistungsbereich und den Bereich Markt & Integration mit. Beide Termine finden an einem Tag zeitlich aufeinander abgestimmt statt. Die weiteren Schritte z. B. Umzug in eine eigene, neue Wohnung, Beginn eines Sprachkurses etc. erfolgen in enger Abstimmung mit dem Frauenhaus. Karin Heier: Zur Klärung des Aufenthaltsstatus würde ich mich an das Ausländeramt wenden, da die Ehefrau erst 1,5 Jahre in der BRD ist und so grundsätzlich noch kein selbstständiges Bleiberecht hat. Wir würden die türkische Ehefrau dabei unterstützen, eine versierte Rechtsanwältin zu finden, die sie beim Härteantrag unterstützt. Für Sprachmittlung können zusätzliche Sachkostenzuschüsse vom Land NRW für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen genutzt werden. Die Frau sollte an einem Integrationskurs teilnehmen.

3. Expertinnenrunde

Fallbeispiel 2: Asylverfahren

• Eine Frau aus Togo lebt seit einem Jahr in Deutschland. Es läuft ein Asylverfahren. • Die Frau hat einen Bio-Deutschen geheiratet. Daraufhin hat sie den Asylantrag zurückgezogen. • Allerdings stellte sich nach einem halben Jahr Ehe heraus, dass der Mann sie psychisch misshandelt hat. Die Polizei hat die Frau in einem Frauenhaus untergebracht. • Der Mann ist zur Ausländerbehörde gegangen und hat angegeben, es sei eine Scheinehe gewesen und er wolle diese Ehe beenden. Fragen zur Fallgestaltung: • Welchen Aufenthaltsstatus bekommt sie? • Wie wird diese Frau finanziert?

Achim Salzmann: Sofern eine eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich bestanden hat, handelt es sich nicht um eine Scheinehe, sondern allenfalls eine Zweckehe. Diese ist nicht strafbar und hat keine negativen Auswirkungen auf ein weiteres Aufenthaltsrecht. Sofern eine eheliche Lebensgemeinschaft hingegen nicht bestanden hat, handelt es sich um eine Scheinehe. Von einer Scheinehe spricht man dann, wenn ein Ausländer unter Missbrauch des Instituts der Ehe die Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen eingeht, um dadurch in den Genuss einer Aufenthaltserlaubnis zu gelangen, ohne die Ehe tatsächlich führen zu wollen. Grundsätzlich ist auch eine Scheinehe rechtlich wirksam. Ausländerrechtlich genügt die rein formale Ehe aber nicht zur Begründung eines Aufenthaltsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz. Sofern eine Scheinehe vorgelegen hat, wurde ein Aufenthaltsrecht nicht erlangt und der Aufenthalt wäre zwingend zu beenden. Voraussetzung für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG ist zwingend, dass die Ausländerin zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG zur Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft gewesen ist.

