Zu Tisch mit König Artus und Parzival - PDFDOKUMENT.COM

entsteht in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts.20 Die ältesten Belege finden sich in der. Kaiserchronik .... in Frankreich entwickelt worden sind. So auch ...
13MB Größe 2 Downloads 48 Ansichten
Höhner, Jens: Zu Tisch mit König Artus und Parzival: Mähler in epischen Texten des Mittelalters im Kontext höfischer Etikette, höfischer Kommunikationsformen und rhetorischer Darstellung. Hamburg, disserta Verlag, 2015 Buch-ISBN: 978-3-95425-966-3 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95425-967-0 Druck/Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: pixabay.com

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und die Diplomica Verlag GmbH, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Alle Rechte vorbehalten © disserta Verlag, Imprint der Diplomica Verlag GmbH Hermannstal 119k, 22119 Hamburg http://www.disserta-verlag.de, Hamburg 2015 Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ............................................................................................................................ 9 2 Das epische Mahl: Begriffe und grundlegende Komponenten ..................................... 13 2.1 Der Begriff des Höfischen............................................................................................ 13 2.2 Das Spektrum der epischen wirtschaft ......................................................................... 15 2.3 Die Begriffe der êre und der zuht ................................................................................. 18 2.4 Die wirtschaft als episches Motiv ................................................................................ 20 2.4.1 Warum überhaupt essen? ..................................................................................... 20 2.4.2 Was kommt auf den Tisch? .................................................................................. 25 2.4.3 Wie verhält sich der vorbildliche Gastgeber? ...................................................... 27 2.5 Speisen als Festereignis ................................................................................................ 33 2.5.1 Nibelungenlied: Die Reihe der gelungenen Feste ................................................ 34 2.5.2 Nibelungenlied: Das fatale Hoffest König Gunthers............................................ 38 3 Das epische Mahl: Analysen eines Handlungsschauplatzes ......................................... 40 3.1 Speisen in Wunderwelten ............................................................................................. 41 3.1.1 Alexanderlied: Die Tafel der Königin Candacis .................................................. 41 3.1.2 Herzog Ernst: Das Hochzeitsmahl des Kranichkönigs ........................................ 42 3.1.3 Salman und Morolf: An der Tafel des Bibelkönigs.............................................. 46 3.1.4 Trojanerkrieg: Speisen mit Göttern und Zentauren ............................................. 47 3.2 Speisen im leeren Palas: Das Tischlein-Deck-Dich-Motiv .......................................... 48 3.3 Mähler im religiös-kultischen Kontext ........................................................................ 51 3.3.1 Münchner Oswald: Der christliche König ........................................................... 52 3.3.1.1 Das Zahlenschema .......................................................................................... 54 3.3.1.2 Das Motiv der Eucharistie .............................................................................. 55 3.3.2 Parzival: Die Munsalvaesche-Mähler .................................................................. 56 3.3.2.1 Das erste Festmahl in Munsalvaesche ............................................................ 56 3.3.2.1.1 Motive der Designation............................................................................. 59 3.3.2.1.2 Reichtum und Trauer ................................................................................ 61 3.3.2.1.3 Der Ablauf des Gralsmahles ..................................................................... 61 3.3.2.1.3.1 Die Prozession und ihr Aufbau........................................................... 62 3.3.2.1.3.2 Das Mahl ............................................................................................ 66 3.3.2.1.3.3 Fazit .................................................................................................... 68

3.3.2.2 Das zweite Festmahl auf Munsalvaesche ....................................................... 69 3.4 Mähler als Inszenierung und Demonstration von Herrschaft....................................... 70 3.4.1 Motivation politischer Festmähler: Der Rat zum Fest ......................................... 76 3.4.2 Vorbereitung als erster Akt der Repräsentation ................................................... 79 3.4.2.1 Mai und Beaflor: Das Tauffest Beaflors......................................................... 80 3.4.2.3 Wilhelm von Wenden: Der festliche Hoftag ................................................... 80 3.4.2.4 Der guote Gêrhart: Die Perspektive des Aktiven .......................................... 81 3.4.3 Positive Herrscherbilder: Die Tischgemeinschaft als Form ................................. 83 3.4.3.1 Kudrun: Das Krönungsfest von Hagen und Hilde .......................................... 85 3.4.3.2 Morant und Galie: Der reuige Herrscher ....................................................... 85 3.4.3.3 Mai und Beaflor: Hochzeit und Armenspeisung .............................................. 87 3.4.3.4 Wilhelm von Wenden: Das Friedensversprechen ............................................ 89 3.5 Mähler als Schauplatz des Versagens .......................................................................... 92 3.5.1 Mahlesgemeinschaften als öffentliche Zeugengemeinschaften ........................... 93 3.5.1.1 Kaiserchronik: Der Selbstmord Lucretias ...................................................... 94 3.5.1.2 König Rother: Die Schwäche König Konstantins .......................................... 95 3.5.1.3 Heinrich von Kempten: Der Fall der Kaiserkrone .......................................... 98 3.5.2 Der Tod an der Tafel .......................................................................................... 100 3.5.2.1 Nibelungenlied: Das verhängnisvolle Jagdmahl........................................... 101 3.5.2.2 Alexander: Der Gifttod des Herrschers ........................................................ 103 3.5.3 Nibelungenlied: Vom Mahl zur offenen Schlacht .............................................. 104 3.6 Mähler als Zeichen der sozialen Abgrenzung ............................................................ 106 3.6.1 Parzival: Das höfische Mahl im Hause des Fährmanns Plippalinot .................. 106 3.6.2 Willehalm: Die in Frage gestellten Werte des Höfischen .................................. 110 3.6.3 Helmbrecht: Die Entlarvung des Rittertums ...................................................... 115 4 Das epische Mahl: Mahlesszenen aus Artus-Epen als Schauplatz idealer höfischer Etikette ............................................................................................................................. 119 4.1 Die Tafelrunde: Das Funktionieren eines Idealgebildes ............................................ 120 4.2 Das in Frage gestellte Artus-Ideal .............................................................................. 123 4.2.1 Krone: Die Becherprobe beim Artus-Fest .......................................................... 124 4.2.2 Garel vom blühenden Tal: Das Versöhnungsmahl ............................................ 125 4.3 Darstellung von höfischer Idealität ............................................................................ 127 4.3.1 Parzival: Die Erziehung des jungen Parzival ..................................................... 128 4.3.2 Tandareis und Flordibel: Formen des Ehrerweises ........................................... 129

