Klimapolitik – jenseits von ‚links' und ‚rechts'?

3.1.3.4 Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen .................................... ..... flußreichste Parlament der deutschen Geschichte“ (ebd.: 259) bezeichnet hat,.
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Anne Kroh, Dr. phil., ist seit 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI).

Anne Kroh

Anne Kroh • Klimapolitik – jenseits von ‚links‘ und ‚rechts‘?

Mit seiner These vom „Ende der Ideologien“ hat der Soziologe Daniel Bell in den 1960er Jahren eine Debatte entfacht, die bis in die Gegenwart anhält. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht die Frage, ob ‚links‘ und ‚rechts‘ relevante Kategorien zur Strukturierung des politischen Wettbewerbs sind und welche Bedeutung Ideologien zukommt. Auch im Hinblick auf klimapolitische Debatten werden Zweifel an der Gültigkeit der Links-Rechts-Dichotomie geäußert. Anne Kroh geht daher in ihrer Studie der Frage nach, ob sich die Begriffe ‚links‘ und ‚rechts‘ zur Beschreibung parteipolitischer Konfliktlinien in der parlamentarischen Debatte um den Klimawandel eignen. Nach Erörterung der im Deutschen Bundestag vorgebrachten klimapolitischen Positionen analysiert Kroh deren Verhältnis zum Links-Rechts-Schema. Dies erfolgt durch die Verknüpfung von klimapolitischen Positionen mit den allgemeinen Parteiverortungen durch das Comparative Manifestos Project und dem Gleichheitskriterium. Ein zentrales Untersuchungsergebnis lautet, dass die Begriffe ‚links‘ und ‚rechts‘ in der Klimapolitik angewendet werden können, da die argumentativen Differenzen in der Klimapolitik größtenteils mit den allgemeinen Parteiverortungen auf der Links-Rechts-Skala konvergieren und sich mit dem Gleichheitskriterium strukturieren lassen. Mit ihrer Studie legt Anne Kroh einen wichtigen Forschungsbeitrag vor, der das Verhältnis zwischen klimapolitischen Positionen und Parteiideologien umfassend und systematisch ­analysiert.

Klimapolitik – jenseits von ‚links‘ und ‚rechts‘? Eine Analyse klimapolitischer Positionen in der Bundesrepublik Deutschland

ISBN 978-3-95605-025-1

9 783956 050251

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Anne Kroh

Klimapolitik – jenseits von ‚links‘ und ‚rechts‘? Eine Analyse klimapolitischer Positionen in der Bundesrepublik Deutschland

Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg

Diese Arbeit wurde von der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades (Dr. phil.) genehmigt. Gutachter waren Professor Dr. Claus Leggewie und Professor Dr. Andreas Blätte. Die Disputation fand statt am 23.09.2015.



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ISBN

978-3-95605-025-1 (Printausgabe)



ISBN

978-3-95605-026-8 (E-Book)



