8 Lesung: Römer 14,17-19 9 Predigt: Frieden stiften

17 Denn wo Gottes Reich beginnt, geht es nicht mehr um Essen und Trinken. Es geht darum, dass wir ein Leben nach Gottes Willen führen und mit Frieden.
280KB Größe 0 Downloads 40 Ansichten
Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 8. Juli 2018

8

4

Lesung: R¨ omer 14,17-19 17 Denn wo Gottes Reich beginnt, geht es nicht mehr um Essen und Trinken. Es geht darum, dass wir ein Leben nach Gottes Willen f¨ uhren und mit Frieden und Freude erf¨ ullt werden, so wie es der Heilige Geist schenkt. 18 Wer Christus in dieser Weise dient, u ¨ber den freut sich Gott und den achten die Menschen. 19 Deshalb wollen wir uns mit allen Kr¨aften darum bem¨ uhen, in Frieden miteinander zu leben und einander im Glauben zu st¨arken.

9

Predigt: Frieden stiften

Liebe Gemeinde Der Frieden ist einer der am schwersten fassbaren Begri↵e, die es gibt. Jedes Jahr wird der Friedensnobelpreis verliehen. Der Friedensprozess im Mittleren Osten ist seit Jahrzehnten am Laufen, aber Frieden gibt es trotzdem keinen. Der Frieden ist eine sehr ausgew¨ahlte und erw¨ unschte Ware in den Familien, unter den Menschen im Dorf, in den Kirchen usw. Es existiert heute ein massives Manko an Frieden. Aber alle sp¨ uren das Manko auf verschiedene Art und Weise. Es h¨angt von der Sensibilit¨at von jedem von uns ab. Viele w¨ unschen sich zum Beispiel Frieden im Mitteleren Osten. Aber diejenigen, die ein Interesse haben am Krieg und dass es keinen Frieden gibt, die sp¨ uren keinen Durst nach Frieden. Denken Sie nur an den bl¨ uhenden und sch¨andlichen Menschenhandel, an die moderne Sklaverei und Ausbeutung von M¨annern, Frauen und Kindern. Denken Sie an den Verkauf von Wa↵en. Das eigene Interesse durchsetzen scheint den Wunsch nach Frieden zu u ¨bertrumpfen. Das eigene Interesse kann auch unser Empfinden abschw¨achen. Dort wo wir kein pers¨onliches Interesse haben, bedauern wir den den Mangel an Frieden. Es macht uns richtig traurig. Aber wenn wir n¨aher an unser Umfeld kommen, wo unsere Interessen zu verteidigen