4.3.3 Meleranz: Das Walten der minne ....................................................................... 131 4.3.4 Prächtige Hoffeste jenseits des Artus-Hofes ...................................................... 134 4.3.5 Fehlverhalten im Tandareis und Flordibel und Tristan (HvF) .......................... 136 4.3.6 Ehre an König Artus: Der prächtige Empfang im Tristan (HvF) ...................... 137 4.4 Mähler als Instanz der Prüfung .................................................................................. 138 4.4.1 Krone: Die gemeisterte Erlösungsfrage ............................................................. 139 4.4.2 Daniel von dem blühenden Tal: Die Herausforderung....................................... 141 5 Zusammenfassung .......................................................................................................... 144 6 Literatur .......................................................................................................................... 148 6.1 Editionen .................................................................................................................... 148 6.2 Lexika und Nachschlagewerke................................................................................... 151 6.3 Sekundärliteratur ........................................................................................................ 152

1 Einleitung Ob Siegfried ein Freund würziger Würste ist, ob Herzog Ernst knuspriges Hähnchen liebt oder Parzival vielleicht sogar die vegetarische Küche verehrt, das wissen allein die Erzähler. Doch sie verraten es nicht. Denn wenn sie zwischen Abenteuern und Kämpfen, zwischen minne-Erlebnissen, prächtigen Festen und hitzigen Turnieren auch von Mahlzeiten berichten, gewähren sie den Blick auf Handlungsschauplätze, die sie mit wortreichen Bildern des höfischen Lebens ausmalen. Was da in den Mündern der Speisenden verschwindet, ist nur von geringem Interesse. Von größerer Bedeutung ist dagegen, wie gegessen wird. Und noch wichtiger ist, wie der Gastgeber das Mahl ausrichtet, wie er seine Bediensteten anleitet und wie diese den Tischdienst versehen und sich um das Wohl der Gäste an den Tafeln kümmern. Ziel ist es, ein höfisches Mahl zu arrangieren. Von zuht ist daher oft die Rede, von Speisen in übermäßigen Mengen und dem vorbildlichen Verhalten derjenigen, die gerade essen. Dies ist das Ideal. Aus der historischen Realität und der realen höfischen Lebenswelt bekannte Regeln und Normen geben auch in der epischen Realität die Bedingungen für ein gelungenes Mahl vor. Obwohl diese Lebenssphäre dem Publikum aus dem eigenen Lebensumfeld bekannt ist, muss ein enormes Interesse an Speiseszenen bestehen, denn sonst wäre ihre große Zahl in den mittelalterlichen Epen nicht zu erklären.1 So findet sich abseits dieser Szenen gelungener Mähler, die zumeist im Rahmen höfischer Feste stattfinden, eine ebenso große Anzahl von Speiseszenen, in denen das Regelwerk höfischer Normen und der Etikette verworfen wird. Das Mahl scheitert. Daher spielen auch die Extrembereiche des epischen Mahls eine nicht unerhebliche Rolle. Dies gilt auch für Mähler, die jenseits der Palasmauern und damit außerhalb des Repräsentationsraumes einer Burg oder Pfalz abgehalten werden2: Sie beleuchten das literarische Phänomen der epischen Mahlzeit aus einer anderen Perspektive, die erst durch die Abwesenheit des Höfischen möglich wird. Dies sind die vordergründigen Verständnisebenen epischer Mähler. Doch da zwischen dem Mahl und seinem Ausrichter immer eine enge ideelle Verbindung besteht, öffnet sich noch eine zweite Verständnisebene hinter dem dargestellten Geschehen – nämlich die der Reprä1

Der Begriff Publikum bezeichnet größtenteils Zuhörer an den Adelshöfen. Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur – Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter, München 71994, S. 706f., S. 718 und S. 723. Im Folgenden zitiert: „Bumke: Kultur“. 2 Vgl. Binding, Günther: Palas, in: Lexikon des Mittelalters, hrsg. v. Robert Auty, Robert-Henri Bautier und Norbert Angermann, 9 Bde., München/Zürich 1980-1998, hier: Bd. VI, Sp. 1631f. Im Folgenden wird das Lexikon des Mittelalters zitiert als „LexMA“ mit dem jeweiligen Band. Vgl. auch Bumke: Kultur, S. 152f.