Sofern nach der Eheschließung und der Rücknahme des Asylantrages bereits eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG erteilt wurde, erhält die Frau den gleichen Aufenthaltsstatus wie im Fallbeispiel 1 (eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG). Wurde nach der Eheschließung und der Rücknahme des Asylantrages hingegen noch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG erteilt, scheidet eine weitere Aufenthaltsgewährung nach dem Aufenthaltsgesetz aus. Der Ausländerin würde eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Die Ausländerbehörde Solingen bemüht sich grundsätzlich, bestehende Ausreiseverpflichtungen einvernehmlich zu lösen. Hierzu werden Termine bei den Migrationsberatungsstellen und der zuständigen Sozialarbeiterin zur Gewährung von Rückkehrhilfen (REAGProgramm des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) vermittelt. Carola Fischer: Sofern die Frau noch keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Eheschließung erhalten hat, wird nach Darstellung des Sachverhaltes eine Aufenthaltserlaubnis abzulehnen sein. Aufgrund des kurzzeitigen Aufenthaltes sind auch keine Gründe erkennbar, die einen Aufenthalt aus humanitären Gründen nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes rechtfertigen würden. Sofern die Frau der Ansicht ist, dass weiterhin Asylgründe vorliegen würden, bestünde die Möglichkeit einen Asylfolgeantrag zu stellen. Ob dieser jedoch erfolgversprechend ist, also ob ein Verfahren durchgeführt wird, wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge feststellen. Insbesondere müsste sich die Rechts- oder Sachlage im Gegensatz zum ersten Antrag geändert hat. Da die Ausländerbehörde dies nicht prüfen kann, weil die Asylakte dort nicht vorliegt, sondern lediglich der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, kann zum Ausgang bzw. zum möglichen Erfolg eines solchen Antrages keine Auskunft gegeben werden. Die Frau sollte daher anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Im Falle einer freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet würde die Frau zu den entsprechenden Fördermitteln, die es hierfür gibt, beraten werden. Ansonsten schließe ich mich den Ausführungen des Herrn Salzmann an. Monika Maas: Die Frau kann ggf. ein eigenes Aufenthaltsrecht gem. § 31 Aufenthaltsgesetz erhalten (Härtefallregelung). Falls sie den Aufenthaltstitel bekommt, hat sie auch einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Schlimmstenfalls kann auch eine Ausweisung die Folge sein. Ein eigenes Aufenthaltsrecht hat sie erst ab 3 Jahren Ehe erworben. Sie hat grundsätzlich Anspruch auf SGB II-Leistungen aufgrund der Ehe, wenn sie eine Aufenthaltserlaubnis hat. Und folgende Frage steht im Raum: Wie beweist man eine Scheinehe?

31

3. Expertinnenrunde

Sieghard Müller: Bei Menschen von außerhalb der Europäischen Union kommt es für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II entscheidend darauf an, welchen Aufenthaltsstatus sie haben. Wurde ihnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die auch die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung ermöglicht, kann ihnen – nach Ablauf von 3 Monaten seit Aufenthaltsnahme – ALG II nach dem SGB II zustehen. Ist ihr Aufenthalt jedoch lediglich „geduldet“, sind sie von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Es stehen dann (nur) die geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Zuständig dafür sind die Sozialämter (in Solingen: der Stadtdienst Soziales) und nicht das Jobcenter. Jana Alms: Bei laufenden Asylverfahren besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz können gewährt werden. Karin Heier: Erste Anlaufstelle für uns wäre das Jobcenter zur Antragstellung auf ALG II und Kontakt zur Ausländerbehörde zur Klärung des ausländerrechtlichen Status. Wir würden die Frau an eine gute Fachanwältin delegieren, damit diese sie auch ggf. im Asylverfahren begleiten kann. Weiter würde sie an den Migrationsfachdienst verwiesen, um einen geeigneten Integrationskurs zu finden.

Salzmann, Fischer, Alms, Müller, Maas, Köller-Lesweng, Frings

Blick ins Publiklum

32

Fallbeispiel 3: EU-Staatsangehörige

• 2010 reist eine Frau mit bulgarischer Staatsangehörigkeit in die Bundesrepublik Deutschland ein, lebt mit einem türkischen Mann zusammen und arbeitet als Prostituierte. Sie ist in Deutschland nicht gemeldet. • Ihr Freund misshandelt sie, daraufhin sucht sie Hilfe und wird im Frauenhaus untergebracht. • Allerdings ist sie inzwischen im vierten Monat schwanger und möchte sich nicht mehr prostituieren. Zukünftig möchte sie eine Ausbildung machen. Fragen zur Fallgestaltung: • Wie ist ihr Aufenthaltsstatus? • Welche finanziellen Unterstützungen kann sie beanspruchen? • Wie kommt sie an eine Krankenversicherung?