Satz

UVRR

Druck und Bindung

Format Druckerei, Jena Printed in Germany

Für Jens, Mathilda und Hannah

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Claus Leggewie für sein großes Vertrauen, seine klugen Anregungen und die Freiheit, die er mir nicht nur während der Promotionsphase, sondern auch in den Jahren unserer bereichernden Zusammenarbeit entgegengebracht hat. Gleichzeitig danke ich ihm für die vielfältigen Einblicke in verschiedenste kultur- und politikwissenschaftliche Themen und Fragestellungen, die ich neben der Dissertation durch meine Mitarbeit an seinen Projekten beziehungsweise durch meine Tätigkeit am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) erhalten durfte sowie für sein Verständnis und Engagement, Familie, Beruf und Dissertation stets in bestmöglicher Weise verbinden zu können. Ohne ihn wäre die vorliegende Arbeit nicht in dieser Form entstanden. Des Weiteren möchte ich meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Andreas Blätte für seine hilfreichen Hinweise sowie seine gründliche Lektüre danken. Gerade in der Schlussphase der Promotion war seine ruhige und freundliche Art eine große Stütze für mich. Zudem danke ich Prof. Dr. Christoph Bieber für seine kompetente, zuverlässige und nette Unterstützung im Vorfeld von Disputation und Veröffentlichung. Bedanken möchte ich mich zudem bei meinen Kolleginnen und Kollegen am KWI für den kollegialen Austausch, für zahllose anregende Diskussionen, Korrekturen und ihre freundschaftliche Unterstützung. Besonders hervorzuheben sind hier die Mitglieder des Graduiertenkollegs „Herausforderung der Demokratie durch Klimawandel“, meine Mittagessensrunden, PD Dr. Alfred Hirsch, Dr. Norbert Jegelka und das Bibliotheksteam um Mechthild WillemsSchaum, Carola Heuser und Julia Böing. Darüber hinaus danke ich meinen Freundinnen und Freunden: Insbesondere Johanna Hoppen, die durch ihr gründliches und kluges Lektorat sowie durch den intensiven wissenschaftlichen und herzlichen persönlichen Austausch nicht nur mich, sondern durch ihre liebevolle Betreuung auch meine Kinder in allerbester Weise unterstützt hat; Alena McCorkle, die mir treu und einfühlsam in allen Lebenslagen als großartige Freundin und gescheite Korrekturleserin zur Seite steht, Dr. Roderick Parkes und Dr. Imke Schmidt für ihre gewissenhaften und sehr hilfreichen Korrekturhilfen sowie meinen lieben Freundinnen Annette Maubach, Annina Lottermann, Dr. Corinna Reipen, Katrin Bauer, Magdalena Schaeffer, Nadine Lievenbruck und den Scaldings. Schön, dass es euch gibt!

Insbesondere danke ich meinen Eltern, meinen Geschwistern Stefanie und Ben sowie meinem Großvater Richard: Für ihr vorbehaltloses und unerschütterliches Vertrauen, dass das, was ich tue, für mich irgendwie richtig und gut ist. Und dafür, dass sie mich mit all ihren Kräften bei jedem Lebensprojekt und Einfall in allerliebster Weise ideell und materiell unterstützen, damit ich begonnene Projekte (wie dieses) auch zu Ende bringen kann. Mein allergrößter Dank gilt euch, Hannah und Mathilda, eurer Geduld, eurem Lachen, eurer Lebensfreude: Ihr habt mir gezeigt, die Welt mit euren Augen, von ihrer schönsten Seite zu sehen, mich beim Pfützenspringen, Steinchenwerfen oder Laufradfahren immer wieder geerdet und mir damit neue Energie und Kreativität für den Schreibprozess gegeben. Ihr seid großartig, danke! Aber vor allem möchte ich meinem Mann Jens danken, der diese Arbeit vom ersten bis zum letzten Wort begleitet, gelesen und redigiert, alle Zweifel und Motivationskrisen geduldig ertragen und mich immer wieder neu ermutigt hat. Ihnen dreien ist diese Arbeit gewidmet. Anne Kroh

Inhalt 1 Einleitung.............................................................................................................. 9 2

‚Links‘ und ‚rechts‘ – funktionale Orientierungsbegriffe zur semantischen Strukturierung des parteipolitischen Wettbewerbs?...................................................................................................... 27

2.1

Genese der Links-Rechts-Dichotomie.......................................................... 27

2.2

Funktionen der Begriffe ‚links‘ und ‚rechts‘ im allgemein-politischen Sprachgebrauch und ihre Bedeutung zur Beschreibung von Konfliktlinien in der Umwelt- und Klimapolitik........................................ 28

2.3

Definitionen und inhaltliche Bestimmung der beiden politischen Richtungsbegriffe.......................................................................... 38

2.3.1

Wahlprogrammbasierter Ansatz von CMP......................................................... 39

2.3.2

Umfragebasierter Ansatz von Benoit und Laver................................................. 41