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 8. Juli 2018

5

wichtiger ist, schwindet auch bei uns den Durst nach Frieden, und veilleicht tragen wir sogar dazu bei, Feindschaften zu scha↵en oder Gr¨aben zwischen Menschen zu graben. Leider herrscht manchmal, ja sogar h¨aufig, kein Frieden in den Ehen. H¨aufig entwickeln Ehepaare einen Machtkampf. Leider m¨ochten viele Frauen und M¨anner die Kontrolle u ¨ber den anderen haben. Sie m¨ochten ihren Partner irgendwie ver¨andern. Es wird zu einem lebenslangen Wunsch, den anderen so zu gestalten, wie wir meinen, dass es besser w¨are. Wenn dann beide Partner sich gegenseitig ver¨andern wollen, f¨ uhrt dies zu lebenslangen K¨ampfen. Es kann keinen Frieden geben. Es herrscht auch kein Friede in der Ehe, wenn beide ihren Willen durchsetzten wollen. Der Mangel an Bereitschaft, dem anderen zuzuh¨oren und Kompromisse einzugehen, garantiert, dass es keinen Frieden gibt. Es fehlt die Annahme des anderen, so wie er oder sie ist. Die gegenseitige Wertsch¨atzung mangelt. Sie sehen, liebe Gemeinde, dass das Problem des Friedens alle Aspekte des Lebens durchdringt, von den grossen Konflikten, wie im Mittleren Osten bis hin zum Familienleben im eigenen Haus. Im Gegensatz zum Manko an Frieden in dieser Welt beschreibt die Bibel Gott als der “Gott des Friedens” (R¨om 15,33; 16,20; Phil 4,9; 1 Thess 5,23; Hebr. 13,20). Im 1 Korintherbrief schreibt Paulus: Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. (1 Kor 14,33) Im Judentum gr¨ usst man sich heute mit dem Grusswort “Schalom.” Es bedeutet mehr oder weniger “guten Tag.” Aber das Wort “Schalom” hat eine wichtige Geschichte und eine tiefe Bedeutung. Schalom bedeutet buchst¨ablich “Frieden.” Am Schluss praktisch jedes Gottesdienstes spreche ich den Aaronistischen Segen aus dem 4. Buch der Bibel, dem 4. Buch Mose: “Der Herr erhebe sein Angesicht u ¨ber und gebe uns “Schalom,” Frieden.” Der Frieden ist ein innerer Zustand von Vollst¨andigkeit und Ganzheit in Beziehung zu Gott und in Beziehung zu den Mitmenschen. Es ist das Bewusstsein der eigenen Position in der Welt vor Gott und vor den Menschen. Es ist das Zufriedensein mit dem, was man hat. Wenn man Schalom hat, dann herrscht das Gef¨ uhl von Wohlstand, aber nicht ein Wohlstand, der sich v¨ollig auf die materielle Ebene beschr¨ankt. Nein, es ist eine innere Ruhe, die tief im Vertrauen in Gott seine Wurzeln hat. Insbesondere fehlt in diesem Schalom, Frieden, das Bed¨ urfnis, etwas zu haben, was der andere hat. Wenn man diesen Schalom hat, dann verschwindet das Stehlen, aber

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 8. Juli 2018

6

auch die Eifersucht. Man hat auch nicht das krankhafte Gef¨ uhl, dass man mehr haben muss als der N¨achste. Die Ausbeutung und die Unterdr¨ uckung zugunsten der St¨arkung der eigenen Position haben dort keinen Platz, wo Schalom-Frieden herrscht. Wenn in dieser Welt Friede herrschen w¨ urde, dann g¨abe es vieles nicht, worunter Millionen von Menschen t¨aglich leiden. Schalom Frieden ist F¨ ulle und Freude. Die Welt steckt aber in einem Manko/Defizit. Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens. (1 Kor 14,33) Deshalb wenn wir f¨ ur den Frieden in der Welt beten, dann beten wir, dass Gott in die Welt kommt. Als Jesus Christus geboren wurde, sangen die Engel: “Ehre sei Gott in der H¨ohe und Friede auf Erden unter den Menschen” (Lukas 2:14). Der von Gott gew¨ahlte Mensch, um Friede auf die Erde zu bringen, ist sein Sohn Jesus Christus. Und der erste Schritt f¨ ur den Schalom-Frieden ist, dass die Beziehung zwischen Gott und Mensch, zwischen Gott und mir wieder hergestellt wird, wieder ganz und vollst¨adig gemacht wird. Paulus dr¨ uckt es im R¨omerbrief so aus: Wenn wir in Jesus Christus Glauben, dann “haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus” (R¨om 5,1). Und im Epheserbrief: “Denn er ist unser Friede” (Eph 2,14). Liebe Gemeinde, das Bild, das ich Ihnen vorstelle, ist ganz einfach. In dieser Welt fehlt der Friede. Aber Gott ist ein Gott des Friedens. Und sein Sohn Jesus Christus ist gekommen, um den Frieden von Gott in diese Welt zu bringen, aber es beginnt mit der Wiederherstellung der Beziehung zwischen Mensch und Gott durch den Glauben an Jesus Christus. In diesem Sinne, wenn wir Schalom-Frieden in dieser Welt haben wollen, dann kommen wir nicht darum herum Gott zu betrachten, denn er ist ein Gott des Friedens. Er hat das in voller F¨ ulle, was f¨ ur uns so fl¨ uchtlig bleibt. Er ist die Quelle, wir die Empf¨anger. Heutzutage gibt es einige Projekte von Anbau in der W¨ uste. Israel war ein Pionierland in Sachen W¨ ustenlandwirtschaft. Aber niemand w¨ urde auf die Idee kommen, etwas in der W¨ uste wachsen zu lassen, ohne eine Verbindung zu einer Wasserquelle zu sichern. So ist es schwierig, ja undenkbar, Schalom-Frieden zu haben, und gleichzeitig Gott selbst komplett aus den Augen zu verlieren. Jesus sagt:

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 8. Juli 2018

7

Frieden lasse ich euch zur¨ uck, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. (Johannes 14,27) Der Friede Gottes ist zentral im Judentum, aber auch in den Evangelien und im Christentum. Frieden ist keine Nebensache. Es ist etwas, was unsere Aufmerksamkeit verdient und verlangt. Jesus sagt: Gl¨ ucklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen. (Matt 5,9) Und Paulus ermutigt die Gemeinde wie folgt: Wenn m¨oglich, soweit es in eurer Macht steht: Haltet Frieden mit allen Menschen! (R¨om 12,18) Haltet Frieden untereinander! (1 Thess 5,13) Jagt dem Frieden mit allen nach (Hebr 12,14) Wie k¨onnen wir also Frauen und M¨anner des Friedens sein? Erstens, es soll uns bewusst werden, dass Frieden nicht automatisch geschieht. Vielleicht haben wir eine To-Do Liste, eine Liste der t¨aglichen Aufgaben, die wir erledigen sollten. Es w¨are hilfreich, wenn wir darauf schreiben w¨ urden, “und vergiss nicht Frieden zu stiften. Jage dem Frieden mit allen nach. Wenn m¨oglich halte Frieden mit allen Menschen.” Die Perspektive der fr¨ uhen Christen ist diejenige, dass Frieden etwas Erstrebenswertes ist. Ich stifte nicht automatisch Frieden um mich herum. Er muss mein Bewusstsein durchdrigen. Er muss einen hohen Stellenwert in meinem Leben haben. Er muss pr¨asent sein, sonst geschieht sehr wahrscheinlich genau das Gegenteil. Frieden stiften hat viel mit den Worten zu tun, die wir sagen. Wir haben Jakobus kurz am letzten Sonntag geh¨ort: Wenn jemand sich f¨ ur fromm h¨alt, aber seine Zunge nicht im Zaum halten kann, betr¨ ugt er sich selbst, und seine Fr¨ommigkeit ist nichts wert. (Jak 1,26) So kann auch die Zunge, so klein sie auch ist, enormen Schaden anrichten. Ein winziger Funke steckt einen großen Wald in Brand! (Jak 3,5)

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 8. Juli 2018

8

Die Menschen haben es gelernt, wilde Tiere, V¨ogel, Schlangen und Fische zu z¨ahmen und unter ihre Gewalt zu bringen. 8 Aber seine Zunge kann kein Mensch z¨ahmen. Ungeb¨andigt verbreitet sie ihr t¨odliches Gift. (Jak 3,8) Mit unseren Worten k¨onnen wir verletzen oder heilen, wertsch¨atzen oder klein machen, erbauen oder verachten, erm¨oglichen oder l¨ahmen und blockieren, wir k¨onnen die Welt mit schwarz und weiss t¨onen oder mit der ganzen Farbenpalette beschreiben, wir k¨onnen gl¨ ucklich oder traurig machen, wir k¨onnen Mut machen oder deprimieren, wir k¨onnen den andern erheben oder dominieren, wir k¨onnen frei machen oder ersticken. Unsere Worte sind ein Hauptinstrument, um Frieden zu stiften. Es bedeutet nicht, dass man die eigene Meinung nicht mehr sagen kann, oder dass man nur rosarote Worte verwendet, oder dass man keine konstruktive Kritik anbieten kann. Man soll seine eigene Meinung sagen k¨onnen, aber man sollte auch respektvoll gegen¨ uber Menschen anderer Meinung sein. Man kann das Gespr¨ach suchen, um das Verst¨andnis zu f¨ordern. Man kann auch kritisieren. Aber es w¨are nicht gesund, wenn man nur dann etwas bespricht, wenn es eine Kritik gibt, und die gute Dinge nie mit einem Kompliment oder einem positiven Wort erw¨ahnt. Wenn wir nie ein Wort der Wertsch¨atzung f¨ ur unsere Ehepartnerin, f¨ ur unser Ehepartner, f¨ ur unsere Kollegin oder f¨ ur unseren Kollegen haben, dann wird die Beziehung negativ belastet. Wertsch¨atzung, positive Worte, Ermutigung, Erm¨oglichung, mit dieser Art von Worten werden wir garantiert Frieden in unserem Umfeld stiften. Wir haben am letzten Sonntag gesehen, dass die negativen Worten, die wir den anderen sagen, uns selbst negativ beeinflussen. Das Gegenteil gilt nat¨ urlich auch. Wenn wir positive Worte f¨ ur unseren N¨achsten haben, das beeinflusst uns zutiefst im positiven Sinne. Der Grund daf¨ ur ist ganz klar: Unser Reden ist im Einklang mit dem Gott des Friedens. Vor zwei Wochen haben wir die Grabenmentalit¨at angesprochen, in Anlehnung an einen Asterix und Obelix Band mit dem Titel “Der grosse Graben.” Wenn wir Frieden stiften wollen, dann sollten wir darauf achten, dass wir nicht u ¨ber die anderen reden, sondern mit den anderen reden. Dies gilt vor allem, wenn es Spannungen oder Konflikte gibt. Es ist viel besser, dass wir mit den Betro↵enen reden, als mit 30 anderen Leuten. Vielleicht war der Grund des Konflikts nur ein einfaches Missverst¨andnis, das man mit einem direkten Gespr¨ach h¨atte entdecken und beseitigen k¨onnen. Aber wenn man nicht miteinander spricht, dann erlaubt man dem Konflikt, ungel¨ost weiter zu bestehen. Und