Achim Salzmann: Unionsbürger dürfen sich bis zu 3 Monate ohne jeden Aufenthaltsgrund im Bundesgebiet aufhalten. Einzige Voraussetzung ist ein Personalausweis oder Pass. Die Dreimonatsfrist beginnt mit jeder Einreise neu. Die Dauer des Auslandsaufenthalts zwischen den Aufenthalten in Deutschland spielt keine Rolle. Über 3 Monate hinaus wird eine Freizügigkeit in folgenden Fällen angenommen: • zur Arbeitssuche • als Arbeitnehmer oder Selbstständige • als Familienangehörige eines Unionsbürgers, wenn sie hier als Kind unter 21 Jahren oder als Ehepartner bei einem Unionsbürger leben, der ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU besitzt • Kinder ab 21 Jahren, weitere Verwandte in auf- und absteigender Linie (Großeltern, Enkel usw.) sowie Angehörige von Studierenden besitzen hingegen ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nur, wenn der Unionsbürger, von dem sie das Aufenthaltsrecht ableiten, maßgeblich (mind. ca. 500 €/Monat) zu ihrem Unterhalt beiträgt (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). • als Daueraufenthaltsberechtigte, wenn sie mindestens fünf Jahre legal in Deutschland gelebt haben • „Verbleibeberechtigte Arbeitnehmer oder Selbstständige“

3. Expertinnenrunde

Wegfall der Freizügigkeitsbescheinigung: Die vom Bundestag beschlossene und vom Bundesrat bestätigte Änderungsgesetz zum FreizügG/EU zur Abschaffung der Freizügigkeitsbescheinigung ist 28. Januar 2013 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 29. Januar 2013 in Kraft getreten. Diese Gesetzesänderung führt zu einer Verringerung des bürokratischen Aufwandes, lässt die Freizügigkeitsrechte von Unionsbürgern (Staatsangehörige der EU-Mitgliedsstaaten) und Angehörigen der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) aber unberührt. Zur Ausübung von Rechten oder zur Erledigung von Verwaltungsformalitäten war die (ohnehin nur deklaratorische) Freizügigkeitsbescheinigung im Übrigen schon bisher nicht erforderlich. Auch die Aufnahme einer Beschäftigung war und ist allen Unionsbürgern und Angehörigen der EWR-Staaten ohne Freizügigkeitsbescheinigung gestattet. Bulgarische und rumänische Staatsangehörige benötigen für die Aufnahme einer Beschäftigung noch bis 31. Dezember 2013 in der Regel eine Arbeitserlaubnis-EU von der Bundesagentur für Arbeit, aber keine Freizügigkeitsbescheinigung. Die Freizügigkeitsbescheinigung ist ersatzlos entfallen. Somit stellt die Ausländerbehörde auch keine anderen Bescheinigungen über ein vorliegendes Freizügigkeitsrecht aus. Das Bestehen der Freizügigkeit für die sich in Solingen aufhaltenden Staatsangehörigen der Europäischen Union wird durch das Ausländer- und Integrationsbüro grundsätzlich unterstellt. Das Vorliegen oder der Fortbestand der Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts kann allenfalls aus besonderem Anlass durch das Ausländer- und Integrationsbüro überprüft werden. Ausweislich der Materialien zum Zuwanderungsgesetz soll ein besonderer Anlass insbesondere dann vorliegen, wenn ein nichterwerbstätiger Unionsbürger Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nimmt. Carola Fischer: In Remscheid wird ebenso verfahren. Monika Maas: Menschen mit bulgarischer und rumänischer Staatsangehörigkeit haben bis Ende 2013 eine eingeschränkte Freizügigkeit. Die gelten als Freizügigkeitsberechtigte. Die Bulgarin hat aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit ein Freizügigkeitsrecht als Selbstständige gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU erworben. Falls sie die Prostitution aufgibt, ist sie Verbleibeberechtigte gem. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU. Verbleibeberechtigte sind EU-Bürgerinnen und Bürger, die eine selbstständige Tätigkeit in Folge von Umständen aufgeben, auf die sie keinen Einfluss haben, d. h. die Aufgabe der selbstständigen Aufgabe muss unfreiwillig sein. Bei der Aufgabe der Tätigkeit als Prostituierte ist immer davon auszugehen, dass ihr die Aufgabe dieser Tätigkeit nicht vorwerfbar sein kann. Wenn das der Fall ist, hat sie Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Wenn die Ausübung als Selbstständige nicht mehr möglich ist und dies nicht in Ihrem Einflussbereich liegt, besteht ein SGB II