9

sentation: Denn ob das Mahl gelingt oder scheitert, immer wirft das Geschehen Licht auf den Gastgeber. Entweder es gereicht ihm zur Ehre und fördert sein Ansehen. Im schlimmsten Fall dagegen schadet es seinem Ruf. Jede Speiseszene besitzt daher auch ein hohes Demonstrationspotenzial. Gleichzeitig zeigt eine solche Szene immer auch das elitäre Selbstverständnis des mittelalterlichen Adels auf. Historische Realität und episches Geschehen miteinander in Verbindung zu setzen, ist problematisch. Doch Zusammenhänge sind vorhanden, wie JOACHIM BUMKE – insbesondere in Bezug auf das Artus-Fest – betont: „Im Hinblick auf die Wirklichkeit der Hoffeste muß die Gesellschaftsdarstellung der höfischen Dichtung anders beurteilt werden als auf die Alltagsrealität. Das poetische Bild der Festgesellschaft, die sich zu Pfingsten am Hof von König Artus versammelte, bezeugt in vielen Details der materiellen Kultur und der höfischen Umgangsformen das moderne Gepräge des zeitgenössischen Hoflebens. Selbst die Tendenz zu idealisierender Übersteigerung, die für die poetischen Schilderungen so kennzeichnend ist, hatte eine Grundlage in der Wirklichkeit: Die Veranstalter der großen Hoffeste haben sich nicht selten von dem Bestreben leiten lassen, alles Dagewesene durch ungeheueren Prachtaufwand zu überbieten“.3 Idealisierungstendenzen und Detailrealismus seien zudem keine Gegensätze.4 Eine Ausnahme ist der Eneasroman Heinrichs von Veldeke: Wenn der Erzähler in diesem Epos das Hochzeitsfest von Lavinia und Eneas (335,33-348,4) beschreibt, so fließen in diese Schilderung Eindrücke vom Mainzer Hoffest Kaisers Friedrich Barbarossa (1184) ein. Heinrich hat es miterlebt.5 Gleichwohl stellt Bumke im Hinblick auf den Zeugniswert literarischer Texte fest: „Die Ebene der Realität, zu der sie sich direkt in Beziehung setzen lassen, ist nicht die der materiellen Gegenstände oder der faktischen Vorgänge, sondern die Wirklichkeit der Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche, die Wirklichkeit des gesellschaftlichen Bewußtseins und der kulturellen Normen“.6 Eine systematische Durchsicht epischer Mahlesszenen vor diesem Hintergrund fehle bisher, wie ELKE BRÜGGEN betont.7

3

Bumke: Kultur, S. 13. Vgl. ebd., S. 18. 5 Vgl. ebd., S. 280f. Vgl. auch Moraw, Peter: Die Hoffeste Kaiser Friedrich Barbarossas von 1184 und 1188, in: Feste und Feiern im Mittelalter, hrsg. v. Detlef Altenburg, Jörg Jarnut und Hans-Hugo Steinhoff, Sigmaringen 1991, S. 70-83, hier: S. 76f. 6 Bumke: Kultur, S. 24f. Vgl. auch Haupt, Barbara: Das Fest in der Dichtung – Untersuchungen zur historischen Semantik eines literarischen Motivs in der mittelhochdeutschen Epik, Düsseldorf 1989, S. 163. 7 Brüggen, Elke: Von der Kunst, miteinander zu speisen – Kultur und Konflikt im Spiegel mittelalterlicher Vorstellungen vom Verhalten bei Tisch, in: Spannungen und Konflikte menschlichen Zusammenlebens in der 4