2.3.3

Ansätze zur Bestimmung einer zeit- und raumunabhängigen Kategorie zur Unterscheidung von ‚links‘ und ‚rechts‘........................................................ 42 2.3.3.1 Verändern vs. Bewahren des Status quo....................................................... 42 2.3.3.2 Gleichheit vs. Ungleichheit.......................................................................... 44 2.3.3.3 Markt vs. Staat............................................................................................. 54

2.4

Verortung von Parteien auf der Links-Rechts-Skala.................................. 56

3

Klimapolitik im Plenum des Deutschen Bundestages........................ 61

3.1

Legitimation und Delegitimation von Klimaschutzmaßnahmen.......... 61

3.1.1 Einführung............................................................................................................. 61 3.1.2 Klimawissenschaft.................................................................................................. 66 3.1.2.1 Bundestagsfraktion der SPD........................................................................ 66 3.1.2.2 Bundestagsfraktion der CDU/CSU............................................................. 72 3.1.2.3 Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen....................................... 77 3.1.2.4 Bundestagsfraktion der FDP........................................................................ 82 3.1.2.5 Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke....................................................... 88 3.1.2.6 Zusammenführende Analyse und Links-Rechts-Verortung......................... 91

3.1.3

Intra- und intergenerationelle Gerechtigkeit...................................................... 99 3.1.3.1 Bundestagsfraktion der SPD...................................................................... 100 3.1.3.2 Bundestagsfraktion der CDU/CSU........................................................... 102 3.1.3.3 Bundestagsfraktion der FDP...................................................................... 104 3.1.3.4 Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen..................................... 106 3.1.3.5 Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke..................................................... 108 3.1.3.6 Zusammenführende Analyse und Links-Rechts-Verortung........................111

3.1.4

Klimaschutz, Wirtschaftswachstum und die Idee der ‚Ökologischen Modernisierung‘......................................................................... 119 3.1.4.1 Bundestagfraktion der SPD........................................................................119 3.1.4.2 Bundestagsfraktion der CDU/CSU........................................................... 121 3.1.4.3 Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen..................................... 124 3.1.4.4 Bundestagsfraktion der FDP...................................................................... 126 3.1.4.5 Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke..................................................... 128 3.1.4.6 Zusammenführende Analyse und Links-Rechts-Verortung....................... 130

3.1.5 Schöpfungstheologie............................................................................................ 140

3.2

Internationale Klimapolitik............................................................................ 144

3.2.1 Einführung........................................................................................................... 144 3.2.2

Ausgestaltung eines globalen Klimaschutzabkommens und das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung................ 148 3.2.2.1 Bundestagsfraktion der SPD...................................................................... 148 3.2.2.2 Bundestagsfraktion der CDU/CSU........................................................... 158 3.2.2.3 Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen..................................... 171 3.2.2.4 Bundestagsfraktion der FDP...................................................................... 180 3.2.2.5 Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke..................................................... 187 3.2.2.6 Zusammenführende Analyse und Links-Rechts-Verortung....................... 195

3.2.3

Flexible Mechanismen......................................................................................... 210 3.2.3.1 Bundestagsfraktion der SPD...................................................................... 210 3.2.3.2 Bundestagsfraktion der CDU/CSU........................................................... 214 3.2.3.3 Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen..................................... 218 3.2.3.4 Bundestagsfraktion der FDP...................................................................... 222 3.2.3.5 Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke..................................................... 226 3.2.3.6 Zusammenführende Analyse und Links-Rechts-Verortung....................... 229

3.3 Energiepolitik..................................................................................................... 234 3.3.1 Einführung........................................................................................................... 234 3.3.2

Bundestagsfraktion der SPD............................................................................... 239

3.3.3

Bundestagsfraktion der CDU/CSU................................................................... 250

3.3.4

Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen............................................ 265

3.3.5

Bundestagsfraktion der FDP.............................................................................. 275

3.3.6

Bundestagsfraktion der PDS/Die Linke............................................................ 282

3.3.7

Zusammenführende Analyse und Links-Rechts-Verortung............................ 288

4 Schluss................................................................................................................. 307 5 Anhang................................................................................................................ 323 5.1 Literaturverzeichnis.......................................................................................... 323 5.2 Abkürzungsverzeichnis.................................................................................... 369