Anspruch (vorausgesetzt, es gibt kein anrechenbares Vermögen oder andere Einkünfte). Eine Arbeitsgenehmigung vergibt die Bundesagentur für Arbeit für diesen Personenkreis nur dann, wenn niemand anders diese konkrete Tätigkeit ausüben kann, für die eine Arbeitsgenehmigung beantragt wird. Diese Regelung entfällt Ende des Jahres. Die Frau aus Bulgarien hat aufgrund ihres Verbleiberechts aus § 2 Abs. 3 SGB II einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Zudem hat sie ab der 13. Schwangerschaftswoche einen Anspruch auf einen Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 2 SGB II sowie gem. § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II einen Anspruch auf Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt (zurzeit heißt das: Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft ab der 15. Schwangerschaftswoche: 160 €; Erstausstattung für das Baby: 160 € und falls kein Kinderwagen vorhanden ist: 80 €). War die Frau unter 12 Monaten tätig, hat sie Anspruch auf 6 Monate Leistungsbezug, danach hat sie keinen Anspruch mehr. War sie mehr als 12 Monate tätig, hat sie einen unbegrenzten Anspruch bis zur Beendigung des Leistungsbezugs. Sie und ihr Kind sind als Empfängerinnen von Leistungen nach dem SGB II gesetzlich pflichtversichert in der Krankenversicherung. Die Aufnahme einer Ausbildung ist im Prinzip immer möglich, sie ist nicht an eine Arbeitserlaubnis gebunden. Für die Frau endet mit der Aufnahme einer Ausbildung i. d. R. dann der SGB II-Bezug. Geprüft werden sollte, ob ein Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft und Mehrbedarfe gewährt werden können. Sieghard Müller: Voraussetzung für einen Leistungsbezug nach dem SGB II und maßgeblich für die Klärung der örtlichen Zuständigkeit ist der „gewöhnliche Aufenthalt“ in Deutschland. Zu dessen Nachweis sollte die Frau sich auf jeden Fall in der Stadt, in der sie lebt, „polizeilich anmelden“ (Bürgerbüro). Nach einer Weisung der Bundesagentur für Arbeit (Fachliche Hinweise, Randziffer 36.3) ist aber bereits „regelmäßig davon auszugehen, dass Frauen, die Zuflucht in einem Frauenhaus suchen, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt nehmen, so dass das für den Ort des Frauenhauses maßgebende Jobcenter zuständig wird“. Als Unionsbürgerin hatte die Frau während der ersten 3 Monate ihres Aufenthaltes in Deutschland ein – voraussetzungsloses – Freizügigkeitsrecht. Während dieser Zeit ist sie von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, wenn sie nicht als Arbeitnehmerin oder Selbstständige tätig war. Wichtig wäre es deshalb, sowohl den Aufenthalt als auch die selbstständige Tätigkeit als Prostituierte nachzuweisen. Nach den ersten 3 Aufenthaltsmonaten besteht ein Freizügigkeitsrecht, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, z. B. eine Tätigkeit als Arbeitnehmerin oder Selbstständige, oder zur „Arbeitssuche“. Wer in Deutschland bereits als Arbeitnehmerin oder als Selbstständige tätig war, behält diesen Status (je nach Dauer: befristet für 6 Monate oder unbefristet), solange sie „unverschuldet“ arbeitslos ist. Die Aufgabe einer selbstständigen Tätigkeit als Prostituierte bedeutet nicht, die Arbeitslosigkeit „selbst verschuldet“ zu haben.