10

Anders ist die Forschungslage im Bereich der Geschichtsforschung. Hier hat GERD ALTHOFF die Funktionalität realhistorischer Mähler veranschaulicht und analysiert: „Mit Mählern und Festen begründete und stärkte man Gemeinschaft, schuf und erprobte eine Atmosphäre des friedlichen Umgangs miteinander, die auch in Zukunft die Grundlage des Verhältnisses von Speisenden und Feiernden bilden sollte“.8 Mähler besitzen somit identifikationsstiftenden und zukunftsweisenden Charakter. Von jeher steht insbesondere das Fest für eine Kristallisationsform von Herrschafts- und Gemeinschaftsbildung zugleich.9 Dies ist auch für die epischen Mahlesszenen feststellbar, zumal sich das Aufblühen der höfischen Literatur und die Entwicklung bestehender Herrschaftsstrukturen zu Formen der Landesherrschaft und zur Territorialherrschaft nahezu zeitgleich vollziehen. So stellt BARBARA HAUPT fest: „Mit diesem Prozeß gehen einher tiefgreifende gesellschaftliche Umstrukturierungen im politischen, sozialen, wirtschaftlichen und auch im geistigen und emotionalen Bereich und bilden gleichsam die Matrix für die Entstehung neuer literarischer Ausdrucksformen“. Haupt beschreibt die Genese des Festmotivs in der mittelalterlichen Epik, mit dessen Hilfe „[...] in bildhaft-szenischer, oft geradezu bühnenmäßiger Weise ein Herrscherbild, das unverkennbar zugeschnitten ist auf die Gegebenheiten in den sich entwickelnden Territorien, [gezeichnet wird]“.10 So thematisieren bereits die Festszenen im frühen König Rother, im Eneasroman und im Rolandslied diesen Aspekt der Herrschaft. Eine systematische Durchsicht epischer Mahlesszenen aus der mittelalterlichen Literatur anhand der von Althoff formulierten Ergebnisse ist bisher ausgeblieben. Zwar hat RENATE ROOS ein umfangreiches Konvolut von Szenen dieser Art zusammengetragen, doch betrachtet sie allein den Inhalt der jeweiligen Textpassage.11 Die Forschungen von Roos bilden die Grundlage dieser Arbeit. Die Forschungen JOACHIM BUMKES12, BARBARA HAUPTS13 und RENATE MARQUARDTS14 ergänzen diese Basis und liefern weitere Hilfe für das Auffinden und

deutschen Literatur des Mittelalters, hrsg. v. Kurt Gärtner, Bristoler Kolloquium 1993 S. 235-249, hier: S. 236f. sowie S. 238-240. 8 Althoff, Gerd: Fest und Bündnis, in: Feste und Feiern im Mittelalter, hrsg. v. Detlef Altenburg, Jörg Jarnut und Hans-Hugo Steinhoff, Sigmaringen 1991, S. 29-38, hier: S. 29 und S. 36. Im Folgenden zitiert: „Althoff: Fest und Bündnis“. 9 Vgl. Haupt, S. 26. 10 Vgl. ebd., S. 279. 11 Roos, Renate: Begrüßung, Abschied, Mahlzeit – Studien zur Darstellung höfischer Lebensweise in Werken der Zeit von 1150 bis 1320, Diss. Bonn 1975. 12 Wie Anmerkung (Anm.) 1. 13 Wie Anm. 3. 14 Marquardt, Rosemarie: Das höfische Fest im Spiegel der mittelhochdeutschen Dichtung (1140-1240), Göppingen 1985.

11

das Erschließen von Mahlesszenen. Auch die üppigen Forschungen von ALWIN SCHULTZ15 sind noch berücksichtigt, allerdings mit geringem Einfluss auf diese Studie. Ihnen sind einzelne Hinweise auf Textstellen zu verdanken. Aus den 52 bearbeiteten und hier aufgenommenen mittelalterlichen Werken ergibt sich ein dichter Korpus an Textstellen, ohne dass jedoch der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Ergänzt wird das dieser Analyse zu Grunde liegende Epen-Konvolut wegen einiger nützlicher Textbeispiele durch die Kaiserchronik sowie durch die Novellen Die Heidin und Helmbrecht Wernhers des Gartenaeres. Die Studie unterscheidet zunächst zwischen ArtusEpen und Epen, die eben nicht den Artus-Hof als Zentrum haben. Einem ersten Teil, der sich mit der erzählerischen Oberfläche der Mahlesszenen beschäftigt, wichtige Begriffe für die Gestaltung einer solchen Episode nennt und maßgebliche Begriffe klärt, folgt die Analyse der einzelnen Textbeispiele. Daran schließen sich Betrachtungen einzelner Mahlesszenen an, die sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der schützenden Palasmauern und des höfischen Lebens abspielen. Die jeweilige Situation des stattfindenden Mahls, der Ort und das Geschehen an den Tischen oder um sie herum, bieten die Ordnungskriterien für die Untersuchungen. Die Gliederung innerhalb der Analysekapitel ist eine chronologische, doch machen thematische Gesichtspunkte ein Abweichen von diesem Schema gelegentlich sinnvoll. Ziel dieser Studie ist es, eine Übersicht über verschiedene Spielarten von Mahlesszenen zu bieten, Interpretationsansätze aufzuzeigen und ihre Einbindung in den Kontext höfischer Etikette, der Kommunikationsformen und in den Bereich der rhetorischen Darstellung darzustellen.

15

Schultz, Alwin: Das Höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, Bd. 1, Leipzig 21889.