1 Einleitung Mit seiner These vom „Ende der Ideologien“ hat der US-amerikanische Soziologe Daniel Bell in den 1960er Jahren eine Debatte entfacht, die bis in die Gegenwart anhält. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht die Frage, ob ‚links‘ und ‚rechts‘ im politischen Wettbewerb relevante Kategorien sind und welche Bedeutung Ideologien zukommt – jenen stabilen „Systeme[n] von Ideen, Werten und Überzeugungen“, die gleichzeitig als eine „Chiffre […] für die Grundausrichtung einer Partei bzw. einer Familie von Parteien“ verstanden werden können (Arzheimer 2008: 86). Die politisch-ideologischen Gräben, die sich im 19. Jahrhundert an Fragen der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit aufgetan hatten, seien – so Bell (1988 [1960]) – Mitte des 20. Jahrhunderts obsolet geworden: „The problems which confront us at home and in the world are resistant to the old terms of ideological debate between ‚left‘ and ‚right‘“ (ebd.: 406). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sei es zu einer weitreichenden Annäherung zwischen den politischen Lagern mit Blick auf zentrale Fragen der Gegenwart gekommen: „In the Western world […] there is today a rough consensus among intellectuals on political issues: the acceptance of a Welfare State; the desirability of decentralized power; a system of mixed economy and of political pluralism.“ (Ebd.: 402f.) Ähnlich argumentierte wenig später auch der deutsche Staatstheoretiker Otto Kirchheimer (1965): Er konstatierte einen generellen Wandel der westeuropäischen Parteien zu Allerweltsparteien (catch-all-Parteien), weil sie sich zunehmend an breiteren Wählerschichten orientierten. Dieser Pragmatismus habe zwar zu besseren Wahlergebnissen, gleichzeitig aber auch zu einer Entideologisierung und programmatischen Konturlosigkeit der jeweiligen Partei geführt. (Vgl. ebd.) Mit dem Aufkommen der Neuen Linken und dem Entstehen grüner Parteien in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren fand die Debatte über die Bedeutung von Ideologien eine Fortsetzung. Dabei wurde erneut die Relevanz der politischen Richtungsbegriffe ‚links‘ und ‚rechts‘ in Frage gestellt. Leitendes Argument war, dass sich Konflikte beispielsweise um Ökologie und Geschlechtergerechtigkeit mit den beiden Begriffen nicht beschreiben lassen. Die Partei der Grünen bezeichnete sich dementsprechend selbst in ihren Gründungsjahren als „nicht rechts, nicht links, sondern vorn“ (vgl. Mende 2011: 434ff.). Auch im Hinblick auf klimapolitische Debatten, deren Analyse den zentralen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bilden, werden Zweifel an der Gültigkeit der Links-Rechts-Dichotomie geäußert. So erklärt beispielsweise der Sozialpsychologe Harald Welzer (2013 und 2011) das Links-Rechts-Schema zur Beschreibung der konkurrierenden Positionen in der Klimadebatte für untaug-

