Ökologie von rechts

Heimat in der Rechtsaußenposition. Die Entwicklung brauner Parteien und ... Gegen das Fremde, nicht nur im Garten. Die Neobiota-Diskussion als Einfallstor ...
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politische ökologie

Ökologie von rechts

Dezember 2012_30. Jahrgang_ISSN 0933-5722_B 8400 F

Braune Umweltschützer auf Stimmenfang

Herausgegeben von oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO 2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.oekom.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2012 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaggestaltung, Layout und Satz: Lone Nielsen Lektorat: Helena Obermayr, Anke Oxenfart h Druck: Kessler Druck + Medien, Bobingen Gedruckt auf Circle matt White 100% Recycling von Arjo Wiggins/Igepagroup Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany ISBN: 978-3-86581-286-5 e-ISBN: 978-3-86581-546-0

oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hrsg.)

Ökologie von rechts Braune Umweltschützer auf Stimmenfang

politische ökologie

Die Reihe für Querdenker und Vordenkerinnen

Die Welt steht vor enormen ökologischen und sozialen Herausforderungen. Um sie zu bewältigen, braucht es den Mut, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, unliebsame Wahrheiten auszusprechen und unorthodoxe Lösungen zu skizzieren. Genau das tut die politische ökologie mit einer Mischung aus Leidenschaft, Sachverstand und Hartnäckigkeit. Die politische ökologie schwimmt gegen den geistigen Strom und spürt Themen auf, die oft erst morgen die gesellschaftliche Debatte beherrschen. Die vielfältigen Zugänge eröffnen immer wieder neue Räume für das Nachdenken über eine Gesellschaft, die Zukunft hat. Herausgegeben wird die politische ökologie vom oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation.

Editorial

E

s gibt Themen, die sind einfach anders. Sie berühren uns mehr und hallen länger nach. Das geht auch einem Redaktionsteam so, das sich tagtäglich mit brisanten Umweltthemen beschäftigt. So herrschte in der Redaktion der politischen ökologie in den letzten Monaten oft ein seltsam mulmiges Gefühl vor, das sich verstärkte, je länger wir im braungrünen Sumpf herumwateten. Gespeist wurde es auch dadurch, dass uns mehrfach Autor(inn)en mit der Begründung absagten, das angefragte Thema sei wichtig, ihm oder ihr aber politisch zu heiß. Genauso ungewohnt war für uns, dass einige nur unter Pseudonym und ohne Nennung ihrer Kontaktdaten veröffentlichen wollten. Es ist kein neues Phänomen, dass ökologische Themen von Kräften aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum vereinnahmt werden. Natur- und Heimatschutz sind traditionell schließlich eher konservativen politischen Denkmustern verhaftet. Neu ist jedoch, wie Rechtsextreme in jüngerer Zeit Ideologie und Praxis verbinden: „Braune Grüne“ nehmen sich verstärkt lokaler Konflikte an, marschieren auf Demonstrationen gegen geplante Kohlekraftwerke oder Tiermastfabriken mit, verteilen Flugblätter gegen Gentechnik oder beteiligen sich an Castor-Blockaden. „Völkische Siedler“ bauen in familiären Landkommunen Bio-Lebensmittel an und engagieren sich in Ortsvereinen. Die politische Strategie dahinter ist immer die gleiche: Mithilfe sozial-ökologischer Themen versuchen sie, ihr biologistisches, rassistisches und antisemitisches Weltbild in breiteren Bevölkerungsschichten (wieder) salonfähig zu machen. Dass rechtsextremistisches Gedankengut noch immer ein Thema in Deutschland und anderswo in Europa ist, haben uns nicht nur die NSU-Mordserie samt dazugehöriger Ermittlungspannen oder die Tat und der Prozess des norwegischen Massenmörders Anders Breivik eindrücklich vor Augen geführt. Auch aktuelle Erhebungen zu rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung zeichnen ein erschreckendes Bild. Es besteht unzweideutig Handlungsbedarf. Die Autor(inn)en dieser Ausgabe zeigen, wie stark die braune Öko-Szene mittlerweile ist, zeichnen historische Traditionslinien nach und machen deutlich, warum es so wichtig ist, sich dagegen zu wehren, dass ökologische Themen von Rechtsextremen besetzt werden. Ignorieren ist jedenfalls kein Ausweg. Anke Oxenfarth [email protected]