33

3. Expertinnenrunde

Salzmann, Fischer

Alms, Müller, Maas, Frings, Köller-Lesweng, Heier, (Thomas verdeckt), Latour

Bocklage

Heier, Thomas, Latour

Gelingt der Nachweis einer selbstständige Tätigkeit als Prostituierte nicht, besteht nach den ersten 3 Monaten ein weiteres Aufenthaltsrecht möglicherweise nur in der Arbeitssuche (im vorliegenden Fall ist ein Freizügigkeitsrecht als „Familienangehörige“ nicht ersichtlich, weil die Frau mit dem türkischen Mann – dessen Aufenthaltsstatus auch bedeutsam wäre – nicht verheiratet ist). Das hätte zur Folge, dass Leistungen nach dem SGB II nicht gewährt werden können. Der Bezug von ALG II führt zur Krankenversicherungspflicht (auf Kosten des Jobcenters). Wenn kein ALG II bezogen werden kann, besteht auch kein Krankenversicherungsschutz. Wenn eine berufliche Ausbildung begonnen wird, kommt dies einer „Arbeitnehmertätigkeit“ gleich. Das Freizügigkeitsrecht wäre dann nicht nur auf „Arbeitssuche“ gestützt, sondern auf einen Arbeitnehmerstatus. Je nach Art der Ausbildung würde diese aber einen Leistungsanspruch nach dem SGB II ausschließen (§ 7 Abs. 5 SGB II). Ob die Agentur für Arbeit (Leistungsträger nach dem SGB  III) eine solche Ausbildung finanzieren würde, wäre dort zu klären. Sollte es sich nicht um eine (klassische) Berufsausbildung, sondern um eine Schulausbildung mit beruflichem Abschluss oder ein Studium handeln, wäre eine Förderung nach dem BAföG beim Ausbildungsförderungsamt der Kommune (Schüler) oder der Hochschule (Studium) zu klären.

Brilling

Allgemeiner Hinweis zu bulgarischen (und rumänischen – seit 01.07.2013 auch kroatischen) Staatsangehörigen: Unionsbürger aus diesen Staaten haben ein Freizügigkeitsrecht wie die anderen Unionsbürger (aus Italien, Frankreich etc.) auch, aber sie haben keinen freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, sondern benötigen, um in Deutschland arbeiten zu dürfen, eine Arbeitsgenehmigung. Diese Besonderheit ändert an ihren Leistungsansprüchen nach dem SGB II aber nichts. Sie werden leistungsrechtlich genauso behandelt wie andere Unionsbürger. Jana Alms: Für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ist der Nachweis des gewöhnlichen Aufenthaltes notwendig. Ein Indiz für den gewöhnlichen Aufenthalt ist die Anmeldung am Wohnort, daher sollte die Frau sich mit dem Einwohnermeldeamt in Verbindung setzen. Sofern die Frau ihre selbstständige Tätigkeit belegen kann, besteht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Damit wäre ebenfalls eine Krankenversicherung sichergestellt. Bei einer Beschäftigung bzw. Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit von mehr als einem Jahr bleibt der sogenannte „Arbeitnehmerstatus“ dauerhaft erhalten. Die Frau kann daher ohne zeitliche Begrenzung Leistungen nach dem SGB II erhalten, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Bei der Aufnahme einer Ausbildung sind die Anspruchsvoraussetzungen aufgrund der Regelungen des § 7 Abs. 5 und Abs. 6 SGB II sowie § 27 SGB II neu zu prüfen. Für das Kind werden weiterhin Leistungen nach dem SGB II gezahlt. Karin Heier: Als erstes wichtig ist die Antragstellung beim Jobcenter auf ALG II, und Delegation an den Migrationsfachdienst zur Belegung eines Integrationskurses, um die deutsche Sprache zu lernen für die spätere berufliche Integration durch Ausbildung.