10

Kapitel 1

lich: Um die Konfliktlinien im Klimadiskurs zu erfassen, sei anstelle von ‚links‘ und ‚rechts‘ vielmehr eine Orientierung an den Begriffen „zukunftsfähig“ und „zukunftsfeindlich“ sinnvoll. (Vgl. Welzer 2013: 20; 2011: o. S.) Im Gegensatz dazu sieht der britische Soziologe Anthony Giddens (2009) die Akteurinnen und Akteure in der Klimapolitik dem Rechts-Links-Denken stark verhaftet: Vertreterinnen und Vertretern der Linken eröffne der Klimawandel eine gerne genutzte Möglichkeit, die traditionell mit ihnen assoziierte Marktskepsis und Kapitalismuskritik zu erneuern und umfassende Sozialreformen zu fordern. Diejenigen, die mit Zweifeln oder Leugnung auf den Klimawandel reagieren, seien hingegen häufig der politisch Rechten zuzuordnen. (Vgl. ebd.: 7; 49f.) Während sich zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Überprüfung der Thesen von Bell und Kirchheimer über die Polarisierungskraft von Ideologien im allgemeinen Politikbetrieb angenommen haben (vgl. exemplarisch Franzmann 2009), liegen bislang keine umfassenden Studien vor, die speziell das Verhältnis zwischen klimapolitischen Positionen und Parteiideologien systematisch analysieren  – abgesehen von eher intuitiven Interpretationsansätzen wie denen von Welzer oder Giddens. Auch für den Bereich der allgemeinen Umweltpolitik bestätigen Böcher und Töller (2012), dass es an empirischen Auseinandersetzungen mit Parteidifferenzen mangele (vgl. ebd.: 120), obwohl umweltpolitische Positionen „vor dem Hintergrund der unterschiedlichen parteispezifischen Grundideologien recht unterschiedlich ausfallen können.“ (Ebd.: 116)

Ziele und Leitfragen der Arbeit Die vorliegende Arbeit möchte sich dieser Diskussion um die Bedeutung von Ideologien, vor allem aber der Begriffe ‚links‘ und ‚rechts‘, in umweltpolitischen Fragestellungen empirisch nähern und einen Beitrag zur Reduktion der angesprochenen Forschungslücke leisten. Sie konzentriert sich auf die Klimapolitik, die einen „zentrale[n] Teilbereich der Umweltpolitik […] [und] gleichzeitig ein sektorales Querschnittsthema“ (Hirschl 2008: 113) mit starker Relevanz für andere Politikfelder (beispielsweise für die Energie-, Landwirtschafts-, ­Wald-, Verkehrs-, Bau- und Wirtschaftspolitik) darstellt (vgl. Böcher/Töller 2012: 49f.; Hirschl 2008: 113, 125). Im Zentrum steht dabei die Frage, ob sich die RechtsLinks-Dichotomie dazu eignet, die Konfliktlinien in der Debatte um den Klimawandel abzubilden. Anders formuliert: Liegen die klimapolitischen Positionen orthogonal zum Links-Rechts-Schema und damit jenseits von ‚links‘ und

Einleitung 11

‚rechts‘1? Und lassen sich in der Klimadebatte überhaupt Konfliktlinien finden? Oder ist in diesem Politikfeld das „Ende der Ideologien“ erreicht? Der Begriff der Konfliktlinie geht auf die sogenannte Cleavage-Theorie zurück. Lipset und Rokkan (1967) haben darin vier grundlegende Konfliktlinien (Zentrum-Peripherie, Stadt-Land, Arbeit-Kapital, Staat-Kirche) identifiziert, die in den westeuropäischen Gesellschaften gegen Ende des 19. Jahrhunderts zentral für die Entstehung europäischer Parteiensysteme waren. (Vgl. ebd.) Daran anknüpfend kann nach Niedermayer (2009) zwischen gesellschaftlichen und parteipolitischen Konfliktlinien unterschieden werden,2 wobei in dieser Arbeit ausschließlich parteipolitische Konfliktlinien untersucht werden. In der Politikwissenschaft herrscht zwar einerseits weitgehende Einigkeit darüber, dass die vier traditionellen Cleavages zur Analyse von parteipolitischen Konfliktstrukturen seit Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts einen Bedeutungsverlust erfahren haben. Andererseits besteht aber Dissens über Anzahl und Art alternativer Konfliktdimensionen (vgl. ebd.: 37ff.). Diese Arbeit zielt daher zunächst darauf ab, die parteipolitische Konfliktstruktur in der Klimadebatte zu erörtern. Im Anschluss daran soll die Frage beantwortet werden, ob sich die eindimensionale Links-Rechts-Dichotomie zur Beschreibung dieser Konflikte zwischen Parteien eignet. Der Frage nach dem Nexus zwischen Links-Rechts und der Klimapolitik sind bereits einige Studien aus der sozial- und kulturwissenschaftlichen Klimaforschung empirisch nachgegangen, indem sie das Verhältnis zwischen der politischen Ideologie (‚links‘  – ‚rechts‘) einer Tageszeitung und deren Berichterstattung über den Klimawandel analysiert haben (vgl. Dirikx/Gelders 2010; Carvalho 2007, 2005; Ereaut/Segnit 2006; Carvalho/Burgess 2005). Die folgende Arbeit knüpft daran an, wählt jedoch als Untersuchungsobjekt nicht Medien, sondern politische Parteien beziehungsweise Fraktionen und deren klima1 2