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Inhalt

Inhaltsverzeichnis Braun-grüner Sumpf Einstiege

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Gut getarnt auf Stimmenfang Braune Grüne Von Toralf Staud

17

Geister der Vergangenheit Original und Fälschung Die Rolle der Natur im Konservatismus und im Nationalsozialismus Von Ludwig Trepl

24

Wie grün waren die Nazis? Eine kurze Umweltgeschichte von 1933 bis 1945 Von Frank Uekötter

32

Heimat in der Rechtsaußenposition Die Entwicklung brauner Parteien und Institutionen nach 1945 Von Johannes Melchert

39

Artenschutz für das Volk Sozial-ökologische Problemlagen im rechtsextremen Denken Von Gideon Botsch und Christoph Kopke

46

Nach dem Vorbild der Artamanen Völkische Siedlungsbewegung Von Stefan Brauckmann

52

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9

Inhalt

Neue Schatten 60

Biomilch vom braunen Hof Landwirtschaft Von Raimon Klein

65

„Umweltschutz ist nicht grün“ „U&A“ – das Ökologiemagazin der Rechten Von Andreas Speit

72

Auf die sanfte Tour Frauen in der rechtsextremen Umweltszene Von Anna Schmidt

78

Gegen das Fremde, nicht nur im Garten Die Neobiota-Diskussion als Einfallstor für Rechtsextreme Von Nils M. Franke

86

„Fleischesser wurden ganz klar nicht geduldet“ Rechte Aussteiger mit ökologischem Bewusstsein Interview mit Bernd Wagner

Impulse 91

Projekte und Konzepte

100 Medien

10

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Inhalt

Spektrum Nachhaltigkeit Die Natur wird ihr Preisschild nicht los 104 Die UN-Konferenz zur Biodiversität in Hyderabad Von Thomas Fatheuer Die Ampel steht noch auf Gelb 108 Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik im Verkehr Von Weert Canzler und Anke Schmidt Das Leben in der Zukunft „2052“ – Der neue Bericht an den Club of Rome Von Jorgen Randers

112

Eine Spurensuche Fluortenside in der Umwelt Von Ingo Valentin

118

Grün grün grün sind alle meine Bücher … 122 Green Publishing Von Anke Oxenfarth

Rubriken Für die finanzielle Unterstützung danken wir:

