7 Andacht: “Der Neuanfang”

Liebe Gemeinde. Im Bauche einer werdenden Mutter unterhalten sich zwei Embryos. Einer von ihnen ein kleiner Skeptiker, der andere voller Vertrauen und ...
291KB Größe 0 Downloads 65 Ansichten
Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 25. Oktober 2015

7

8

Andacht: “Der Neuanfang”

Liebe Gemeinde Im Bauche einer werdenden Mutter unterhalten sich zwei Embryos. Einer von ihnen ein kleiner Skeptiker, der andere voller Vertrauen und Glauben. Der kleine Skeptiker fragt: “Und du glaubst tats¨achlich an ein Leben nach der Geburt?” Sagt der kleine Gl¨aubige: “Selbstverst¨andlich, ja. F¨ ur mich ist es v¨ollig klar, dass ein Leben nach der Geburt existiert. Unser Leben hier dient nur unserem Wachstum, damit wir uns auf das Leben nach der Geburt vorbereiten. Damit wir stark genug sind f¨ ur das, was uns dort erwartet.” Der kleine Skeptiker ist a¨rgerlich: “Das ist dummes Zeug! Es gibt kein Leben nach der Geburt. Wie sollte ein solches Leben auch aussehen!?” Der kleine Gl¨aubige: “Das weiß ich auch nicht. Aber es wird sicher sehr viel mehr Licht sein als hier. Und vielleicht werden wir sogar laufen und mit dem Mund essen!” Der Skeptiker winkt ab: “V¨olliger Unsinn! Laufen gibt es u ¨berhaupt nicht. Und mit dem Mund essen ist nun wirklich eine v¨ollig l¨acherliche Idee – wir haben die Nabelschnur, die uns ern¨ahrt! Schon deshalb ist ein Leben nach der Geburt v¨ollig unm¨oglich: Die Nabelschnur ist viel zu kurz!” Der Kleine Gl¨aubige ist unbeirrt: “Es ist sicherlich m¨oglich. Es ist einfach alles ein wenig anders, als wir es hier gewohnt sind.” Der Skeptiker verliert langsam die Geduld mit so viel Naivit¨at: “Niemand, aber auch niemand kam je zur¨ uck nach der Geburt! Sieh es ein: Die Geburt ist schlicht und einfach das Ende des Lebens. Punkt. Und u ¨berhaupt: Du und deine Traumgebilde! Das Leben ist eine große Sorge in der Dunkelheit und das war’s!” Der kleine Gl¨aubige mag dem nicht zustimmen: “Ich gebe zu, ich weiß nicht genau, wie das Leben aussehen wird nach der Geburt . . . aber auf jeden Fall werden wir dann die Mutter endlich sehen und sie wird sich um uns k¨ ummern!” Der Skeptiker verdreht die Augen: “Mutter!? Du glaubst an die Mutter? L¨acherlich! Wo bitte soll die sein?”

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 25. Oktober 2015

9

¨ Der kleine Gl¨aubige macht eine große Handbewegung: “Sie ist hier! Uberall um uns herum. Wir leben in ihr und durch sie. Ohne sie k¨onnen wir gar nicht existieren!” Der Skeptiker kann es nicht fassen: “Meine G¨ ute, das ist nun wirklich der Gipfel der Dummheit. Ich jedenfalls kann deine Mutter nicht sehen! Nicht mal ein St¨ uckchen von ihr – es ist doch v¨ollig o↵ensichtlich, dass sie nicht existiert!” Der kleine Gl¨aubige sch¨ uttelt den Kopf und schließt die Augen: “Manchmal, wenn wir ganz still sind, h¨ore ich, wie sie singt. Oder unsere Welt streichelt. Ich f¨ uhle und glaube fest daran, dass die Geburt ein neuer großer Anfang ist!” ¨ (Tschechisches Orginal von M´ıla Rejlkov´a, Ubersetzung und Bearbeitung durch David Rotter) Liebe Gemeinde Im Nachhinein wissen wir, dass der kleine Gl¨aubige im Mutterleib recht hatte und dass der kleine Skeptiker, der sich u ¨ber seinen Bruder lustig machte, die typischen Argumente eines Skeptikers pr¨asentierte. Mit dem Wissen eines Embryos und mit der Efahrung eines Embryos gehen sie die Frage an, ob es ein Leben nach der Geburt g¨abe. Die Ausgangslage ist gleich f¨ ur beide. Aber f¨ ur den Skeptiker ist das Leben im Mutterleib dunkel, traurig, und ho↵nungslos. Er kennt das Licht nicht, und deshalb gibt es f¨ ur ihn kein Licht. Laufen und essen k¨onnen und zwar unabh¨angig von der Nabelschnur sind reinster Wahnsinn. Er kennt ja nichts anderes als die Nabelschnur. Das Leben nach der Geburt ohne Nabelschur ist unm¨oglich. Die Geburt ist f¨ ur den Skeptiker gleich wie das Ende des Lebens. Er hat seine Mutter nie gesehen, deshalb gibt es f¨ ur ihn keine Mutter, die sich nach ihm sehnt. Obwohl rund um ihn viele Beweise darauf hinweisen, dass es seine pers¨onliche Mutter geben soll. Obwohl er durch seine Nabelschnur sieht, dass er st¨andig ern¨ahrt wird und im Bauch von seiner Mutter am Leben erhalten wird, ist er u ¨berzeugt, dass es sie nicht gibt. Einmal waren wir auch Embryos. Aber heute ist es klar, dass es Licht gibt, und dass das Leben nach der Geburt weitergeht, auch ohne Nabelschnur. Wir haben unsere Mutter kennengelernt, ihre Liebe empfangen und sie zur¨ uckgeliebt. Selbstverst¨andlich existiert sie. Unser Leben heute ist ein Wunder. Wir k¨onnen es nicht ekl¨aren, und es ist f¨ ur uns alle ein Neuanfang gewesen. Die Geschichte liegt uns Nahe, dass es Leben nach dem Tod gibt, und dass der Tod nicht das Ende ist. Nat¨ urlich k¨onnen die Skeptiker sagen, dass sie Gott nie begegnet