12

2 Das epische Mahl: Begriffe und grundlegende Komponenten niht langer sie enbeiten,/ ir ezzen sie gireiten,/ so si aller beste mohten do/ vnd giengen sizen dar z (111,5-8). Liest man diese Verse allein und vernachlässigt man ihren Kontext völlig, so deutet nichts daraufhin, dass in dieser Passage des Eneasromans Heinrichs von Veldeke kein gewöhnliches Mahl stattfindet. Eneas und sein Gefolge sind an der Tibermündung in Italien gestrandet. An diesem Ort und unter diesen Umständen ein Mahl abzuhalten, wie es die Ritter aus ihrer gewohnten Umgebung kennen, erscheint undenkbar. Doch Eneas und sein Gefolge improvisieren: Sie bereiten sich selbst eine Mahlzeit, die trotz widriger Umstände und fehlender Mittel höfischen Normen entspricht. Die Ritter sitzen auf dem nackten Erdboden. Da Tische fehlen, legen sie das Brot in den Schoß.16 Aus den Laiben schließlich formen sie Schüsseln unterschiedlicher Größe, um daraus Fisch und Fleisch zu essen. Die Nachahmung, die Improvisation eines höfischen Mahles glückt jedoch: daz gimarchte ir dehein/ aller der, di da sazen (111,26-27).

2.1 Der Begriff des Höfischen Eneas’ Gefährte Aschanius bemerkt schließlich die verborgene Komik der Situation. Doch statt über das Schicksal zu spotten, gelobt er, sich immer daran zu erinnern und lobend davon zu erzählen: diz ist ein hoveslich dinch (111,32).17 Sogleich veranstalten Eneas und sein Gefolge einen Buhurt zu Ehren der Götter und bringen Opfer dar (112,25-31). Mahl, Buhurt, das Turnierspiel mit stumpfen Waffen oder gänzlich ohne Waffen18, und bedingt auch der kultisch-religiöse Akt der Opfergabe sind Kennzeichen eines höfischen Festes. Das Mahl wird darüber hinaus zum gemeinschaftsstiftenden Ritual: „[Im Ritual] bringt sich die Gesellschaft selbst zum Ausdruck; es wirkt gemeinschaftsstiftend, indem es die verbindlichen Normen und Leitbilder aktualisiert und einübt, beziehungsweise das alltägliche und weniger alltägliche Handeln strukturiert und ordnet“, so die Definition von GERHARD WOLF.19 Die gestrandete 16

Brot dient im Mittelalter als Unterlage, als Teller gewissermaßen. Vgl. Ehlert, Trude: Kochbuch des Mittelalters, Düsseldorf 2000, S. 20. Im Folgenden zitiert: „Ehlert: Kochbuch“. 17 Vgl. Schubert, Martin J.: Zur Theorie des Gebarens im Mittelalter – Analyse nichtsprachlicher Äußerung in mittelhochdeutscher Epik – Rolandslied, Eneasroman, Tristan, Köln/Wien 1991, S. 155. 18 Vgl. Bumke: Kultur, S. 357f. 19 Wolf, Gerhard: Inszenierte Wirklichkeit und literarisierte Aufführung – Bedingungen und Funktion der „Performance“ in Spiel- und Chroniktexten des Spätmittelalters, in: „Aufführung“ und „Schrift“ in Mittelalter und früher Neuzeit, hrsg. v. Jan-Dirk Müller, Stuttgart/Weimar 1996, S. 381-405, hier: S. 382f.

13

Gesellschaft des Eneas ist eine höfische, die sich außerhalb der gewohnten Umgebung ihrer Herkunft bewusst ist und diese in ihrem Gebaren zum Ausdruck bringt. Ein Ritual findet statt, in dem Normen und Leitbilder der ungewöhnlichen und ungebührlichen Situation angepasst, mithin aktualisiert werden. Die Garantie vorhersehbarer Abläufe, von der Wolf weiterhin spricht, ist gegeben. Aschanius ist es, der dem Mahl den Charakter des Höfischen zuspricht. Das Wesen des Höfischen ist schwer zu fassen, da es aus dem kulturellen Selbstverständnis seiner Zeit hervorgeht und dem Sprachgebrauch eben dieser Zeit entspricht. Es ist der Hauptbegriff der adligen Gesellschaftskultur, die sich im 12. Jahrhundert an den großen Höfen entwickelt. Das Wort hövesch in seiner Bedeutung für hofgemäßes, gebildetes und gesittetes Verhalten entsteht in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts.20 Die ältesten Belege finden sich in der Kaiserchronik (etwa 4351).21 Im König Rother ist der Gebrauch schon wesentlich abstrakter: Hier meint der Begriff hövescheit bereits allgemein das höfische Wesen und die höfische Sitte, somit die Geisteshaltung der Oberschicht, die sich eben in den Verhaltensnormen, die das Höfische kennzeichnen, auskennt und diese praktiziert. „,Höfisch wurde zum Programmwort für ein Gesellschaftsideal, in dem äußerer Glanz, körperliche Schönheit, vornehme Abstammung, Reichtum und Ansehen mit edler Gesinnung, feinem Benehmen, ritterlicher Tugend und Frömmigkeit verbunden waren“, so Bumke.22 In der Szene aus dem Eneasroman existieren diese Begriffe im bewussten Handeln der gestrandeten Ritter. Höfisches Verhalten ist ihnen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie sich trotz widriger Umstände zu helfen wissen und dem Ideal folgen können. Darüber vergisst die gestrandete Schar ihr Leid und geht zum Buhurt und zur Opfergabe über. Der Buhurt ist Teil eines höfischen Festes. Die Opfergabe dagegen bringt die Dankbarkeit der Ritter darüber zum Ausdruck, dass sie trotz der ungebührlichen Situation höfisches Verhalten praktizieren zu wissen. Das Essen wird zum gemeinschaftsstiftenden Ritual. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nicht nur an die Analysen Althoffs von realhistorischen Mählern des frühen Mittelalters, sondern auch an die Betrachtungen KARL HAUCKs, der diese Funktion für rituelle Speisegemeinschaften im 10. und 11. Jahrhundert anhand realhistorischer Quellen