Der Titel dieser Arbeit bezieht sich auf Anthony Giddens (1997): Jenseits von Links und Rechts: Die Zukunft radikaler Demokratie, Frankfurt am Main: Suhrkamp. Unter einem gesellschaftlichen Cleavage kann Niedermayer (2009) zufolge „eine tief greifende, über eine längere Zeit stabile, konflikthafte und im Rahmen des intermediären Systems organisatorisch verfestigte Spaltungslinie zwischen Bevölkerungsgruppen [verstanden werden], die über ihre sozialstrukturelle Positionierung und die hieraus abgeleiteten materiellen Interessen und Wertvorstellungen bzw. primär über ihre unterschiedlichen Wertvorstellungen definiert sind“ (ebd.: 35). Dagegen lassen sich parteipolitische Konfliktlinien definieren als „tief greifende, über eine längere Zeit stabile, konflikthafte und auf der parteipolitischen Vertretung der Belange unterschiedlicher, durch ihre sozialstrukturelle Positionierung und die hieraus abgeleiteten materiellen Interessen und Wertvorstellungen bzw. primär über ihre unterschiedlichen Wertvorstellungen definierter Bevölkerungsgruppen beruhende Spaltungslinien im Parteiensystem.“ (Ebd.: 37)

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Kapitel 1

politische Positionen im Parlament. Im Fokus stehen dabei die Positionierungen von Repräsentantinnen und Repräsentanten deutscher Parteien im Plenum des Deutschen Bundestages aus zwei Legislaturperioden (14. und 17. Legislaturperiode). Dies soll wie folgt begründet werden:

Parteien als Untersuchungsobjekt Parteien stellen zur Beantwortung der Forschungsfrage aus zwei Gründen ein geeignetes Untersuchungsobjekt dar: Erstens wurden die Begriffe ‚rechts‘ und ‚links‘ ursprünglich zur Beschreibung unterschiedlicher Ideologien von Parteien und nicht von Medien genutzt. Das Links-Rechts-Schema fungiert seit dem Bestehen einer richtungspolitischen parlamentarischen Sitzordnung während der Französischen Revolution (vgl. Raschke 1998: 185ff. sowie Kapitel 2.1) als Metapher für die Klassifikation verschiedener Parteipositionen und dient sowohl politischen Eliten als auch der Wählerschaft seither als „Hilfsmittel der Orientierung in einem sich ausdifferenzierenden politischen Feld“ (Murphy et al. 1981: 400; H. i. O.). Zweitens erfüllen Parteien eine Reihe von Funktionen, die sie zu „Schlüsselakteuren des politischen Prozesses“ machen und aufgrund derer sie nicht durch „Verbände, Medien, Bürgerinitiativen, soziale Bewegungen oder andere zivilgesellschaftliche Assoziationsformen“ zu ersetzen sind (Wiesendahl 2006: 21). Ungeachtet der immer wieder aufflackernden Untergangsrhetorik  – bereits in den 1960er Jahren hatte Ekkehart Krippendorff (1962) „das Ende des Parteienstaates europäischer Prägung“ (ebd.: 69) prophezeit – erweisen sich die deutschen Parteien „als politische Überlebenskünstler“, die „erstaunlich wandlungs- und anpassungsfähig“ (Sarcinelli 2005: 173) sind. Parteien lassen sich als „Agenturen zum Ausdruck der Wünsche des Volkes“ bezeichnen (Wiesendahl 2006: 16), die eine Interessenrepräsentations- und Ausdrucksfunktion übernehmen (vgl. ebd.). Sie können in weiten Teilen als Spiegel gesellschaftlicher Interessen und Konfliktlinien gesehen werden und fungieren als „Hauptakteure der organisierten Willensbildung und der Rekrutierung von politischem Personal“ (von Alemann/Marschall 2002: 20; H. i. O.). Unabhängig von der normativen Frage, wie weit die Herrschaft der Parteien gehen sollte, sind Parteien unverzichtbar, „um politische Herrschaft auf legitime repräsentativ-demokratische Weise zu organisieren“ (Wiesendahl 2006: 67). Aufgrund der skizzierten Funktionen stellen die Aussagen von Parteirepräsentantinnen und Parteirepräsentanten ein geeignetes Untersuchungsobjekt für die Verortung klimapolitischer Positionen auf der Links-Rechts-Skala dar.