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 25. Oktober 2015

10

sind. Wir haben niemanden getro↵en, der oder die nach dem Tod zur¨ uck in diese Welt gekommen ist. Die Bibel beschreibt das Reich Gottes nicht als ein dunkler Ort des Todes, sondern als ein Ort der Freude, der Gerechtigkeit, der pers¨onlichen Gemeinschaft mit Gott selbst. Im letzten Buch der Bibel, der O↵enbarung steht geschrieben, dass im Reich Gottes der Tod nicht mehr sein wird, und kein Leid, kein Geschrei und keine M¨ uhsal wird mehr sein; denn was zuerst war, das heisst, das, was wir heute erleben ist vergangen. Gott macht alles neu (O↵enbarung 21:4-5). In einem gewissen Sinne sind wir alle jetzt im gleichen Boot. Wie die zwei Embryos in der Geschichte wissen wir nicht alles. Wir k¨onnen heute noch nicht alles erkl¨aren. Aber vielleicht wird es eines Tages eine sehr einfache Erkl¨arung geben, wie in der Geschichte. Die Frage f¨ ur uns ist, ob wir heute o↵en sind f¨ ur die Stimme und f¨ ur die Zeichen, die vom Leben Gottes kommen. Es ist klar, dass wenn wir unsere Augen zumachen und die Ohren verstopfen und das Herz verschliessen, dann werden wir auch nichts sehen, nichts o¨hren und nichts empfangen k¨onnen. Wenn wir unsere K¨opfe in der Nacht nach hinten neigen und nach oben schauen, dann sollten wir die Sterne bewundern, die sch¨one Milchstrasse, den Mond. So sch¨on. Auf unsere Webseite habe ich ein paar Bilder des roten Mondes hochgelanden. Atemberaubend. Und die blosse Gr¨osse des Weltalls und sein Alter, seine Vergangenheit und seine Zukunft u ¨bersteigen unsere Gedanken. Der Himmel verk¨ undet die Herrlichkeit Gottes und das Firmament bezeugt seine wunderbaren Werke (Psalm 19,2) Neigen wir unseren Kopf nach unten und richten unsern Blick auf die winzig kleine Welt der Zellen, dann verk¨ unden auch sie die Herrlichtkeit Gottes. Wir haben sicher viele Erkenntnisse durch die Wissenschaft gewonnen, aber das Wunder des Lebens u ¨bersteigt unser Verst¨andnis. Alles im Universum veraltet und zerf¨allt. Nicht so zum Beispiel bei der Geburt eines Kindes. Das Leben reorganisiert sich und in einem wunderbaren Augeblick macht en den Zerfallprozess r¨ uckg¨angig. Die Frage f¨ ur uns ist, ob wir heute die unz¨ahligen Wunder noch sehen, die uns Umgeben und uns das Leben Gottes erkl¨aren. Die Natur ist nicht Gott. Aber Gott hat alles wunderbar gescha↵en. Erkennen wir noch Gott in unserem Alltag? Halten wir still ab und zu, um das Herz Gottes schlagen zu h¨oren? Ist es uns bewusst, dass Gott sich nach uns sehnt und dass er uns mit einer unermesslichen Liebe liebt? F¨ uhlen wir uns getrost