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 8. Juli 2018

9

mit der Miteinbeziehung von 5, 10, 15, 20 weiteren Menschen, w¨achst der Konflikt sogar exponentiell, denn die 5 Leute mit denen wir sprechen, sprechen dann mit weiteren 5, 10, 15 Leuten und so weiter. So graben wir Gr¨aben zwischen Menschen. Dies widerspricht unserem streben nach Frieden mit allen Menschen. Miteinander reden und nicht u ¨ber einander. Zum Schluss, Frieden stiften, geht Hand in Hand mit der Vergebung und der Vers¨ohnung. Jesus sagt: 23 Wenn ihr also vor dem Altar im Tempel steht, um zu opfern, und es f¨allt euch mit einem Mal ein, dass jemand etwas gegen euch hat, 24 dann lasst euer Opfer vor dem Altar liegen, geht zu dem Betre↵enden und vers¨ohnt euch mit ihm. Erst dann kommt zur¨ uck und bringt Gott euer Opfer dar. (Matt 5,23-24) Es ist unvermeidlich, dass in einer Beziehung Spannungen und Konflikte entstehen. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Wenn wir schnell zornig werden und lange brauchen, bis wir vergeben k¨onnen, dann sind wir nicht auf dem richtigen Weg. Frieden stiften bedeutet, aktiv einen Weg zur Vergebung und zur Vers¨ohnung mit dem andern zu suchen, “Jage dem Frieden nach.” Es kann manchmal unbequem werden, die Initiative zur Vers¨ohnung zu ergreifen. Manchmal machen wir uns bewusst verletzlich, weil der Friede mit unseren Mitmenschen uns wichtig ist, weil Gott ein Gott des Friedens ist. Das direkte Gespr¨ach ist wichtig. Wir stiften nach der Vers¨ohnung weiterhin Frieden, indem wir das B¨ose schnell vergessen, das wir erleiden mussten. Wir stiften Frieden, indem wir nicht nachtragend bleiben, indem wir nicht st¨andig Vorw¨ urfe machen und den andern st¨andig an das Unrecht erinnern, das er oder sie gemacht hat. Liebe Gemeinde Frieden stiften ist nicht einfach. Es ist ein Lebensweg, auf dem wir wachsen k¨onnen. Zu viel Frieden gibt es nicht. Gott ist ein Gott des Friedens und wir haben die einmalige M¨oglichkeit, seinen Frieden in diese Welt zu bringen, eine Welt, die den Frieden bitter n¨otig hat. Amen!