Einleitung 13

Das Parlament als Ort der Debatte um den Klimawandel In dieser Arbeit werden die klimapolitischen Positionen der Fraktionen und Abgeordneten im Parlament der Bundesrepublik Deutschland beleuchtet. Dies erfolgt aus drei Gründen: Erstens ist in demokratischen Systemen das Parlament der Ort, „an dem die gebotene Öffentlichkeit der Politik ihren sichtbaren Ausdruck finden soll: das Parlament als das zentrale politische Forum, auf dem die Interessen und Alternativen des politischen Gemeinwesens artikuliert und Politik schließlich verbindlich für alle entschieden wird“ (Sarcinelli 2005: 215).

Da Parlamenten eine Wahl-, Gesetzgebungs-, Kontroll- sowie eine Kommunikationsfunktion (vgl. Marschall 2005: 137ff.) innewohnt, sie gar „als zentrale politische Kommunikationsagenturen“ (Patzelt 1998: 431) gesehen werden, kommt dem Deutschen Bundestag, den Klaus von Beyme (1997) als „das einflußreichste Parlament der deutschen Geschichte“ (ebd.: 259) bezeichnet hat, eine bedeutende Rolle im politischen System der Bundesrepublik zu. Die empirische Analyse dieser Arbeit konzentriert sich konkret auf klimapolitisch relevante Äußerungen der Abgeordneten in den Plenardebatten und den dort verhandelten Anträgen der Fraktionen. Plenardebatten werden häufig dafür kritisiert, dass dort die Positionen einzelner Abgeordneten nicht diskursiv und deliberativ verhandelt werden, die Abgeordneten Fraktionszwängen unterliegen, überwiegend Gruppenpositionen vertreten werden und die Abstimmungen meist bereits im Vorfeld der jeweiligen Plenardebatten entschieden sind. Dadurch wirken die Debatten im Plenum inszeniert und reduzieren sich auf das „Dokumentieren und Legitimieren der Positionen und Entscheidungen“ (Burkhardt 1995: 77). Plenardebatten bewegen sich ferner meist an der Schnittstelle zwischen Politikherstellung und Politikdarstellung; hier werden die in der parlamentarischen Nichtöffentlichkeit gefällten Entscheidungen vor allem präsentiert und weniger erstritten (vgl. Sarcinelli/Tenscher 2000), weshalb den Plenardebatten ein „unbefriedigende[r] Zwittercharakter“ zukommt (Patzelt 1998: 436). Armin Burkhardt (1995) erkennt aus historischer Perspektive daher einen Wandel vom „Diskussions- über das Arbeits- bis hin zum Schaufensterparlament“ (ebd.: 80). Der Parlamentarismusforscher Stefan Marschall (2005) äußert jedoch Bedenken an der Verfallsthese Burkhardts: Vielmehr bezweifelt er, dass frühparlamentarische Debatten jemals „reine Diskursveranstaltungen“ waren und fragt, ob nicht schon immer strategisch kommuniziert worden ist. Das debattierende Plenum ist nach Marschall jedenfalls „eine feste Größe in der Wahrnehmung von Parlamenten“ (ebd.: 117). Auch Peter Bleses, Claus