Editorial

7

Impressum 128 Vorschau 129

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Braun-grüner Sumpf

Rechtsextremismus Sammelbezeichnung für faschistische, neonazistische oder ultranationalistische politische Ideologien und Aktivitäten. Gemeinsamer Kern ist die Orientierung an ethnischer Zugehörigkeit, das Infragestellen rechtlicher Gleichheit zwischen Menschen sowie ein antipluralistisches, antidemokratisches und autoritär geprägtes Verständnis von Gesellschaft. Politisches Ziel ist die Umgestaltung des freiheitlich-demokratischen Nationalstaates in eine autoritär geführte „Volksgemeinschaft“. Rechtsradikalismus Als „rechtsradikal“ aufzufassen ist Gedankengut vom rechten Rand des politischen Spektrums, das zwar antisemitisch, rassistisch oder autoritär ist, freiheitlich-demokratische Verfassungen aber nicht explizit negiert. Im gängigen Sprachgebrauch werden „Rechtsextremismus“ und „Rechtsradikalismus“ oft synonym verwendet. Rassismus Eine Ideologie, die „Rasse“ in der biologistischen Bedeutung als grundsätzlichen bestimmenden Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften deutet, häufig vermengt mit dem ethnisch-soziologischen Begriff „Volk“. Rassische Diskriminierung versucht, auf (projizierte) phänotypische und davon abgeleitete persönliche Unterschiede zu verweisen. Neue Rechte „Neue Rechte“ ist ein Sammelbegriff für ein rechtsintellektuelles, loses Netzwerk aus Publizist(inn)en und Akademiker(inne)n, denen eine antidemokratische Einstellung gemeinsam ist. Zurückgehend auf ein politisches Gegenmodell zu den linken Studentenbewegungen Ende der 1960er-Jahre, setzt die „Neue Rechte“ auf die „Kulturelle Hegemonie“. Trotz der bewussten strategischen Verschleierung ihrer Ziele sind ihre Kernthemen Antiliberalismus, Antisemitismus, Rassismus und Islamfeindlichkeit. Autonome Nationalisten Eine von Neonazis erfundene Bezeichnung, die identitätsstiftend wirken soll. Das Auffällige an den extrem gewaltbereiten, meist sehr jungen „Autonomen Nationalisten“ ist, dass sie sich in Kleidung und Auftreten an militanten linken Autonomen orientieren: Sie tragen schwarze sportliche Kleidung, meist von der in Nazikreisen sehr beliebten Modemarke „Thor Steinar“, Palästinensertücher (als Zeichen für ihre antisemitische Ideologie) und in der linksalternativen Szene beliebte Buttons und Anstecker. Bei Naziaufmärschen imitieren sie den „Schwarzen Block“ der linken Autonomen und übernehmen für ihre Transparente deren Motive, angereichert um rechtsextreme Parolen. Freie Kräfte Selbstbezeichnung der rechtsextremen Szene für Kameradschaften. Das Kameradschaftsmodell geht von eigenständigen, nicht parteigebundenen regional aktiven Gruppen aus, die ihre Aktivitäten in einem Netzwerk und unter dem Dach überregionaler „Kameradschaftsverbände“ und „Aktionsbüros“ bündeln. Meinen Neonazis die gesamten „Freien Kräfte“, nennen sie den Verbund auch „Nationalen Widerstand“ oder „Freien Widerstand“. Entsprechend heißen ihre Blogs und Internetseiten „Freies Netz“. Identitäre Bewegung Die „Identitäre Bewegung“ ist ein relativ neues Phänomen in der rechtsextremen Szene, das vor – allem im Internet – mit Mitteln der Pop- und Eventkultur Islamfeindlichkeit, Rassismus und Nationalismus propagiert. Der Ursprung der Bewegung entstand in Frankreich, ihr Symbol ist ein gelbes Lambda (griechischer Buchstabe) auf schwarzem Grund. (mj). _ Quellen: www.netz-gegen-nazis.de; www.wikipedia.org

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Braun-grüner Sumpf

Gesellschaftliche Mitte mit Rechtsdrall

Elfte

Jeder in Deutschland ist Antisemit, einzelne judenfeindliche Äußerungen haben Zustimmungsraten von bis zu

62%.

9%

der Deutschen (bundesweit) haben ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, in den neuen Bundesländern liegt der Anteil bei fast

16%.

Einzelnen islamfeindlichen Aussagen stimmt jeder Deutsche zu.

vierte

zweite

Deutsche (bundesweit) ist ausländerfeindlich Jeder eingestellt, in den neuen Bundesländern sind es fast

39%.

„Die von uns gemessene Ausländerfeindlichkeit ist nicht etwa da besonders hoch, wo sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen täglich begegnen, sondern dort, wo kaum Migrantinnen und Migranten wohnen. Auch wenn wir die Verhaltensebene des Rechtsextremismus betrachten, können wir nicht von einem 'ostdeutschen' Phänomen sprechen. Sogenannte 'Freie Kräfte' oder 'Autonome Nationalisten' sind im Westen genauso stark organisiert wie im Osten. Gewalt und andere Übergriffe fallen hier wie dort immer wieder durch ihre erschreckende Brutalität auf. Was sich in der Gegenüberstellung von Ost und West jedenfalls zeigt, ist das Abkoppeln ganzer Regionen von der gesamtstaatlichen bzw. europäischen Entwicklung. Diese zurückgelassenen Regionen bringen für die Demokratie langfristig viel schwerwiegendere Probleme mit sich als 'nur' hohe Arbeitslosenzahlen oder Verschuldungsraten. Diese Situation darf keinesfalls unbeantwortet bleiben. Und natürlich geht es dabei um politisch hart umkämpfte Verteilungsfragen, nämlich um die Verteilung von Arbeit und Wohlstand.“ Aus: Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Brähler, Elmar (2012): Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012, herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer. Bonn, S. 115.

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