20

Vgl. Bumke: Kultur, S. 78 und S. 426. Das Adjektiv hovebaere (höfisch) ist laut Bumke zum ersten Mal im König Rother belegt. Vgl. ebd., S. 78. 22 Ebd., S. 80. 21

14

feststellt und sie auf das Leitmotiv des christlichen Abendmahls zurückführt.23 Dieses habe ebenfalls gemeinschaftsbildenden Charakter. Darüber hinaus stellt Hauck die Verbindung des althochdeutschen Wortes gileibo zum mittellateinischen Begriff companio dar, die beide das gemeinsame Essen vom selben Laib Brot meinen. Nachdem Aschanius seine Gedanken geäußert hat und zudem gelobt, sich immer an dieses besondere Mahl zu erinnern, reagiert Eneas mit herzlicher Freude auf das Gesagte. Er erinnert sich seinerseits an die Prophezeiung seines Vaters Achises, in der Eneas nun die Gewogenheit der Götter erkennt (112,10-24). Und dies wiederum freut alle Ritter. Die Freude an sich ist ebenso ein zentraler Begriff der hövescheit: Sie ist das Ziel. Wer den Regeln der hövescheit folgt, wird sie erreichen – mit der vröude einher geht hôher muot, der im höfischen Kontext die Hochherzigkeit und das gesellschaftliche Hochgefühl des Ritters bestimmt. vröude an sich meint den Zustand festlicher Erregtheit und der Erhabenheit über den Alltag, somit ein gesteigertes Selbstbewusstsein.24 Die genannten Aspekte sind für das improvisierte Mahl aus dem Eneasroman feststellbar, so dass es als höfisch gelten kann. An diesen Werten sind alle Mahlesszenen zu messen – sie entscheiden darüber, welches Mahl als höfisch anzusehen ist und welches nicht. Garanten für das Gelingen eines solchen Mahles sind der Gastgeber und die Bediensteten, für deren Verhalten Begriffe wie williger muot und zuht maßgeblich sind. Diese Begriffe werden an späterer Stelle geklärt, da zunächst die Oberfläche der epischen Mahlzeit zu betrachten ist.

2.2 Das Spektrum der epischen wirtschaft Gastmahl, Gasterei, Schmaus, die Tätigkeiten des Hausherrn oder des Schankwirtes allgemein, sowie all jenes, das zur Bewirtung zählt – diese Inhalte gehören zunächst zum weiten Bedeutungsspektrum des mittelhochdeutschen Wortes wirtschaft, mit dem die Erzähler die epischen Mähler meist bezeichnen.25 Der Bedeutungsinhalt dieses Wortes verschiebt sich im Laufe der Zeit von der Bezeichnung eines gewöhnlichen Mahles hin zum weniger konkreten, 23

Vgl. Hauck, Karl: Rituelle Speisegemeinschaft im 10. und 11. Jahrhundert, in Studium Generale 3 (1950), S. 611-621. Hauck beschäftigt sich ferner mit Mählern, die der Versöhnung von Gildemitgliedern dienen. Zudem betrachtet er Liebesmähler zum Totengedenken, Ostermähler, Gastmähler und Krönungsmähler. 24 Vgl. Bumke: Kultur, S. 427f. 25 Vgl. Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, 3 Bde., Leipzig 1872-1878/Nachdruck Stuttgart 1970, hier: Bd. 3, Sp. 934f. Im Folgenden zitiert: „Lexer 3“. Vgl. auch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bde. 33, Nachdruck der ersten Ausgabe, Leipzig/München 1854-1984, hier: Bd. 30, Sp. 662. Im Folgenden wird das Deutsche Wörterbuch zitiert als „DWB“ mit dem jeweiligen Band.