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 25. Oktober 2015

11

und sicher bei ihm? Das vertrauende kleine Embryo konnte die Hand seiner Mutter sp¨ uren, die ihren Bauch streichelte. Es konnte das Herz seiner Mutter h¨oren und sp¨ urte ihre Liebe und tr¨aumte von einem Leben in Freiheit und im Licht. Haben wir diese F¨ahigkeit verloren, etwas Gr¨osseres als uns zu sp¨ uren? Hat uns der Sinn f¨ ur Gott aus lauter Entt¨auschungen und Negativit¨at verlassen? Sind wir skeptisch, bitter und zynisch geworden, weil die Dinge nicht so laufen, wie wir es gew¨ unscht h¨atten? Wir sind alle im gleichen Boot. Wie k¨onnen wir Gott erkennen? Wie k¨onnen wir seine Liebe wieder sp¨ uren? Wie k¨onnen wir wissen, dass wir in ihm sicher sind? Wie k¨onnen wir unsere Angst und unsere eigene Skepsis hinter uns lassen und uns in Gott vertrauende Menschen verwandeln? Im Vergleich zu den zwei Embryos in der Dunkelheit des Mutterleibes haben wir einen gewaltigen Vorsprung. Einer ist tats¨achlich vom Reich des Lebens und der Liebe Gottes zu uns in dieser Welt gekommen. Er war wie ein Meteorit, der Himmel und Erde heller als die Sonne erhellt. Als er kam, kam er nicht mit einem grossen krach. Er kam als ein Kind und er sprach leise. Aber als er kam, war er wie ein starkes Licht an einem dunklen Ort. Und die Schockwellen seiner Worte und seiner Taten haben unsere Geschichte ver¨andert und sie erreichen uns noch heute. Er hat uns klar erz¨ahlt und gezeigt, wie wunderbar das Leben Gottes und das Leben mit Gott ist. Ein Leben ohne ihn macht gar keinen Sinn. Es macht keinen Sinn ein Leben in der Dunkelheit und in Gefangenschaft vor einem greifbaren Leben in Freiheit und im Licht zu bevorzugen. Er ist gekommen, um uns zu sagen, wie wir schon jetzt, schon heute Gott vertrauen k¨onnen. Ein hoch angesehener Mann wollte genau das von Jesus wissen. Wie kann ich Gott glauben? Wie kann ich schon jetzt teil haben am Leben Gottes? Johannes 3, 1-7 Einer von den M¨annern des Hohen Rates war der Pharis¨aer Nikodemus. 2 Mitten in der Nacht kam er heimlich zu Jesus: “Meister”, sagte er, ”wir wissen, dass Gott dich als Lehrer zu uns gesandt hat. Denn niemand kann die Wunder tun, die du vollbringst, wenn Gott ihn nicht dazu bef¨ahigt.” 3 Darauf erwiderte Jesus: “Ich will dir etwas sagen, Nikodemus: Wer nicht neu geboren wird, kann nicht in Gottes neue Welt kommen.”

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 25. Oktober 2015

12

4 Verst¨andnislos fragte der Pharis¨aer: “Wie kann ein Erwachsener neu geboren werden? Er kann doch nicht wieder in den Mutterleib zur¨ uck und noch einmal auf die Welt kommen!” 5 “Ich sage dir die Wahrheit!”, entgegnete Jesus. ”Nur wer durch Wasser und durch Gottes Geist neu geboren wird, kann in Gottes neue Welt kommen! 6 Ein Mensch kann immer nur menschliches Leben zur Welt bringen. Wer aber durch Gottes Geist geboren wird, bekommt neues Leben. 7 Wundere dich deshalb nicht, wenn ich dir gesagt habe: Ihr m¨ usst neu geboren werden. Nikodemus wollte verstehen aber konnte nicht. “Wie soll dies denn geschehen?” fragte er weiter. Nikodemus war ein bekannter Lehrer im Land und Jesus erinnerte ihn an eine Geschichte von Mose. Als Moses das Volk Israel durch die W¨ uste f¨ uhrte, kamen giftige schlagen ins Lager des Volkes. Und viele Menschen begannen zu sterben. Mose betete, dann sagte Gott “Mach dir eine bronzene Giftschlange, und befestige sie am Ende eines Pfahls. Dann sag den Israeliten: Jeder, der gebissen wird und sie ansieht, bleibt am Leben”. Und es geschah, dass wer gebissen wurde, brauchte nur auf die bronzene Schlange zu sehen und war gerettet (3. Mose 21, 8-9) ... 14 Du weißt doch, wie Mose in der W¨ uste eine Schlange aus Bronze an einem Pfahl aufrichtete, damit jeder, der sie ansah, am Leben blieb. Genauso muss auch der Menschensohn erh¨oht werden. 15 Jeder, der ihm vertraut, wird das ewige Leben haben. 16 Denn Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn f¨ ur sie hergab. Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen, sondern das ewige Leben haben. Dies ist die neue Geburt, der Neuanfang, von dem Jesus gesagt hat “Ihr m¨ usst neu geboren werden”. Wenn wir das Kreuz betrachten und realisieren, dass es Gott selbst ist, der sich f¨ ur mich ganz und voll hingibt, der mir die Liebe Gottes beweist, der mir das Licht seines Lebens geben will, der mir seine Gnade zeigt und mir alle meine Missetaten vergibt. Dann geschieht das Wunder der neuen Geburt, dann f¨angt etwas neues an. Dann

Francesco Mordasini, Reformierte Kirche Dielsdorf, 25. Oktober 2015

13

sind wir nicht nur von unserer Mutter und von unserem Vater geboren, sondern auch von Gott. Dann o¨↵net sich unser Herz f¨ ur Gott und pl¨otzlich realisieren wir, wie nahe er uns ist. Eine neue vertrauende Beziehung mit ihm beginnt. Und unser Leben beginnt, Sinn zu machen und sich mit Freude zu erf¨ ullen, egal wie unsere Lebensumst¨ande aussehen. Amen!