34

3. Expertinnenrunde

Fallbeispiel 4: Nicht-EU-Angehörige

• Eine Nordafrikanerin, seit 28 Jahren verheiratet, vier Kinder. • Von Beginn der Ehe an erlebt sie schwere Formen der Gewalt. U. a. hat sie mehrere verheilte Knochenbrüche, Messerverletzungen und ausgeschlagene Zähne. • Im Jahr 2009 Einreise in die Bundesrepublik Deutschland, da der Mann eine Anstellung im akademischen Bereich erhielt, beide Eheleute sind Akademiker. • Im vorigen Jahr bei einer neuerlichen Gewaltattacke, bei der der erwachsene Sohn zugegen war, schlug der Sohn zurück. • Sie kam in die Beratungsstelle, weil ihre Kinder und dadurch auch sie die Gewalt nicht länger hinnehmen wollten.

Die Aufenthaltserlaubnis wird nach § 31 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 4 AufenthG als eigenständiges Aufenthaltsrecht einmalig unabhängig von der Sicherstellung des Lebensunterhalts für die Dauer eines Jahres verlängert. Es soll zunächst die Gelegenheit eingeräumt werden, sich ohne Gefährdung des Aufenthaltsrechts eine eigene wirtschaftliche Existenz zu schaffen. Die nach Ablauf der erstmalig eigenständig erteilten Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verlängerung richtet sich nach den allgemeinen Voraussetzungen des Aufenthaltsgesetzes. Demnach ist nach Ablauf eines Jahres die Sicherstellung des Lebensunterhalts „in der Regel“ erforderlich. Carola Fischer: In Remscheid wird ebenso verfahren.

Frage zur Fallgestaltung: • Wie ist ihr Aufenthaltsstatus nach der Trennung?

Achim Salzmann: Die Ausländerin hat nach ihrer Einreise eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 30 AufenthG bekommen. Die eheliche Lebensgemeinschaft hat seit 2009 im Bundesgebiet bestanden. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Sofern die eheliche Lebensgemeinschaft trotz der Gewalt des Ehegatten im Bundesgebiet durchgehend ohne größere Unterbrechungen bestanden hat, wurde ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 AufenthG erlangt.

35

4. Zusammenfassung

Ich danke allen Expertinnen und Experten für ihre Offenheit und Kreativität in den Diskussionsrunden. Sie haben nach neuen Lösungen gesucht und viele hilfreiche Impulse gegeben. Ich habe viel gelernt! Drei Punkte sind mir im Verlauf der Tagung besonders deutlich geworden: • Eine berufliche Perspektive für Frauen – auch für von Gewalt betroffene Frauen – scheint wichtiger zu sein als gedacht. Wir haben im Bergischen Städtedreieck eine Homepage zum Wiedereinstieg entwickelt, die den Betroffenen bei der Suche nach beruflichen Perspektiven helfen kann. (www.bergisch-wiedereinsteigen.de) • Die Aufgabe von Runden Tischen wird sein, die Zusammenarbeit mit Fachärztinnen und Fachärzten und Dolmetscher/innen weiter zu entwickeln, gerade auch vor dem Hintergrund der notwendigen gerichtstauglichen Dokumentation von Verletzungen gewaltbetroffener Frauen mit Migrationshintergrund. • Ein wichtiger Aspekt scheint mir zu sein, sich im Vorfeld möglicher Maßnahmen die Frage zu stellen: „Was wäre wenn ...?“ Dies kann auch bedeuten, sich zum Beispiel mit alternativen Lösungen fernab von Asylverfahren zu beschäftigen. Es scheint mehr Lösungen zu geben, die effektiver sind, um betroffene Frauen zu schützen.

36

Es bleibt mir nur noch zu danken! Mein ganz besonderer Dank geht an unsere Referentin Frau Prof. Dr. Frings für die fachlich sehr versierte und kurzweilige Begleitung durch den Tag. Meiner Kollegin Gisela Köller-Lesweng danke ich für die Moderation und Gestaltung der ExpertInnenrunde und natürlich den Expertinnen und Experten selbst. Ich danke der Protokollantin Stefanie Kaps und dem Fotografen Michael Baumgart und den Mitarbeiterinnen aus den Gleichstellungsstellen Solingen und Remscheid Heike Holzapfel und Ingrid Zech. Und: ganz, ganz herzlich danke ich dem Vorbereitungsteam, bestehend aus Frauke Türk, Emel Ferik, Karin Heier und Heike Hildebrandt. Ich habe den Eindruck – und das haben Sie mir bestätigt – dass es sich lohnt, gemeinsame Veranstaltungen im Bergischen Städtedreieck zu initiieren. Sie bieten einen Austausch und den Blick auf viele neue Aspekte. Zum Schluss noch mein herzlicher Dank an Christel Steylaers, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Remscheid, für das „in die Hand nehmen und auf den Weg bringen“.