15

aber beinahe ausschließlich verwendeten Begriff für das Fest an sich oder für die festliche Freude allgemein, bis er zuletzt auch die Hochzeit oder das heilige Abendmahl meint.26 Die Bezeichnung eines Mahles ohne festlichen Charakter als wirtschaft jedoch bleibt immer auffallend selten – „[…] wohl weil bei wirtschaft eben von haus aus an eine besondere Veranstaltung mit Gästen gedacht ist“.27 Für andere Fälle verwendet der Erzähler den Begriff gastunge, der eigentlich die Verpflegung und Beherbergung von Fremden meint, etwa im Willehalm von Orlens Rudolfs von Ems’ (8104-8106).28 Darüber hinaus findet der Begriff imbîz oder inbîz Verwendung, obwohl er eigentlich weniger festliche Mähler bezeichnet.29 Der Erzähler des Willehalm von Orlens indes gebraucht die Bezeichnung imbis und inbis parallel mit gastunge (5747 und 5860) und essen (5840) für jene Mähler, die bei einem Hoffest in Hennegau mit Schwertleiten abgehalten werden (5748, 5831 und 5881). Gelegentlich gebraucht wird die Bezeichnung mâl – indes weitaus seltener als diese beiden Begriffe.30 Zwar ist das Wort wirtschaft eine nominale Ableitung des Wortes wirt31, jedoch löst sich diese Verbindung schon in althochdeutscher Zeit auf, so dass sich der Begriff wirtschaft im Mittelhochdeutschen von seinem allein funktionalen Aspekt in Bezug auf die Tätigkeit des Wirtes fast vollständig gelöst hat. Damit ist dieses Wort in seiner Bedeutung und in seinem Gebrauch wesentlich vielseitiger als der Begriff wirt. Im Neuhochdeutschen aber tritt der Begriff wirtschaft, etwa ab dem 16. Jahrhundert nur noch selten auf und wird dann zumeist in seiner Sonderbedeutung für das Hochzeitsmahl benutzt. 32 Ausnahmen von den genannten Verwendungsformen sind in der mittelhochdeutschen Epik selten. Jedoch legen die Autoren ihren Erzählern auch aus dem Französischen entlehnte Begriffe in den Mund. Damit verweisen sie zum einen auf ästhetische Traditionen. Zum anderen führen sie Neuerungen in diesem Lebensbereich vor – Modeerscheinungen etwa, die in Frankreich entwickelt worden sind. So auch Heinrich von dem Türlin. In Türlins Roman Diu cône33 findet sich der Begriff petit mangiere (6467-6470), mit dem ein Frühstück gemeint 26

Vgl. DWB 30, Sp. 664. Ebd., Sp. 663. 28 Vgl. Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, hier: Bd. 1, Sp. 743. Im Folgenden zitiert: „Lexer 1“. 29 Vgl. ebd., Sp. 1429: Essen, Imbiss oder Mahlzeit. 30 Vgl. ebd., Sp. 2015: Gastmahl, Mahlzeit oder Essen zu bestimmter Zeit; verwendet etwa im Parzival (179,14), Salman und Morolf (17,2), im Trojanerkrieg Konrads von Würzburg (20563), im Lohengrin (6881) und im Helmbrecht Wernhers dem Gartenaere (788). 31 Vgl. Lexer 3, Sp. 933: Haus- und Burgherr, Inhaber eines Wirtshauses. 32 Vgl. DWB 30, Sp. 661. 33 Im Folgenden zitiert: Krone. 27

16

ist; ein vruoimbiz, von dem auch Ulrich von Eschenbach den Erzähler des Wilhelm von Wenden berichten lässt.34 Auch der Erzähler des Willehalm von Orlens Rudolfs von Ems kennt diesen Begriff (11143).35 Zudem benutzt Heinrichs Krone-Erzähler den Begriff gramangir (7649) für die Hauptmahlzeit, der ebenso aus dem Französischen übernommen ist. Der Erzähler beschreibt dieses gramangir nicht nur als ein Mahl, das ganz nach dem Verlangen (hungriger) Männer geschaffen ist, sondern auch als ein Essen, das weder üble noch übelriechende Nebenwirkungen mit sich bringt: Daz sprichet ein sölch imbîz,/ Dâ guoter ezzen grôzer vlîz/ Von dem wirte an geleit was,/ Daz niht blæte noch enjas/ Umb daz herze, der ez az,/ Noch anders keinen bœsen wâz/ Immer gab von dem munde,/ Daz iemen merken kunde,/ Swie er sîn enpfunde (76517659). Dass das Essen dem Hungrigen zudem schnell bereitet sein soll, versteht sich von selbst. Wenn nicht, so empfiehlt der Erzähler dieses: Ich râte, daz man anderswâ/ Von solhen wirten kêre/ Und lâze sie mit unêre (7767-7769). Solche Überlegungen, noch dazu mit humorvollen Untertönen versehen, sind selten in den Epen; ebenso Beschreibungen zum Geschmack oder zur Zubereitungsart des Gereichten. Über die Zubereitung des Wildfleisches, das der Einsiedler dem verwahrlosten Iwein vorsetzt, heißt es im Iwein Hartmanns von Aue jedoch: daz wart mit ungeræte/ gegerwet bî dem viure./ im was der pfeffer tiure,/ daz salz, unde der ezzich (3336-3339). Das Fehlen dieser Gewürze scheint dem Berichterstatter ihre Erwähnung zu erlauben, da es eine Ausnahme vom Gewöhnlichen darstellt und hier die Diskrepanz zwischen höfischer Normalität und gerade herrschender unhöfischer Realität offenbart.36 Ausgerechnet die Schilderung des von sakralen Zügen geprägten Gralsmahles in Munsalvaesche reichert der Parzival-Erzähler mit würzigen Details an: in kleiniu goltvaz man nam,/ als ieslîcher spîse zam,/ salssen, pfeffer, agraz. Dâ het der kiusche und der vrâz/ alle gelîche genuoc (238,25-29). Der Krone-Erzähler liefert ebenfalls einen ausführlichen Bericht, in dem er Speisen und Getränke aufzählt und auf ihren Geschmack hinweist. Als der Ritter Karadas Gawein beherbergt, kümmert er sich ehrenvoll um den Gast und bewirtet ihn zudem vorzüglich (20321-20353): Er hiez ir mit êren pflegen/ Ze bette und ze tische,/ Hüenre unde vische,/ 34