Roswitha Bocklage Leiterin Gleichstellungsstelle für Frau und Mann in Wuppertal

5. Anregungen und Kritik

Ihre Wünsche, Gedanken, Anregungen:

Sehr gute Referentin.

Gute und informative Veranstaltung.

Sehr gute engagierte und kompetente Referentin, KLASSE, aber Vormittagsvortrag zu lang und faktenreich.

Sehr gelungene Veranstaltung.

Als Mitarbeiterin einer Schwangerenberatungsstelle, nicht Frauenhaus, war es für mich zum Teil nicht nachvollziehbar, dass alles hier in Remscheid derart unkompliziert abläuft, trotz guter Kooperation mit den JC, in Praxis leider deutlich andere Erfahrungen

Intensive Fortbildungen für Jobcenter und Ausländerbehörde.

Sehr viel gelernt und guter Input von Referentin Fr. Frings, aber es entstand der Eindruck, dass auf „Bewilligung“ geprüft wird (Ausländerbehörde und Jobcenter).

Praxisbezug zeigt die bestehenden Frauenvernetzungen.

Verständlicher, sehr interessanter Vortrag!!!

Wegen junger migrantischer Frauenhilfe vom Jugendamt.

Expertinnenrunde gute Idee. Praktische Beispiele und Umgangsmöglichkeiten. Umgang mit Behörden für Kunden anbieten.

Zu guter Letzt:

Eine schöne, informative Veranstaltung.

Zuständigkeiten für von häuslicher Gewalt betroffener Frauen bei der Ausländerbehörde.

Tolle Veranstaltung dank Frau Prof. Frings. Bitte mehr solcher Veranstaltungen!

Expertinnenrunde mit anschließender Diskussionsmöglichkeit, sehr gut.

37

6. Vorbereitungsteam

38

Sevinç Brilling Stadt Remscheid Fachdienst Jugend, Soziales und Wohnen Abteilung Allgemeine Soziale Dienste

Heike Hildebrandt Stadt Remscheid Zentraldienst Integration und Migration Migrationsbüro

Emel Ferik Stadtteil e. V. Mehr Generationen Haus Lindenhof Interkulturelles Zentrum & Beratungsstelle

Christel Steylaers Stadt Remscheid Fachdienst Gleichstellung von Frau und Mann Gleichstellungsbeauftragte

Karin Heier Sozialdienst katholischer Frauen Remscheid e. V. Frauenhaus Koordinatorin

Frauke Türk Stadt Remscheid Fachdienst Gesundheitswesen Geschäftsstelle Gesundheitskonferenz

Impressum

Impressum Eine Veröffentlichung des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt Remscheid c/o Stadt Remscheid FD 0.04 Gleichstellung von Frau und Mann Theodor-Heuss-Platz 1 42853 Remscheid Tel.: 00 49  21 91 16 39 59 Fax.: 00 49  21 91 16 22 42 E-Mail: [email protected] Protokollantin: Stefanie Kaps Inhaltliche Bearbeitung: Christel Steylaers Ingrid Zech Fotos: Michael Baumgart Porträtfotos: Eigentum der dargestellten Personen Gestaltung: Ingrid Stobbe Grafik Design, Köln Druck: Karl Müller Druck & Medien GmbH & Co. KG Remscheid Auflage: Dezember 2013, 600 Stück

Gefördert durch das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter Nordrhein-Westfalen

39