Vgl. Bumke: Kultur, S. 247. Das petit mangiere aus der Krone stärkt nicht nur Gawein – auch sein Pferd wird gefüttert. Dass man die Reittiere nicht vergessen soll, betont auch der Erzähler der Heidin (711-712). 36 Vgl. Roos, S. 359f. Vgl. auch Wenzel, Horst: Ze hove und ze holze – offenlîch und tougen, in: Höfische Literatur – Hofgesellschaft – Höfische Lebensformen um 1200, Kolloquium am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld, hrsg. v. Gert Kaiser und Jan-Dirk Müller, Düsseldorf 1986, S. 277-300, hier: S. 295. Im Folgenden zitiert: „Wenzel: Ze hove“. 35

17

Zam und wiltpræte,/ Mit michelme ræte/ Hielt er sie mit dem ezzen./ Ir wart ouch niht vergezzen/ An dem trinken umb ein hâr:/ Daz was lûter unde clâr,/ Süeze und dar under scharf;/ In dem vazze ez sich ûf warf,/ Sô man ez in schancte (20325-20337). Fazit: Er pflac ir als ein guot wirt,/ Der dar an niht verbirt,/ Wa mite er mac oder kann/ Gewirden einen vrumen man,/ Daz er daz vil gerne tuot (20346-20350).37 Die aus der Krone zitierten Textbeispiele verdeutlichen den widersprüchlichen Kontext, in dem sich die Mahlesszenen häufig bewegen: Eigentlich geht es um die so profane, so alltägliche Tätigkeit der Nahrungsaufnahme, des Essens und des Trinkens. Durch die Übertragung eines Mahles in den Raum des höfischen Lebens allgemein oder in den Rahmen eines höfischen Festes (wie etwa im Parzival) entwickelt sich das Mahl jedoch zu einer Angelegenheit von hohem Prestige für den Gastgeber – zu einer Frage der Ehre, der Repräsentation, womöglich der Rehabilitation, und zur Demonstration von Reichtum, Luxus und in Szene gesetzter Würde. Reichtum wird auch durch kostbare Tafelaccessoires oder auch Gewürze, die im Mittelalter ein kostbares Luxusgut sind, zum Ausdruck gebracht. Immer jedoch gerät das Ausrichten eines Mahles zur sensiblen Aufgabe, da Reichtum und Speisen in reichem Maß nicht ausreichen, um das Gelingen zu garantieren.

2.3 Die Begriffe der êre und der zuht Sensibel, wenn nicht sogar heikel, wird diese Aufgabe, ein höfisches Mahl auszurichten, da nun der Begriff der Ehre ins Spiel kommt. Denn höfische Vorbildlichkeit verhilft zu gesellschaftlichem Ansehen, das die Dichter mit dem Begriff êre bezeichnen. Der Bedeutungshintergrund dieses Wortes ist allerdings weitgefasst: êre meint all jenes, das den Ritter in der Welt auszeichnet. Er meint sowohl höfische Vollkommenheit als auch die Einhaltung der Gebote Gottes und somit das Bewusstsein über Recht und Unrecht.38 Doch er meint auch das Bewusstsein über das gebotene, das ziemliche und schließlich vorbildliche Verhalten: „Für den höfischen Adligen [...] ist grundsätzlich vorauszusetzen, daß seine Vorbildlichkeit öffentlich überprüft wird, das heißt, daß er sich vor den Augen und Ohren der Öffentlichkeit als potentielles Anschauungsobjekt normierter Vorbildlichkeit 37

Auch Gansguoter erweist sich zuvor als guter Gastgeber (13084-13102), der eine vorbildliche Mahlzeit zu richten weiß. In seiner Schilderung erwähnt der Erzähler zudem Accessoires wie ein Gold durchwirktes Seidentischtuch (13089-13090) und zwei Wasserbecken (13091-13092). 38 Vgl. Bumke: Kultur, S. 428. Vgl. auch DWB 3, Sp. 54-57.

18